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N. K. Krupskaja: Lenin über die Volksbildung und den Volksschullehrer

N. K. Krupskaja: Lenin über die Volksbildung und den Volksschullehrer

[Zuerst veröffentlicht 1927 in der Zeitschrift „Na Putjach k Nowoi Schkole" Nr. 10, S. 3-5. Nach N. K. Krupskaja: Das ist Lenin. Eine Sammlung ausgewählter Reden und Artikel. Berlin 1966, S. 320-324]

Als Sohn eines fortschrittlichen Pädagogen aus den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts, der viel für die Einrichtung von Elementarschulen getan hat, lag Wladimir Iljitsch die Arbeit der Volksbildung stets sehr am Herzen, und er schätzte die Rolle des Volksschullehrers hoch ein. Seine Worte aus den „Tagebuchblättern“ sind zu gut bekannt, als dass man sie hier noch einmal wiederholen müsste.

Wladimir Iljitsch berücksichtigte stets die Tatsache, dass die große Mehrheit der Lehrerschaft der Arbeiterklasse und dem werktätigen Teil der Bauernschaft nahesteht, dass sie deren Interessen teilt. Diese Tatsache flößte ihm Vertrauen zur Lehrerschaft ein. Besonders charakteristisch in dieser Beziehung ist seine Rede auf dem II. Gesamtrussischen Kongress der internationalistischen Lehrer vom Januar 1919.

Die Leiter des Verbandes internationalistischer Lehrer fürchteten, den Rahmen ihres Verbandes zu erweitern. Sie meinten, dass der erbitterte Kampf zwischen den Lehrern, die von Anfang an auf der Seite der Sowjetmacht standen, und denen, die an der alten Ordnung festhielten, äußerste Vorsicht gebiete. Dieser Kampf währte bereits ein Jahr. Lenin begann seine Kongressrede damit, seine Überzeugung zum Ausdruck zu bringen, jetzt, nach einem Jahr, müsse und werde dieser Kampf zu Ende gehen.

Es kann keinen Zweifel darüber geben“, sagte er, „dass die große Mehrheit des Lehrpersonals, die der Arbeiterklasse und dem werktätigen Teil der Bauernschaft nahesteht, dass diese große Mehrheit sich jetzt davon überzeugt hat, wie tief die Wurzeln der sozialistischen Revolution reichen, wie unvermeidlich sie sich über die ganze Welt ausbreitet, und ich glaube, dass sich die große Mehrheit der Lehrerschaft jetzt zweifellos aufrichtig zur Macht der Werktätigen und Ausgebeuteten bekennt und bekennen wird im Kampf für die sozialistische Umwälzung und im Kampf gegen jenen Teil der Lehrerschaft, der bis heute, an den alten, bürgerlichen Vorurteilen, den alten Zuständen und der alten Heuchelei festhaltend, sich einbildete, er könne von diesen alten Zuständen etwas hinüberretten.“

Und weil Lenin überzeugt war, dass der Volksschullehrer auf der Seite der Massen stehen und gemeinsam mit ihnen der Sowjetmacht folgen werde, war er für einen umfassenden Lehrerverband.

Er sagte: „heute ist es die Hauptaufgabe jenes Teils der Lehrerschaft, der sich auf den Boden der Internationale, auf den Boden der Sowjetmacht gestellt hat, dafür zu sorgen, dass ein breiterer und nach Möglichkeit allumfassender Lehrerverband geschaffen wird.“ Wie Lenin dem Verband der auf internationalistischen Positionen stehenden Lehrer erklärte, „ist es die Aufgabe Ihres Verbandes, die breitesten Lehrermassen in Ihre Familie einzubeziehen, die zurückgebliebensten Schichten der Lehrerschaft zu erziehen, sie der allgemeinen proletarischen Politik unterzuordnen, sie in einer einheitlichen Organisation zusammenzufassen“. Diese Worte lassen es ganz klar werden, dass Wladimir Iljitsch die Gewerkschaft als „Schule des Kommunismus“ betrachtete. Er sprach davon, dass die schwankenden demokratischen Elemente durch die Macht der Tatsachen gezwungen seien, auf die Seite der Sowjetmacht überzugehen, weil sie sich überzeugt hätten, dass jeder andere Weg, ob sie es wollten oder nicht, sie dahin führe, die Weißgardisten und den internationalen Imperialismus zu verteidigen. Wladimir Iljitsch konnte sich natürlich nicht vorstellen, dass der Lehrerverband „neutral“ bleiben werde. Er zweifelte nicht daran, auf wessen Seite sich der Lehrerverband im Kampf zwischen Arbeit und Kapital stellen werde. Seiner Meinung nach „können nur die Verbände vollberechtigte Mitglieder einer Gewerkschaftsvereinigung sein, die den revolutionären Klassenkampf für den Sozialismus mittels der Diktatur des Proletariats anerkennen".

In dieser seiner Rede sprach Lenin von den riesigen Aufgaben, vor die sich der Lehrerverband gestellt sehen werde. Die Hauptaufgabe des Verbandes werde es sein, dafür zu kämpfen, „dass Wissen und Wissenschaften aufhören, Sache der Privilegierten zu sein, aufhören, das Material abzugeben, das die Positionen der Reichen und Ausbeuter festigt, und statt dessen zu einem Werkzeug für die Befreiung der Werktätigen und Ausgebeuteten werden".

Ein umfassender Lehrerverband war notwendig, damit man eine neue, sozialistische Schule schaffen konnte. Die Bourgeoisie, sagte Wladimir Iljitsch, „hat… ihre bürgerliche Politik zum Eckstein der gesamten Arbeit in der Schule gemacht und bemühte sich, das ganze Schulwesen darauf abzustellen, für die Bourgeoisie ergebene und rührige… Diener, Vollstrecker ihres Willens, Sklaven des Kapitals abzurichten. Niemals lag ihr etwas daran, die Schule zu einem Werkzeug der Erziehung der menschlichen Persönlichkeit zu machen. Und heute ist es allen klar, dass dies nur die sozialistische Schule tun kann, die, in untrennbarer Verbindung mit allen Werktätigen und Ausgebeuteten, aus aufrichtiger Überzeugung auf der Sowjetplattform steht.“

In dieser Äußerung Wladimir Iljitschs ist der Gedanke überaus wichtig, dass nur die sozialistische Schule das Werkzeug zur Erziehung der menschlichen Persönlichkeit sein kann. Diesen Gedanken muss man besonders hervorheben. Unsere sowjetische Schule, die sich aus völlig begreiflichen Gründen begeistert für kollektivistische Erziehung einsetzt, hat dabei der Erziehung der menschlichen Persönlichkeit nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet.

Die von kapitalistischen Staaten organisierte Schule, die Schule des Büffelns, die Schule mit erzwungener Disziplin erstickt die Selbsttätigkeit der Kinder, sie hemmt die Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit, verdirbt sie. Nur eine Arbeitsschule, eine Schule, die mit dem Leben der Umwelt und mit den Interessen des Kindes eng verbunden ist, die ihm die verschiedenen Bereiche für die Anwendung seiner Kräfte erschließt, die Schule, die zum Leben im Kollektiv erzieht, die den Schülern hohe Ziele steckt, schafft zum ersten Mal Bedingungen für die Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit.

Die Erziehung zum Kollektivisten muss mit der Erziehung zu einem allseitig entwickelten, innerlich disziplinierten Menschen verbunden sein, der fähig ist, tief zu empfinden, klar zu denken und planmäßig zu handeln.

Gegenwärtig, da der Inhalt des Lehrprogramms in der Schule bereits festgelegt ist, treten Erziehungsfragen mehr und mehr in den Vordergrund, finden sie immer mehr die Aufmerksamkeit der Lehrerschaft. Aus diesem Grunde sind Wladimir Iljitschs Ausführungen jetzt von besonderem Wert.

In der gleichen Rede fügte Wladimir Iljitsch, als er von der Notwendigkeit einer engen Verbindung zwischen Schule und Politik sprach, hinzu: „Gewiss, die Umgestaltung des Schulwesens ist eine schwierige Sache. Und gewiss hat es hier Fehler gegeben und gibt es auch jetzt noch Fehler und die Tendenz, das Prinzip der Verbindung zwischen Schule und Politik falsch auszulegen und ihm einen vulgären, entstellten Sinn zu verleihen, indem man versucht, diese Politik auf ungeschickte Weise in die Köpfe der noch jungen, heranwachsenden Generation hineinzutragen, die sich noch vorbereiten muss. Und zweifellos werden wir immer gegen diese grobe Anwendung des Grundprinzips ankämpfen müssen.“

Was meinte Wladimir Iljitsch damit? Aus anderen seiner Reden geht klar hervor, dass er das Prinzip der Verbindung von Politik und Schule und das Wesen der kommunistischen Erziehung dort als entstellt ansah, wo man die Kinder zwingt, Dinge, die ihnen unverständlich sind, auswendig zu lernen und zu wiederholen, wo der Unterricht nicht mit gesellschaftlicher Arbeit verbunden wird, wo den Kindern nicht beigebracht wird, gemeinsam zu leben und zu arbeiten, einander in allem zu helfen, wo der Kommunismus zu etwas gemacht wird, was mit dem wahren lebendigen Kommunismus nichts gemein hat.

Fast neun Jahre sind vergangen, seitdem Wladimir Iljitsch diese Rede hielt. Die Menschen, die auf dem Gebiet der Volksbildung tätig sind, stehen nun schon längst auf der Plattform der Sowjetmacht und bemühen sich, die Jugend im Geiste des Leninismus zu erziehen, sie bilden eine neue Generation heran, der die Aufgabe zufällt, das Werk Lenins zu Ende zu führen. Vor der Lehrerschaft stehen Ziele, die sowohl ihrer Bedeutung wie ihrer Tiefe und ihrer Reichweite nach gewaltig sind. Lenin hat uns gelehrt, dem Lehrer zu vertrauen.

Der Lehrer wird Lenins Banner immer fester in die Hände nehmen und es hochhalten.

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