Otto Schüssler 19320400 Gewerkschaften und Krise

Otto Schüssler: Gewerkschaften und Krise

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 7 (Anfang April 1932), S. 5-7]

Über die Auswirkungen der Krise auf die freien Gewerkschaften wird gegenwärtig oft und viel diskutiert. Erst in den jüngsten Tagen wieder polemisierte der ADGB gegen einen Artikel des Berliner Tageblattes, in dem von einer schweren Krise der freien Gewerkschaften gesprochen wurde und in dem weiterhin der gewerkschaftliche Mitgliederbestand für 1931 mit etwas über 4 Millionen als der niedrigste seit 1918 geschätzt wurde. Für die Arbeiterklasse ist die Frage nach der Situation der freien Gewerkschaften nicht mit einer Zeitungspolemik zwischen «Vorwärts» und «Berliner Tageblatt» abgetan, vielmehr zieht sie aus einer ernsthaften Klärung dieser Frage wichtige Schlüsse über die Verhältnisse innerhalb der organisierten Arbeiterschaft und wichtige Lehren für den proletarischen Klassenkampf.

Die gegenwärtige Situation der freien Gewerkschaften steht im Zeichen des Niedergangs des Reformismus. «Die gegenwärtige Krise des agonisierenden Kapitalismus zwang die Sozialdemokratie, auf die Früchte des langen wirtschaftlichen Kampfes zu verzichten und die deutschen Arbeiter auf das Lebensniveau ihrer Väter, Großväter und Urgroßväter hinabzuführen. Es gibt kein tragischeres und gleichzeitig abstoßenderes historisches Schauspiel als das bösartige Faulen des Reformismus inmitten der Trümmer all seiner Errungenschaften und Hoffnungen.» (Trotzki, «Was nun?» S. 4.) In der Tat, – wann zeigte sich offener der Bankrott des Reformismus als gerade heute?

Das charakteristischste Beispiel bietet wohl die Entwicklung des Lebensniveaus der Arbeiterschaft. Maßgebend für diese Entwicklung ist der Glaubenssatz der Gewerkschaftsbürokratie, dass in der Krise keine Kämpfe geführt werden können und dass sich deshalb die Aktionsfähigkeit des Proletariats auf papierene Proteste der Bürokratie zu beschränken habe. Nicht mehr Lohnerhöhungen, sondern «Einschränkungen» beim Lohnabbau werden heute von der Gewerkschaftsbürokratie «herausgeholt». Und auch dessen rühmt sich die Bürokratie weitaus zu Unrecht. Der Lohn ist heute zu einer Angelegenheit von Notverordnungen geworden, gegen die die Bürokratie nichts als leere «Proteste» aufbringt, wobei sie allerdings mit Kampfandrohungen nicht spart, die jedoch nur zur «psychologischen Wirkung» auf die Gewerkschaftsmassen berechnet sind. Der Lohnabbau allein in den letzten Monaten, abgesehen von dem im Jahre 1931, ist verheerend. Der Lohnstatistik des ADGB entnehmen wir: «Der Lohnabbau ab 1. Januar 1932 beträgt im Einzelnen und im Ganzen:

für Beschäftigte

Abbau in Prozent

147.000

bis 5 Proz.

101.000

6

57.000

7

314.000

8

152.000

9

1.069.000

10

110.000

11

19.000

12

251.000

13

351.000

14

1.63.000

15

19.000

über 15

Der Durchschnitt beträgt 12%

Als Einzelbeispiel mag folgende Aufstellung der «Metallarbeiter-Zeitung» (Nr. 10, 1932) dienen: «Die Verdienste sind einem der größten Werke der Hüttenindustrie entnommen, die mit kleinen Abweichungen für alle Werke zutreffen.


1927

1928

1929

1930

1931

1932

(je Schicht Mark)

Hochofenbetrieb

erster Mann

9,–

9,50

9,27

8,56

8,56

6,48

letzter „

7,50

8,20

8,05

7,30

7,30

5,80

Thomaswerk

erster Mann

17,49

16,08

12,6

12,59

9,68

7,20

letzter „

10,62

9,76

6,48

6,48

5,60

4,50

Martinwerk

erster Mann

14,30

14,72

12,54

12,5

10,72

7,22

letzter „

5,-

8,05

6,54

6,45

5,92

4,48

Blockwalzwerk

erster Mann

11,–

10,12

9,40

10,75

8,80

6,40

letzter „

7,69

6,88

6,54

6,94

5,94

4,40

Stabstraße

erster Mann

11,81

10,8

10,35

9,90

9,–

6,92

letzter „

7,24

7,20

6,30

6,24

5,76

4,72

Das sind, wie schon betont, Bruttoverdienste. Wer aber glaubt, dass diese Hungerlöhne mit voller Wochenarbeitszeit verdient werden, der irrt sich. Es werden in der Woche im Durchschnitt zwei Feiertage eingelegt. Der Hüttenmann kann mit diesem Brutto-Schichtverdienst nur an vier Tagen arbeiten. Was für Wochenlöhne da herauskommen, reicht nicht fürs nackte Leben.»

Charakteristisch ist ferner eine dem «Gewerkschafts-Archiv» (Nr. 1, 1932) entnommene Aufstellung über die Entwicklung der Tariflöhne im Ruhrbergbau (in RM.),

Laut Tarif vom

Durchschnittl. Lohn für Hauer

Höchster Schichtlohn : unter Tage

Facharbeiter über Tage

Sonstige

Tages-

arbeiter

Ende 1925

8,05

7,00

7,00

5,60

Herbst 1926

8,40

7,30

7,30

5,85

Mitte 1929

9,80

8,52

8,36

6,73

Anfang 1931

9,21

8,01

8,86

6,33

01.10.31

8,57

7,45

7,32

5,89

1. 1 32 (Notv.)

7,71

16,71

6,59

5,30

«Die Löhne für den Ruhrbergbau liegen somit um 4 bis 6 Prozent tiefer als Ende 1925.»

Es ist in diesem Zusammenhänge interessant, dass selbst von gewerkschaftlicher Seite der Lohnstatistik des ADCB vorgeworfen wird, dass ihre Berechnungen vollkommen unzulänglich sind und «so wie sie ist, ist sie nur ein schwerer Schade für die Arbeiter und für die Gewerkschaften selbst, anstatt – was sie sein sollte – eine ihrer Waffen im Lohnkampf». «Der ADGB gibt den Durchschnittslohn für alle männlichen Vollarbeiter im Reich für Ende 1931 mit 100,6 Rpf. an. Die amtliche Statistik gibt dagegen für diesen Zeitpunkt folgende Zahlen: Facharbeiter 97 Rpf., Angelernte 78,9 Rpf., Hilfsarbeiter 75,7 Rpf. Nimmt man den Durchschnitt der drei an Zahl nicht allzu verschiedenen Gruppen, dann ergibt sich eine Ziffer von 83,7 Rpf. Der ADGB gibt also den Gesamtdurchschnittslohn um 17 Rpf. pro Stunde oder rund 20% höher an als die amtliche Statistik.» (Gewerkschafts-Archiv, Nr. 1, 1932. S. 43-44). Wahrlich, ein bedeutsames Zeichen: die Gewerkschaftsbürokratie hat selbst ein Interesse daran, den tatsächlichen Lohnabbau vor den Massen zu verheimlichen: – als ob sich der Bankrott des Reformismus mit jämmerlichen Pfennigschwindeleien aufhalten und verbergen ließe. Die Ziffern der Lohntüten sind den Arbeitern verständlicher als die statistischen Kniffe der Bürokraten, die nur als Symptome innerer Schwierigkeiten zu werten sind.

Verbunden mit dem Lohnraub ist das Schicksal der Tarifverträge, deren Beseitigung sich die Bourgeoisie zweifellos zum Ziel gesetzt hat, wenn sie auch heute nur die «Teilforderung» in den Vordergrund stellt: Durchbrechung der «starren» Bestimmungen, – «Aufweichung der Tarife». Während noch die Gewerkschaftsbürokratie scharfe Worte ihrer «Unnachgiebigkeit» formuliert, hatte bereits die 2. Notverordnung dem Verlangen der Unternehmer weitgehend Rechnung getragen.

In der Zeit der Konjunktur trommelte die Gewerkschaftsbürokratie in die Hirne der Mitglieder den Glauben un die «Unantastbarkeit der Tarifverträge». Diese Lehre von der «Unantastbarkeit» hing als Bremsklotz an der Arbeiterschaft und hinderte sie an der Erringung der größtmöglichen Erfolge im günstigsten Zeitpunkte. Die Scheu davor, das Odium des «Tarifbruchs» auf sich zu laden, war nur einseitig, – existierte nur unter der Arbeiterschaft, – oder genauer, bei der Gewerkschaftsbürokratie. Die Bourgeoisie war intelligent genug, nie zu vergessen, dass der Klassenkampf nicht durch Tarifverträge zu überbrücken ist. Im gegebenen und für sie günstigen Augenblick schickte sie mehr oder minder höflich die Fetzen der gebrochenen Tarifverträge an die Gewerkschaftsbürokratie zurück. Die größte Sendung dieser Sorte «Bruch» überreichten die Notverordnungen den gebrochenen Herzens der Bürokraten. Die Lehre von der Unantastbarkeit der Tarifverträge erlitt ihren stärksten Stoß, – auch innerhalb der Arbeiterklasse.

Für die Gewerkschaften ist die Durchlöcherung des Tarifrechts einer der schwersten Schläge. Die Bürokratie hat sich in edler Selbstbeschränkung ganz in die Stellung als «Tarifkontrahent» eingebaut. Welch andere Stellung könnte denn der Reformismus noch einnehmen als die eines «Vertragskontrahenten»? Ein Reformist ohne Vertrag ist wie ein Fisch ohne Wasser.

Der Kampf um die Beseitigung der Tarifverträge ist bei weitem noch nicht abgeschlossen. – noch wird er geführt um die «Aufweichung». Eines aber ist offenkundig: die Tariffrage ist ein ausgezeichnetes und wirksames Druckmittel in den Händen der Bourgeoisie gegen die Gewerkschaften und gegen die Arbeiterschaft. Der Reformismus befindet sich in einer äußerst schwachen Defensivstellung.

Äußerst ungünstig ist die innere Lage der Gewerkschaltsorganisationen, die ganz unter dem Eindruck der Massenarbeitslosigkeit steht. Wie die «Gewerkschaftszeitung» (Nr. 8. 1932) berichtet, ergibt sich für Ende Januar 1932 bei Umrechnung der Kurzarbeit auf Vollarbeitslosigkeit eine Gesamtarbeitslosigkeit unter den Gewerkschaftsmitgliedern von 50,1 v. H. «Ende Januar waren von 100 Gewerkschaftsmitgliedern 53,3 (genau ein Drittel!) vollbeschäftigt.» Diese Lage wirkt sich natürlich vor allem aus auf die Gewerkschaftskassen. Die Gewerkschaften, die sich immer mehr und mehr darauf beschränkten, als Unterstützungsorganisationen zu fungieren, sind durch ihre finanzielle Schwächung einem starken Druck ausgesetzt. Der durch die Finanzschwierigkeiten erfolgte Abbau der sozialen Leistungen, der finanziellen Unterstützungen, erzeugt Missstimmungen in den Reihen der Mitglieder. Mit der Vergrößerung der Zahl der erwerbslosen Mitglieder verschärfen sich die Schwierigkeiten des gewerkschaftlichen Unterstützungswesens, – und vermindert sich die Bedeutung der Gewerkschaften selbst für große Teile der organisierten Arbeiterschaft. Die «Gewerkschaftszeitung» nimmt zur Frage «Arbeitslosenprobleme und Gewerkschaften» Stellung (Nr. 8 u. 9, 1932) und kommt dabei u. a. zu folgenden Schlüssen; «Die Arbeitslosigkeit wird in wachsendem Maße das Zentralproblem für die gesamte Arbeiterbewegung. – Für die Gewerkschaften ist eine organische Veränderung ihres Mitgliederstandes eingetreten, wenn nicht mehr drei bis fünf, sondern vierzig vom Hundert und mehr arbeitslos sind. – Von beinahe jedem Gewerkschaftsführer kann man heute die sorgenbewusste Klage hören, dass die ausgesteuerten Arbeitslosen in häufigen Fällen die Verbindung zur Organisation allmählich verlieren. Ihr Interessenkreis ist, – wie es scheint, – ein anderer geworden.»

Obwohl die Bürokratie die sich aus der Massenarbeitslosigkeit ergebenden Gefahren der inneren Schwächung der Gewerkschaften wohl erkennt, vermochte sie nicht, dieses Problem der arbeitslosen und ausgesteuerten Mitglieder von irgendeiner Seite anzupacken und zu meistern. Wie für die Bürokratie so ist auch für den Reformismus, für die reformistischen «Tarifkontrahenten», die Arbeitslosigkeit eine sehr unbequeme Erscheinung, ein nur negativer Faktor, mit dem man nicht fertig wird und an den man sich darum auch gar nicht erst so recht heranwagt. Das einzige «positive», was die Bürokratie mit den Erwerbslosen anzufangen weiß, ist, sie gegen die kampfgewillte, zu Streiks bereite, noch im Betriebe stehende Arbeiterschaft auszuspielen.

Es ist natürlich, dass sich die Schwierigkeiten der Krise, dass sich Lohnraub und Erwerbslosigkeit auswirken im Rückgang der Mitgliederziffern der freien Gewerkschaften. Ende 1929 betrug die Zahl der im ADGB erfassten Gewerkschaftsmitglieder 4.948.209 und ging bis Ende 1930 auf 4.717.569 zurück, d.h. also um 4,7 Proz. Ein abschließendes Ergebnis für 1931 liegt noch nicht vor, aber es ist sicher, dass der Rückgang ein stärkerer ist als 1930. Der deutsche Holzarbeiterverband, Verwaltungsstelle Hamburg, – um einzelne bereits vorliegende Berichte anzuführen. – hat 1931 einen Mitgliederrückgang von 6,5%, – der «Gesamtverband», Ortsverwaltung Leipzig einen solchen von 8% und der Gau 15 des Fabrikarbeiterverbandes von 12,66% zu verzeichnen, – der Baugewerksbund München erklärt, dass sich der Mitgliederbestand «nicht unwesentlich gesenkt» habe.

Im Vergleich zu dem Rückgang der Gewerkschaften in den Jahren 1923/24, der damals 40% erreichte, kann man vorläufig noch davon sprechen, dass sich die Gewerkschaften in dieser Krise verhältnismäßig gut behauptet haben. Zurückzuführen ist das jedoch nicht etwa auf die «Energie» der Bürokratie, sondern vor allen Dingen auf den Widerstandswillen und die Abwehrentschlosenheit der Arbeiterschaft gegen die faschistische Gefahr. Das Proletariat weiß, dass der Faschismus seine Aufgabe nicht zuletzt in der Zerschlagung der Arbeiterorganisationen erblickt, und die missgestimmten, empörten Mitglieder entschließen sich schwerer zum Verlassen der Gewerkschaften. Aber auch dieser Zustand wird sich nicht mehr auf lange Frist hinaus konservieren lassen. Auch bei der Krise des Jahres 1923/24 trat der Rückgang des Mitgliederbestandes der Gewerkschaften nicht während .der Inflation, sondern erst danach, im Herbst 1923 ein, als durch des würdigen Herrn Eberts «Ermächtigungsgesetz» die Lage der Arbeiterklasse sich bedeutend verschlechterte und später niedrige «Goldlöhne» festgesetzt wurden. Nach den Gewerkschaftserfahrungen der Jahre 1923/24 zu urteilen, steht auch in der heutigen Zeit der stärkste Rückgang des gewerkschaftlichen Mitgliederbestandes noch bevor.

Die Bürokratie ist nicht blind gegenüber den Gefahren, die noch vor den Gewerkschaften stehen und in denen sie sich bereits befinden. Sie manövriert, um sich zu behaupten. Ein solches neueres Manöver ist der Lärm um die Frage der Arbeitsbeschaffung. Mit ihren Losungen haben die Gewerkschaften auch nicht das geringste Glück mehr, – in kürzester Zeit brechen sie schmählich zusammen. So war es mit der Anbetung des amerikanischen «Wirtschaftswunders» und dem daraus gebrauten Zaubertrank der «Rationalisierung», so erging es der vielgepriesenen «Wirtschaftsdemokratie» und dann dem Heilmittel des Frankfurter Gewerkschaftskongresses von 1931, der «40-Stunden-Woche». Alle diese Losungen zerplatzen wie Seifenblasen. Nicht anders erging es der mit großem Lärm eingeleiteten Preisabbauaktion. Der «Preisabbaukommissar» Goerdeler tröstet sich über seine Machtlosigkeit der Preisbildung gegenüber dadurch, dass er den augenblicklich verwaisten Platz des scharfmacherischen Scharlatans Dr. Schacht eingenommen hat, ihn an reaktionärer Verbohrtheit noch übertrifft und auf den verschiedensten Industriellentagungen als «Preisfechter» gegen die allerletzten traurigen Reste der «Sozialpolitik» und für strengste Arbeitsdienstpflicht auftritt. Fürwahr, ein trauriges Ende einer «großen Aktion». Wieder stehen die Gewerkschaftsspitzen mit leeren Händen da.

Der neueste Rettungsanker heißt «Arbeitsbeschaffung». Am 15. und 16. Februar 1932 nahm eine Bundesausschuss-Sitzung des ADGB zu dieser Frage Stellung, Tarnow offenbarte in Gemeinschaft mit Woitinski und Rande einen Plan, um 1 Million Arbeitslose zu beschäftigen. Aber schon Naphtali erklärte in dieser selben Sitzung, dass es bereits ein Erfolg sei, 200.000 in Arbeit zu bringen. Offen blieb die Frage der Finanzierung, bei der man sich beschränkte auf die Forderung einer geheimnisvollen «Kreditausweitung» mit Inflationscharakter, der allerdings abgestritten wurde. Leipart kündigte mit pastoralen, salbungsvollen Worten die Einberufung eines außerordentlichen Kongresses, eines «Krisenkongresses» mit dem einzigen Tagesordnungspunkt «Arbeitsbeschaffung» an. Inzwischen aber stellte der Reichswirtschaftsrat einstimmig, also mit den Stimmen der Gewerkschaftsvertreter fest, dass Arbeitsbeschaffung wohl notwendig ist, dass aber dafür keine Mittel vorhanden seien. Ein neues Projekt des Reformismus wurde dadurch von der Bourgeoisie abgelehnt und die Gewerkschaftsbürokratie kroch sofort zu Kreuze, blies den für den 23. März bereits einberufenen «Krisenkongress« wieder ab und war froh, dabei noch einen Vorwand im «Osterburgfrieden» gefunden zu haben. Die Frage der Arbeitsbeschaffung hat jedoch damit ihr Ende noch nicht gefunden. Auch vom Afa-Bund (Aufhäuser) wurde ein Arbeitsbeschaffungsprogramm vorgelegt, das u. a. die Auflegung einer Prämien-Volksanleihe zum Zwecke der Arbeitsbeschaffung vorschlägt.

Die KPD hat ein Arbeitsbeschaffungsprogramm im vorigen Jahre aufgestellt, das sie zuletzt auch in der Präsidentenwahlkampagne hervorholte. Dieses Programm hat Fehler (u. a. weicht es der Frage der Produktionskontrolle vollständig aus), – aber die Vorschläge dieses Programms zur Finanzierung der Arbeitsbeschaffung sind teilweise sehr gut. «Vergessen» hat die KPD allerdings, diesem Programm eine Massenbasis zu geben, es hineinzutragen in die breitesten Schichten des Proletariats und vor allen Dingen in die freien Gewerkschaften.

Die Isolierung der KPD von den Massen der freigewerkschaftlich Organisierten ist eine von keiner Seite bestrittene Tatsache. Die Folgen dieser Isolierung haben sich schon oft gezeigt und werden sich noch deutlicher und krasser zeigen in allernächster Zukunft. Der Bankrott des Reformismus ist offensichtlich, er wird sich noch schärfer in den freien Gewerkschaften auswirken müssen und er wirkt sich bereits aus. Die Arbeiterschaft, nicht zuletzt die gewerkschaftlich organisierte, ist radikalisiert. Ihr fehlt jedoch eine revolutionäre Führung. Die KPD hat vorläufig durch eine sektiererische Politik darauf verzichtet, die revolutionäre Führerin der radikalisierten Massen in den freien Gewerkschaften zu sein. Immer noch gelingen der Gewerkschaftsbürokratie Betrugsmanöver. Eines davon, und sogar ein gut geglücktes, ist die «Eiserne Front und ihre «Hammerschaften», wodurch der zum Untergang verurteilte Reformismus breiteste Teile der Arbeiterschaft wieder an sich bindet.

«Arbeitsbeschaffungsprogramme» und «Eiserne Front» sind Täuschungsmanöver, – sie sollen helfen, die Arbeiterschaft gefügig zu machen zur Duldung der weiteren Verelendung. Vor uns stehen erneut Lohnraub, Erhöhung der «sozialen» Beiträge, Abbau der «sozialen Leistungen», – «Reorganisierung», d. h. Abbau der Arbeitslosenunterstützung etc. Das bedeutet weitere Radikalisierung des Proletariats und vor allem seiner entscheidenden, organisierten Schichten.

Die KPD spricht von der Verstärkung der Fraktionsarbeit in den freien Gewerkschaften, – allerdings unter Beibehaltung der RGO-Politik. Auf diesem Wege ist die Verstärkung des Einflusses der KPD auf die gewerkschaftlichen Massen nicht zu erreichen. Die KPD muss an die Organisierung eines Linken Flügels innerhalb der freien Gewerkschaften gehen, sie muss alle oppositionellen Stimmungen zusammenfassen zum entscheidenden Sturm auf die morschen Positionen des Reformismus. Die Bedingungen dafür sind äußerst günstig, – sie können allerdings nur ausgewertet werden bei einer vollen Wendung der KPD hin zu den Lehren und Grundsätzen des Marxismus-Leninismus, bei einer bolschewistischen Reform der KPD, der Komintern und ihrer Sektionen.

O–r.

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