Franz Mehring: Bücherschau Cervantes, „Don Quichotte" 14. Dezember 1911 [Die Neue Zeit, 30. Jg. 1911/12, Erster Band, S. 448. Nach Gesammelte Schriften, Band 12, S. 3] Cervantes, Don Quichotte. Nach der Tieckschen Übertragung herausgegeben von Alexander Benzion. Mit 15 Bildern nach Kupfern von Chodowiecki. Straßburg i. E., Verlag von Josef Springer. 638 Seiten. Preis Pappband 3 Mark, Halblederband 4,50 Mark. Der berühmteste Roman der Weltliteratur teilt mit Klopstocks Versen das Schicksal, sehr gepriesen, aber wenig gelesen zu werden. Das ist auch durchaus erklärlich. Bekanntlich hat Cervantes mit seinem Roman nur eine Satire auf die in jener Zeit grassierende Mode alberner Ritterromane schreiben wollen. Wenn aber diese Satire den ersten großen Erfolg des Buches entschieden haben mag, so hängt sie ihr heute und schon seit lange nur noch als ein schweres Bleigewicht an. Denn nur der versteht sie zu würdigen, wer die spanischen Ritterromane aus den Tagen des Cervantes kennt, und eine wie verschwindend geringe Zahl von Spezialforschern ist das! Ein Versuch, „Leben und Taten des scharfsinnigen Junkers Don Quichotte de la Mancha" als Roman aus der satirischen Hülle zu schälen, den unsterblichen Kern des Werkes aus seiner halb vermoderten Schale zu lösen, scheint uns deshalb durchaus berechtigt zu sein. Im ganzen und großen ist Herr Benzion dabei mit dem nötigen Geschmack und Takt verfahren, und es könnte nur fraglich erscheinen, ob er statt der Tieckschen nicht besser die Kellersche oder Zollersche Übersetzung gewählt hätte. In der Übersetzung Tiecks machen sich die Marotten etwas fühlbar, die die Romantische Schule in das Werk des Cervantes trug, indessen hat sie vor allem den „Don Quichotte" in Deutschland heimisch gemacht, und dieser Gesichtspunkt spricht auch mit. Eine angenehme Zugabe sind die Bilder nach Kupfern Chodowieckis, wie denn die Verlagshandlung das Buch vortrefflich ausgestattet und einen verhältnismäßig wohlfeilen Preis angesetzt hat. |