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Leo Trotzki 19171122 Geheimdiplomatie und Geheimverträge

Leo Trotzki: Geheimdiplomatie und Geheimverträge

[Iswestija Nr. 221, 10. November 1917. Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 3, часть 2. Москва-Ленинград, 1925]

Mit der Veröffentlichung von geheimen diplomatischen Dokumenten aus der Sphäre der Außenpolitik des Zarismus und der Regierungen der bürgerlichen Koalition in den ersten sieben Monaten der Revolution erfüllen wir die Verpflichtung, die wir übernommen haben, als unsere Partei in der Opposition war. Die Geheimdiplomatie ist ein notwendiges Instrument in den Händen einer besitzenden Minderheit, die gezwungen ist, die Mehrheit zu täuschen, um sie ihren eigenen Interessen unterzuordnen. Der Imperialismus mit seinen grimmigen Eroberungsplänen und räuberischen Bündnissen und Geschäften brachte das System der Geheimdiplomatie auf ein höheres Niveau. Der Kampf gegen den Imperialismus, der die Völker Europas ausblutete und verheerte, bedeutet zugleich einen Kampf gegen die kapitalistische Diplomatie, die genügend Gründe hat, das Tageslicht zu fürchten. Das russische Volk und damit die Völker Europas und der ganzen Welt müssen die dokumentarische Wahrheit über die Pläne erfahren, die von Finanziers und Industriellen heimlich gemeinsam mit ihren parlamentarischen und diplomatischen Agenten geschmiedet wurden. Die Völker Europas haben mit unzähligen Opfern und allgemeinem wirtschaftlichen Ruin für das Recht auf diese Wahrheit bezahlt.

Die Abschaffung der Geheimdiplomatie ist die erste Bedingung einer ehrlichen, volkstümlichen, wirklich demokratischen Außenpolitik. Die Sowjetmacht stellt sich die Aufgabe, eine solche Politik in der Praxis durchzuführen. Deshalb veröffentlichen wir gleichzeitig, während wir allen kriegführenden Völkern und ihren Regierungen offen einen Waffenstillstand anbieten, jene Verträge und Vereinbarungen, die für russische Arbeiter, Soldaten und Bauern, die die Macht in die Hand genommen haben, alle bindende Kraft verloren haben.

Bürgerliche Politiker und Journalisten in Deutschland und Österreich-Ungarn können versuchen, die veröffentlichten Dokumente zu nutzen, um die diplomatische Arbeit der Mittelmächte in einem vorteilhaften Licht darzustellen. Aber jeder Versuch in diese Richtung wäre zu einem elenden Scheitern verurteilt. Und das aus zwei Gründen. Erstens wollen wir dem Gericht der öffentlichen Meinung bald die Geheimdokumente vorlegen, die die Diplomatie der Mittelmächte klar interpretieren. Zweitens – und das ist die Hauptsache – sind die Methoden der Geheimdiplomatie so international wie der imperialistische Raub. Wenn sich das deutsche Proletariat auf revolutionärem Weg den Zugang zu den Geheimnisse seiner Regierungskanzleien öffnen wird, wird es aus ihnen Dokumente hervorholen, die hinter denen, die wir veröffentlichen, in keiner Weise zurückbleiben. Es bleibt nur zu wünschen, dass dies so schnell wie möglich geschehen wird.

Die Arbeiter- und Bauernregierung hebt die Geheimdiplomatie mit ihren Intrigen, Chiffren und Lügen auf. Wir haben nichts zu verbergen. Unser Programm drückt die leidenschaftlichen Wünsche von Millionen von Arbeitern, Soldaten und Bauern aus. Wir wollen einen baldigen Frieden, beruhend auf dem ehrlichen Zusammenleben und der Zusammenarbeit der Völker. Wir wollen einen baldigen Sturz der Kapitalsherrschaft. Wir entlarven die Arbeit der herrschenden Klassen vor der ganzen Welt, wie sie in den Geheimdokumenten der Diplomatie zum Ausdruck kommt, und appellieren an die Arbeiter mit dem Appell, der die unveränderliche Grundlage unserer Außenpolitik bildet: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!"

Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten L. Trotzki.

9. November 1917, Smolny.

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