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Karl Liebknecht 19130130 Höhere Löhne für die Forstarbeiter!

Karl Liebknecht: Höhere Löhne für die Forstarbeiter!

Rede im preußischen Abgeordnetenhaus zum Forstetat

[Nach Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Hauses der Abgeordneten, 21. Legislaturperiode, V. Session 1912/13, 8. Bd., Berlin 1913, Sp. 10.373-10.375 und nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 6, S. 78-81]

Die Beschwerden, die mein Freund Borchardt heute früh erhoben hat, sind plötzlich heute Abend angezweifelt worden. Was der Abgeordnete Spinzig gesagt hat, kann meiner Ansicht nach nicht im Entferntesten als eine Widerlegung gelten. Wenn er zum Beispiel meint, dass die Fälle, in denen Tagelohn gezahlt werde, verhältnismäßig eine geringe Anzahl bilden, steht das absolut nicht in Widerspruch zu den Behauptungen, die Borchardt aufgestellt hat. Im Übrigen ist alles, was Herr Abgeordneter Spinzig über die Höhe der Löhne gesagt hat und was er glaubte gegen Herrn Kollegen Borchardt einwenden zu können, in keiner Beziehung stichhaltig. Herr Spinzig war nur in der Lage, aus einem kleinen Bezirk einige Mitteilungen zu machen. Wie in diesem Bezirk die Lohnverhältnisse und die Arbeitszeiten beschaffen sind, entzieht sich im Augenblick meiner Beurteilung. Wir werden es uns angelegen sein lassen, dafür zu sorgen, dass die Angaben des Herrn Spinzig genau geprüft werden. Jedenfalls sind Ausnahmefälle, wie er sie erwähnt hat, mit Löhnen von 4,50 Mark und 5 Mark und darüber eben nur Ausnahmefälle, und was mit solchen Ausnahmefällen bewiesen werden soll, ist mir vollkommen schleierhaft. Entscheidend müssen sein die Lage der großen Masse der Arbeiter, deren Löhnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Und dass die Angaben, die Herr Borchardt gerade in Bezug auf die allgemeine Regel gemacht hat, das Richtige treffen, dafür haben wir genug sachkundige und einwandfreie Zeugen. Mein Freund Borchardt hat sein Material nicht aus der Luft gegriffen; es ist gesammelt von den berufenen Arbeiterverbänden. Ich meine, dass alle Bemerkungen des Abgeordneten Spinzig nicht in der Lage sind, den Kenner davon zu überzeugen, dass die Vorwürfe des Abgeordneten Borchardt gegen die Forstverwaltung nicht zutreffen.

Herr Abgeordneter Spinzig hat sich die größte Mühe gegeben nachzuweisen, dass es den Forstarbeitern in seinem Wahlkreis viel besser gehe, als Herr Kollege Borchardt behauptet hat. Eine sehr sonderbare Art, seine etwaige Arbeiterwählerschaft zu vertreten, wie sie von Herrn Abgeordneten Spinzig beliebt wird.

(Abgeordneter Spinzig: „Wenn man die Wahrheit sagt!" – Zuruf des Abgeordneten Hoffmann.)

Warten Sie einmal ab; lassen Sie mich zu Ende sprechen. Ich halte es für selbstverständlich, dass der Abgeordnete Spinzig dafür sorgt, dass hier nur die Wahrheit gesagt wird. Ich finde es nur sehr sonderbar, dass er darüber, dass die Lage der Arbeiter in seinem Wahlkreise zu ungünstig dargestellt worden sei, sehr ausführliche und nachdrückliche Darlegungen gemacht hat, während er selbst zugeben muss, dass Missstände bestehen, dass er aber über diese von ihm selbst zugegebenen Missstände mit einer allgemeinen Redensart hinweggeglitten ist.

(Abgeordneter Hoffmann: „Sehr wahr!")

Das beweist, dass der Herr Abgeordnete Spinzig sich viel mehr als der berufene Vertreter der von Borchardt angegriffenen Behörden und Beamten denn als der berufene Vertreter der Arbeiter fühlt. Ich denke, dass das überall richtig gewürdigt wird. Selbst wenn in irgendeinem Punkte die von Herrn Abgeordneten Spinzig angeführten Zahlen richtig sind, so ist die polemische Pointe gegen uns, mit der er seine Ausführungen gemacht hat, während er die Behörden nach allen Richtungen gedeckt hat, in höchstem Maße kennzeichnend für seine Stellung zu seiner Wählerschaft.

(Lachen rechts.)

Damit glaube ich Herrn Spinzig verlassen zu dürfen.

(Zuruf rechts: „Abgetan zu haben!")

Sie wissen ganz genau, Herr von Pappenheim, dass wir sehr menschenfreundlich sind

(Lachen rechts.)

und dass wir immer wieder und wieder sagen, es muss auch solche Käuze geben, sowohl wie Herrn Spinzig als auch wie Sie.

(Lachen rechts.)

Im Übrigen sind Sie uns sehr nützlich; Sie gehören zu den besten unfreiwilligen Agitatoren für uns.

Herr Imbusch hat einige Ausführungen über die Lage der Forstarbeiter gemacht, die sich in einem wesentlichen Teil mit demjenigen gedeckt haben, was Borchardt heute früh schon ausgeführt hat. Selbstverständlich sind die Beschwerden, die der Abgeordnete Imbusch vertreten hat, in jeder Beziehung beherzigenswert, und zwar sowohl die Beschwerden über die Abgaben, die an die Oberholzhauer zu zahlen sind – die ja auch unser verstorbener Freund Borgmann schon öfter gerügt hatte –, wie die Beschwerden über die unzulänglichen Nachtquartiere und speziell die Beschwerden darüber, dass wir in Preußen noch immer keine Arbeiterausschüsse in den Forstbetrieben haben. Dass uns auch hier andere Bundesstaaten wiederum vorausgegangen sind, ist in höchstem Maße beschämend. Es müsste von allen lebhaft bedauert werden.

Es ist für das Wesen dieses Hauses sehr charakteristisch, wenn man sieht, wie sich über die Lage der Förster und der höheren Forstbeamten hier eine unendlich lange Debatte entsponnen hat und wie die einzelnen Parteien des Hauses, besonders der Rechten, nicht genug Worte finden konnten, um die Wünsche der Förster zum Ausdruck zu bringen und alles Feuer hinter diese Wünsche zu machen. Aber hier, wo es sich darum handelt, auf die Arbeiterfragen, auf die Lage der Forstarbeiter einzugehen, da schweigen sämtliche Flöten, da findet man, wenn man überhaupt hört, dass einer von den Herren über diese Dinge spricht, von den seltensten Ausnahmefällen abgesehen, nur Angriffe gegen die Sozialdemokraten, die sich herausnehmen, die Wünsche der Forstarbeiter hier vorzubringen. Das ist höchst charakteristisch: Die Begehrlichkeit der Förster ist nicht verwerflich. Wenn die Förster unzufrieden sind und wenn mit einer weiteren Steigerung dieser Unzufriedenheit gedroht wird, wie wir es heute gehört haben, dann sieht man darüber hinweg. Das sind staatserhaltende Elemente; die gehören mehr oder weniger zu den oberen Zehntausenden oder zu den Kreisen, von denen Sie denken, dass sie auch bei den Wahlen für Sie wirken. Aber die Interessen der Arbeiter sind Ihnen so gleichgültig, dass Sie von ihnen nur insofern Notiz nehmen, als Sie jeden Versuch, die Lage der Arbeiter zu verbessern und an der Haltung der Regierung zu den Arbeitern Kritik zu üben, Ihrerseits zurückweisen und sich zu Mundstücken der Arbeitergegner, der Vertreter der gegen die Interessen der Arbeiter gerichteten Regierung machen.

Diese Gegenüberstellung der Art, wie die beiden Titel, der jetzige und der vorangegangene, hier behandelt worden sind, ist dermaßen lehrreich, dass ich glaube, dass draußen im Lande bei den Forstarbeitern die nötigen Konsequenzen, die Ihnen nicht genehm sein werden, daraus gezogen werden.

(„Bravo!" bei den Sozialdemokraten.)

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