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Leo Trotzki 19180900 Anlässlich des Sieges

Leo Trotzki: Anlässlich des Sieges

[nach Leo Trotzki: Die Geburt der Roten Armee. Wien 1924, S. 141 f.]

Was ist anlässlich des Sieges zu sagen? Siege erfordern keine Kommentare: sie sprechen für sich. Viele denken, dass er unerwartet kam. Dem ist nicht so. Bald nach meiner Abreise zur Ostfront telegraphierte ich an Genossen Lenin, dass unsere Truppen ausgezeichnet kämpfen und siegen werden, falls ihnen eine minimale Organisation und ein kompetentes Kommando gesichert werden könnten. An den Erfahrungen der fünften Armee konnte ich tagein, tagaus verfolgen, wie die neuen, frischgebackenen Truppenteile sich zusammenschlossen und erstarkten. Die Kommunisten bildeten im wahren Sinne des Wortes die Seele jeder Kompanie, jedes Regiments. Die einzelnen kommunistischen Abteilungen gaben ein Beispiel unvergleichlicher Selbstaufopferungsfreudigkeit. In den ersten Tagen an der Front hörte ich in der fünften Armee Klagen über das Brjansker Regiment, das ohne Grund den Rückzug angetreten hatte. Bei allen weiteren Kämpfen war das Brjansker Regiment eins der heldenhaftesten. Der Kommandeur sprach mit ungeheucheltem Entzücken von ihm. Sobald unsere Truppenteile die Verbindung miteinander fühlten und jede Truppe die Gewissheit gewonnen hatte, dass weder rechts noch links von ihr der Rückzug angetreten würde, dass das Kommando einen bestimmten zweckentsprechenden Plan verfolgt da traten alle wahren Eigenschaften einer Revolutionsarmee, wie Enthusiasmus, Elan und Heldenmut in ihrem vollen Maße zutage. Auf dem Amboss des Krieges schmieden wir jetzt eine Armee von höchster Qualität. Man könnte sagen, wenn es keine Tschechoslowaken gegeben hätte, hätte man sie erfinden müssen, denn in der Atmosphäre der Friedenszeit hätten wir nie und niemals in so kurzer Zeit eine festgefügte, disziplinierte, heldenhafte Armee zustande bringen können. Jetzt entsteht diese Armee vor unseren Augen.

Wir brauchen Reserven; diese können nur aus den Orten kommen, aus denen die Kerntruppen kamen, so dass der Arbeiter und Bauer aus Tula seinem Tulaer Regiment, der aus Wladimir dem Wladimir-Regiment usw. eingereiht wird. Die Einreihung der Reserven wird wie die Formierung selbst unmittelbar unter dem feindlichen Feuer vor sich gehen. So werden sie um so fester zusammengeschweißt, ln dieser fieberhaften Arbeit der Formierung, die sich direkt im Feuer des Kampfes abspielt, kommen und kamen immer mehr die begabten und energischen Soldaten zu Worte, und sie werden uns die Männer für die Kommandoposten geben. Der Elan der revolutionären Arbeiter-Soldaten, ihr kriegerischer Mut reißen viele alte Offiziere mit sich, und in ihnen gewinnen wir ein durchaus zuverlässiges Kommandopersonal, das mit der Roten Armee blutsverwandt ist.

Nach ungeheuren Schwierigkeiten, Entbehrungen und Verlusten zogen die Rotarmistenteile in geschlossener Ordnung in Kasan ein. Dort schreckten die Weißgardisten die Bevölkerung mit Gemetzeln, Mord und Totschlag usw. Der Einzug der Rotarmisten bedeutete in der Tat für die Stadt die Einführung eines Regimes strenger Zucht und die Beseitigung der Saufereien und Plündereien. In gewaltigen Volksversammlungen im Stadttheater und auf dem Platz vor dem Theater begrüßten die proletarischen Massen der Kasanschen Bevölkerung mit stürmischer revolutionärer Begeisterung die Aufrichtung der Sowjetregierung bei sich und gelobten, die Rote Armee zu unterstützen und sie mit neuen Kasanschen Regimentern aufzufüllen.

Die Eroberung von Simbirsk kam ebenfalls nicht überraschend. Der Kommandierende der ersten Armee, Genosse Tuchatschewski, versprach, Simbirsk spätestens am 12. September zu erobern. Er hat sein Versprechen ehrlich gehalten. Die Besetzung der Stadt meldet er mir durch das Telegramm: „Befehl erfüllt. Simbirsk genommen".

Die sicherste Methode, um den Sieg zu erringen und zu vollenden, besteht darin, den Ansturm gegen den Feind nicht abzuschwächen. Dazu braucht man Nachschub aus dem Lande, und dazu gehört wiederum eine weitgehende und intensive Agitation unter den Arbeitermassen und den armen Bauern. In den entlegensten Winkeln Sowjetrusslands sollen die Werktätigen begreifen lernen, dass dieser Krieg ihr Krieg ist und dass vom Ausgange dieses Krieges das Schicksal der werktätigen Massen Russlands und in hohem Grade auch das Schicksal der ganzen Welt abhängt.

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