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Leo Trotzki 19220608 Zur Lage in der Kommunistischen Partei Frankreichs

Leo Trotzki: Zur Lage in der Kommunistischen Partei Frankreichs

[Nach Kommunistische Internationale, 3. Jahrgang (1922), Nr. 21, S. 89-105]

I.

Genossen!

Nach der sehr geschickten Rede unseres Genossen Frossard – der Genosse Frossard ist für seine Geschicklichkeit bekannt – und nach der sehr gemäßigten Rede des Genossen Souvarine ist es einigermaßen schwer, eine Rede mit der Behauptung zu beginnen, dass die Lage in der französischen kommunistischen Bewegung äußerst ernst ist.

Es ist nicht das erste Mal, dass wir in unseren internationalen Sitzungen diese Frage diskutieren, und jedes Mal beobachten wir, dass die Delegierten der französischen Partei uns ein mehr oder weniger gemildertes und befriedigendes Bild präsentieren mit dem Eingeständnis, dass es natürlich nicht an dunklen Stellen fehlt, an Fehlern und Irrtümern, aber dass alles in allem die Dinge besser zu gehen beginnen.

Aber die neue Etappe unserer internationalen Arbeit zeigt uns, dass die Lage sich verschlimmert hat, dass sie verwickelter geworden ist. Niemand kann das leugnen. Und weil ich der Meinung bin – und ich glaube in den großen Linien die Auffassung der Exekutive zu vertreten, wie sie in ihren letzten, der französischen Frage gewidmeten Sitzungen formuliert wurde –, weil wir glauben, dass der Moment zu absolut entscheidenden Beschlüssen gekommen ist, müssen wir an die Frage herangehen, sie in ihrer ganzen Breite und Tiefe, in ihrem ganzen Ernst aufrollen und nicht die geringsten Unklarheiten bestehen bleiben lassen.

Es besteht ein sehr ernster Konflikt zwischen der französischen Partei und der Internationale, man kann sagen, der gesamten Internationale.

Die in Gemeinschaft mit den Vertretern der französischen Partei – und sehr berufenen Vertretern – gefassten Beschlüsse werden in Frankreich nicht anerkannt und durchgeführt.

Die hier formell und feierlich eingegangenen Verpflichtungen werden in Frankreich nicht eingelöst. Das ist eine Tatsache. Und diese Tatsache ist weder vorübergehend, noch ist sie zufällig. Sie muss tiefe Wurzeln haben.

Die französische Presse widerspiegelt und vertritt in den brennendsten, in den wichtigsten Fragen der aktuellen Politik nicht den Geist der Kommunistischen Internationale.

Der Vorstand unserer französischen Partei folgt in seinen Aktionen nicht den Linien der Kommunistischen Internationale.

Die bedeutendste Organisation der Partei, die der Seine, stellt einen vom organisatorischen Standpunkt aus ganz eigenartigen Organismus dar, der völlig, aber auch völlig autonom ist, im umfassendsten Sinne des Wortes.

Im Parteivorstand sitzen die Vertreter von drei oder vier auseinanderstrebenden Tendenzen. Von Einheitlichkeit der Auffassung keine Spur.

In den Presse der Partei lesen wir Leitartikel, die die Namen ihrer Verfasser tragen und deren verschiedene politische Auffassungen und Tendenzen zum Ausdruck bringen. Was die Partei zu den allerbrennendsten Fragen zu sagen hat, erfahren wir nicht.

Genossen, das: sind alles Tatsachen, die zeigen, dass es sich nicht nur um Exzesse handelt, wie der Genosse Sellier meint, der diese Auffassung in einer Sitzung der Exekutive vertreten hat. Er hat diese Exzesse zugegeben, auch andere Genossen haben dies getan. Aber wollte man ihnen Glauben schenken, so wären diese Dinge – soweit es sich um Exzesse von Seiten der Rechten handelt, um Ungeschicklichkeiten – ohne Schwierigkeiten zu regeln..

Aber es handelt sich doch um Ernsteres, und den Ernst der Lage hat der Genosse Renoult, nachdem er hier in Moskau war, in. einem Artikel zum Ausdruck gebracht, den ich vor der Exekutive zitiert habe! Dieser Artikel, der überschrieben ist „Gegen die revolutionäre Entwaffnung", handelt von der Einheitsfront, und Daniel Renoult sagt da: „Der Streit für und wider die Einheitsfront ist wieder im schönsten Gange. Beklagen wir uns darüber nicht. Das Geschwür muss auf; die Sache muss ganz und gar erledigt werden."

Das ist zum mindesten, eine Sprache, die ich für meinen Teil begrüße; denn man löst Fragen dieser Art nicht mit wohl gedrechselten Phrasen.

Man sagt uns also: Hier ist ein Geschwür, das muss geschnitten werben. Und es ist Daniel Renoult – der hier war und der mit uns diskutiert hat, in aller Breite und Gründlichkeit; der uns unterrichtet hat; und den wir zu unterrichten versuchten –, der nach Frankreich zurückkommt und erklärt: Man will uns, vom revolutionären Standpunkt aus, entwaffnen. Hier ist ein Geschwür, und das muss auf;

Der Meinung sind auch wir. Jawohl, wir müssen es schneiden! Wir haben mit einem nicht sehr großen Geschwür begonnen, das aber auch nichts so unbedeutend ist, wie der Genosse Rappoport es im „Journal du Peuple" hinstellte.

Wir haben unsererseits erklärt: Das Geschwür muss auf, und hernach werden wir sehen, wo das Übel sitzt und wer protestieren und wer schreien.wird. Und man wird dann den Ursprung des Geschwürs erkennen.

Aber trotzdem, Genossen, haben wir eine Verständigung versucht, durch Briefe – ich weiß im Moment nicht ihre Zahl, aber das lässt sich ja leicht feststellen – durch Verhandlungen mit den französischen Delegierten. Wir bleiben bei unserm Standpunkt, über den gar nicht mehr zu diskutieren ist; dass in der Kommunistischen Partei kein Platz sein kann für einen Mann wie Fabre und für ein Blatt wie das von ihm herausgegebene.

Man antwortete uns: Aber sicher, das ist doch keine Frage. Wir werden die Sache regeln. Wir regeln sie sofort.

Und-man hat sie nicht geregelt. Aber wenn diese Frage von so untergeordneter Bedeutung ist, wie Rappoport es hinstellt, warum tut man dann der Kommunistischen Internationale nicht den Gefallen und schließt Fabre aus?

In einem heute erschienenen Artikel sagt Rappoport: Wir sind natürlich für den Ausschluss Fabres; aber man hat eine Mücke zur Strecke gebracht, und der Tod dieser opportunistischen Mücke wird eine Ablenkung sein, zum Vorteil einiger opportunistischer Elefanten.

Da stehen wir nun, wir armen Mitglieder der Exekutive. Eine Mücke haben wir zur Strecke gebracht. Und dabei gibt es opportunistische Elefanten – die hoffentlich der Genosse Rappoport erledigen wird. (Heiterkeit.).

Lieber Genosse Rappoport, nennen Sie sie uns, nennen Sie sie uns! Wer sind die Elefanten des Opportunismus?

Geben wir ihm zwei Minuten zum Nachdenken! (Heiterkeit und Bewegung.)

Sinowjew: Wir warten!

Trotzki: Ich bitte die Stenographen, die Pause zu vermerken.. Wir warten, wir warten! Aber bitte, keine Mücke, sondern einen Elefanten!

Rappoport: Ich bin in die Rednerliste eingetragen. Ich werde sprechen und die Strömungen kennzeichnen, die wir in der Partei haben. Wenn ich von Elefanten sprach, so meinte ich damit gewisse Strömungen. Das im Interesse der Diskussion.

Trotzki: Sehr gut!

Rappoport: Ich bin eingetragen, und ich werde antworten.

Trotzki: Für den Moment bin ich zufrieden. Aber ich muss doch sagen, dass ich aus meiner politischen und nicht nur aus meiner persönlichen, Erfahrung weiß, dass es stets schwieriger ist, eine konkrete Mücke zu attackieren als Elefanten, die man uns nicht nennt. (Heiterkeit.)

Aber Genossen, das „Journal du Peuple" ist ein Blatt, an dem – das nebenbei – einige französische Genossen mitarbeiten, die zufällig dem Parteivorstand angehörten und ihm noch angehören.

Wenn man es allerdings vorn Standpunkt der allgemeinen Menschheitsgeschichte aus betrachtet, dann bedeutet das „Journal du Peuple" sicher nicht viel. Aber wir reden doch hier vom Leben der französischen Partei. Wenn wir bedenken, dass Genossen des Parteivorstandes, wie Verfeuil und Meric, an dem Blatte mitarbeiteten, auch nach dem Beschluss der Exekutive, der seinen Ausschluss forderte, so müssen wir in der Tat sagen, dass das ernst ist.

Genosse Rappoport, wenn sogar ein Mitglied des Parteivorstandes wie Sie – der Sie noch vor den andern Ihre Mitarbeit an dem Blatt eingestellt haben –, wenn sogar Sie nicht begreifen wollen, wie ernst und bedeutungsvoll es ist, dass nach dem Beschluss der Exekutive, der den Ausschluss des Blattes fordert und – die Mitarbeit unserer Genossen an ihm untersagt, noch immer zumindest zwei Mitglieder des Parteivorstandes ihre Mitarbeit fortsetzen; wenn diese Tatsache nicht wichtig ist, wenn das die Mücke sein soll, dann habe ich allerdings jeden politischen Maßstab verloren, dann verstehe ich überhaupt nichts mehr.

Was ist denn wichtig in der Kommunistischen Partei, wenn nicht der Vorstand der Partei, der sie führen soll; der Parteivorstand, der sich aus einigen zwanzig Genossen zusammensetzt? Unter diesen sind nun Genossen, die am „Journal du – Peuple" mitarbeiten, das – Ihr sagt es selbst – aus der Partei ausgeschlossen zu werden verdient, das die Exekutive ausgeschlossen hat, und das auszuschließen die Delegation sich verpflichtete. Und man arbeitet nicht nur so an dem Blatt mit. Wenn Ihr Euch vielmehr unterrichten wollt über die Vorgänge im Parteivorstand und in der Partei – natürlich in völlig entstellter Form – dann lest das „Journal du Peuple". Und wenn Ihr ein Dementi in der Presse der Partei sucht, findet Ihr es niemals.

Wenn Ihr die Genossen schätzt, die an dem „Journal du Peuple" mitarbeiten, und wenn Ihr ihnen in der Partei politische Bedeutung zugesteht, so überträgt sich dies auch auf die Zeitung, denn sie geben ihr einen Teil ihrer Persönlichkeit.

Genossen, ich habe in dem Blatte Fabres einen Artikel des Parteivorstandsmitglieds Raoul Verfeuil gelesen, der nach der Vollsitzung der Exekutive, Ende April, schrieb:

Frossard wäre der letzte, der sich fürchten würde, die Möglichkeiten einer Wiedervereinigung der in Tours gespaltenen Kräfte des Sozialismus ,in Erwägung zu ziehen.'"

Der Genosse Frossard aber hat uns kategorisch erklärt, dass dies nicht wahr sei, dass er an keine Wiederherstellung der Einheit der alten Partei denke, der Einheit mit den Dissidenten (Abgespaltenen) oder mit einem Teil der Dissidenten.

Verfeuil jedoch behauptet es im „Journal du Peuple", Wird diese Behauptung nun in der „Humanité" dementiert? Die Arbeiter wollen doch schließlich wissen, was los ist. Und nicht nur wir, die Kommunisten Russlands, Italiens usw., auch die französischen Arbeiter interessieren sich für ihren Parteivorstand, für ihre Führer. Sie haben keine andere Möglichkeit, sich zu unterrichten, als die der Presse. Man wird mir sagen – und einige Genossen haben sich hierauf versteift –: Man soll das „Journal du Peuple" nicht lesen. Gut, aber man braucht das „Journal du Peuple" gar nicht direkt zu lesen. Behauptungen wie diese verbreiten sich sehr schnell, weil es doch schließlich von einiger Wichtigkeit ist, ob, ja oder nein, die Partei in der Richtung der Wiedervereinigung mit den Dissidenten orientiert ist. Und da ist nun Verfeuil, der es behauptet. Wo? Im „Journal du Peuple". In einem Blatt, das einem Mitgliede der Partei gehört.

Jetzt, Genossen, stellen Sie sich bitte die Geistesverfassung eines einfachen, der Partei ergebenen, ehrlichen Arbeiters vor. Man sagt ihm: „Wir haben in Tours einen großen Fehler gemacht. Wir müssen uns mit den Dissidenten wieder vereinigen." Und er antwortet: „Was redest Du da? Unsinn!" „Aber," wird ihm entgegengehalten, „Frossard ist dafür und auch Verfeuil. Der hat es geschrieben." „Wer ist Verfeuil?" „Ein Mitglied des Parteivorstandes."

Ist nun dieses Zwiegespräch so unwahrscheinlich? Keineswegs, es ist das natürlichste der Welt. Und das ist schlimm,

Untersuchen wir jetzt die verschiedenen Tendenzen in der Partei, wie sie sich im Parteivorstand äußern und in der Presse widerspiegeln.

Man wird mir sagen, und diesen Vorwurf habe ich schon hören müssen: „Sie zitieren nur immer Zeitungen". Wir werden darauf noch zu sprechen kommen … Jawohl, ich zitiere die Zeitungen, weil in ihnen sich das Leben der Partei widerspiegelt.

Wir haben im Parteivorstand Vertreter eines rechten Flügels; des Pazifismus, Reformismus, Zentrismus.

Dann Vertreter der Linken, von denen einer, Genosse Souvarine, heute gesprochen hat.

Weiter das Zentrum. Und ich muss mich da über den Genossen Rappoport wundern, der in seinem heutigen Artikel sagt: „Trotzki weist so viel auf das Zusammengehen des linken Flügels mit dem Zentrum hin; aber mit den Zentristen haben wir nichts zu tun. ;Man muss sie bekämpfen und sich nicht mit ihnen verbünden." Der Genosse Rappoport sucht das Zentrum immer außer sich. (Heiterkeit.)

Rappoport: Ich suche das Zentrum, um es zu zerschmettern,

Trotzki: Gewiss, gewiss, um es zu zerschmettern; nur finden Sie es niemals, gerade wie Ihre Elefanten, die Elefanten des Opportunismus. (Heiterkeit.)

Es gibt noch andere sehr gefährliche Tendenzen. Wir kennen ihre Vertreter nicht alle persönlich; aber wir kennen den Genossen Jean Renaud, der eine ausgedehnte Propaganda unter der Bauernschaft betreibt, und der gleichfalls ein Mitglied des Parteivorstandes ist. Ich will gleich hinzufügen, Genossen, dass ich die Tätigkeit des Genossen Jean Renaud durchaus schätze. Aber einige seiner Artikel lassen mich doch fürchten, dass er sich auf einem äußerst gefährlichen Wege befindet, und das sich mit meinen Besorgnissen deckende Ergebnis Eurer letzten Kreiswahlen scheint mir die Schlussfolgerungen zu bestätigen, die ich jetzt vortragen will.

Der Genosse Jean Renaud wandte sich in seinem Artikel gegen die Einheitsfront, basiert auf der Grundlage des Kampfes um den Achtstundentag und gegen Lohnherabsetzungen. Wir lesen da folgendes:

Aber die kommunistische Partei stützt sich auf zwei proletarische Faktoren: auf die Arbeiter und auf die Bauern. Die Arbeitszeit und die Löhne interessieren die Bauern nicht. Mit einer derartigen Parole können wir in Frankreich nichts machen. Also was? Die antimilitaristische Propaganda! Die Bauern sind Gegner des Militarismus."

Ich sagte mir: es ist natürlich zu verstehen, dass ein Genosse, der sich der Landagitation widmet, in einem gewissen Sinne übertreibt; aber der Genosse Jean Renaud geht doch wohl ein bisschen weit; denn er vergisst ganz den Klassencharakter unserer Partei: Er stellt das Proletariat und die Bauern auf eine Stufe. Vergessen wir nicht, Genossen, dass die Bauern Kleinbürger sind, manchmal deklassierte, rückständige Kleinbürger, mit einer Mentalität, die nicht die unsrige ist. Die vorstürmenden Proletarier können die Bauern mitreißen; aber sie reißen sie eben nur mit.

Wir haben in Russland eine Partei, die uns stets vorwarf: „Euer Standpunkt, der nur die Arbeiterklasse als industrielle Klasse anerkennt, ist zu beschränkt, Ihr verkennt den andern Teil: die Bauern," Das sind die Sozialrevolutionäre mit ihrer Doktrin.

Was uns also der Genosse Jean Renaud präsentiert, ist der Ausgangspunkt der Hauptlinie der Doktrin der russischen Sozialrevolutionäre, und Ihr wisst, was aus den Sozialrevolutionären geworden ist. Aber ich wiederhole, ich sagte mir: übertreiben wir nicht die Wichtigkeit dieser Sache; immerhin ist eine Erklärung des Parteivorstandes» unbedingt nötig.

Später las ich in der „Humanité" den Bericht über die Rede eines jungen Genossen, Auclair, der vorübergehend sogar zur Propaganda delegiert war, der also nicht der erste beste ist.

Dieser junge Genosse hat die Haltung des Parteivorstandes, die Haltung der französischen Partei verteidigt, und er hat sich wie folgt geäußert. Ich zitiere nach der „Humanité":

Auclair wendet sich gegen den wirtschaftlichen Kampf der Jugend. Man konzentriert sich nach seiner Auffassung zu sehr auf die Arbeiterklasse, in einem Lande, wo vier Siebentel1 der Bevölkerung aus Bauern bestehe. Er wendet sich alsdann gegen das Prinzip der These, die nach rückwärts gerichtet sei und ihren Ursprung im Reformismus habe."

Der Reformismus, das soll also der Kampf für die unmittelbaren Bedürfnisse und Interessen des Proletariats sein. Worauf es demgegenüber ankomme, sei, „die Bauern zu gewinnen".

Das ist die Theorie der Sozialrevolutionäre, nicht mehr und nicht weniger. Und in der Tat, wenn Ihr den Reformismus, den ausgesprochenen Reformismus haben wollt, da habt Ihr ihn.

Gewiss, es gibt in Frankreich viele Bauern. Ich weiß es. Und mit Resolutionen ist daran nichts zu ändern. Wenn man aber unsere Politik den Bauern anpassen will, wie der Genosse Jean Renaud es verlangt, der die Parole der Einheitsfront verwirft, weil sie den Wünschen der Bauern nicht Rechnung trägt; wenn man uns sagt, dass es in erster Linie die Bauern zu gewinnen gelte, dann, Genossen, haben wir in Frankreich eine sehr gefährliche Strömung. Und das Gefährlichste an der Sache ist, dass man uns diese kleinbürgerliche Ideologie – denn die Bauern sind landwirtschaftliche Kleinbürger – als besonders revolutionär zu präsentieren versucht.

Man sagt: Wir sind nicht deshalb gegen die Parole, gegen die Forderungen des Proletariats, weil wir sie der kleinbürgerlichen Bauernschaft opfern – wenn man das sagte, dann träte der bewusste oder unbewusste Verrat am Proletariat offen zutage –, sondern weil das Eintreten für die unmittelbaren Forderungen Reformismus ist. Wir wollen aber die ganze Revolution, und um sie zu verwirklichen, müssen wir erst die Bauern gewinnen.

Und die letzten Kreiswahlen, sagt uns Frossard, bestätigen, dass wir in Frankreich zwar Bauernstimmen gewonnen, dafür aber Arbeiterstimmen verloren haben. Hier haben wir in der Tat ein die Entwicklung der Partei kennzeichnendes gefährliches Symptom.

Nun, Genossen, wenn man eine solche Entwicklung sofort bemerkt, wenn man ihren Charakter rechtzeitig erkennt, dann lässt sich das leicht wieder gutmachen, und es ist nicht schwer, die Tätigkeit der französischen Partei wieder in der Richtung unseres Programms zu orientieren.

Aber keine Kritik üben, den ganzen Ernst des so gestellten Problems, des Problems des bäuerlichen Opportunismus, nicht betonen, wäre ein sehr großes Versäumnis. Der Genosse Auclair, der eine Auffassung widerspiegelt – und die Jugend sagt oft in brutalerer Art, was Ältere vorsichtiger zu äußern wissen –, greift die Internationale heftig an. Wer jetzt in Frankreich die ganz und gar revolutionäre, unversöhnliche These verteidigen will, greift immer die Internationale an, die die französischen Bauern „entwaffnen" will.

Genossen, wir gehen jetzt daran, sehr wichtige Beschlüsse zu fassen. Die ganze Internationale ist hier vertreten, mit einer sehr maßgebenden französischen Delegation.

Bisher haben wir noch immer, wenn wir einen Beschluss – selbst mit einmütiger Zustimmung der französischen Delegation – gefasst hatten, hinterher in der französischen kommunistischen Presse lesen müssen, dass der Beschluss der Internationale auf völlig unvollständigen und ungenügenden Informationen beruhe, auf Bruchstücken von Artikeln usw. Das ist schwerwiegend genug, um bewiesen werden zu müssen.

Ich habe hier Artikel, die im Monat Mai, vor der letzten Vollsitzung der Exekutive, veröffentlicht wurden. Hier schreibt Victor Meric, der, wenn ich nicht irre, noch immer Mitglied des Parteivorstandes ist:

Man sammelt aus dem Zusammenhang gerissene Sätze und fabriziert daraus das Anklagematerial. Und auf dieses gestützt, urteilt dann die Exekutive. Wahrlich, ich weiß, dass unsere Genossen Trotzki und Sinowjew noch andere wichtige Aufgaben haben und nicht über alle Einzelheiten unterrichtet sein können. Aber ich beklage die eigenartige Manier, in der sie unterrichtet werden.“

Und in einem anderen Artikel.

Ich bitte die Genossen Trotzki und Sinowjew dringend, doch unsere Artikel, wenn irgend möglich, sorgfältig von Anfang bis Ende zu lesen und sich nicht mit einzelnen Sätzen, geschickt servierten Brocken zu begnügen."

Und Auclair (was die Älteren in annehmbarerer Form sagen, die Jungen schreien es mit ihrer ganzen Lungenkraft hinaus}:

Einem Genossen, der ihn. darauf aufmerksam macht, dass die Dritte Internationale nicht die Zweite sei, erklärt Auclair, dass die Informationen der Internationale oft auf bloßem Klatsch (ragots) beruhten."

Ragots", das bedeutet soviel wie Klatsch oder ähnliches.

(Rappoport nennt das entsprechende russische Wort.)

Richtig, ganz bedeutungsloser Klatsch, ja noch schlimmer, Verleumdungen.

Also, man erklärt, dass die Informationen der Internationale auf bloßem Klatsch beruhen.

Nun, ich will Euch sofort einige solcher aus dem Zusammenhang gerissenen Sätze, aus Artikeln von Meric, zeigen. (Trotzki zeigt die Dokumente!.) Ich habe ein gleiches Bündel in der letzten Sitzung der Exekutive gehabt. Man ist so liebenswürdig gewesen, Meric zu erzählen, dass ich mein Anklagematerial auf Zeitungsausschnitte stütze. Was ist da zu machen, ich.bin nun mal etwas bürokratisch. Sobald mich etwas interessiert, schneide ich es aus – mit der Schere – und klebe es mir auf. Es gibt Leute, die ziehen das Klammern vor. Nun, ich klebe. (Heiterkeit.) Wie soll man es anders machen, Genossen?

Rappoport: Aber eine Aktensammlung Rappoport haben Sie nicht.

Trotzki: Rappoport ist äußerst vorsichtig. Wo die Lage brenzlig ist, da ist er aus absolut einleuchtenden Gründen nicht zu sehen. (Heiterkeit.)

Genossen, man erzählt den französischen Arbeitern – und das ist immerhin recht traurig und ernst –: Wisst Ihr, wie die Beschlüsse der Internationale zusammenkommen? Irgendwer gibt Trotzki Bruchstücke aus Artikeln, die in ihrer Zusammenhanglosigkeit völlig sinn- und bedeutungslos sind. Trotzki ist dumm genug, sie entgegenzunehmen und in den Sitzungen der Internationale zu zitieren. Und die Internationale selbst stützt ihre Beschlüsse auf Klatsch. Die Folgen haben hernach wir, die französischen Kommunisten, zu tragen.

Genossen, stellt Euch einen Moment lang einen einfachen, ehrlichen französischen Arbeiter vor. Was muss der wohl denken? Er wird sich sagen: Zum Teufel, was für einen Sinn hat es, dieser Internationale anzugehören? Warum sollen wir Mitglieder einer Internationale sein, die ihre Beschlüsse ohne Überlegung fasst, weil Trotzki nicht die Zeit hat, die Dinge zu studieren und sich mit den französischen Kommunisten nur nebenbei beschäftigt? Die andern Mitglieder der Exekutive sind so unwissend, und nicht nur unwissend, sondern bar des elementarsten kommunistischen Gewissens, des Gefühles für Pflicht und Ehre, dass die Exekutive ihre Beschlüsse fasst, ohne zu wissen, worum es sich handelt. Victor Meric vom Parteivorstand sagt es, und er verlangt, dass ich seine Artikel von Anfang bis Ende lese.

Genossen aus Frankreich, die Ihr hier anwesend seid, ich bitte Euch, den französischen Arbeitern zu sagen, dass man sie schändlich täuscht. Wir lesen die Artikel, wie es sich gehört, wenn wir dieser Versammlung etwas zu sagen haben, die für uns alle die höchste ist. Wir lesen die Artikel von Anfang bis Ende, selbst auf die Gefahr hin, nichts darin zu finden, wie es uns manchmal bei den Artikeln Merics geht.

Und wir müssen den französischen Genossen einen Vorwurf machen, die uns nicht verteidigen, d. h, die die Beschlüsse der Internationale und die Internationale nicht verteidigen. Sagt die „Humanité", sagt die „Internationale" den französischen Arbeitern: Man täuscht und belügt Euch; die Kommunistische Internationale fasst ihre Beschlüsse nicht auf Grund von Klatsch! Sie sagen es nicht.

Und nach alledem sagt man uns: Es gibt eine moskaufeindliche Strömung in Paris! Ich muss sagen, dass ich erstaunt bin über die Geduld der französischen Arbeiter, dass ich mich wundere, dass diese nicht schon seit langem Moskau die Faust gezeigt haben. Wenn die französischen Arbeiter in einer solchen Weise unterrichtet werden, was für eine Vorstellung müssen sie sich von der Internationale, der Exekutive machen?

Polemisiert die „Humanité" gegen das „Journal du Peuple"? Nein, weil es nur eine Mücke ist, ein Nichts. Man polemisiert gegen dieses Blatt nicht; man ist nur sein Mitarbeiter. Und diese Zeitung ist die Quelle, die die französischen Arbeiter über die Internationale unterrichtet; denn derartige Anklagen verbreiten sich schnell. Wir verstehen uns ein wenig auf die menschliche Psyche. Wenn da gesagt wird, dass unsere Beschlüsse gefasst werden auf Grund von Klatsch, und der Parteivorstand oder andere autorisierte Genossen wenden sich nicht dagegen, so verbreitet sich das sofort, Ist es möglich, in einer solchen Atmosphäre zu leben? Nein.

Und nun unsere Informationen.

Die Internationale besteht aus verschiedenen Parteien, die über den ganzen Erdball verstreut sind, und die Entfernungen widersetzen sich sehr stark der genauen und intimen Kenntnis aller Dinge. Aber das ist die Schuld der physischen Welt und nicht die der Kommunistischen Internationale. Also besteht die Möglichkeit, sich besser zu unterrichten, als die Kommunistische Internationale es tut! Woraus informieren wir uns? Wir haben vor allem unsere Zeitungen.; Man sagt oft – Genosse Sellier ist beispielsweise dieser Meinung –, Zeitungen und Artikel, die zählen nicht. Aber es sind doch immerhin kommunistische Zeitungen, die das Leben der Partei widerspiegeln. Unzulänglich, sagt man uns. Sicher. Aber wenn man einige Erfahrungen auf dem Gebiete der Politik und der Partei hat, dann errät man schon die Beziehungen zwischen dem Leben der Masse und der Physiognomie der Zeitungen; man rekonstruiert diese Beziehungen. Ihr habt bei Euch in Frankreich einen großen Gelehrten, Cuvier, der auf Grund eines einzigen Knochens das vollständige Skelett eines Tieres rekonstruiert hat.

Wir aber haben nicht nur einen Knochen (er weist auf die Ausschnitte). Indem man Tag für Tag die Zeitungen der Partei liest, erhält man, wenigstens annähernd, ein Bild vom Leben der Partei, vom Leben der Masse. Und wenn die Zeitungen das Leben der Partei nicht oder zu wenig zum Ausdruck bringen, so kennzeichnet auch das das Leben der Partei.

Und haben wir denn schließlich nur Zeitungen? Nein. Wir haben die Berichte des Parteivorstandes, die Berichte der französischen Delegierten, die Berichte der Delegierten der Exekutive. Wir haben im Namen der Exekutive die Genossen Humbert-Droz, Bordiga und Walecki entsandt. Außerdem hat uns ein Genosse von der Jugend – der zwar noch jung, aber gediegen ist – einen Bericht über den Kongress von Montlucon gesandt. Und haben wir nicht die sehr guten Reden des Genossen Frossard gehört? Haben wir nicht mit dem Genossen Sellier und vorher mit Cachin, mit Renoult geredet? Sind wir so völlig unzugänglich Argumenten, Tatsachen gegenüber? Aber gebt sie uns, gebt Sie uns! Und wenn Ihr dann trotz alledem sagt, trotz der dauernden Vertretung, trotz den nach Frankreich entsandten Delegierten, trotz den Berichten des Parteivorstandes, dass diese Internationale nichts verstehe, dass sie ihre Beschlüsse auf Grund von Klatsch, von in ihrer Zusammenhanglosigkeit sinnlosen Zeitungsausschnitten fasse, was sollen wir dann tun?. Was ratet Ihr uns, liebe Genossen?

Es geht nicht anders. Ein Beschluss, der durchgeführt werden soll, muss die Achtung der französischen Genossen haben. Aber dazu ist notwendig, dass mit der schändlichen Legende aufgeräumt wird, die den französischen Arbeitern unsere Beschlüsse als leichtfertig und gewissenlos gefasst hinstellt.

Man sagt, uns – und man zielt damit vor allem auf die russische Partei – dass wir Fehler gemacht hätten.

Wenn man“ (Verfeuil ist es, der dies schreibt) „Fehler vom Gesichtspunkte der eigentlichen Regierungspolitik aus eingesteht, dann kann man wohl auch zugeben, dass man sich in einer Anzahl von Punkten geirrt hat, die die internationale sozialistische Aktion betreffen." Gewiss, aber es gibt bisher nur eine Kommunistische Partei, die an der Regierung ist, und die die Möglichkeit hat, Regierungsfehler zu machen: das ist die russische Partei. Demgegenüber aber haben wir die gesamte Internationale, die nicht nur eine bloße Formel ist, die in Wirklichkeit aus lebenden und kämpfenden Parteien besteht.

Wir haben als Regierung Fehler gemacht – ich habe das schon vor der Exekutive gesagt – – jawohl, sogar viele Fehler, und ich wäre glücklich, könnte ich die Zeit aufbringen, alle diese Fehler aufzuzählen und sie den Arbeitern Europas zu charakterisieren, weil die anderen Parteien sich morgen oder übermorgen in unserer Lage befinden werden, und weil wir ihnen ihre Aufgäbe erleichtern können, indem wir sie unsere Fehler nicht wiederholen lassen.

Aber es besteht doch ein Unterschied zwischen den Fehlern, die eine Partei, die als erste zur Macht gelangt, in ihren Regierungsmaßnahmen begeht, und den gewissermaßen rituellen, gut bekannten, nummerierten und katalogisierten Fehlern, die seit Jahrzehnten in der französischen Partei gemacht werden. Man kennt sie sehr gut, die Fehler Jean Renauds, Verfeuils, Piochs, Merics, wie auch.den Fehler unseres Genossen Rappoport, der darin besteht, dass er die Fehler der andern nicht sieht. (Heiterkeit)

Diese Fehler sind, ich wiederhole es, rituelle, gut bekannte Fehler, und sie sind nicht zu vergleichen mit unseren Regierungsfehlern Aber wo Fehler sind, nennt sie uns, nennt sie uns!

Genossen, und ich wende mich an die französischen Genossen, vor allem an Sellier, der gesagt hat und es ehrlicherweise bestätigt, dass wir unsere Beschlüsse zu sehr auf Grund von Zeitungen, von Artikeln usw. fassen, dass wir, kurz gesagt, nicht in der Lage sind, nicht die Möglichkeit haben, aus dem Leben des französischen Proletariats selbst zu schürfen. Ich erinnere mich, gelegentlich der Diskussion über die Einheitsfront in meiner Rede gesagt zu haben, dass man die kommunistischen Parteien in drei Gruppen teilen könnte: die erste würde die Parteien ohne bedeutenden tatsächlichen Einfluss umfassen, die zweite, das wären die in der Arbeiterbewegung ihres Landes vorherrschenden kommunistischen Parteien, und in der dritten Gruppe hätten wir die Parteien mit mittlerem Einfluss zu sehen,

Die französischen Genossen haben erklärt: Auf dem politischen Gebiet sind wir die Herren der Lage, die. Dissidenten existieren nicht mehr. Marcel Cachin, Renoult sagten dies und auch der Genosse Sellier,

Ich habe mich von diesen Erklärungen beeinflussen lassen, so dass ich nicht darauf bestand, dass über die Thesen, die ich vorbereitet hatte, abgestimmt würde. Ich habe sie nur als Ausdruck meiner persönlichen Auffassung veröffentlicht. Ich sagte mir: es ist besser, vorsichtig zu sein und noch nicht abstimmen zu lassen.

Rappoport: Mir haben Sie meine Vorsicht heute zum Vorwurf gemacht,

Trotzki: In einer andern Richtung, Genösse, in einer direkt entgegengesetzten Richtung. (Heiterkeit.)

Genossen, in den Thesen, die im „Bulletin Communiste" veröffentlicht wurden, schrieb ich:

Die Dissidenten können unter gewissen Umständen ein gegenrevolutionärer Faktor im Schoße der Arbeiterklasse selbst sein, von weit größerer Bedeutung, als es den Anschein hat, wenn man die Schwäche ihrer Organisation, die Auflage und den ideologischen Inhalt des „Populaire" in Betracht zieht."

Ich lese nicht alles, weil es zu lang ist.

Etwas weiter;

Wenn man die Organisation der Partei als eine aktive Armee nimmt, die ihre Reserven aus den nicht organisierten Arbeitermassen zieht, so mag es zutreffen, dass unsere aktive Armee drei- oder viermal stärker ist als die der Dissidenten; hinsichtlich der Reserven aber können wir unter gewissen Umständen schlechter daran sein als die Dissidenten."

Dieser Gedanke wird weiter unten entwickelt:

Die Reformisten werden die Vertreter der Politik des Linken Blocks innerhalb der Arbeiterklasse sein, und ihr Einfluss wird um so größer sein, je weniger die Arbeiterklasse erfasst ist von dem Gedanken und der Praxis der Arbeiter-Einheitsfront gegen die Bourgeoisie." Wenn unsere Urteile hier so sehr oberflächlich sind, dann bitte, erklärt uns das Missverständnis, das entstanden ist zwischen uns und den Genossen, die sich gegen die Einheitsfront wenden. Wir haben gesagt: Man soll sich nicht durch den Schein täuschen lassen; die Organisation der Dissidenten, ist dreimal kleiner als unsere, weil sie die Schwäche, Unfähigkeit, die Vorurteile der Arbeiterklasse repräsentieren. Die Kommunisten repräsentieren das Bewusstsein, die Aktivität des Proletariats. Das erklärt, warum wir prozentual mehr Organisierte haben als sie.

Die Dissidenten beuten die Unwissenheit aus, die in den breiten Schichten der unterdrückten Massen noch groß ist, und aus diesem Reservoir der Unwissenheit ziehen sie in Wahlzeiten ihre Kraft.

Deshalb können wir die Idee der Einheitsfront nicht beurteilen an Hand des Kräfteverhältnisses der Organisation. Man braucht einen viel umfassenderen Maßstab, einen wahrhaft historischen Maßstab, um sie richtig zu würdigen.

Ich wiederhole, der Genosse Frossard hat hier zugegeben, dass seine Genossen und er die Kräfte, die die Dissidenten noch immer in der Arbeiterklasse, haben, verkannt haben. Die Dissidenten haben im Norden, innerhalb einer Arbeiterbevölkerung, mehr Stimmen auf sich vereinigt als wir. Das beweist, dass das Hauptargument der französischen Genössen gegen die Einheitsfront grundfalsch ist. Ihr Argument war: wir können die Dissidenten links liegen lassen, sie sind bedeutungslos.

Ihr habt Euch geirrt.

In den Thesen, die ich unter Hinzuziehung einiger Genossen von der Exekutive und nicht nach meinem persönlichen Denken formuliert hatte, vertrat ich den Standpunkt, dass die Dissidenten keine quantité negligeable sind. Als ich den Genossen Sinowjew befragte, sagte der mir: „Man kann schwer sagen, dass sie ein wirklicher Faktor sind, wenn die französischen Genössen es leugnen". Ich habe die Thesen daraufhin nicht zur Abstimmung gebracht, sondern sie als meine persönliche Auffassung im „Bulletin Communiste" veröffentlicht. Jetzt haben die Tatsachen die Richtigkeit dieser Thesen erwiesen.

Aber wir müssen den französischen Arbeitern auch sagen, dass die sie täuschen, die ihnen erzählen, dass wir hier unsere Beschlüsse leichtfertig fassen. Die Tatsache, dass man vor dem französischen Proletariat derartige Behauptungen erhebt, erklärt zur Genüge die Disziplinlosigkeit gegenüber der Internationale. Die Disziplin ist keine leichte Sache. Wenn man in Ausnahmefällen nicht einig zu werden vermag, unterwirft man sich, indem man sich sagt: Was uns bindet, ist wichtiger, als was uns trennt. Ist man häufig uneins, so kann das ein Zeichen dafür sein, dass die Organisation nicht einheitlich ist. Wenn aber Spannungen bestehen, und es finden sich Genossen, die erklären, dass diese Spannungen daher rühren, dass man in Moskau Zeitungsabschnitte macht ohne Sinn, ohne Daseinsberechtigung, dann müssen die Arbeiter sich sagen: warum sollen wir uns unterwerfen, weshalb uns beugen?

So geht die Disziplin zum Teufel.

Wir haben in der Frage der Einheitsfront eine sehr umfassende Diskussion, in diesem selben Saale hier, gehabt.. Am Schluss dieser Diskussion erklärte Daniel Renoult:

Wir haben es bereits ausgesprochen, dass wir diese Diskussion in einem Geiste absoluter Disziplin zu führen entschlossen waren. Wir hatten das Recht und die Pflicht, unsern Standpunkt, unsere Meinung in der entschiedensten Weise zu verteidigen. Aber wir sind disziplinierte Soldaten der Internationale, und welche Beschlüsse sie darum auch fassen werden, wir werden uns unterwerfen, wie dies unsere Pflicht ist."

Das war die tapfere Sprache eines Soldaten der Revolution.

Aber, Genossen, Renoult kam nach Frankreich zurück. Gewiss, ich gebe zu, es kann jemand eine wenig wichtige Verpflichtung, übernehmen, ohne genügend überlegt zu haben, und nachher nicht in der Lage sein, sie zu erfüllen. Das ist natürlich auch ein Fehler, aber nicht immer ein Beweis für mangelnden guten Willen. Man könnte sagen, dass die Dinge bei dem Ausschluss Fabres so lagen. Man hat eine Verpflichtung übernommen und sie nicht gehalten.

Aber in der Frage der Einheitsfront haben wir eine Diskussion gehabt, eine leidenschaftliche Diskussion, eine Rede Daniel Renoults, feierliche Erklärungen, wie: „Soldaten der Revolution", „Kommunistische Pflicht", „wir werden uns unterwerfen" usw. – und hernach eine Reihe von Leitartikeln; ich zitiere nur einige, die ich der „Internationale" entnehme, dem von Daniel Renoult geleiteten Blatt. Sie finden das „Journal du Peuple" zitiert (das mit Zustimmung Renoults aus der Partei ausgeschlossen werden sollte), Auszüge aus Artikeln, beispielsweise Verdiers, eines ehemaligen Mitglieds der Partei, der sich von ihr abgewandt hat und die Internationale beschimpft.

Daniel Renoult hat die Verpflichtung übernommen, das „Journal du Peuple" samt seinen Verdiers, Fabres und der ganzen Clique auszuschließen. Und in Erwartung des Ausschlusses – zitiert er und lässt Verdier in seinem Blatt zitieren, wenn dieser in der Frage der Einheitsfront gegen die Internationale schreibt.

Gelegentlich der Reise des Genossen Frossard nach Berlin hat der Parteivorstand, der doch keine lärmende oder auf der Straße improvisierte Versammlung ist, eine Resolution beschlossen, die besagt:

Bezüglich der an den Genossen Frossard ergangenen Einladung, sich am 5. Mai nach Berlin und am 9. zur Neunerkonferenz zu begeben, beschließt der Kongress, dass der Genosse Frossard dieser Einladung ausnahmsweise Folge leisten soll.

Angenommen gegen die Stimmen von Dondicol, Meric und Renoult."

Wenn Ihr aber meinen solltet, dass Renoult nur gegen die Wendung „ausnahmsweise" hat stimmen wollen, dass er der Meinung war, dass man sich immer und nicht nur ausnahmsweise fügen solle, dann irrt Ihr Euch. Er wollte, dass man sich überhaupt nicht fügt, nicht einmal ausnahmsweise. Er wollte nicht, dass Frossard nach Berlin ging, um der Resolution entsprechend zu handeln, in Bezug auf die er erklärt hat: „Wir fügen uns als disziplinierte Soldaten, im Einklang mit unserer kommunistischen Pflicht!" usw.

Und dann gelegentlich des Berichts Piochs vor der Seine-Föderation. Es handelt sich hier nicht um die Einheitsfront. Aber unser Vorkämpfer der Disziplin erscheint auf dem Kongress der Föderation und richtet an diesen die Aufforderung, gegen die Einheitsfront zu stimmen, und das in einem Moment, wo diese Frage gar nicht zur Diskussion steht, sondern ganz etwas anderes.

Genossen, das ist nicht die Aufgabe eines Parteivorstandsmitgliedes, eines Delegationsmitgliedes von Moskau, der nach seiner Rückkehr nach Frankreich die Auffassung der Partei im absoluten Gegensatz zur Orientierung der Internationale vorfindet und der erklärt:

Ich kann nichts daran ändern, man lehnt meinen Anstrengungen zum Trotz die Beschlüsse der Exekutive ab."

Nein, er selbst ist es, Renoult, der bei jeder Gelegenheit lärmende Äußerungen des Hasses gegen die Moskauer provoziert, die ihre Beschlüsse auf Grund von Klatsch fassen und die das französische Proletariat „entwaffnen" wollen. Warum wollen wir es eigentlich -entwaffnen?. Die Erklärung könnt Ihr im „Journal du Peuple" suchen. Die französischen Arbeiter wollen immerhin eine Erklärung haben. Gibt die „Humanité" ihnen diese Erklärung? Nein. Wer gibt sie ihnen? Das „Journal du Peuple". Und was lesen wir da?

Es sagt, dass die Bolschewiki für die Einheitsfront sind in Anbetracht der sehr bedenklichen Lage des russischen Staates, dass sie sich anbiedern wollen bei den Vandervelde und Scheidemann, die über Armeen verfügen, über Finanzen, Kredite usw. Sie möchten gerne, aber es wird ihnen nicht gelingen … Ich könnte an die zehn Zitate, die diese Auffassung vertreten, bringen. Eine gewisse Arbeitsteilung besteht hier. Man sagt: die Internationale fasst Beschlüsse, die man nicht durchführen kann. Die Internationale will uns entwaffnen. Renoult, der disziplinierte Soldat, kommt in die Seine-Föderation und schlägt eine Protestresolution gegen die Einheitsfront vor. Und im „Journal du Peuple" gibt man die Erklärung: Die Idee der Einheitsfronttaktik ist nicht in der Kommunistischen Internationale entstanden. Die Russische Regierung ist es, die diesen Gedanken gefasst hat, um ihrer nationalen Interessen willen. Das Kommissariat des Auswärtigen hat ihn ausgeklügelt als ein Mittel, die internationale Lage Russlands zu retten.

Genossen, ich muss erneut sagen, dass ich mich wundere, dass die französischen Arbeiter unter diesen Umständen unserer Internationale noch angehören. Ich bewundere ihre Geduld; aber wer bezweifelt, dass diese Geduld ihre Grenzen hat. In alledem ist Logik. Ich lasse beiseite die gelegentlichen, die Ausnahmefälle. Hier ist noch eine Resolution, die im Mai von der Seine-Föderation angenommen wurde und die eine Kommission ausgearbeitet hat, deren Mitglieder unter anderen (die ich nicht nenne, da sie weniger bekannt sind) die Genossen Meric, Renoult und Heine waren. Das sind die Vertreter dreier Tendenzen: Meric vertritt die ausgesprochene Rechte, Renoult das Zentrum des Parteivorstandes und Heine, das ist die sogenannte „Äußerste" Linke. Vergessen wir nicht, dass die Seine-Föderation dieser Äußersten Linken angehört, und dass sie trotzdem lange Zeit als Verbandssekretär Pioch gehabt hat, der zur Äußersten Rechten gehört. (Heiterkeit.) Die Extreme berühren sich eben. Das ist doch bekannt. Die Resolution ist die des Blocks dieser drei Richtungen und wendet sich gegen die Linkstendenz, deren Vertreter Rosmer, Amedée, Treint und andere Genossen sind, die eine andere, die Auffassung der Internationale zum Ausdruck bringende Resolution eingebracht hatten.

Und nun die Resolution dieses Blocks. Ich kann sie hier leider nicht ganz verlesen. Sie ist eine bedeutungsvolle politische Tatsache, und wenn man mir sagt, dass ich Resolutionen eine zu große Wichtigkeit beimesse, so erwidere ich:

Genossen, wir wollen eine neue Welt schaffen! Die allererste Vorbedingung dafür ist die Klarheit der Ideen, die Klarheit des theoretischen und politischen Bewusstseins der Partei der Revolution. Wenn nicht, dann verstehe ich nicht, wozu, wir uns von den Dissidenten trennten, warum wir nicht gemeinsame Sache mit den Anarchisten machen. Die von dem Block der drei Richtungen, die durchweg im Gegensatz zur Kommunistischen Internationale stehen, vorgelegte Resolution konstatiert die Krise der Partei. Diese Krise „hängt zusammen mit den oft recht brüsken, der Masse unverständlich bleibenden Wandlungen der von der Exekutive empfohlenen Taktik". Also die Mitgliederkrise, die allgemeine Krise der französischen Partei wie der übrigen Parteien (der Text besagt dies) hängt zusammen mit der, das will besagen, ist verursacht durch die launenhafte Internationale, durch deren brüske Wandlungen, die die Arbeitermassen nicht verstehen.

Etwas weiter unten wird die Krise auf die neue Taktik, auf die Einheitsfront zurückgeführt. Umgekehrt kann man sagen: Es ist der Stillstand im Wachstum der französischen Partei, und nicht nur dieser, sondern auch der anderen Parteien, der die Internationale den Gedanken der Einheitsfront entwickeln ließ, der bereits in der Resolution des Dritten Kongresses seine Formulierung gefunden hatte. Denn die Einheitsfront, das ist die Möglichkeit des Vormarsches auf breiter politischer Bahn.

Trotzdem beginnt die Resolution, indem sie die Ursache der Krise in der Kommunistischen Internationale sucht. Man sucht die Gründe beispielsweise nicht in der Seine-Föderation. Diese Föderation ist eine ganz außergewöhnliche Organisation. Sie beruht auf dem Föderativprinzip: d. h. jede Gruppe ist, ohne Rücksicht auf ihre Stärke, in der Zentralorganisation mit einem Delegierten vertreten. Es gibt deren

Rappoport: 85;

Sellier: 90;

Trotzki: ungefähr 100.

Die leitende Körperschaft zählt gegen hundert Delegierte von Sektionen, die in Bezug auf die Zahl ihrer Mitglieder sehr verschieden sind. So kommt es, dass es an den Sitzungen einmal einige 30 Genossen einer bestimmten Richtung, ein zweites Mal gegen 20 einer anderen, und ein drittes Mal wieder andere Genossen ohne jede Richtung anwesend sind. Keine Stetigkeit, keine feste Linie! Ein völliges Chaos. Und wenn man mit den französischen Genossen vom Parteivorstand darüber spricht – ich habe vor drei Monaten darüber mit den französischen Delegierten geredet –, dann geben es alle zu, mit Ausnahme des Genossen Metayer, der es nicht anerkennen will; denn er ist ein Anhänger des Systems, aber alle anderen geben es zu.

In Paris aber, da bildet man einen Block, nicht gegen die Bourgeoisie, sondern gegen die Internationale. Diese sonderbare Organisation wird unantastbar. Daniel Renoult, Victor Meric und Heine erklären:

Diese dem Sowjet-System entsprechende Organisation ist durchaus gerechtfertigt in einer Partei, die sich als auf dem Boden der russischen Revolution stehend erklärt" usw.

Und der Genosse Metayer erklärte: „Aber Eure Republik ist doch auch föderativ." Gewiss, unsere Republik ist föderativ, aber nicht die Partei. Die Partei ist das Werkzeug, um zur Föderativrepublik zu gelangen. Die Säge ist scharf, aber das Brett, das wir mit ihr schneiden, ist es nicht. Das Werkzeug und das mit seiner Hilfe geschaffene Produkt sind zwei völlig verschiedene Dinge. Die Ukraine ist unabhängig. Aserbaidschan, Georgien sind es auch. Aber glaubt Ihr, dass die Kommunisten dieser Länder unabhängig sind? Sie sind der Disziplin der Partei genau so unterworfen wie die Genossen in Moskau. Unsere Organisation ist absolut zentralisiert. Glaubt Ihr, dass wir uns ohne diese Zentralisation halten könnten?

Der Föderalismus des Staates ist eine notwendige Konzession, einerseits an gewisse kulturelle Ansprüche – in Bezug auf die Schule, die Sprache – und andererseits an die nationalen Vorurteile des Kleinbürgertums in den Dörfern und in den Städten. Er ist eine Konzession. Wir können, und wir müssen dem Kleinbürgertum diese Konzessionen im Staate machen. Aber wir können sie nicht in der Partei machen! Unsere Partei bleibt absolut zentralisiert.

Nun sagen uns die französischen Genossen: Die Föderativ-Organisation der Seine ist eine Nachbildung der Sowjetrepublik, dieser absolut unantastbaren Einrichtung. Genossen, wenn zu mir je ein französischer Arbeiter so sprechen würde, so würde ich nicht schweigen, ich würde ihm sagen: Mein Freund, Du irrst Dich. Es ist ein fundamentaler Unterschied zwischen dem Aufbau der Partei und dem des Staates, den diese schaffen soll. Und ich würde ihm diesen Unterschied erklären. Aber dies tun weder der Genosse Daniel Renoult, der ihn doch kennt,, noch Victor Meric, der ihn kennen sollte. Daniel Renoult hat hier zugegeben: Es ist eine absolut unmögliche, unbrauchbare Organisation, die das kommunistische Leben in Paris desorganisiert. Aber in seiner Resolution sagt er das Gegenteil, nur um mit der Rechten und der Äußersten Linken einen Block gegen die kommunistische Linke zu bilden.

Weiter heißt es in der Resolution:

Unter diesen Umständen können die Gegensätze zwischen den Revolutionären und den Reformisten nicht verschwinden oder sich auch nur mildern, die Seine-Föderation lehnt aus diesen Gründen die Anwendung der Taktik der Einheitsfront ab und verurteilt den von einigen Genossen als Anwendung der Einheitsfronttaktik präsentierten Neo-Reformismus."

Man sagt also, dass die Gegensätze zwischen den Reformisten und den Revolutionären sich nicht mildern können, und dann fügt man hinzu, dass einige Genossen – man nennt sie nicht – man macht es wie der Genosse Rappoport mit seinen Elefanten und sagt einfach: einige Genossen

(Unterbrechungen, Bewegung)

Frossard: Gestatten Sie bitte ein Wort. Dies ist eine Antwort an den Genossen Treint, der behauptet, dass unter den gegenwärtigen Verhältnissen Reformen gleichbedeutend sind mit der Revolution.

Trotzki: Ich habe den in der Internationalen Korrespondenz erschienenen Artikel des Genossen Treint über die Einheitsfront gelesen und ich muss sagen, Genossen, dass von allen in französischer Sprache bisher erschienenen Artikeln der des Genossen Treint der beste ist; und ich rate Ihnen allen, ihn zu lesen. Natürlich übernehme ich damit nicht die Verantwortung für alles, was der Genosse Treint je gesagt und geschrieben hat. Aber zureden im Moment von der Einheitsfront, und da gibt der Artikel Treints in der Internationalen Korrespondenz eine äußerst klare Darstellung der Lage.

Ich kenne das Verfahren sehr gut, nach dem man, um die Internationale zu treffen, auf den einschlägt, der ihre Ideen verteidigt. Genosse Frossard, das ist eine sehr bekannte Methode und in Frankreich zur Zeit allzu sehr in Übung

Ich habe weder die Absicht, unter allen Umständen den Genossen Souvarine zu verteidigen für das, was er sagt oder schreibt, noch den Genossen Treint. Ja nicht einmal mich selbst, der ich in meinem Leben genügend Fehler gemacht habe. Im Moment handelt es sich um eine ganz präzise, sehr wichtige Frage: die Einheitsfront. Anstatt die Internationale direkt anzugreifen, greift man sie an, indem man sagt: einige Kameraden (man sagt nicht, dass es Treint ist) präsentieren uns unter der Form der Einheitsfront einen Neo-Reformismus. Nun das ist nicht wahr.

Auclair meint, dass es ein Rückschritt zum Reformismus hin ist. Wenn man in erster Linie die Forderungen der Arbeiter zu realisieren versucht. Es gelte vor allem die Bauern zu gewinnen. Dies ist derselbe Geist: „Wir sind gegen die Einheitsfront. Warum? Weil wir nichts zu tun haben wollen mit den Führern der Reformisten." So kleidet man den tatsächlichen Reformismus stets in eine revolutionäre Phraseologie.

Etwas weiter sagt die Resolution:

Die Seine-Föderation empfiehlt die Errichtung von Arbeiter- und Angestelltenräten in den Fabriken, Werkstätten usw. Hier, auf dem ureigensten Gebiete der Arbeit, fern von den reformistischen Führern, die hier keinen Zutritt haben, wird die Einheit der Arbeiterklasse zur Wirklichkeit werden. Die Kommunisten und revolutionären Syndikalisten werden die Arbeiter vorwärtstreiben, wie dies 1905 und 1917 die russischen Bolschewiki taten."

Also mit anderen Worten: Wir sind gegen die Einheitsfront, gegen die Zusammenarbeit mit den reformistischen Führern, aber für die auf dem Föderativprinzip beruhenden Räte, um dort die große Masse vorwärts zu treiben nach dem Beispiel der Bolschewiki in den Sowjets. Aber Genossen, woher sind diese Sowjets gekommen? Waren es die Bolschewiki, die sie schufen? Wir waren anfangs nur eine Minderheit in den Sowjets, eine quantité negligeable. Gewiss Waren wir es, die die Parole der Sowjets in die Massen warfen. Aber was bedeuteten, was waren wir in den Sowjets7 Wir hatten weniger Redefreiheit, als wie der Präsident des Revolutionstribunals in dem Prozess gegen die Sozialrevolutionäre Vandervelde und den Angeklagten zugesteht. Was waren wir im Moskauer Sowjet? Eine kleine Gruppe von Angeklagten. Und wer führte? Die Menschewiki, die Sozialrevolutionäre.

Die Sowjets, Genossen, das war die ausgesprochene Einheitsfront zu Beginn der Revolution. Die Masse war es, die uns diese Formel der Einheitsfront aufzwang, und wir haben sie akzeptiert, und nicht nur akzeptiert, wir haben sie in die Sowjets geschleudert, als Minderheit, mit der Gewissheit, dass wir unsere Gegner besiegen würden, und wir haben sie besiegt.

Man sagt uns nun: Wir wollen nichts zu tun haben mit den Reformisten und ihren Führern. Wir wollen Sowjets, wo die Führer keinen Zutritt haben. Wie wollt Ihr das machen? Verfügt Ihr denn über die Arbeiterklasse in ihrer Gesamtheit? Könnt Ihr den Arbeitern Vorschriften machen darüber, wen sie als ihre Vertrauensleute in die Sowjets schicken sollen? Was heißt das eigentlich? Mir ist das unverständlich.

Weiter sagt man: Wir machen es wie die Russen 1905 und 1917. Ja, befindet Ihr Euch denn im Jahre 1905 oder 1917? Ich glaube vielmehr, dass Ihr Euch in der Epoche der Vorbereitung befindet, in einem Stadium, das man vergleichen könnte mit der Zeit, die zwischen diesen beiden Jahren liegt. Gab es aber in dieser Epoche in Russland Sowjets? Nein. Was gab es da?

Wir hatten unsere kommunistische Propaganda, unsere Organisation, unsere Aktion und unsere Versuche, eine Einheit der Aktion, die proletarische Einheitsfront, zustande zu bringen.

Glaubt Ihr denn, wenn der geschichtliche Moment der Masse gekommen ist, die Einheitsfront verhindern zu können? Aber sie wird doch kommen, unerwartet für Euch. Und Ihr werdet gezwungen sein, sie zu akzeptieren, ohne Euch vorbereitet zu haben.

Natürlich werdet Ihr Euch, wenn die Dinge so weit sind, den Tatsachen anzupassen wissen, Ihr werdet Euren Weg in dieser Einheitsfront finden. Aber es ist besser, vorbereitet zu sein und zu führen, anstatt von den Ereignissen überrascht zu werden, und es ist besser, an der Spitze dieser Idee, dieser Aktion zu marschieren, als hinterher zu laufen.

Ihr könnt der Idee der Sowjets in der Tat keinen schlimmeren Gefallen erweisen, als wenn Ihr sie propagiert in der Art, wie die Resolution der Seine-Föderation es tut.

In der Resolution heißt es noch, dass „die französische Partei sich immer als diszipliniert erwiesen hat (natürlich), aber dass diese Disziplin nicht zu eng gefasst werden dürfe, indem die Parteien die Beschlüsse der Exekutive nur stillschweigend zur Kenntnis zu nehmen haben".

Mit anderen Worten: Die Disziplin im Allgemeinen ist eine schöne Sache. Aber nicht in unserem Hause, nicht in der Kommunistischen Internationale, wo man uns zwingt, die Resolutionen der Exekutive zur Kenntnis zu nehmen, die übrigens von einer einzigen Ausnahme, der der Einheitsfront, abgesehen – in Bezug auf die unsere Vertreter am Schlusse der Diskussion Disziplin zu halten versprachen – mit Zustimmung unserer Delegierten gefasst worden sind. Und man schließt mit einem Seufzer der Hoffnung:

Sie (die Föderation) hofft, dass der vierte Kongress die gegenwärtigen Beschlüsse der Internationale über die Einheitsfront im Sinne einer Linksorientierung revidieren wird."

So haben wir also eine rechte Orientierung, das ist die der Kommunistischen Internationale, und eine linke, das ist die Victor Merics, des Mitarbeiters Fabres, die des Genossen Renoult, der in seinem Blatte die lehrreichsten Stellen aus dem „Journal du Peuple" nachdruckt, und die des Genossen Heine, der die Föderativrepublik kopieren möchte!

Wenden wir uns der Gewerkschaftsfrage zu. Der Genosse Frossard hat sich recht optimistisch über die Zukunft ausgelassen, und wir sind naturgemäß begeistert über den Ausblick, den er uns gegeben hat. Ich für meinen Teil hoffe aufrichtig, dass sich seine Vorhersage erfüllt, aber ich muss doch sagen, dass dieser Erfolg ein wenig unerwartet ist.

Was tut man, um diesen Wechsel vorzubereiten? Die Arbeiter sehen es nicht. Die Presse müsste doch eigentlich diesen Prozess widerspiegeln. Man sieht aber nichts! Ich meinerseits habe alle Symptome, die die Beziehungen zwischen der Partei und der Gewerkschaftsbewegung charakterisieren, sorgfältig verfolgt.

Wir haben anlässlich der Konferenz der Erweiterten Exekutive energisch darauf hingewiesen, dass die Partei ihre Haltung in der Gewerkschaftsfrage ändern muss. Unsere französischen Genossen haben uns gesagt: Wir geben zu, die Beschlüsse werden bisher noch nicht energisch genug durchgeführt; aber das wird in Zukunft besser werden.

Bald darauf habe ich den Artikel des Genossen Frossard über die Frage gelesen, in dem er sagt:

Die kluge und vorausschauende Politik Jaurès" verhinderte, dass eine nicht wieder gut zu machende Störung in den Beziehungen zwischen den beiden proletarischen Armeen eintrat, der politischen und der ökonomischen, die gleichermaßen nötig und im Grunde innig miteinander verbunden sind. Longuet wird es uns nicht zum Vorwurf machen, hoffe ich, wenn wir unsererseits Jaurès Politik fortsetzen.

Genossen, das ist eine Auffassung, die im direkten Gegensatz steht zu den Resolutionen unserer internationalen Kongresse, zu unserem Programm, den Resolutionen des Marseiller Kongresses.

Die Tradition Jaurès', das besagt etwas sehr Bestimmtes. Wir kennen die großen Fähigkeiten, das machtvolle Genie von Jaurès, das sich auch in seiner Taktik in der Gewerkschaftsfrage zeigte; denn diese Taktik entsprach durchaus der Situation, die der patriotisierende und nationale Sozialreformismus einerseits und der anarchistische Syndikalismus andererseits geschaffen hatte. Unsere Taktik war damals nicht möglich. Der Syndikalismus war die Reaktion des Proletariats auf die demokratische Heuchelei. Die Partei war auf den Parlamentarismus eingeschworen. Und da erklärte sie durch den beredten Mund Jaurès': Nachsicht mit der Ungeduld,des Proletariats. Dieser Hass, diese Auflehnung gegen die Partei haben ihre geschichtlichen Gründe. Wir müssen die Dinge nehmen, wie sie sind, rührt nicht daran!

Und die Führer der syndikalistischen Elemente, die Jouhaux. und Konsorten, die damals das wahrhaft revolutionäre Fühlen der französischen Arbeiterklasse ausbeuteten (und die sich seitdem als Verräter erwiesen haben), sagten sich: Wir sind zwar gegen den Parlamentarismus, aber da die Parlamentarier unser gewerkschaftliches Gebiet unangetastet lassen, ist eine gewisse Arbeitsteilung möglich. Wir werden ein stillschweigendes Übereinkommen mit der sozialistischen parlamentarischen Partei haben. Da habt Ihr die Tradition Jaurès'.

Können wir sie akzeptieren?

Niemals! Unsere Partei soll das Bewusstsein, der Wille des Proletariats in allen seinen Aktionen sein, auf allen Gebieten. Wir können schwach sein, und dann werden uns andere verdrängen, aber wir kämpfen um den Einfluss auf die Arbeiterklasse, um die Führerschaft in ihrem Kampfe.

Wie können wir das aber, ohne uns überall zu zeigen, wo Arbeiter sind, mit unserer Fahne, die wir nie verstecken?

Man sagt uns: Wir teilen die Arbeit; die Gewerkschaft ist autonom, sie untersteht nicht der Partei. Natürlich ist diese Organisation unabhängig, weil wir dort nicht die Mehrheit sind. Aber wir als Partei, in unsern Gruppen, in den Gewerkschaften, in den Parlamenten, in der Presse, überall, verkörpern eine Idee, sind eine Organisation der zentralisierten Aktion; wir sind überall die kommunistische Partei, der revolutionäre kommunistische Wille.

Und ich verstehe nicht, wie wir die Tradition Jaurès' sollten annehmen können, die in absolutem Widerspruch zu unserem Programm, unserer Taktik steht. Ich würde es erstaunlich finden, wenn wir in Saint Étienne zu einem unserer Methode entsprechenden Resultat gelangten unter dem Einfluss einer Ideologie, die im Gegensatz zu dieser Methode steht.

Frossard sagt uns; Die Kommunisten sind es, die. durch ihren Eifer, durch ihre Arbeit die verantwortlichen Funktionen in den Gewerkschaften erringen.

Sehr gut! Alle Briefe, die wir aus Frankreich erhalten, private und offizielle, schildern die französischen Arbeiter als die besten der Internationale; so zum Beispiel im Brief über den Jugendkongress in Montlucon. Die ganze Internationale wird die französische Partei um diese ausgezeichneten Arbeiterelemente in der Jugend, in ihren Gruppen beneiden.

Und ich sage: Natürlich, diese Elemente erringen in den Gewerkschaften und allenthalben das Vertrauen der Arbeiterklasse. Sie übernehmen verantwortliche Funktionen. Aber, werden sie in ihrer Arbeit geleitet durch die Partei? Nehmen wir zwei Fraktionen: die Fraktion Rosmer und die Fraktion Monmousson. Die letztgenannte (die der „Vie Ouvrière") hat eine lange Tradition anarchistelnden Syndikalismus hinter sich. Sie zählt in ihren Reihen ausgezeichnete Elemente. Rosmer hat diese Gruppe verlassen, Monatte ist dort geblieben; wir hoffen jedoch, dass er in Zukunft mit uns marschieren wird. Doch sind die meisten Anhänger der Gruppe Monmousson Kommunisten, Mitglieder unserer Partei. Also die kommunistischen Elemente, d, h. die der noch ziemlich schwachen Fraktion Rosmer, die der Fraktion Monmousson und die anarchistelnden Kommunisten, die sich der Parteidisziplin widersetzen, sind die Mehrheit.

Wie soll man das verstehen?

Man sagt uns: Man muss die Geschichte der französischen Arbeiterbewegung kennen. Sicher kennen die französischen Genossen sie besser als ich. Immerhin kenne ich sie auch ein wenig. Meine ersten Bekanntschaften in Paris waren Monatte, Rosmer usw. Ich unterschätze die syndikalistische Gruppe nicht, ich kenne ihre Tendenzen. Ich weiß, dass sie sich vor dem Kriege aus sehr revolutionären Elementen zusammensetzte, und dass dies zu einem Teil auch heute noch der Fall ist. Ich kann sie mit Rücksicht behandeln; die Partei muss sie mit Rücksicht behandeln, wir dürfen sie nicht vor den Kopf stoßen. Wo es sich um Syndikalisten handelt, die die syndikalistische Tradition verkörpern, die meiner Partei misstrauisch gegenüberstehen, da nähere ich mich ihnen allmählich, und ich bin ihnen gegenüber nicht nur Politiker, sondern auch ein wenig Pädagoge.

Aber wir haben Kommunisten, Mitglieder unserer Partei, die sich wandeln, sobald sie in den Gewerkschaften sind. Sie werden Syndikalisten und Anhänger der „Vie Ouvrière". Und ich weiß nicht, ob wir auf diese Weise die gewerkschaftliche Bewegung gewinnen können, oder ob nicht vielmehr der revolutionäre Syndikalismus unsere Partei erobern würde.

Wir haben das Beispiel Verdiers und Quintons gehabt. Als wir fragten: „Was machen denn diese Verdier und Quinton? Die schreiben Dinge, die ganz unmöglich sind", da sagte man uns: „Es sind Mitglieder unserer Partei". Aber worin bestand ihre Zugehörigkeit zur Partei? Sie hatten ihre Parteikarte in der Tasche. Sie nützten die Autorität der Partei aus, als die Weltrevolution nahe schien. Aber ihre Politik in den Gewerkschaften war antikommunistisch. Nachdem, sie in den Gewerkschaften saßen, zerrissen sie ihre Parteikarte und fuhren in ihrer parteifeindlichen Arbeit fort. Sie sind jetzt nicht mehr Mitglieder der Partei, aber wir haben noch andere Verdiers und andere Quintons.

Ich meine, wir müssen diese Fragen lösen. Bis zum Kongress in Saint Étienne ist es nicht mehr lange. Man wird sich dort bequemen müssen, zu tun, was man allerorts auf Kongressen macht. Man wird die kommunistische Fraktion des Kongresses zusammenrufen und unter der Leitung eines Vertreters des Parteivorstandes eine Liste der kommunistischen Delegierten aufstellen. Wer seine Parteikarte hat, wird zu einer bestimmten Stunde in einem bestimmten Saal erscheinen, und der Parteivorstand oder seine Vertreter werden in Gemeinschaft mit dieser Fraktion das Aktionsprogramm für den Kongress vorbereiten müssen. Wird man dies in Saint Étienne tun, ja oder nein?

Man wird in diesem Aktionsprogramm auf die Vorurteile der anarchistischen Syndikalisten Rücksicht nehmen müssen, nicht aber auf einen Verdier oder Quinton. Die Kommunisten müssen sich der Partei und ihren Beschlüssen fügen. Sie müssen für die Resolution des bedingungslosen Beitritts zur Roten Gewerkschaftsinternationale stimmen.

Und ich stelle die Frage: Wird das Parteimitglied, das als Kongressdelegierter gegen die Beschlüsse der Partei handelt, ausgeschlossen werden, ja oder nein?

Unsere ganze Konferenz muss diese Frage stellen und darauf bestehen, dass sie eine unzweideutige Antwort erhält, und sie muss diese Antwort in der Resolution niederlegen.

Wenden wir uns jetzt der Frage der Einheitsfront zu. Wir nähern uns in Frankreich einer Epoche des Linksblocks. Der Genosse Frossard ist es, der dies sagt, und von allen wird es zugegeben. Was heißt das, eine Epoche des Linksblocks?

Von Zeit zu Zeit begegnet man in den Blättern der Partei der Behauptung, dass die Epoche der demokratischen Illusionen im, Proletariat überwunden sei. Das ist ein Irrtum. Kommt es in Frankreich zu einem Linksblock, so bedeutet das eine neue Welle der demokratischen und pazifistischen Illusionen in breiten Schichten des Proletariats. Das ist sehr wesentlich. Unsere Bewegung ist im Moment sehr sprunghaft, sie vollzieht sich in Stößen. Ihr habt im Beginn des Krieges die Epoche der patriotischen Illusionen der Nationalverteidigung gehabt; dann kam die Ernüchterung, das revolutionäre Morgenrot von 1917. Darauf der Sieg und seine Illusionen. Und endlich eine neue Enttäuschung und der Beginn einer kurzen Epoche revolutionärer Illusionen. Ich sage: Illusionen; denn es fehlte die klare revolutionäre Erkenntnis; was hinter dem Eisenbahnerstreik stand, der weder gut vorbereitet noch gut geführt war, war nichts als ein unklares Gefühl. Dieser Streik war der Ausdruck der revolutionären Illusionen. Das wertvollste Resultat dieser Epoche ist die Kommunistische Partei.

Seitdem war ein gewisser Rückschlag zu verzeichnen, als Ausdruck der unvermeidlichen Enttäuschung nach den revolutionären Illusionen. Man hatte die Revolution sehr viel näher geglaubt und sie für leichter gehalten. Die Enttäuschungen, die folgten, führten zu einer gewissen Passivität.

Dies zeigt sich besonders in den Arbeitermassen Frankreichs, wo der Druck des Kapitals nicht stark genug ist, um eine entsprechend wuchtige Gegenaktion auszulösen, wo der revolutionäre Geist schlummert, wo die alten Vorurteile erneut erwachen, wo man nicht die nötige Elastizität des Denkens hat, um mit den neuen Ideen Schritt zu halten.

Die Folge ist ein Stillstand im Wachstum der Partei.

Hand in Hand damit aber vollzieht sich eine Sammlung in der Masse, in der kleinbürgerlichen und in der proletarischen. Ihr Ausdruck ist die wachsende Unzufriedenheit mit dem nationalen Block und der Wunsch nach einer Änderung Die Idee des Linksblocks taucht am Horizont auf. Und da fragt es sich: Was denken in einem solchen Moment die Arbeiter?

Nehmen wir einen Pariser Arbeiter, der nicht Kommunist ist, der aber mit der Partei, mit der sozialen Revolution sympathisiert, und der, wenn es morgen auf die Barrikaden zu steigen gilt, möglicherweise nicht der erste, sicher aber der zweite sein wird. Dieser Arbeiter sagt sich: Der Linksblock ist trotz allem noch besser als der Nationale Block. Die Kommunisten sind sicher gute Kerle. Wenn sie die Revolution machen werden, werde ich mit ihnen sein. Aber ihre Vorbereitungen dauern reichlich lange. Bis sie so weit sind, werde ich eine Änderung nicht zurückweisen, wenn sie möglich ist. Ich werde mit vielen anderen für Herriot-Longuet stimmen, deren Parteien eine fortschrittlichere Regierung bilden werden.

Dieser Arbeiter ist noch demokratisch; aber sein Demokratismus ist skeptisch. Er ist revolutionär, aber er verhält sich abwartend. Er hat die besten Absichten, aber er ist zu oft getäuscht worden. Man hat ihn zu oft betrogen, euern französischen Arbeiter. Das erklärt die Aschenschicht der Skepsis über seinem revolutionären Feuer.

Und Ihr französischen Kommunisten erklärt und wiederholt: Einheitsfront? Nein, wir sind für die Revolution. Das genügt! Und Ihr überlasst den französischen Arbeiter dem Einfluss der Idee des Linksblocks.

Wenn Ihr ihm statt dessen sagtet: Wir müssen dem Nationalen Block und dem Linksblock den Proletarischen Block entgegenstellen! Sie wollen eine bürgerliche, wir aber wollen eine proletarische Regierung machen. Wenn Ihr ihm sagtet: Du bist zwar kein Kommunist, und die Revolution wird nicht morgen sein; versuchen wir eine Arbeiterregierung zu errichten. Mit wem? Mit allen Faktoren der Arbeiterbewegung, mit den Gewerkschaften, mit der CGT (rechter Gewerkschaftsbund), mit der CGTU (linker Gewerkschaftsbund), mit den Dissidenten, mit allen Gruppen der Arbeiterbewegung.

Was für eine verhängnisvolle Idee, was für ein Verrat! Den Linksblock die Seele des französischen Proletariers erobern zu lassen, das ist allerdings eine sehr viel einfachere Taktik. Frossard sagt uns: „Wir begrüßen den Linksblock, weil er die Dissidenten umfassen, sie kompromittieren wird. Wir werden davon den Nutzen haben." Man wartet also darauf, die Erbschaft des Linksblocks antreten zu können. Der Sinn dieser Taktik ist: die Geschichte macht allein der Linksblock; er wird die Dissidenten kompromittieren, und meine Partei tritt dann deren Erbe an. Das kann nicht unsere Politik sein.

Damit die Dissidenten sich im Linksblock kompromittieren können, müssen sie im Beginn dieser Erfahrung eine gewisse Zahl von Arbeitern hinter sich haben. Darum müssen wir dieser Idee des Linksblocks die Idee des Arbeiterblocks entgegenstellen. Vielleicht sagt man uns, ja, ohne die Arbeiter. Wenn die Arbeiter uns sagen würden: Was, einen Block mit Jouhaux und Longuet schlagt Ihr uns vor? Wir werfen die Kerle zum Fenster hinaus! – dann wäre das Problem gelöst. Aber die Vorbedingung hierfür wäre, dass wir das Vertrauen des gesamten Proletariats haben; und diese Vorbedingung ist nicht erfüllt.

Wenn Ihr einem französischen Arbeiter sagt: Gehe mit uns und nicht mit der Bourgeoisie, und er antwortet Euch: Gewiss, ich bin ein Arbeiter, und ich denke nicht daran, mit der Bourgeoisie zu gehen, aber ich habe Vertrauen zu Jouhaux, dann müsst Ihr ihm antworten: gut, gehe mit ihm, aber gegen die Bourgeoisie, wie ich es dir vorschlage.

Und wenn nun dieser Arbeiter den Versuch macht, Jouhaux mit sich zu ziehen, und es gelingt ihm nicht, dann ist Jouhaux kompromittiert. Auf diese Weise können wir die Hälfte, ein Drittel der Anhänger Jouhaux für uns gewinnen. Die politische Bewegung ist es und der Kampf, aus denen wir neue Kräfte schöpfen können, und nicht das ewige Wiederkäuen der gleichen Gedanken, das Marschieren auf der Stelle.

Die Frage der Einheitsfront und der Gedanke der Arbeiterregierung sind in diesem Augenblick für Frankreich von der allerernstesten Bedeutung, weil Ihr dort noch die Vorurteile der Syndikalisten und Anarchisten zu überwinden habt, die meinen, dass die Gewerkschaften sich völlig selbst genügen, dass eine proletarische Diktatur nicht nötig sei usw., Wenn wir der Bourgeoisregierung die Arbeiterregierung entgegenstellen, so ist das geeignet, uns die Anhänger der Syndikalisten und Anarchisten zuzuführen.

Ich komme zum Schluss.

Genossen, eine neue Ära, eine neue Epoche muss für die französischen Kommunisten beginnen. Eine Wandlung ist notwendig, die augenfällig ist für die französische Arbeiterklasse; eine entschiedene Wandlung, in der Richtung wie in der Methode.

Ohne diese Wandlung führt der Weg der französischen Partei ins Verderben. Das ist für mich ganz klar. Neue Erschütterungen, neue Spaltungen würden die Folge sein, und diese Spaltungen würde die Geschichte vollziehen auf Linien, die nicht die günstigsten wären für die französische Arbeiterbewegung.

Man kann, davon bin ich überzeugt, dem großen Kern, dem wirklich lebensfähigen Kern der Partei, seine geschlossene Mehrheit erhalten, wenn die Internationale – und ich schlage Euch das im Namen der Exekutive vor – jetzt daran geht, Richtlinien auszuarbeiten, ganz klare Richtlinien, die im Einklang mit unserem Programm stehen und die gleichzeitig der Lage in der französischen Partei Rechnung tragen.

Wir müssen fördern, was der Genosse Frossard selbst gesagt hat: dass die Partei für den nächsten Kongress ein absolut klares Programm vorbereitet, dass sie sofort daran geht, dieses Programm vorzubereiten, im Einklang mit der jetzigen Epoche, die eine revolutionäre, aber eine Vorbereitungsepoche ist.

Die Partei muss taktische Thesen ausarbeiten, die rücksichtslos den Pazifismus, Zentrismus, Reformismus verurteilen und nicht minder die Disziplinlosigkeit in allen ihren sich in Frankreich äußernden Formen und die die Vertreter dieser Tendenzen aus der Partei ausschließen.

Die Partei muss ein Statut erhalten, das den Parteivorstand zu einem wirklich führenden Organ macht und die Seine-Föderation auf eine normale, den Interessen der Arbeiterbewegung entsprechende organisatorische Grundlage stellt.

Vom Parteivorstand müssen wir verlangen, dass er den Fall Fabre politisch liquidiert. Ich sage politisch, und nicht nur so als Durchführung einer x-beliebigen Resolution oder irgendeines Statutenparagraphen. Der Parteivorstand muss den Arbeitern klarmachen, dass dies eine unumgänglich notwendige Maßregel gegenüber den Feinden in unseren Reihen ist. Man sagt uns: Die Konfliktskommission habe sich dem Ausschluss widersetzt. Nun, die Statuten verbieten es nicht, dass man in der „Humanité" die Gründe darlegt, die den Ausschluss von Elementen wie Fabre unbedingt verlangen. Bisher hat man dies nicht getan. Es muss getan werden. Was wir brauchen, ist eine wirkliche Arbeiterpresse. Unsere Blätter müssen die Stimmung der Partei zum Ausdruck bringen und nicht die persönlichen Auffassungen von „Führern". Jedes einfache Parteimitglied muss einen Artikel schreiben dürfen, ohne „Führer" zu sein, und ohne dass ihm Victor Meric, stolz wie ein chinesischer Mandarin bedeutet: Du bist kein „Führer". '

Der politische Leitartikel darf nicht den Namen des Verfassers tragen, so wie es in der kommunistischen Presse der ganzen Welt gehandhabt wird. Er soll die Parteimeinung zum Ausdruck bringen. Der Arbeiter muss, wenn er wissen will, wie die Partei denkt, diese nicht gezeichneten Artikel lesen können, für die der Parteivorstand die parteipolitische Verantwortung zu tragen hat. Und die „Humanité" muss die Linie der Internationale vertreten, sie muss die Auffassung der Internationale wiedergeben. Es ist unmöglich, länger zu dulden, dass ein Parteiblatt, wie das Daniel Renoults, dazu dient, die Partei der Internationale zu entfremden.

Auf dem Kongress in Saint Étienne müssen wir eine kommunistische Fraktion haben mit einem klar umrissenen Aktionsprogramm, mit absolut ernster Disziplin.

Und, Genossen, ich glaube, dass wir unter diesen Umständen fordern können, dass die französische Partei in ihren Reihen keine Fraktionen duldet. Wenn die Situation, wie wir sie gegenwärtig in Frankreich haben, fortbesteht, wenn die Partei nicht in sich selbst den Willen findet, das Blatt auszuschließen, das das Zentrum der Rechtsfraktion ist (denn das Blatt Fabres ist nichts anderes), dann ist eine erneute Fraktionsbildung unvermeidlich. Wenn die Partei diesen Willen nicht aufbringt, dann können die revolutionären, der Internationale treuen Elemente nicht anders, als sich früher oder später ebenfalls um ein Zentrum zu gruppieren. Das ist absolut unvermeidlich.

Wenn man die Internationale vor diese Notwendigkeit stellt, wenn der Gang der Ereignisse, wenn die Passivität der Partei und unsere eigene eine Situation schaffen in einem halben, in einem Jahre, wenn die Internationale gezwungen ist, zu wählen zwischen einer Rechten und einer in Bildung begriffenen Linken (das Zentrum, dem jede Entschiedenheit abgeht, wird sich in dem Kampf zwischen diesen beiden Richtungen auflösen, es wird sich sicher auflösen), dann wird sie das ganze Gewicht ihrer Autorität der Linken geben müssen. Das ist unabwendlich.

Genossen, ich und wir alle würden eine derartige Entwicklung tief bedauern. Das französische Proletariat hat wahrlich besseres für seine Partei verdient. Wir haben etwas ähnliches in Italien gehabt. Aber Italien befand sich in einer andern Situation, in einer wirklich revolutionären Situation. Wir hatten dort den plötzlichen Verrat der offiziellen Partei; die Spaltung war absolut unvermeidlich. Die Kommunistische Partei ging aus dieser Spaltung mit einem Drittel der Mitglieder der alten Partei hervor. Sie hat jetzt große Fortschritte gemacht, aber dieses historisch bedingte Ereignis muss für uns eine Lehre sein.

Frankreich befindet sich in einer weit günstigeren Lage, eben wegen der Langsamkeit seiner politischen Entwicklung. Die Dinge, die sich in Italien abspielten, können uns eine Lehre sein. Wenn wir uns darauf beschränken wollten, einfach zu wiederholen, was in Italien gewesen ist, wozu hätten wir dann die Internationale, die doch die Erfahrungen des einen Landes nutzbar machen soll für die Parteien der andern Länder?

Genossen, es gibt schwierige Momente im Leben aller Parteien, und eine Einmischung ist in diesen Fällen immer sehr delikat. Das ist natürlich. Vor einigen Monaten, vor einem Jahre war ich persönlich noch sehr optimistisch. Mein Optimismus – und ich glaube, damit die Auffassung der Mehrheit der Internationale zum Ausdruck zu bringen –, mein Optimismus ist immer schwächer geworden angesichts der Taktik des Abwartens, der wohlwollenden Duldung, durch die das unerlässliche Resultat unmöglich zu erreichen ist.

Und darum sage ich, in aller Herzlichkeit und gleichzeitig in dem Bewusstsein der Bedeutung dieser Frage, dass wir uns diesmal mit den französischen Genossen einig werden müssen, mit der hier anwesenden Delegation, die die besten Genossen der französischen Partei umfasst, wir müssen uns über die wichtigsten, entscheidendsten Fragen verständigen; wir müssen zu klaren und eindeutigen Beschlüssen kommen, und diese Beschlüsse müssen in Frankreich unbedingt durchgeführt werden.

Wir werden diesen Vorschlag der Kommission machen. (Beifall.)

1Im Text: „ein Siebtel“; im Schlusswort wird mehrfach die plausiblere Zahl „vier Siebtel“ verwendet

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