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Nadeschda Krupskaja 19250121 [Lenin und Gapon]

Nadeschda Krupskaja: [Lenin und Gapon]

[erschienen in der Prawda, 21, Januar 1925, nach Trotzki, Sotschinenija, Band 2, Teil 1, Moskau-Leningrad, 1925 [Л. Троцкий. Сочинения. Том 2, часть 1. Москва-Ленинград, 1925], Anmerkung 63, ich weiß nicht, ob der Artikel vollständig wiedergegeben ist, der Titel wurde von mir ergänzt]

Ein Genosse war vor kurzem entrüstet: Wie konnte sich Wladimir Iljitsch mit Gapon befassen!

Natürlich konnte man einfach Gapon links liegen lassen und im Voraus entscheiden, dass von einem Priester nichts Gutes kommen werde. So war es zum Beispiel mit Plechanow, der Gapon extrem kühl aufnahm. Aber es war die Stärke von Iljitsch, dass für ihn die Revolution lebendig war, dass er in ihr Gesicht schaute, sie in all ihrer Vielfalt umfasste, dass er wusste, was die Massen wollten. Und die Kenntnis der Massen erlangt man nur durch den Kontakt mit ihnen. Wie konnte Iljitsch an Gapon vorbeigehen, der den Massen nahestand, der sie so sehr beeinflusst hatte!

Wladimir Iljitsch sprach über seine Eindrücke, als er aus einem Treffen mit Gapon kam. Damals war Gapon noch vom Atem der Revolution umhüllt. Wenn er von den Arbeitern von St. Petersburg sprach, war er voll Feuer, er kochte vor Empörung, Empörung über den Zaren und seine Schergen. Es gab eine Menge Naivität in dieser Empörung, aber um so direkter war sie. Diese Empörung stand im Einklang mit der Empörung der Arbeitermassen. ,Er muss nur lernen', sagte Wladimir Iljitsch. ,Ich sagte ihm: Sie, mein Freund, hören Sie nicht auf Schmeichelei, lernen Sie, sonst finden Sie sich dort' und zeigte unter dem Tisch.

Am 8. Februar 1905 schrieb Wladimir Iljitsch in Nr. 7 des „Wperjod": ,Möge es G. Gapon, der so tief den Übergang von den Anschauungen des politisch unbewussten Volkes zu revolutionären Anschauungen erlebte, gelingen, die für einen politischen Wortführer notwendige Klarheit der revolutionären Weltanschauung zu erreichen.'

Gapon hat diese Klarheit nie ausgearbeitet. Er war der Sohn eines reichen ukrainischen Bauern, hielt bis zum Ende Kontakt mit seiner Familie, mit seinem Dorf. Er kannte wohl die Bedürfnisse der Bauern, seine Sprache war einfach und nah an den grauen Arbeitermassen; In diesem seinen Ursprung, in diesem Zusammenhang mit dem Dorf, lag vielleicht eines der Geheimnisse seines Erfolges; Aber es war schwer, einen Mann zu treffen, der so sehr wie Gapon mit priesterlicher Psychologie durchdrungen war. Zuvor hatte er das revolutionäre Umfeld nie gekannt, und von Natur aus war er kein revolutionärer, sondern ein schlauer Priester und schloss Kompromisse.

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