Zelle Hafenschifffahrt 19320316 Die Zelle Hafenschifffahrt Hamburg an das EKKI

Zelle Hafenschifffahrt: Die Zelle Hafenschifffahrt Hamburg an das EKKI

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 6 (Mitte März 1932), S. 13-15]

Wir bringen hier den Brief der Betriebszelle «Hafenschifffahrt», den sie an das EKKI gerichtet hat. Unsere Hamburger Genossen werden zu den aufgeworfenen Fragen in der nächsten Nummer der «P. R.» Stellung nehmen.

Die Redaktion

Die Genossen der Betriebszelle Hafenschifffahrt, die zu einigen Fragen der Tagespolitik der Partei eine gesonderte Stellung einnehmen, hatten einen 16 Seiten langen Brief an das EKKI gesandt, worin sie ihre selbstkritischen Gedanken zum Ausdruck bringen. Wenn auch das Schreiben von einem tiefen Ernst des Kampfes gegen die Fehler der Partei zeugt, so ist die Halbheit der Kritik ersichtlich durch die Nichtberührung der Grundfragen der fehlerhaften Politik der Partei. Dieser Mangel wird in der nächsten Nummer der «Permanenten Revolution» behandelt werden. Hier einige Auszüge aus dem Briefe, welche sehr eindeutig die Unfähigkeit der Partei konkretisieren:

«Die Lage der Hafenarbeiter und die Entwicklung der revolutionären Bewegung der letzten Jahre im Hafen stehen in einem argen Missverhältnis. Es soll nun nicht unsere Aufgabe sein, hier nur Minusseiten der revolutionären Bewegung aufzuzeigen Wir halten uns aber im Interesse der Partei und der revolutionären Bewegung für verpflichtet, dem Exekutivkomitee Vorgänge zu unterbreiten, die eine bedenkliche Isolierung der Partei von den Massen aufzeigen.

Lohnabbau damit, dass der Hafen nicht konkurrenzfähig sei. Jetzt kommt ein Führer der KPD, erklärt «der Hafer ist ein Friedhof» und bestätigt für die sozialdemokratischen Arbeiter die Argumente ihrer Führer, so dass sie zu der Schlussfolgerung kommen: Auf stillliegenden Kaischuppen und Schiffen kann man nicht streiken.

Es ist der Partei noch bei jeder Bewegung im Hamburger Hafen gelungen, die wichtigsten Vermittlungsstellen der unständig beschäftigten Hafenarbeiter, als Ausgangspunkt aller Hafenarbeiterbewegungen, stillzulegen. Bei der Dezember-Notverordnung, die den Lohn der Hafenarbeiter von RM 8.30 auf RM 7.60 reduzierte, wobei erst im November ein Lohnabbau von RM 8.60 auf RM 8.30 getätigt wurde, ist es nicht gelungen, die Vermittlung auch nur für eine Schicht, auch nur für einen Mann, zu unterbinden. Als die Genossen versuchten, am Tage des Lohnabbaues im Vermittlungsstall Stubbenhuk, dem bisher aktivsten und für die revolutionäre Bewegung entscheidenden Vermittlungsstall, für Stilllegung der Vermittlung zu sprechen, wurden sie durch Zwischenrufe unterbrochen und zum Teil höhnisch ausgelacht, und die Vermittlung ging hier – wie auch in allen anderen Vermittlungsställen – ungestört weiter.

Diese, für eine revolutionäre Partei beschämende und bedenkliche Tatsache, kann nicht auf irgendwelche objektiven Faktoren zurückgeführt werden. Im Gegenteil: die objektiven Tatsachen besagen, dass die Hafenarbeiter bis aufs Blut gepeinigt werden. Der Lohn ist vom Februar 1931 von RM 9.20 pro Schicht auf RM 7.60 im Januar 1932 pro Schicht abgebaut. Der unständig beschäftigte Hafenarbeiter, der nur 2–3 Tage in der Woche arbeitet, führt ein Hungerdasein. Die Rationalisierung und Antreiberei bei den Hafenarbeitern wird bis zum Weißbluten gesteigert.

1926 hat ein Hafenarbeiter im Monatsdurchschnitt 100 Tonnen Güter umgeschlagen.

1931 im ersten Quartal im Monatsdurchschnitt dagegen 131 Tonnen. Die Arbeitsleistung ist seitdem bestimmt noch gesteigert worden. Die Unfälle, die 1913 im Hafen – 3 300 betrugen, sind heute auf das Doppelte und Dreifache gestiegen. Brandschatzung der Hafenarbeiter bis zum Weißbluten, uferloser Raubbau an Leben und Gesundheit der Hafenarbeiter, das ist die Lage.

Die Überschätzung des Stimmenerfolges bei Parlamentswahlen und die Unterschätzung der revolutionären Massenaktionen wurde von unserer Zeile wiederholt kritisiert. Schon anlässlich der Reichstagswahl am 14. 9. 30 hat die Partei in geradezu unglaublicher Weise die Lohnbewegung der Hafenarbeiter, deren Tarif im Oktober abgelaufen war, vernachlässigt. In einem Rundschreiben der Hafenzellenleitung wurde dann auch naiverweise folgendes festgestellt:

«Während der Wahlkampagne ist unsere Arbeit in Bezug der Mobilisierung der Hafenarbeiter zum 1. Oktober stark vernachlässigt. Es gilt jetzt, das Versäumte nachzuholen. Als ob es da noch etwas nachzuholen gibt! Wie stark man auf opportunistischen Stimmenfang eingestellt war, zeigt die offizielle Anweisung der BL Wasserkante im Rundbrief Nr. 12 zu den Reichstagswahlen. Es heißt dort:

«Ebenfalls versuchen wir zu organisieren, dass sozialdemokratische Arbeiter und z. B. auch ganze Gemeinden wenigstens in ihrer Mehrheit Aufrufe erlassen, die Kommunistische Partei zu wählen. Es kommt bei diesen Aufrufen weniger darauf an, dass sie in allen ihren Formulierungen einwandfrei sind, sondern darauf, dass sie den Arbeitern sagen, dass nur die Wahl von Kommunisten in Frage kommt.»

Diese Überschätzung der Parlamentswahl und Unterschätzung der Massenaktionen als Opportunismus zu kritisieren und zur Überwindung konkrete Vorschläge zu machen, hat die Zelle als ihre vornehmste Pflicht betrachtet.

Wie der Wahlkampf eben nur als Stimmenfang benutzt wurde, so wurde die Lohnbewegung als Nurgewerkschafterei betrachtet. Wir bitten das Exekutivkomitee, sich den Artikel des Gen. Schubert, Polleiter des Bezirks Wasserkante, in der «Hamburger Volkszeitung» vom 12. 11. 1931, der die Lehren aus der vergangenen Hafenarbeiterbewegung zielen sollte, etwas genauer anzusehen. Hier ist keinerlei Hinweis auf die Kriegsgefahr, keine Analyse der Lage und wie man den Hafenarbeiterkampf zum Ausgangspunkt einer politischen Massenbewegung gegen die Brüningregierung hätte ausnutzen können und müssen. So wie dieser Artikel, in demselben Geist, sind auch Reden, Artikel und Flugblätter verfasst. RGO und Partei schwimmen untereinander und durcheinander.

Anbetung der agitatorischen Geste und Knalleffekte, Vernachlässigung der Analyse der Lage, der Organisierung der Arbeit, der Mobilisierung der Massen, zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Parteiarbeit, besonders auch im Hafen. Z.B. wurde vom Genossen Remmele in einer Versammlung zur Bürgerschaftswahl das Schlagwort geprägt: «Der Hamburger Hafen ist ein Friedhof». Die Güterumschlagszahlen zeigen, dass dieser Ausdruck daneben haut. Rein taktisch, im Hinblick darauf, dass die Vorbereitung des Lohnkampfes und die Wahlkampagne zusammen fielen, war dieser Ausspruch, der durch die «Hamburger Volkszeitung» und Flugblätter allmählich zu einem geflügelten Wort wurde, ein Fehler. Reformisten und Hafenunternehmer begründen jeden Lohnabbau damit, dass der Hafen nicht konkurrenzfähig sei. Jetzt kommt ein Führer der KPD, erklärt «der Hafen ist Friedhof» und bestätigt für die sozialdemokratischen Arbeiter die Argumente ihrer Führer, so dass sie zu der Schlussfolgerung kommen: Auf stillliegenden Kaischuppen und Schiffen kann man nicht streiken.

Es kam für die Partei darauf an, den Wahlkampf mit der Vorbereitung des Hafenarbeiterkampfes richtig zu verbinden und ihn in erster Linie in Betriebe und Gewerkschaft zu verlegen. So wäre es dann möglich gewesen, zum 1. Oktober oder auch früher, im Hafen eine Bewegung, einen Streik zustande zu bringen, um damit die Theorie und Praxis des «homöopathischen» Wunderdoktors Brüning über den Haufen zu werfen. Die Partei hätte so die Bourgeoisie nicht nur innenpolitisch. sondern auch außenpolitisch, unter Druck gesetzt. Sie hätte durch einen Hafenarbeiterstreik dem Proletariat gezeigt, wie man die Bourgeoisie an der Gurgel packen kann. Vielleicht hätte man in den Kauf nehmen müssen, dass zur Bürgerschaftswahl die Partei durch Vernachlässigung einiger kleinbürgerlicher Schichten ein paar Tausend Stimmen weniger bekommen hätte.

Wie wenig aber der politische Blick der Parteimitglieder durch das Sekretariat der BL in dieser Richtung hin ausgerichtet wird, zeigt folgender Vorgang: Mehrere Wochen vor der Bürgerschaftswahl und vor dem Tarifabbau der Hafenarbeiter fand eine Branchenversammlung der Schauerleute, also der entscheidenden Branche statt. Obwohl mehrere Kommunisten anwesend waren, hat keiner in dieser Versammlung weder zur Bürgerschaftswahl, noch zum Oktoberkampf gesprochen. noch Anträge eingebracht. Obwohl seitens der sozialdemokratischen Arbeiter in der Diskussion gegenüber den reformistischen Führern scharfe Kritik geübt wurde. Die Arbeit in den reformistischen Versammlungen, besonders aber bei Wirtschaftskämpfen, wird absolut opportunistisch betrachtet. Nichts von alledem, was Lenin sagt über die Aufgaben einer Kommunistischen Partei im Wirtschaftskampf:

«Die Aufgabe der Sozialdemokratie aber erschöpft sich nicht in der politischen Agitation auf ökonomischen Boden. Es ist ihre Aufgabe, diese trade-unionistische Politik in einen sozialdemokratischen politischen Kampf zu verwandeln. Die Funken des politischen Bewusstseins die der ökonomische Kampf in den Arbeitern weckt, ausnutzen, um die Arbeiter auf das Niveau des sozialdemokratischen politischen Bewusstseins zu heben» (Aus: Lenin «Periode der Iskra» Seite 209).

Wie unglaublich opportunistisch die Rolle der Partei eingeschätzt und behandelt wird, zeigen die Flugblätter, die von der Partei herausgegeben, aber unterschrieben sind mit: «Die revolutionären Arbeiter Deutschlands», und ein anderes: «Die revolutionären Arbeiter Hamburgs», als ob man das Gesicht der Partei zu verdecken hätte. Spontanitätsanbetung, Ökonomismus und die sich hieraus ergebende völlige Negierung der revolutionären Arbeit in den Gewerkschaften, sind unserer Meinung nach Abweichungen, die zur stärksten Kritik verpflichten.

Die Beschlüsse des 11. Ekkiplenums, die von der BL Wasserkante einstimmig anerkannt wurden, die selbstverständlich klarer und gründlicher die Fehler kritisieren (?), als das von uns geschehen war und die das, was wir zum Teil noch unklar formulierten, in die revolutionäre Sprache übersetzten, ließen uns vergeblich auf Abstellung der Fehler hoffen. Nachdem die Zelle die Beschlüsse des Ekkiplenums im Frühjahr 1931 durchgearbeitet hatte, nahm sie im Mai folgende Resolution an:

Die Zelle Hafenschifffahrt erwartet von der Bezirksleitung Wasserkante, dass sie alle Kraft der Partei an die Steigerung der Gewerkschaftsarbeit konzentriert und damit die Beschlüsse der Komintern und der Partei zur Durchführung bringt. ,

Das 11. Ekkiplenum, der 3. RGI-Kongress, wie auch die Tagungen unserer Partei verlangen rücksichtslosen fraktionellen Kampf in den Gewerkschaften gegen den Verrat der Verbandsbürokratie und für die Gewinnung der breiten organisierten Massen für den Kommunismus. Diese Aufgabe ist bisher nur unvollkommen gelöst, daraus resultiert ein Sinken des Einflusses unserer Partei innerhalb der gewerkschaftlich organisierten Massen. Wir fordern deshalb verstärkte Fraktionsarbeit in den Gewerkschaften und Verbindung der gewerkschaftlich organisierten Arbeitern mit den Unorganisierten, durch die Schaffung von Kampfausschüssen in Betrieb und Stempelstellen, die sich stützen auf Organisierte und Unorganisierte. Nur dann wird es der Partei möglich sein, breite Massenkämpfe auszulösen.»

Die völlige Vernachlässigung der Mobilisierung der Partei zum Kampf gegen die Kriegsgefahr durch die BL Wasserkante veranlasst die Zelle nochmals, eine Resolution im August 1931 anlässlich der Antikriegskampagne und im konkreten Falle des Mandschureikonfliktes erneut in der Kriegsfrage zu richten.

Die Zelle Hafenschifffahrt weist darauf hin, dass die Möglichkeit der bewaffneten Intervention gegen USSR näher rückt. Der Vorstoß der Japaner in der Mandschurei bezweckt die Eroberung der rohstoffreichen Mandschurei, in erster Linie aber die Schaffung eines strategischen Aufmarschgebietes für den Krieg gegen die USSR. Die Zelle beantragt die Steigerung der Antikriegskampagne. unter Verwendung der geschaffenen konkreten Tatsachen. Die Zelle schlägt vor die Organisierung eines internationalen Arbeiterkongresses gegen imperialistischen Krieg und Faschismus. Die Zelle hat diesen Antrag bereits im April anlässlich der Genfer Tagung gestellt. Er wurde damals der BL überwiesen, ohne dass die Zelle eine Stellungnahme der Parteiführung in Erfahrung bringen konnte.»

Zwischen Anerkennung der Beschlüsse und Durchführung derselben besteht eine klaffende Schere. Zur Kriegsfrage hat die Partei weder die Parteimitgliedschaft noch die Arbeiterschaft, besonders aber nicht die Hafenarbeiterschaft, irgendwie aufgeklärt und mobilisiert. Die Arbeit in den Gewerkschaften liegt genau so darnieder wie im April 1931, als das EKKI in den Beschlüssen die Mängel auf diesem Gebiete kritisierte. Wir bitten auch hier das Exekutivkomitee, sich in der «Hamburger Volkszeitung» zu informieren, ob durch Berichte in der «Hbg. Volkszeitung» aus den Gewerkschaftsversammlungen über die revolutionäre Arbeit in den Gewerkschaften, sich auch nur schwache Ansätze zeigen. Was getan wird, wird meistens von der Parteimitgliedschaft, wie bei unserer Zelle, aus eigener Initiative gemacht. Jeder Genosse der Partei hat die Möglichkeit, sich durch Austritt aus den reformistischen Verbänden, oder durch passives Verhalten, von der revolutionären Arbeit in den Gewerkschaften opportunistisch zu drücken. Wir können nicht annehmen, dass dies der Gesamtzustand der Partei ist, sondern sind der Meinung, dass das Sekretariat der BL Wasserkante in der politischen Linie und Auffassung von den Beschlüssen der Komintern abweicht (?). Nur so ist es auch zu verstehen, dass eine Wendung zur Gesundung der Partei, eine Wendung zur Überwindung der vom Ekkiplenum aufgezeigten Fehler, nicht gemacht wird und eine diesbezügliche Kritik in der brutalsten und verantwortungslosesten Weise unterdrückt wird, ja die Kritiker, wie es bei uns der Fall ist, aus der Partei ausgeschlossen werden.

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