Otto Schüssler 19320301 KPD oder zweite Partei?

Otto Schüssler: KPD oder zweite Partei?

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 5 (Anfang März 1932), S. 4 f.]

Mit der Gründung der SAP traten die Frage nach der Rolle und Bedeutung der KPD wieder näher in den Vordergrund. Die SAP begründet ihre «Abneigung» gegen die KPD durch die fehlerhafte Politik der KPD und hält damit die Untauglichkeit der KPD im entschiedenen revolutionären Klassenkampf für erwiesen. Was denn anderes könnte die Gründung einer neuen Partei rechtfertigen, wenn nicht die erwiesene «politische Erledigung» der alten Partei, – d. h. in unserem konkreten Falle also der KPD. Nicht zufällig wird oft in der SAP- Presse und von SAP-Referenten wörtlich oder sinngemäß die Formulierung gebraucht: «SPD und KPD haben gleichermaßen versagt, haben sich gleichermaßen als unfähig erwiesen». Die ganze Schwäche der theoretischen, prinzipiellen Positionen der SAP zeigt sich schon in diesem Nichtverstehen des Charakters der Sozialdemokratie und der KPD, – zeigt sich schon in dieser mechanischen, falschen Gleichsetzung der SPD und der KPD als «zweier Arbeiterparteien». Diese fehlerhafte Theorie des «gleichen Versagens» ist einer der Eckpfeiler der SAP in der Begründung ihrer Existenznotwendigkeit.

Die SAP ist eine Station auf dem Wege von der SPD zur KPD. Die konsequent klassenverräterische Politik der SPD stieß einen Teil. einen wertvollen Teil der sozialdemokratischen Mitglieder ab und die fehlerhafte Politik der KPD, ihre Isolierung von den breiten Massen der sozialdemokratischen und freigewerkschaftlich organisierten Arbeiter, hemmte die Eingliederung der von der SPD abgestoßenen Teile in die KPD.

Die Gründling der SAP war für diese Schichten der Weg des geringsten Widerstandes. Sie scheuten davor zurück, gegen die Hindernisse anzukämpfen, die sich ihrem Eintritt in die bereits vorhandene revolutionäre Partei entgegenstellten. Die «Theorie» vom «gleichen Versagen» der SPD und KPD soll das Ausweichen vor dem Kampfe gegen die Hindernisse verbergen.

Die SAP als zentristische Partei enthält die verschiedensten politischen Strömungen und Richtungen, die ein Kennzeichen jeder zentristischen Partei und der Ausdruck der theoretischen und praktischen Unentschlossenheit sind. Ein bedeutender Teil der SAP-Mitglieder erkennt teils bewusst, teils instinktiv die Schwäche der zentristischen Position ihrer Partei. Diese Teile vertreten die Ansicht, dass die SAP zur «neuen kommunistischen Partei« werden müsse und – wie z. B. der Vorsitzende des Leipziger Bezirks der SAP erklärte, «mit einem Programm. an dem Karl Marx seine Freude haben würde».

Diese Theorie von der neuen kommunistischen Partei kann sich nur stützen und stützt sich nur auf die Ansicht von dem unbedingten Versagen der KPD, von der Unmöglichkeit der Beseitigung der heutigen Fehler und von der Unmöglichkeit der Reform der KPD. Ganz besonders in den radikalen Gruppierungen der SAP ist die Theorie der «neuen KP» vertreten. Es ist offensichtlich, dass die neue KP ein mehr psychologisches als politisches Argument ist. hervorgehend aus der Unsicherheit über die Entwicklung der SAP. aus der Erkenntnis einer mangelhaften Einstellung gegenüber der KPD.

Natürlich leisten die fehlerhafte Politik, die verderbliche Isolierungstaktik der KPD einer solchen Einstellung Vorschub, wie überhaupt der Zickzackkurs der KPD wie der gesamten Komintern in den vergangenen Jahren die Voraussetzungen schuf für das Wiedererstarken des Zentrismus. Trotzdem steht die KPD noch auf dem Boden des revolutionären Klassenkampfes, trotzdem ist die KPD die Partei, in der sich Hunderttausende revolutionärer Proletarier organisiert haben. «Revolutionärer Klassenkampf», das hieß in den vergangenen Jahren und das heißt auch heute noch: KPD und Komintern.

«Die gegenwärtigen Kommparteien sind als Ergebnis solcher Ereignisse wie der Weltkrieg, Verrat der Sozialdemokraten, russische Revolution und revolutionäre Krise der kapitalistischen Gesellschaft der Nachkriegszeit entstanden. Das sind die vier gigantischen Vorbedingungen. deren Zusammenwirken die rasche Entstehung und Entwicklung der Komintern ermöglichte. Gewiss, die Wirkung dieser Vorbedingungen ist jetzt schwächer geworden. Doch zu glauben, dass diese Faktoren und die durch sie entstandenen Traditionen, Bindungen. Massenorganisationen – ohne neue gleichwertige Ereignisse – durch Reden und Artikel ersetzt werden können, das bedeutet die Äußerung eines tödlichen literarischen Subjektivismus, d. h. eines völligen Missverstehens der Dialektik der politischen Klassenentwicklung» (Trotzki).

Selbst die eifrigsten Theoretiker der SAP als neuer kommunistischen Partei werden keinen Klassenverrat der KPD entdecken können. Das aber hindert sie nicht, sondern zwingt sie im Gegenteil, immer kräftiger nach der «neuen KP» zu rufen.

In dieser Tätigkeit werden sie kräftig unterstützt von oppositionellen Gruppen, ehemaligen Angehörigen der KPD, die sich aber im Laufe der Jahre und der Entwicklung immer mehr von der KPD und der Komintern ideologisch und praktisch entfernt haben. Aus der Enge ihres Sektierertums hoffen sie befreit zu werden durch eben die «neue» Kompartei und sie sind dafür die eifrigsten Propagandisten.

Einer der Hauptlieferanten für diese Idee der «neuen Partei» ist Hugo Urbahns und der Leninbund. Um die Propagierung der neuen KP zu erleichtern, verneint der Leninbund entschieden, dass heute in Deutschland überhaupt eine Kommunistische Partei existiert.

«Eine kommunistische Partei ist in Deutschland wie auch in den übrigen Ländern der Welt nicht vorhanden…

Das Fehlen einer solchen kommunistischen Partei in Deutschland stellt uns Linke Kommunisten vor die Aufgabe, unsere Kräfte auf Herausbildung einer wirklichen kommunistischen Partei zu verdoppeln.» (Volkswille Nr. 45, 1931.)

Etwas unklarer sagt der Aufruf der Reichskonferenz des Leninbundes (Volkswille Nr. 44. 1931).

«Die Herausbildung einer wirklichen Kommunistischen Partei steht angesichts des Versagens der Komintern und der falschen Politik der Kommunistischen Partei (Bankkrach im Juli, Volksentscheid vom 9. August) als unbedingte Notwendigkeit vor uns.»

Deutlicher schreibt Hugo Urbahns selbst in einem Artikel «Neue oder alte kommunistische Partei!» (Volkswille Nr. 1, 1932).

«Wir sind der Überzeugung, dass mir in den Kämpfen der Klasse die wirkliche Kommunistische Partei entstehen wird. Dabei sind wir der Ansicht, dass diese wirkliche Kommunistische Partei die Synthese sein wird aus den besten Elementen der KPD und KPO, dem Leninbund und den sich zum Kommunismus entwickelnden Arbeitern in der SPD und vor allem der SAP. In diesem Sinne erstreben wir die «neue» Partei.»

Es ist kein Zufall, dass die Forderung der bolschewistischen Reform der KPD in der Literatur des Leninbundes nicht zu finden ist.

Wir beschäftigen uns kurz mit den Theorien des Leninbundes, weil sie für die SAP-Arbeiter einen Schein der Erfahrung mit der KPD haben werden, – und weil sie mit den Ideen bestimmter SAP-Theoretiker übereinstimmen. – im Schrei nach der «neuen» Partei.

Die Linke Opposition der KPD sagt, dass heute kein Raum vorhanden ist für eine neue revolutionäre, kommunistische Partei, dass dafür ebenso die Voraussetzungen fehlen. Eine neue Partei kann nur eine zentristische werden, eine Partei zwischen SPD und KPD, und das ist bereits die SAP.

Hunderttausende revolutionärer Proletarier stehen im Lager der KPD, immer größere Schichten geben der KPD Stimme und Vertrauen: trotz ihrer Fehler und Abweichungen. Wie viel größer wären die Kräfte der KPD ohne die falsche und verhängnisvolle Politik ihrer Bürokraten. Von den Fehlern und Schwächen der KPD und Komintern versucht sich die SAP, versuchen sich sektiererische Splittergruppen zu nähren. Unbedingt marxistisch aber ist, alle Kräfte gegen die Fehler de KPD-Bürokratie zu mobilisieren, für eine marxistisch leninistische Reform. Das deutsche Proletariat steht in einer entscheidenden Situation. Die KPD ist gehemmt durch eine unfähige Bürokratie, die SAP ist beschäftigt, eine kleinere, aber säuberlich konstruierte Partei aufzubauen und von Zeit zu Zeit mit kleinen Splittergruppen zu Verhandlungen und Kartellen zusammenzutreten, – isoliert von der großen Masse der sozialdemokratischen Arbeiter, isoliert von den großen Massen der KPD.

Die KPD, – die Hunderttausende ihrer revolutionären Arbeiter sind gewillt, den Abwehrkampf zu organisieren. Alle Kräfte müssen eingespannt werden, die vorhandenen Hindernisse zu beseitigen, – zu beseitigen im schärfsten theoretischen, ideologischen Kampfe gegen die falsche Linie einer selbstzufriedenen Bürokratie, gegen den Glauben an die Unfehlbarkeit des bürokratischen Apparates.

Nicht im Aufbau einer «neuen Partei», – nicht in Kartellen isolierter Gruppen liegt heute die Aufgabe. Die Aufgabe liegt darin, der KPD auf den klaren marxistisch-leninistischen Weg zu helfen, der ihr die Organisierung der breitesten Einheitsfront des Proletariats ermöglicht. Das nicht zu erkennen, heißt sich mitschuldig machen an kommenden Niederlagen.

O-r.

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