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Karl Liebknecht 19131103 Weitere Aussagen nicht erwünscht!

Karl Liebknecht: Weitere Aussagen nicht erwünscht!

Aus einem Prozessbericht über die Zeugenvernehmung Karl Liebknechts im zweiten Krupp-Prozess1

[Sozialdemokratische Partei-Correspondenz Nr. 24 vom 29. November 1913, S. 435/436. Nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 6, S. 402-406]

Der nächste Zeuge ist Rechtsanwalt Reichstags- und Landtagsabgeordneter Dr. Karl Liebknecht. Er ist von der Verteidigung geladen und wird vereidigt.

Vorsitzender: Ihr Zeugnis ist wesentlich, insofern es auf die Glaubwürdigkeit eines Zeugen ankommt. Hatten Sie die Anlagen zu Ihrem Brief an den Kriegsminister von dem Zeugen von Metzen? -

Zeuge Liebknecht: Einen Tag oder einige Tage bevor ich die Anzeige an den Kriegsminister schrieb, lief bei mir ein Brief ein. Ich würde darüber Näheres nicht aussagen, da mir das Schreiben offensichtlich in meiner parlamentarischen Eigenschaft zugegangen ist und weil ich trotz der Rechtslage auf dem Standpunkt stehe, dass es eine schmähliche Handlung sein würde, wenn ich das mir entgegengebrachte Vertrauen täuschen würde. Aber da hier eine Person zu Unrecht bezichtigt werden könnte, halte ich es für meine Pflicht, auch hierüber volles Zeugnis abzulegen.

Der Brief war nach dem Poststempel in Berlin aufgegeben, er war mit einer steilen, großen kanzleimäßigen Handschrift geschrieben, die keinen besonderen Charakter trug. Der Brief enthielt fast wörtlich dasjenige, was ich dem Kriegsminister mitgeteilt habe. Ich bin bereit, den Wortlaut dieses Briefes auf Wunsch mitzuteilen. (Es wird nun das in der Öffentlichkeit seit langem bekannte Originalschreiben Dr. Liebknechts an den Kriegsminister verlesen.) Der Brief war wohl unterzeichnet, meiner Erinnerung nach, mit einem Namen, wie er bei pseudonymen Schreiben gewählt zu werden pflegt: Schulz oder Schmidt. Es war in dem Brief nicht ein Wort davon enthalten, dass ich bei der Verwendung des beigefügten Materials irgendwelche Rücksicht nehmen sollte. Man bekommt als Parlamentarier natürlich häufig derartige Zuschriften, in denen um Diskretion nachgesucht wird. Das war hier nicht der Fall, im Gegenteil, es war bemerkt, es sei nicht zu erwarten, dass früher eingegriffen würde, ehe der Kriegsminister die beigefügten Kornwalzer, Geheimberichte, in Händen hätte. Ich habe daraus den Schluss gezogen, dass irgendjemand, dem von der Verwendung dieser Geheimberichte eine Untersuchung gedroht haben würde, nicht der Absender sein konnte. Ich habe deshalb auch kein Bedenken getragen, dem Kriegsminister einige, ich glaube zwei Originale der mir übersandten „Kornwalzer"abschriften zu übersenden. Ich habe allerdings geschrieben, dass ich die Erwartung hege, dass nun nicht etwa versucht werde, den Spieß umzukehren, und statt der in meiner Eingabe Verdächtigten man gegen jemand vorgehe, den man im Verdacht habe, an mich geschrieben zu haben.

Auf weitere Fragen erklärt der Zeuge: Den Herrn von Metzen und seinen Namen habe ich absolut nicht gekannt, da mir die Personalverhältnisse der Firma Krupp unbekannt waren. Ich habe den Namen von Metzen zum ersten Mal vom Untersuchungsrichter gehört und die Persönlichkeit dieses Herrn zum ersten Mal hier beim Zeugenaufruf gesehen. Ich habe niemals mit ihm gesprochen, korrespondiert oder verhandelt.

Vorsitzender: Sie kennen auch den Vater des Herrn von Metzen nicht?

Liebknecht: Nein.

Vorsitzender: Es wurde der Verdacht geäußert, dass die Kornwalzer von Herrn August Thyssen an Sie gelangt seien.

Liebknecht: Ich habe keine Beziehungen mit Herrn Thyssen (Heiterkeit.) und weiß auch nichts davon, dass er an der Übermittlung der Kornwalzer an mich beteiligt sei.

Oberstaatsanwalt: Das wird auch nicht behauptet. War in dem Brief an Sie von Kornwalzern die Rede?

Liebknecht: Nein, dieses Wort habe ich erst von dem Untersuchungsrichter Wetzel gehört.

Der Zeuge gibt noch an, dass er 15 Kornwalzer erhalten habe, die 17 Blatt darstellten. Der Zeuge fügt noch von sich aus hinzu, dass derselbe Journalist, der bei Herrn von Metzen gewesen ist, nach den ersten Veröffentlichungen in dieser Angelegenheit auch bei ihm war, wie er überhaupt von Journalisten en masse aufgesucht wurde, denen er die gewünschten Aufklärungen, soweit es möglich und angebracht war, gegeben habe. Dieser Journalist sagte mir, was Herr von Metzen ihm erklärt habe, und er erzählte mir auch, dass Herr von Metzen niemals erfahren dürfe, dass er auch bei mir gewesen sei, da ihm sonst Herr von Metzen die Tür vor der Nase zuschlagen würde.

Verteidiger Löwenstein: Haben Sie Herrn Brandt für den Schreiber des Briefes gehalten?

Liebknecht: Ein solch unsinniger Gedanke ist mir natürlich nicht gekommen.

Angeklagter Eccius: Warum hat der Zeuge das Original des ihm zugegangenen Schreibens vernichtet?

Liebknecht: Aus derjenigen Vorsicht heraus, die jeder Politiker solchen Schreiben gegenüber obwalten lässt. Ich habe dem Schreiben das Wesentliche entnommen, es dem Kriegsminister übermittelt, angenommen, dass die Sache ihren weiteren Lauf nehmen wird und habe hierauf alles getan, um zu verhindern, dass man irgendwie durch meine Hilfe gegen jemanden vorgehen könnte, der mir sein Vertrauen schenkt. Ich bin überzeugt, dass eine solche Vorsicht von jedem Politiker einer jeden Partei in einem solchen Fall geübt werden wird.

Liebknecht führt noch aus, dass jemand, der die Kornwalzer in einer solchen Weise erlangt haben würde, dass ihm daraus eine Verfolgung erwachsen könnte, ihm das Material doch nicht geschickt haben würde, ohne ihn aufzufordern, es zu vernichten.

Auf eine Anfrage des Verteidigers Löwenstein gibt der Zeuge noch an, das Originalschreiben vernichtet zu haben kurz nachdem er die erste Mitteilung des Kriegsministers erhielt, dass die Ermittlungen bereits ein Ergebnis gehabt hätten … Liebknecht fügt seiner Aussage noch hinzu, dass nach den Mitteilungen des betreffenden Journalisten Herr von Metzen noch einiges wissen müsste über den Verkehr zwischen Brandt und einigen mittleren Beamten des Reichsmarineamts, wovon bisher nicht die Rede war.

Oberstaatsanwalt: In diesem Verfahren ist etwas Belastendes nach dieser Richtung hin nicht zutage getreten, und es ist darum auch nicht Gegenstand dieser Verhandlung. – Der Vorsitzende bestätigt dies. –

Verteidiger Löwenstein .Die genaue Untersuchung hierüber hat zu dem Resultat geführt, dass an dieser Beschuldigung nichts ist.

Liebknecht: Ich halte mich für verpflichtet, noch zu erklären, dass ich noch einiges nicht Unwesentliche über das Nachrichtenwesen der Firma Krupp und deren Tätigkeit im Ausland überhaupt, wie über die Bestechung von ausländischen Zeitungen durch Krupp – ich würde eventuell einen Namen angeben können – und ebenso über die Art, wie die ausländischen Geschäfte nach meinen Mitteilungen auch unter der Mitwirkung des Direktors Eccius, vollzogen worden sind, weiß – Dinge, die für die Geschäftsgepflogenheiten der Firma Krupp von Belang sind.

Vorsitzender: Das gehört aber nicht zu diesem Verfahren, in dem nur zwei Personen wegen bestimmter Handlungen angeklagt sind.

Verteidiger von Gordon: Das Ausland geht uns hier gar nichts an, und Herr von Metzen hat auch taktvoll erklärt, auf das Ausland nicht eingehen zu wollen.

Liebknecht: Als Jurist musste ich mit der Frage rechnen, dass die Geschäftsgepflogenheiten der Firma Krupp heranzuziehen sein würden.

Verteidiger von Gordon bittet den Vorsitzenden, diese Sache auszuschalten.

Oberstaatsanwalt: Wenn Herr Dr. Liebknecht weitere Beschuldigungen zu erheben wünscht, so mag er das bei mir tun, ich bin dazu da, sie entgegenzunehmen.

Liebknecht: Ich nehme in diesem Prozess eine besondere Position ein und bin hier auch in der schärfsten Weise angegriffen worden, so von einem der Direktoren von Krupp, der hier von „Wischen" sprach, die ich in die Luft gehalten hätte. (Vorsitzender: Ich habe das ja zurückgewiesen.) Also, eventuell hätte das vielleicht doch zur Sache gehört, was ich gesagt hätte, und deshalb habe ich es für meine Pflicht gehalten, dies hier vorzubringen.

Es wird vom Gericht, dem Oberstaatsanwalt und der Verteidigung auf eine weitere Vernehmung Dr. Liebknechts verzichtet …

1 Vom 23. Oktober bis 8. November 1913 fand vor dem Berliner Landgericht I der sogenannte zweite Krupp-Prozess statt. Angeklagt waren M. Brandt, der langjährige Bürovorsteher des Berliner Spionagebüros der Firma Krupp, und O. Eccius, als Mitglied des Direktoriums der Friedrich Krupp AG verantwortlich für das Dezernat Kriegsmaterial. Unter den eingeladenen Zeugen befanden sich weitere sechs Direktoren der Krupp AG. Die Red.

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