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Karl Liebknecht 19130509 Durchsichtige Manöver

Karl Liebknecht: Durchsichtige Manöver

Zuschrift an den „Vorwärts"1

[Vorwärts Nr. 114 vom 11. Mai 1913. Nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 6, S. 301 f.]

Es fing damit an, dass ich als Agent des Auslandes verschrien wurde, und heute bin ich zum Agenten des Zentrums und seines Kapitalheiligen Thyssen avanciert: ein Satyrzwischenspiel, in dem nun auch einige ernsthafte Blätter mit agieren.

Das „Berliner Tageblatt", das jüngst in seinem Handelsteil einen Bofist, den die Munitions- und Waffenfabrik gegen mich los platzte, als eine veritable scharf geladene Kanone ästimierte, erwartet meine Äußerung zu der neuen Version. Ihm will ich den Gefallen tun und mit aller gebotenen Feierlichkeit bestätigen, dass das seit etwa einem halben Jahr in meinen Händen befindliche Krupp-Material weder aus der Erzbergerschen noch aus einer anderen Jesuitenkanzlei noch aus den Thyssenschen Jagdrevieren direkt oder indirekt entstammt. Und ich will damit auch dem armen militärfrommen und bewilligungseifrigen Zentrum, dessen Schmerz über die ihm entgangene „Sensation" der „Löwe von Zähringen" so ergreifend ausgedrückt hat und das seine vorbehaltlose Krupp-Gläubigkeit wiederum am 6. Mai in dem Zentrumsorgan des Königreichs Krupp hat versichern lassen, aus dem grausigen Verdacht retten, bei einer politischen Aktion im Interesse friedlicher Kulturentwicklung mit der vaterlandslosen Sozialdemokratie zusammengewirkt zu haben.

In der Tat, mein liebes „Hamburger Fremdenblatt": Die neue Kruppversion ist eine neue Kruppdiversion!

Man begann mit dem Versuch, durch wütendes antisozialdemokratisches Geschrei die Angriffe gegen Krupp und seine Sippe zu überdröhnen; das misslang kläglich. Jetzt möchte man die Kulturkampfinstinkte zur Deckung Krupps mobilisieren. Ein verzweifeltes, hoffnungsloses Manöver. Auch dieser Trick, und selbst das etwaige Schweigen des Zentrums dazu, wird weder zur höheren Profitehre von Rabbi-Krupp noch zur höheren Ehre von Mönch-Thyssen die von vornherein unzweideutig gegen die gesamte private Rüstungsindustrie gerichtete Arbeit der Sozialdemokratie verwirren und um ihre Früchte betrügen.

Erfurt, 9. Mai 1913

Karl Liebknecht

1 Der einleitende Text der „Vorwärts"-Redaktion lautete: Im „Hamburger Fremdenblatt" war dieser Tage die Mär aufgetischt worden, das von dem Genossen Liebknecht zur Aufdeckung des Krupp-Skandals verwandte Material sei ursprünglich in Herrn Erzbergers (Zentrum) Händen gewesen, dem es wieder von dem Hüttengewaltigen Thyssen, bekannt als frommer Katholik und strammer Zentrumsmann, geliefert worden sei. Thyssen habe damit seinen Panzerplatten-Konkurrenten Krupp treffen wollen. Da dank der Vorstellungen Erzbergers den „Beschwerden" des Herrn Thyssen aber von den Reichsstellen inzwischen Rechnung getragen worden sei, habe das Zentrum keine Veranlassung mehr gehabt, das Material selbst zu verwenden, und habe es dafür der Sozialdemokratie zugeschanzt. Dieses blöde Märchen, das von der bürgerlichen Presse gewissenhaft weiter kolportiert wurde, wird nun von dem Genossen Liebknecht durch folgende Zuschrift an den „Vorwärts" zerstört. Die Red.

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