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Karl Liebknecht 19130416 Gegen preußische Privilegien in der Steuerfrage

Karl Liebknecht: Gegen preußische Privilegien in der Steuerfrage

Rede im preußischen Abgeordnetenhaus zum Etat der allgemeinen Finanzverwaltung

[Nach Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Hauses der Abgeordneten, 21. Legislaturperiode, V. Session 1912/13, 10. Bd., Berlin 1913, Sp. 14.377-14.380 b und nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 6, S. 206-214]

Meine Herren, ich darf wohl konstatieren, dass hier ein Drama aufgeführt wird nach der Verabredung zwischen den Parteien der Rechten und dem preußischen Ministerium, dem preußischen Herrn Finanzminister. (Widerspruch rechts. „Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.) Es handelt sich um ein Pronunziamento, das aus Preußen heraus, von der preußischen Fronde ertönt

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

gegen das Reich,

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

und der Herr Finanzminister, der sieht, wie zweifelhaft das Schicksal der Deckungsvorlage im Reichstag ist, geht ins preußische Abgeordnetenhaus,

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

um von dort aus die Mehrheit des preußischen Abgeordnetenhauses gegen den Reichstag aufzuputschen.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten. Lachen rechts.)

Meine Herren, es ist notwendig festzunageln, dass der Herr Finanzminister so weit gegangen ist, die Parteien dieses Hauses aufzufordern,

(Lebhafter Widerspruch rechts. „Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

auf ihre Freunde im Reichstag einzuwirken,

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

dass sie eine Änderung der Deckungsvorlagen gegen den Wunsch der preußischen Regierung und der Mehrheit dieses Hauses verhindern. Meine Herren, dieses Schauspiel ist ein drastischer Beweis dafür, wie dringend es an der Zeit ist, dass der preußische Junkerübermut,

(Lachen rechts.)

der Übermut des Dreiklassenhauses

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten. Erneutes Lachen rechts.)

ein für allemal in seine Schranken zurückgewiesen wird. Es stellt die frivole Auffassung, die hier in diesem Hause über das Reich und seine Kompetenzen herrscht, wiederum vor aller Welt bloß.

(Unruhe und lebhafte Rufe: „Frivol?". Glocke des Präsidenten.)

Präsident Dr. Graf von Schwerin-Läwitz: Herr Abgeordneter Dr. Liebknecht, Sie dürfen der preußischen Regierung nicht eine frivole Auffassung vorwerfen.

(Abgeordneter Hoffmann: „Aber sie darf sie haben!")

Liebknecht: Meine Herren, dass es sich hier um bestellte Arbeit handelt, das ist ja klar; darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Und wenn es keine bestellte Arbeit war, dann beweisen die heutigen Vorgänge, dass die preußische Regierung mit der preußischen Reaktion im Abgeordnetenhaus dermaßen ein Herz und eine Seele ist, dass sie gar nicht nötig haben, sich besonders zu verabreden, um hier eine derartige Attacke gegen das Reich auszuführen.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Wir haben in der Tat alle Veranlassung, gerade angesichts dieses Verhaltens des preußischen Finanzministers und der Mehrheit des Abgeordnetenhauses die Gefahr, die für das Deutsche Reich und seine Selbständigkeit von Preußen aus droht, immer klarer zu erkennen und daraus die nötigen Konsequenzen im Sinne einer Stärkung der Macht des Deutschen Reiches gegenüber den Einzelstaaten zu ziehen.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, der preußische Herr Finanzminister hat hier einen Satz gesprochen, der meiner Ansicht nicht ganz korrekt und logisch zu Ende geführt worden ist, den ich aber gern zu Ende führen möchte. Er hat etwa gesagt, durch direkte Reichssteuern würden die Einzelstaaten dem Reich gegenüber unselbständig werden; bisher, so sagte er, ist es umgekehrt, und es soll so bleiben;

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

das heißt also: Bisher war das Deutsche Reich nach der Auffassung des Herrn Finanzministers gegenüber den Einzelstaaten finanziell unselbständig. Und das soll nach den Worten des Finanzministers so bleiben. Der Herr Finanzminister hat allerdings die Alternative etwas anders zu formulieren gesucht, weil er gesehen hat, welch große Gefährlichkeit diese Formulierung in sich schließt, wie sie mit einem Schlaglicht den Charakter der Finanzpolitik beleuchtet, die von Preußen aus getrieben wird.

In der Tat, meine Herren, so liegt es: Sie wollen dem Deutschen Reich keine finanzielle Selbständigkeit gewähren. Sie wollen die politische Macht auch in dem Sinne in den Einzelstaaten, speziell in Preußen, festhalten, dass Sie die wichtigsten Finanzquellen für sich sichern. Sie denken nicht daran, dem Reich die Möglichkeit zu geben, sich, abgesehen von den indirekten Steuern, eigene Finanzquellen zu verschaffen.

Meine Herren, es handelt sich heute doch nicht darum, dass wir für nichts und wieder nichts irgendwelche Steuern im Reich nötig haben; sondern wir haben Steuern nötig, weil die Regierung und die herrschenden Parteien, die herrschenden Klassen, eine Wehrvorlage für erforderlich halten. Sie sind es, die die Wehrvorlage fordern. Jetzt fragt es sich: Wie wird diese von den herrschenden Klassen für notwendig gehaltene Wehrvorlage gedeckt werden? Sie wünschen, dass diese Deckung in einer Weise vollzogen wird, die Ihnen möglichst wenig wehe tut.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Dass die Militärvorlage dem Interesse der herrschenden Klassen und nicht dem Interesse des gesamten deutschen Volkes dienen soll, das ist Ihnen ja bereits zur Evidenz nachgewiesen.

(Heiterkeit rechts.)

Dass es sich keineswegs um eine Vorlage handelt, die der Sicherheit des Vaterlandes dient, die aus wirklichen patriotischen Gründen erforderlich ist, das brauche ich Ihnen nicht weiter darzulegen. Wir haben ja schon aus der „Kreuz-Zeitung" gehört, aus welchen Gründen sie die Wehrvorlage für erforderlich hält: damit möglichst viele Rekruten in der Armee zur Bekämpfung des inneren Feindes dem militärischen Drill unterworfen werden können,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

und natürlich auch zu dem Zwecke, um möglichst starke Machtmittel gegen den inneren Feind zu besitzen.

Die Wirkung einer Pazifizierung Europas wird damit nimmer erzielt. Im Gegenteil. Es gibt gegenwärtig keine größere Gefahr für den europäischen Frieden als die deutsche Militärvorlage, genau wie die französische.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Das ist gegenwärtig das störendste Element gegenüber einer friedlichen Gestaltung der europäischen Verhältnisse. Und wenn es sich nun darum handelt, die Finanzierung dieser in Ihrem Interesse und im Interesse der Rüstungsinteressenten, mit denen Sie so eng versippt sind, unternommenen Militärvorlage zu vollziehen, erhebt sich das große Geschrei, von dem heute bereits die Rede gewesen ist.

Wie soll nun, um alles in der Welt, die Finanzierung erfolgen? Der Herr Finanzminister hat ja soeben den Blick in die Zukunft getan, den ihm mein Freund Borchardt heute früh empfohlen hat. Der Herr Finanzminister hat bereits von der späteren großen Welle gesprochen, die da kommen werde und die schließlich eine weitere Gefährdung der Finanzhoheit der Einzelstaaten bedeuten werde. Daraus geht hervor, dass der Herr Finanzminister heute schon, bevor wir die jetzige Militärvorlage unter Dach und Fach haben, an die nächste Wehrvorlage denkt, die da kommen wird,

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

dass also unsere Prophezeiungen über die Uferlosigkeit des Wettrüstens durchaus nicht übertrieben sind, dass unsere Auffassung geradezu von den maßgebenden Stellen der preußischen Regierung geteilt wird.

Meine Herren, Sie wünschen, dass das Reich für alle Ewigkeit auf indirekte Steuern angewiesen bleiben soll. Wenn Ihnen daran gelegen wäre, steuerliche Gerechtigkeit walten zu lassen, dann würden Sie doch nicht einen Moment daran zweifeln können, dass alle künftigen Reichslasten nur durch direkte Steuern aufgebracht werden können, dass indirekte Steuern, die die ungerechtesten Steuern in der ganzen Welt sind, für irgendeine künftige Finanzreform überhaupt nicht einmal mehr erwogen werden dürfen.

Meine Herren, wenn Sie hier gegen die Reichsvermögenssteuer, gegen die Reichseinkommensteuer Sturm laufen, dann vertreten Sie damit den Standpunkt der Verewigung der indirekten Steuern im Reich, dann fordern Sie damit, dass von dem System der weiteren Belastung der großen Masse der Bevölkerung durch indirekte Steuern im Reich nicht mehr soll abgegangen werden können, dann suchen Sie auf diesem Umweg, indem Sie für die Einzelstaaten alle direkten, alle gerechten Steuern usurpieren, das Reich allein auf die breite Masse der Bevölkerung anzuweisen und so die Ungerechtigkeit des Reichssteuersystems immer noch weiter auf die Spitze zu treiben.

Wir brauchen uns doch wahrlich darüber nicht zu täuschen, dass das Reich sich in gar keiner anderen Möglichkeit befindet, als zu direkten Steuern überzugehen.

Welche direkten Steuern gibt es denn? Die Reichseinkommenssteuer haben Sie heute in die Wolfsschlucht zu werfen versucht. Die Reichsvermögenssteuer ist ein Schreckbild für Sie, das auf immer verbannt werden soll. Und die Reichserbschaftssteuer, die dritte wirkliche Besitzsteuer, die in Frage kommen kann – wie steht es damit? Die Reichserbschafts-Steuer wird von Ihnen als das größte aller Übel bezeichnet, und Sie haben dermaßen die Feindschaft gegen die Reichserbschaftssteuer proklamiert, zu einer Grundlage Ihrer ganzen inneren Politik gemacht, dass Sie bereits eine Reichsregierung über die Klinge haben springen lassen, die in diesem Punkt Ihren Willen nicht gefügig vollzogen hat1, und dass Sie einen Geßlerhut vor jedem Reichsfinanzminister und jedem preußischen Finanzminister aufrichten, auf dass er nur ja nimmer eine Reichserbschaftssteuer einführen möge.

(„Sehr richtig!" beiden Sozialdemokraten.)

Sie stellen Barrikaden vor alle direkten Reichssteuern und suchen, wenn Sie im Reich nicht imstande sind, Ihren Willen durchzusetzen, wenn Sie fürchten, dort in die Minderheit zu geraten, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um von Preußen aus gegen das Reich anzustürmen und ihm die Möglichkeit, seine Finanzen selbständig zu gestalten, zu nehmen. Meine Herren, wenn es noch eines Beweises bedurft hätte für die Gemeingefährlichkeit des preußischen Junkerregiments, dann ist dieser Beweis geführt worden

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

durch den Vorgang, den wir eben hier erlebt haben.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, wenn es noch eines Beweises für die Reichsfeindschaft des preußischen Junkertums, für die Reichsfeindschaft der Mehrheitsparteien dieses Hauses und auch für die Reichsfeindschaft der preußischen Regierung

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

bedurft hätte, dann ist der Beweis durch diesen Vorgang geliefert worden. Wie soll das Reich gestärkt, kräftig gemacht werden, wenn nicht dadurch, dass ihm die Möglichkeit gegeben wird, sich finanziell auf eigene Füße zu stellen! Indem Sie dem Reich immer und immer wieder die Möglichkeit dazu zu rauben suchen, wollen Sie es in strikter Abhängigkeit halten, wollen Sie es an der Kette festhalten, an der es gegenwärtig liegt, an der Kette der Abhängigkeit von dem preußischen Junkertum, von dem preußischen Dreiklassenhaus, von der preußischen Rückständigkeit nach allen Richtungen hin.

Meine Herren, Sie können versichert sein, dass die Verhandlungen heute nicht dazu führen werden, Ihnen etwa Ihre Position im Reichstag zu erleichtern. Ich kann Ihnen, glaube ich, jetzt schon prophezeien, dass diese Brüskierung des Reichstages, die hier wiederum unter der Wortführung der Deutschkonservativen Partei und natürlich auch des Führers der Reichspartei, des Herrn Freiherrn von Zedlitz, vollzogen worden ist, im Deutschen Reichstag eine Stimmung auslösen wird, die nur dazu führen wird, dass man um so eher darangehen wird, die Finanzpolitik so zu gestalten, wie sie im Interesse des Deutschen Reiches und des deutschen Volkes notwendig ist,

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

nicht aber, wie sie das Herz des preußischen Junkertums begehrt.

Meine Herren, ich bin allerdings erstaunt, dass sich bisher, trotz der Fanfarentöne, die hier von der Konservativen und Freikonservativen Partei erschollen sind, von der Nationalliberalen Partei noch niemand gemeldet hat, um seine Stimme –

(Lachen und Zurufe.)

Kommt noch? Na, um so besser. Auch hoffe ich ja, dass dann der Herr Sprecher der nationalliberalen Fraktion mindestens in derselben scharfen Tonart gegen die Reichsfeindlichkeit des heutigen Auftretens der Mehrheitsparteien dieses Hauses sprechen wird, wie ich das getan habe

(„Na, na!" bei den Sozialdemokraten.)

Wir haben natürlich gewisse Zweifel daran, und das war es, was mich veranlasste, die Bemerkung zu machen. Ich wünschte die Herren herauszufordern.

(Große Heiterkeit und Zurufe.)

Ja, es ist dann und wann nötig, Sie herauszufordern. Meine Herren, darf ich Sie daran erinnern, dass wir gestern ja das sonderbare Schauspiel erlebt haben, dass im Reichstag der Abgeordnete Müller (Meiningen) in heftiger Weise gegen die Ausweisung unseres französischen Freundes Compère-Morel2 polemisiert hat und dass zur selben Stunde der Vertreter der Fortschrittlichen Volkspartei in diesem Hause, Herr Abgeordneter Lippmann, das Vorgehen der Polizei gerechtfertigt hat?

(Heiterkeit. – „Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, wir haben schon gar manches Mal erlebt, dass die Nationalliberalen, die Fortschrittler und auch das Zentrum in diesem Hause eine ganz andere Politik treiben

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

als im Reichstag; und für uns ist es darum sehr notwendig festzustellen, inwiefern die Mittelparteien hier in diesem Hause sich der Aktion anschließen, die die preußische Fronde im Augenblick gegen das Deutsche Reich eingeleitet hat, oder inwieweit sie bei der Stange der Politik ihrer Partei stehen werden, wie sie im Reichstag betrieben wird. Wir werden ja sehen!

Meine Herren, gleichviel, das Wesentliche ist, dass dieser Vorgang, wenn es noch dazu irgendeines weiteren Stoffes bedurft hätte, wiederum auf das Deutlichste in die breiten Massen des Volkes hinaus bis in die Kreise des Bürgertums hinein, vor allen Dingen auch in den Mittelstand, die Überzeugung tragen wird, dass der Kampf, der jetzt im Reichstag über die Deckungsvorlagen geführt wird, im Sinne der sozialdemokratischen Reichsfinanzpolitik geführt werden muss, gegen die sich soeben der Herr Finanzminister gewandt hat. Sie werden es natürlich in diesem Hause sehr leicht haben, mit uns sechs Mann fertig zu werden. Ich freue mich schon darauf, welch begeisterter Beifall jedem der folgenden Redner zuteil werden wird, wenn er mit alten Ladenhütern und sonstigem Knallgeschütz gegen die Sozialdemokratie, gegen uns sechs Mann auffahren wird. Meine Herren, Sie werden natürlich immer den größten Lärm hier machen können.

(Lebhafter Widerspruch und Lachen rechts.)

Meine Herren, einen glänzenderen Gegenbeweis gegen Ihren eigenen Widerspruch haben Sie gar nicht liefern können als durch den Lärm, den Sie soeben verübt haben. Wir kennen das aber. Das ist uns natürlich vollkommen gleichgültig. Hier in diesem Hause bei Ihnen jemals Resonanz zu finden, darauf haben wir längst verzichtet. Uns kommt es darauf an: Wer findet die Resonanz draußen im deutschen Volke?

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Und die Resonanz, die Sie mit Ihrer heutigen religionsfeindlichen Aktion im preußischen Volk finden werden, wird Ihnen peinlich genug sein. Diese Aktion wird aufstachelnd und aufreizend wirken und für die Sozialdemokratie glänzendes Material für den jetzigen Wahlkampf sein.

(Zuruf rechts: „Freuen Sie sich doch!")

Dass sie den heutigen Tag, Ihren erneuten Ansturm gegen eine gesunde und gerechte Reichsfinanzpolitik noch manches Mal zu beklagen haben werden, darüber sind wir nicht einen Moment im Zweifel. Meine Herren, die Resonanz, die wir bei unserem Kampf gegen die preußische Fronde draußen finden, befriedigt unsere Wünsche immer mehr, die Ihrigen immer weniger.

(Zurufe rechts: „Freuen Sie sich doch darüber!")

Wir sind froh darüber, dass sich das preußische Junkertum und die preußische Gemeingefährlichkeit heute hier wieder einmal so demaskiert haben.

(„Bravo!" bei den Sozialdemokraten. – Lachen und Zurufe rechts: „Unerhört!")

1 Die deutsche Reichsregierung des sogenannten Bülow-Blocks von Konservativen und Liberalen strebte 1908/09 eine Reform der Reichsfinanzen an, um der unaufhörlichen Verschuldung des Reiches – in erster Linie eine Folge der imperialistischen Aufrüstung – entgegenzuwirken. Ihr Ziel war ein jährlicher Mehrbetrag an Steuereinnahmen von 500 Millionen Mark. Ein Fünftel der Mehreinnahmen sollte aus einer neuen Erbschaftssteuer gewonnen werden, der Hauptteil durch die Erhöhung bzw. Neuschaffung von indirekten Steuern (auf Branntwein, Tabak, Bier, Gas und Elektrizität).

Die konservativen Parteien und das Zentrum traten gegen die Erbschaftssteuer auf. Am 10. Juni 1909 nahm eine Reichstagsmehrheit aus Konservativen, Zentrum und Polen ein nach den Wünschen der Konservativen verändertes Steuergesetz an.

2 Der französische sozialistische Abgeordnete Compère-Morel sollte am Sonntag, dem 13. April 1913, in Magdeburg in zwei großen öffentlichen Landtagswählerversammlungen gegen die deutsche Wehrvorlage und über die Kämpfe des französischen Proletariats gegen den französischen Chauvinismus sprechen. Ihm wurde verboten zu sprechen und an beiden Versammlungen teilzunehmen. Er wurde bei seiner Ankunft in Braunschweig sofort wieder ausgewiesen. Die Red.

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