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Karl Liebknecht 19130412 Polizeimethoden an den Hoftheatern

Karl Liebknecht: Polizeimethoden an den Hoftheatern

Rede im preußischen Abgeordnetenhaus zum Etat der allgemeinen Finanzverwaltung

[Nach Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Hauses der Abgeordneten, 21. Legislaturperiode, V. Session 1912/13, 10. Bd., Berlin 1913, Sp. 14 072 f. und nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 6, S. 203-205]

Meine Herren, haben Sie keine Angst, ich werde das Material, das ich an und für sich vorbringen wollte, mit Rücksicht auf die vorgerückte Stunde nicht vorbringen, sondern mich auf zwei Dinge beschränken.

Die Affäre des Hilfsmusikers Clam ist sicherlich dem Herrn Finanzminister bekannt. Ich will auf die Einzelheiten dieses Falles nicht eingehen. Ich möchte heute nur auf zwei Verfügungen hinweisen, die unter dem 20. Januar und dem 9. Juni 1909 von der Königlichen Generalintendantur gegen den Herrn Clam erlassen worden sind. In der ersten wird dem Herrn Clam folgendes gesagt:

Sie haben im letzten Jahre erhebliche Vorschüsse, Unterstützungen und eine Gehaltsverbesserung erhalten. Sie können daher, wie Ihnen bereits mehrmals mitgeteilt worden ist, auf weitere Unterstützungen nicht mehr rechnen. Ihre dahingehenden Eingaben bleiben für die Folge unbeantwortet und werden als Ungehorsam gegen die vorgesetzte Dienstbehörde beurteilt werden. Sie werden dringend davor gewarnt, durch Ihr ungehöriges, querulierendes Verhalten die Generalintendantur nicht zu Maßregeln gegen Sie zu zwingen" usw.

Die Verfügung vom 9. Juni 1909 ist noch viel schroffer:

Die an Sie gerichteten Verfügungen der Generalintendantur, querulierende Eingaben zu unterlassen, haben Sie nicht beachtet, sondern diesen Verfügungen in ungebührlicher Weise mit Ungehorsam begegnet. Es wird Ihnen hiermit ausdrücklich untersagt, in Zukunft Eingaben an die Generalintendantur zu richten, welche die Bewilligung von Vorschüssen und sonstigen Zuwendungen oder Ihre Anstellung als Kammermusiker betreffen. Von nun an haben Sie in jedem einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot Ihre Bestrafung wegen Ungehorsams zu erwarten. Eingaben Ihrer Gattin an die Generalintendantur bleiben unbeantwortet."

Meine Herren, das sind Verfügungen von einer Tonart, die man sich auf das Entschiedenste zu verbitten hat. Das klingt ja geradeso, als ob die Königliche Generalintendantur wie eine Polizeibehörde auf Grund irgendwelcher Straßenpolizeiverordnungen irgendwelche Verfügungen ergehen lässt. Der Herr Hülsen hat hier einen Ton angeschlagen, wie wir ihn sonst bei Herrn von Jagow gewöhnt sind. Aber dieser Ton gehört ganz gewiss nicht in die Verwaltung einer Hofbühne hinein und passt nicht gegenüber den dort angestellten Schauspielern, Opernsängern und Musikern.

Dann, meine Herren, noch ein weiteres, was gleichfalls den absolut polizeilichen Geist zeigt, von dem der Herr Generalintendant beseelt ist. Der Arbeitergesangverein Fichte-Georgina wollte in diesem Jahr am Karfreitag ein feierliches geistliches Konzert veranstalten. An diesem Konzert sollte die Sängerin Frau Denera von der Königlichen Hofoper mitwirken. Sie war dafür engagiert und bereit mitzuwirken, ein Beweis, dass es sich um ein ernstes Konzert, nicht um irgend etwas anderes handelte. Herr Hülsen hat nun dieses ernste Konzert in ganz rigoroser Weise gestört. Er hat zunächst Frau Denera in letzter Stunde die Mitwirkung verboten und ist dann so weit gegangen, die für Frau Denera als Ersatz eingesprungene Sängerin Frau Andrejewa-SkiIons mitten aus dem Konzert heraus unter Androhung einer Maßregelung per Auto abholen zu lassen. Es wird behauptet, dass Herr Hülsen dergleichen Dinge öfters gemacht habe; er soll in derselben Weise ein Konzert, die 9. Symphonie, das unter Oskar Fried stattfand, gestört haben, indem er in letzter Stunde Fräulein Ciaire Dux gehindert hat, und zwar ebenfalls unter Androhung von Gewaltmaßregeln, bei dem Konzert mitzuwirken.

Ein Mann, der die Königlichen Hoftheater mit dem Kasernenhof oder einem Polizeipräsidium verwechselt wie Herr von Hülsen, gehört nicht an die Spitze eines großen Kunstinstitutes.

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