Karl
Liebknecht: Änderungsvorschläge zu dem Entwurf der Leitsätze der
Gruppe Internationale
Anfang
Dezember 1915
[Entwurf
Rosa Luxemburgs: Unter dem Banner des Marxismus (Wien/Berlin), März
1925 bis Januar 1926, S. 417-421. 1. und 2. Fassung der Änderungen
Karl Liebknechts: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED,
Zentrales Parteiarchiv, NL-1/23. Endfassung der Leitsätze:
Spartakusbriefe. Hrsg. vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK
der SED, Dietz Verlag, Berlin 1958, S. 113-117. Nach
Gesammelte Reden und Schriften, Band 8, S.
383-400]
Entwurf
von Rosa Luxemburg
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Bemerkungen
und Änderungsvorschläge Karl Liebknechts
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(Aus
dem ersten Brief1) Zu
den Hauptgedanken der Kritik (1-7) und den Richtpunkten zur
Orientierung der sozialistischen Politik (8, 9; bes. „Grundlagen"
1, 2) natürlich mit Haut und Haar einig.
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1.
Der Weltkrieg hat die Resultate der vierzigjährigen Arbeit des
europäischen Sozialismus zunichte gemacht, indem er die Bedeutung
der revolutionären Arbeiterklasse als eines politischen
Machtfaktors und das moralische Prestige des Sozialismus
vernichtet, die proletarische Internationale gesprengt, ihre
Sektionen zum Brudermord gegeneinander geführt und die Wünsche
und Hoffnungen der Volksmassen in den wichtigsten Ländern der
kapitalistischen Entwicklung an das Schiff des Imperialismus
gekettet hat.
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|
2.
Durch die Zustimmung zu den Kriegskrediten und die Proklamierung
des Burgfriedens haben die offiziellen Führer der sozialistischen
Parteien in Deutschland, Frankreich und England1
dem Imperialismus den Rücken gestärkt, die Volksmassen zum
geduldigen Ertragen des Elends und der Schrecken des Krieges
veranlasst und so zur zügellosen Entfesselung der
imperialistischen Furien, zur Verlängerung des [Massenmordes]2
und zur Vermehrung seiner Opfer beigetragen, die Verantwortung für
den Krieg und seine Folgen mit übernommen.
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(1.
und 2. Fassung)
1einfügen:
(mit
der
einen rühmlichen Ausnahme
der Unabhängigen Arbeiterpartei)2
(1.
und 2. Fassung)
2
dafür: Gemetzels
|
3.
Diese Taktik der offiziellen Parteiinstanzen der kriegführenden
Länder, in allererster Linie in Deutschland, dem bisherigen
führenden Lande innerhalb der Internationale, bedeutet einen
Verrat an den elementarsten Grundsätzen des internationalen
Sozialismus, an den Lebens[interessen der Volksmassen, an den
freiheitlichen und demokratischen Interessen ihrer Länder.]1
Dadurch ist die sozialistische Politik auch in jenen Ländern zur
Ohnmacht verurteilt worden, wo die Parteiführer ihren Pflichten
treu geblieben sind: in Russland, Serbien und Italien.
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(1.
Fassung)
1
dafür: notwendigkeiten der
Arbeiterklasse, an allen demokratischen Interessen im
Staats- und Wirtschaftsleben.
(2.
Fassung)
1
dafür: interessen
der Arbeiterklasse, an allen demokratischen Interessen im
Staats- und Wirtschaftsleben.
|
4.
Indem die [internationale]1
Sozialdemokratie
der führenden Länder den Klassenkampf im Krieg preisgegeben und
ihn2
nach
dem Kriege, [auf die Zeit des Friedens]3
verschoben, hat sie [dem Feind]4
den herrschenden Klassen, in allen Ländern Frist gewährt, [um]5
ihre Positionen auf Kosten des Proletariats wirtschaftlich,
politisch und moralisch ungeheuer zu stärken.
|
(1.
und 2. Fassung)
1
dafür: offizielle
2
einfügen: auf
die Zeit
3
streichen
4
streichen
5
streichen
|
5.
Der Weltkrieg dient weder der nationalen Verteidigung noch den
wirtschaftlichen oder politischen Interessen irgendwelcher
Volksmassen, er ist lediglich eine Ausgeburt imperialistischer
Rivalitäten zwischen den kapitalistischen Klassen verschiedener
Länder um die Weltherrschaft und das Monopol in der Aussaugung
und Auspowerung der letzten Reste der noch nicht vom Kapital
beherrschten Welt. In der Ära dieses entfesselten Imperialismus
kann es keine nationalen Kriege mehr geben. Die nationalen
Interessen dienen nur als Düpierungsmittel, um die arbeitenden
Volksmassen ihrem Todfeind, dem Imperialismus, dienstbar zu
machen.
|
|
6.
Aus der Politik der imperialistischen Staaten und aus dem
imperialistischen Kriege kann für keine unterdrückte Nation
Freiheit und Unabhängigkeit hervorsprießen. Die kleinen Nationen
[sind]1
nur Schachfiguren in dem imperialistischen Spiel der Großmächte
und werden, ebenso wie die arbeitenden [Volks]2massen
[aller beteiligten Länder],3
während des Krieges als Werkzeug missbraucht, um nach dem Kriege
auf dem Altar der kapitalistischen Interessen geopfert zu werden.
|
(1.
Fassung)
1
einfügen: deren
herrschende Klassen Anhängsel und Mitschuldige der
herrschenden Klassen in
den Großstaaten sind, bilden
(2.
Fassung)
1
einfügen: deren
herrschende Klassen Anhängsel und Mitschuldige der
herrschenden Klassen in
den Großstaaten und
ihrer Koalitionen sind,
bilden
2
streichen
3
dafür: dieser Mächte
|
7.
Der heutige Weltkrieg bedeutet unter diesen Umständen bei jeder
Niederlage und bei jedem Siege eine Niederlage des Sozialismus und
der Demokratie. Er [führt]1
bei jedem Ausgang – ausgenommen die revolutionäre Intervention
des internationalen Proletariats – [nur]2
zur
Stärkung des Militarismus und Marinismus, der imperialistischen
Appetite, der internationalen Gegensätze, der
weltwirtschaftlichen Rivalitäten3
und der Reaktion im Innern (der Agrarier, der Scharfmacher, der
Kartellindustrie, des Klerikalismus, des Chauvinismus, des
Monarchismus) und umgekehrt zur Schwächung der öffentlichen
Kontrolle [der Opposition sowie]4
zur
Herabdrückung der Parlamente zu gehorsamen Werkzeugen des
Militarismus in allen Ländern. Der heutige Weltkrieg arbeitet so
letzten Endes nur auf einen erneuten Ausbruch des Krieges nach
kürzerer oder längerer Friedenspause hin.5
|
1
dafür: treibt
2
streichen
(1.
Fassung)
3
einfügen: und zur Bildung einander gegenüberstehender
Staatentrusts;3
zur
Verschärfung der kapitalistischen Ausbeutung
4dafür:
und
(1.
Fassung)
5
anfügen: Er
führt aber auch zur intensiven Verschärfung der
Klassengegensätze und
gibt durch Aufpeitschung der Massen dem revolutionären
Klassenkampf gegen den Imperialismus in allen Sphären der inneren
und äußeren
Politik neuen gewaltigen Antrieb, dessen unermüdliche und
rücksichtslose Ausnützung während des Krieges und nach dem
Kriege Aufgabe der sozialistischen Parteien ist.
(2.
Fassung)
5
anfügen: Er
führt zur intensiven Verschärfung der Klassengegensätze4
und
gibt dem Klassenkampf in allen Sphären der inneren und äußeren
Politik gewaltigen Antrieb.
|
8.
Der Weltfriede kann weder durch internationale Schiedsgerichte
kapitalistischer Diplomaten noch durch diplomatische Abmachungen
über „Abrüstung", über die sogenannte „Freiheit der
Meere", noch durch „europäische Staatenbünde",
„mitteleuropäische Zollvereine", „nationale
Pufferstaaten" und dergleichen utopische oder in ihrem Grunde
reaktionäre Projekte gesichert werden. Imperialismus,
Militarismus und Kriege sind nicht zu beseitigen und nicht
einzudämmen, solange die kapitalistischen Klassen unbestritten
ihre Klassenherrschaft ausüben. [Die einzige Sicherung und die
einzige Stütze des Weltfriedens ist der revolutionäre Wille und
die politische Aktionsfähigkeit des internationalen
Proletariats.]1
|
(1.
Fassung)
1
dafür: Das
einzige Mittel zu
ihrer Hemmung und schließlichen Beseitigung und die einzige
Sicherung des Weltfriedens ist die von revolutionärem Willen und
politischer Aktionsfähigkeit erfüllte Macht des internationalen
Proletariats.
(2.
Fassung)
1
dafür: Das
einzige Mittel zu
ihrer Hemmung und schließlichen Beseitigung und die einzige
Sicherung des Weltfriedens ist die Macht, der revolutionäre Wille
und die politische Aktionsfähigkeit des internationalen
Proletariats.5
|
9.
Der Imperialismus als letzte Lebensphase und höchste Entfaltung
der politischen Weltherrschaft des Kapitals ist der gemeinsame
Todfeind des Proletariats aller Länder, und gegen ihn muss der
proletarische Klassenkampf im Frieden wie im Kriege in erster
Linie konzentriert werden. Der Kampf gegen den Imperialismus ist
für das internationale Proletariat zugleich der Kampf um die
politische Macht im Staate, die entscheidende Auseinandersetzung
zwischen Sozialismus und Kapitalismus. [Die Schicksale des
sozialistischen Endziels hängen davon ab, ob das]1
internationale Proletariat [sich dazu aufraffen wird,]2
gegen den Imperialismus auf der ganzen Linie Front [zu machen]3
und die Losung „Krieg dem Kriege" unter Aufbietung der
vollen Kraft und des äußersten Opfermutes zur Richtschnur seiner
praktischen Politik [zu machen.]4
|
(Aus
dem ersten Brief) Zu 9 Schluss kann nach der Stilisierung („hängen
davon ab, ob . . . sich . . . aufraffen wird") das Schicksal
des Sozialismus zu unbedingt von dem freien Entschluss des
internationalen Proletariats abhängig gemacht erscheinen, einem
Entschluss, von dem es nach den gebrauchten Wendungen den Eindruck
erwecken könnte, dass er als nur durch Agitation, Belehrung,
Erziehung bestimmt, bestimmbar betrachtet werde, während diese
Tätigkeiten im gesellschaftlichen Massenprozess doch
hauptsächlich entbindende, nicht erzeugende Kraft haben und
selbst wiederum objektiv bedingt, bestimmt sind. – Etwas andere
Formulierung wäre erwünscht.
(1.
und 2. Fassung)
1
dafür: Das
sozialistische Endziel wird von dem
2
dafür: nur
verwirklicht, indem es
3
dafür: macht
4
dafür: erhebt.
|
10.
Zu diesem Zwecke richtet sich die Hauptaufgabe des Sozialismus
heute darauf, das Proletariat aller Länder zu einer lebendigen
revolutionären Macht zusammenzufassen, es durch eine starke
internationale Organisation mit einheitlicher Auffassung seiner
Interessen und Aufgaben, mit einheitlicher Taktik und politischer
Aktionsfähigkeit im Frieden wie im Kriege, zu dem entscheidenden
Faktor des politischen Lebens zu machen, [zu dessen Rolle]1
es durch die Geschichte berufen ist.
|
(1.
und 2. Fassung)
1
dafür: den zu bilden
|
11.
Die II. Internationale ist durch den Krieg gesprengt worden. Die
Unzulänglichkeit ihrer Organisation hat sich erwiesen durch ihre
Unfähigkeit, einen wirksamen [moralischen]1
Damm
gegen die nationale Zersplitterung im Kriege aufzurichten und eine
gemeinsame Taktik und Aktion des Proletariats in allen Ländern
[aufrechtzuerhalten.]2
|
1
streichen
(1.
und 2. Fassung)
2
dafür: durchzuführen.
|
12.
Angesichts des Verrats der offiziellen Vertretungen der
sozialistischen Parteien der führenden Länder an den Zielen und
Interessen der Arbeiterklasse, angesichts ihrer Abschwenkung vom
Boden der proletarischen Internationale auf den Boden der
bürgerlich-imperialistischen Politik, ist es eine Lebensfrage des
Sozialismus, eine neue Arbeiter-Internationale [zu gründen,]2
welche die Leitung und Zusammenfassung des revolutionären
Klassenkampfes gegen den Imperialismus in allen Ländern
[übernehmen muss.]3
[Sie
wird auf folgenden Grundlagen aufgebaut:]4
|
(Aus
dem ersten Brief)
Zu
12 soll – ich weiß wohl – bedeuten: Die neue Internationale,
die nach dem Zusammenbruch („Sprengung" besagt zu wenig)
der bisherigen entstehen, aufgebaut werden wird, muss auf
folgenden Grundlagen beruhen usw. Es handelt sich nicht um den
Plan einer Gründung neben irgendwelchen anderen möglichen
Gründungen, sondern um die Richtlinien für die Gestaltung der
trotz alledem „einen und unteilbaren" Internationale.-
Ließe sich das nicht deutlicher ausdrücken?
1
einfügen: dass
2
dafür: geschaffen wird
3
dafür: übernimmt.
4
dafür: Sie
muss, um ihre historische Aufgabe zu lösen, auf folgenden
Grundlagen beruhen :
|
1.
Der Klassenkampf im Innern der bürgerlichen Staaten gegen die
herrschenden Klassen und die internationale Solidarität der
Proletarier aller Länder sind zwei unzertrennliche Lebensregeln
der Arbeiterklasse in ihrem welthistorischen Befreiungskampfe. Es
gibt keinen Sozialismus außerhalb der internationalen Solidarität
des Proletariats, und es gibt keinen Sozialismus außerhalb des
Klassenkampfes. Das sozialistische Proletariat kann weder im
Frieden noch im Kriege auf Klassenkampf und internationale
Solidarität verzichten, ohne Selbstmord zu begehen.
|
|
2.
Die Klassenaktion des Proletariats aller Länder muss im Frieden
wie im Kriege auf die Bekämpfung des Imperialismus und
Verhinderung [des Krieges]1
als auf ihr Hauptziel gerichtet werden. Die parlamentarische
Aktion, die gewerkschaftliche Aktion wie die gesamte Tätigkeit
der Arbeiterbewegung muss dem Zwecke untergeordnet werden, das
Proletariat in jedem Lande aufs schärfste der nationalen
Bourgeoisie entgegenzustellen, den politischen und geistigen
Gegensatz zwischen beiden auf Schritt und Tritt hervorzukehren
sowie gleichzeitig die internationale Zusammengehörigkeit der
Proletarier aller Länder in den Vordergrund zu schieben und zu
betätigen.
|
1
dafür: der
Kriege
|
|
(Aus
dem ersten Brief)
Zu
3 und 4 der „Grundlagen": Zu mechanisch-zentralistisch.
Zuviel „Disziplin", zu wenig Spontaneität, deren
Vorbereitung und Entfaltung die Hauptaufgabe ist. Spontaner
Parallelismus von Empfindungen, Gedanken, Zielen, Forderungen,
Taten; spontan erwachsende Koalition, Kooperation bilden die
wichtigste Grundlage, die einzige Dauergewähr des künftigen
Sieges. – „Von unten auf", „Massen, nicht Führer",
gilt natürlich auch hier. „Diktatur" der Internationale
nur möglich, falls nicht Diktatur, nicht Willensaufzwingung,
sondern zweckmäßigste Methode der Aktion, der Willensausübung;
falls nicht Aufnötigung eines Wohlfahrtsausschusses oder
sonstigen Zentralwillens auf die Massen, sondern energischste Form
der Vollziehung des organisatorisch ermittelten oder frei
erkannten Massenwillens.
|
3.
In der Internationale liegt der Schwerpunkt der
Klassenorganisation des Proletariats.1
Die
Internationale entscheidet über die Taktik der nationalen
Sektionen im Frieden in Bezug auf Fragen des Militarismus, der
Kolonialpolitik, Handelspolitik, [Maifeier,]2
ferner über die gesamte im Kriege einzuhaltende Taktik.
|
(1.
Fassung)
1
einfügen: Prinzipielle und taktische Einheitlichkeit und
Geschlossenheit ist die Voraussetzung ihrer Macht. Ihre Sektionen
müssen von solcher Homogenität des Geistes und der
Tatbereitschaft sein, dass es im kritischen Augenblick nur des
auszulösenden6
Signals bedarf, um die internationale Kooperation zu erzielen.
Bedingung für die Zugehörigkeit ist das lebendige Bekenntnis zu
diesen Grundsätzen und die unzweideutige Bereitschaft zu ihrer
Befolgung durch die Tat. Bietet die Haltung einer Sektion nicht
mehr Gewähr für das Bestehen dieser Voraussetzung, so scheidet
sie damit aus der Internationale aus.
(2.
Fassung)
1
einfügen: Bedingung für die Zugehörigkeit ist das lebendige
Bekenntnis zu diesen Grundsätzen und die unzweideutige
Bereitschaft zu ihrer Befolgung durch die Tat.
2
streichen
|
4.
Die Pflicht der [Disziplin gegenüber den Beschlüssen]1
der Internationale geht allen anderen Organisationspflichten
voran. Nationale Sektionen, die den Beschlüssen der
Internationale im Kriege zuwiderhandeln, stellen sich dadurch
außerhalb des internationalen Proletariats und entbinden ihre
Mitglieder von allen Verpflichtungen [sich]2
gegenüber.
|
(1.
und 2. Fassung)
1
dafür: zur
Ausführung der Beschlüsse
(1.
und 2. Fassung)
2
dafür: ihnen
|
5.
In den Kämpfen gegen den Imperialismus und den Krieg kann die
entscheidende Wirkung nur von den kompakten Massen des
Proletariats aller Länder in die Waagschale geworfen werden. Das
Hauptaugenmerk der Taktik der nationalen Sektionen ist somit
darauf zu richten, die breiten Massen zur politischen
Aktionsfähigkeit zu erziehen, den internationalen Zusammenhang
dieser Massenaktionen zu sichern, die politischen und
gewerkschaftlichen Organisationen dahin auszubauen, um durch ihre
Vermittlung jederzeit aufs rascheste und wirksamste den Willen und
die Beschlüsse der Internationale zur Tat der breitesten
Arbeitermassen aller Länder zu machen.
|
(Aus
dem ersten Brief) Zu 5: Die Massen zu sehr als Werkzeuge der Tat,
nicht als Träger des Willens gedacht; als Werkzeuge der von der
Internationale gewollten und beschlossenen Tat, nicht als
Selbst-Woller, Selbst-Beschließer. Was bedeutet die scharfe
Kontrastierung der Massen und der Internationale? Die
internationalen Massen sind die Internationale. Die Alternative
„Führer oder Massen" kann nicht in die Alternative „Die
Führer der Internationale oder die Führer ihrer internationalen
Sektionen" gekehrt werden; wenn die ersteren natürlich auch
– wenigstens heute noch für Deutschland – ein günstiger
Austausch wären.
Zu
5 und 6: 6 gehört vor 5. Tritt in der Umstellung nicht die eben
bedeutete Abweichung wiederum zutage?
|
6.
Die zweite dringende Aufgabe des Sozialismus ist die geistige
Befreiung des Proletariats von der Vormundschaft der Bourgeoisie,
die sich in dem Einfluss der nationalistischen Ideologie äußert.
Die nationalen Sektionen haben ihre Agitation in den Parlamenten
wie in der Presse dahin zu richten, um die überlieferte
Phraseologie des Nationalismus als bürgerliches
Herrschaftsinstrument zu denunzieren. Die einzige Verteidigung
aller wahren nationalen Freiheit ist heute der revolutionäre
Klassenkampf gegen den Imperialismus; das Vaterland der
Proletarier, dessen Verteidigung alles andere untergeordnet werden
muss, ist die sozialistische Internationale.
|
(1.
Fassung)
5.
In den Kämpfen gegen den Imperialismus und den Krieg kann die
entscheidende Macht nur von den kompakten Massen des Proletariats
aller Länder in die Waagschale geworfen werden.
6.
Die erste Aufgabe des Sozialismus ist die geistige Befreiung des
Proletariats von der Vormundschaft der Bourgeoisie, die sich in
dem Einfluss der nationalistischen Ideologie äußert. Die
nationalen Sektionen haben ihre Agitation in den Parlamenten wie
in der Presse dahin zu richten, um die überlieferte Phraseologie
des Nationalismus als bürgerliches Herrschaftsinstrument zu
denunzieren. Die einzige Verteidigung aller wirklichen nationalen
Freiheit ist heute der revolutionäre Klassenkampf gegen den
Imperialismus; das Vaterland der Proletarier, dessen Verteidigung
alles andere untergeordnet werden muss, ist die sozialistische
Internationale.
7.
Das Hauptaugenmerk der Taktik der nationalen Sektionen ist darauf
zu richten, die breiten Massen zur politischen Aktionsfähigkeit
und zur entschlossenen Initiative zu erziehen, den internationalen
Zusammenhang der Massenaktionen zu sichern, die politischen und
gewerkschaftlichen Organisationen so auszubauen, dass durch ihre
Vermittlung jederzeit die rascheste und wirksamste Kooperation
aller Sektionen gewährleistet und so der Wille der Internationale
zur Tat der breitesten Arbeitermassen aller Länder wird.
(2.
Fassung)
5.
In den Kämpfen gegen den Imperialismus und den Krieg kann die
entscheidende Macht nur von den kompakten Massen des Proletariats
aller Länder in die Waagschale geworfen werden. Die erste Aufgabe
des Sozialismus ist die geistige Befreiung des Proletariats von
der Vormundschaft der Bourgeoisie, die sich in dem Einfluss der
nationalistischen Ideologie äußert. Die nationalen Sektionen
haben ihre Agitation in den Parlamenten wie in der Presse dahin zu
richten, um die überlieferte Phraseologie des Nationalismus als
bürgerliches Herrschaftsinstrument zu denunzieren. Die einzige
Verteidigung aller wirklichen nationalen Freiheit ist heute der
revolutionäre Klassenkampf gegen den Imperialismus. Das Vaterland
der Proletarier, dessen Verteidigung alles andere untergeordnet
werden muss, ist die sozialistische Internationale.
6.
Das Hauptaugenmerk der Taktik der nationalen Sektionen ist darauf
zu richten, die breiten Massen zur politischen Aktionsfähigkeit
und zur entschlossenen Initiative zu erziehen, den internationalen
Zusammenhang der Massenaktionen zu sichern, die politischen und
gewerkschaftlichen Organisationen so auszubauen, dass durch ihre
Vermittlung jederzeit die rascheste und wirksamste Kooperation
aller Sektionen gewährleistet und so der Wille der Internationale
zur Tat der breitesten Arbeitermassen aller Länder wird.
|
|
(Aus
dem ersten Brief)
Im
allgemeinen: Das Wichtigste zur Vorbereitung der neuen
Internationale ist, dass jetzt noch etwas getan wird, was sich
sehen lassen kann; was den Gedanken, der die neue Internationale
erfüllen muss, heute nicht nur theoretisch gedacht, sondern
bereits lebendig, in Opferwillen und Aktionskraft, in
Tatbereitschaft und Tat inkarniert zeigt. Der Kurs der Theoremen,
taktischen Vorsätze, Resolutionen, Thesen, Statuten, Programme
und selbst von Organisationen mit den schönsten Programmen der
Welt ist bei den vielen patriotischen Runs spekulativer
Sozialisten verhängnisvoll gestürzt. Am Anfang der neuen
Internationale soll die Tat stehen, dann ist sie geboren, getauft
und fertig da; in der Gegenwart fest, für die Zukunft sicher.
Gelingt
die Tat nicht, so bleibt allein der andere, langsamere Weg zu
ihrer Schöpfung, der auf den ersten Tagesreisen der Weg
erbarmungslosester Kritik sein muss.
Ich
weiß, auch darüber sind wir einig.
|
1
Zum besseren Verständnis der Vorschläge Karl Liebknechts wird der
größte Teil seiner Bemerkungen aus seinem ersten
Brief an Rosa Luxemburg hier nochmals an den betreffenden
Stellen des Entwurfs Rosa Luxemburgs wiedergegeben. Die
unmittelbaren Änderungsvorschläge hat Karl Liebknecht etwa in der
ersten Dezemberhälfte 1915 in zwei etwas voneinander abweichenden
Fassungen Rosa Luxemburg übermittelt, die sich in Berlin in Haft
befand. Die beiden letzten Thesen (5 und 6) wollte er umgestellt
haben. Die erste Fassung dieses Schlussteils unterscheidet sich von
der zweiten lediglich dadurch, dass in ihr der erste Satz der These
5 als selbständiger Leitsatz erscheint.
2
Die kursiv gesetzten Teile sind in den endgültigen Text der
Leitsätze eingegangen.
3Bis
hierher wurde dieser Vorschlag aus einem Antwortbrief Rosa
Luxemburgs rekonstruiert.
4
Dieser Grundgedanke Karl Liebknechts wurde in Punkt 9 der Endfassung
der Leitsätze berücksichtigt.
5
In der Endfassung der Leitsätze erhielt dieser Satz folgenden
Wortlaut: „Das einzige Mittel, ihnen erfolgreich Widerstand zu
leisten, und die einzige Sicherung des Weltfriedens ist die
politische Aktionsfähigkeit und der revolutionäre Wille des
internationalen Proletariats, seine Macht in die Waagschale zu
werfen."
6
Bei Rosa Luxemburg: „auslösenden" (siehe Ernst Meyers
Artikel in: Unter dem Banner des Marxismus [Wien/Berlin], März 1925
bis Januar 1926, S. 422).
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