1. Die Sprache der Zahlen

Die Sprache der Zahlen

Die Staatliche Planwirtschafts-Kommission („Gosplan") hat eine Übersichtstabelle der volkswirtschaftlichen „Kontroll"-Ziffern der Union der Sozialist. Sowjet-Republiken für das Jahr 1925/26 veröffentlicht. Das hört sich sehr trocken und sozusagen bürokratisch an. Aber aus diesen trockenen statistischen Zahlenreihen und den fast genau so trockenen und zurückhaltenden Erläuterungen dazu tönt die herrliche geschichtliche Musik des wachsenden Sozialismus hervor. Das sind keine bloßen Vermutungen, keine Annahmen, keine bloßen Hoffnungen mehr, keine theoretischen Beweisführungen, – das ist die vollgewichtige Sprache der Zahlen, die sogar auf die New Yorker Börse überzeugend wirkt. Bei den hauptsächlichen, grundlegendsten dieser Zahlen wollen wir verweilen. Sie sind es wert.

Zunächst: Schon der Umstand an und für sich, dass die Übersichtstabelle veröffentlicht wird, ist für uns ein wahrer wirtschaftlicher Festtag. Der Tag ihres Erscheinens (der 20. August) sollte im Sowjet-Kalender einen roten Strich bekommen. Landwirtschaft und Industrie, innerer und äußerer Warenumsatz, Geldmenge und Warenpreise, Kreditoperationen und Staatshaushalt haben in der Tabelle den Ausdruck ihrer Entwicklung und Wechselbeziehung gefunden. Vor uns liegt eine klare, einfache und gut lesbare vergleichende Zusammenstellung aller grundlegenden Daten für 1913, für 1924/25 und die Voranschlagszahlen für 1925/56. Der erläuternde Text bringt in allen erforderlichen Fällen Zahlenangaben auch für die übrigen Jahre der Sowjetwirtschaft, so dass wir ein Gesamtbild der Entwicklung unseres Aufbaus und einen perspektivischen Plan für das nächste Wirtschaftsjahr haben. Allein schon die Möglichkeit einer solchen Zusammenstellung ist eine sehr wichtige Errungenschaft.

Sozialismus ist Rechenschaft. Unter der NEP sind nur die Formen der Rechenschaft andere als die, die wir unter dem Kriegskommunismus anzuwenden versuchten und die, die ihren vollendeten Ausdruck im voll entfalteten Sozialismus finden werden.

Dennoch: Sozialismus ist Rechenschaft, und gegenwärtig, im neuen Stadium der NEP, ist er es vielleicht sogar noch mehr, als beim vollendeten Sozialismus; denn dann wird die Rechenschaft nur einen rein wirtschaftlichen Inhalt haben, – während sie jetzt mit den verwickeltsten politischen Problemen verbunden ist. In der Übersichtstabelle der Kontrollziffern berechnet der sozialistische Staat zum ersten Mal alle Seiten seiner Wirtschaft in ihrer Wechselwirkung und ihrer Entwicklung. Das ist ein gewaltiger Sieg. Allein schon die Möglichkeit dessen ist ein untadliges Zeugnis sowohl für die materiellen Errungenschaften unserer Wirtschaft, als auch für die Erfolge des Gedankens, der diese Wirtschaft zusammenfasst und ihr die Richtung weist. Diese Tabelle lässt sich als eine Art Reifezeugnis betrachten. Nur darf man dabei nicht vergessen, dass Reifezeugnisse nicht in einer Zeit ausgestellt werden, wo man die Ausbildung etwa „abschließt", sondern, wo man von der mittleren Bildung zur höheren übergeht. Und Aufgaben höherer Ordnung sind es gerade, vor die wir durch die Übersichtstabelle der Staatsplan-Kommission gestellt werden und die wir hier einer Analyse unterziehen wollen.

I.

Wirft man einen Blick auf die Tabelle1, so erhebt sich als erste die Frage: ja, ist sie auch genau und in welchem Grade? Hier ist ein weites Feld für Vorbehalte, Einschränkungen und sogar für Skeptizismus. Jeder weiß, dass unsere Statistik und unsere Rechnungslegung nicht selten lahmen, nicht, weil sie schlechter wären als andere Seiten unserer wirtschaftlichen und kulturellen Tätigkeit, sondern, weil sie es sind, die alle (oder zumindest viele) Seiten unserer Rückständigkeit widerspiegeln. Doch das gibt noch lange keine Berechtigung, ein Misstrauensvotum in Bausch und Bogen zu stellen und darauf zu hoffen: vielleicht gelingt es – in anderthalb oder zwei Jahren – die Fehlerhaftigkeit dieser oder jener Zahlen nachzuweisen und nachträglich den Weisen zu spielen! Dass es nicht wenig Fehler geben wird, ist höchst wahrscheinlich. Aber die nachträgliche Weisheit ist die billigste Sorte der Weisheit. Für den gegebenen Augenblick bedeuten die Zahlen der Staatsplankommission die höchstmögliche Annäherung an die Wirklichkeit. Warum das? Aus drei Gründen: erstens, weil sie auf dem vollständigsten Material fußen, das überhaupt zu haben ist, und dabei auf einem Material, das nicht von irgendwoher herbeigeschafft ist, sondern Tag aus Tag ein durch die verschiedenen Sektionen der Staatsplan-Kommission verarbeitet wird; zweitens, weil dieses Material von den berufensten und qualifiziertesten Ökonomisten, Statistikern und Technikern bearbeitet ist; schließlich drittens, weil diese Arbeit von einer Institution durchgeführt ist, die von behördlicher Interessiertheit frei ist und ständig die Möglichkeit besitzt, die Wirtschaftsbehörden bei „direkter Konfrontation" zu überführenA). Dem ist noch hinzuzufügen, dass es für die Staatsplan-Kommission keine „Geschäfts"- und überhaupt wirtschaftlichen Geheimnisse gibt. Jeder beliebige Produktionsprozess und jede beliebige Handelskalkulation kann von dieser Kommission (unmittelbar, oder durch die Arbeiter- und Bauerninspektion) nachgeprüft werden. Alle Bilanzen sowie alle behördlichen Berechnungen liegen vor ihr offen, und dabei nicht nur von der Renommierseite her, sondern auch im „Rohzustande". Gewiss werden einzelne Zahlen noch strittig sein, gegen einige Angaben werden von den Ressorts, nach der einen oder anderen Seite, Einwände erhoben; die behördlichen Korrekturen, ob man sie nun akzeptieren oder ablehnen wird, können für das eine oder andere praktische Unternehmen – für das Aus- und Einfuhrkontingent, für die Höhe der Etatstellen, für diese oder jene Wirtschaftsbedürfnisse und dergleichen von ernster Bedeutung sein. An den grundlegenden Angaben aber werden diese Korrekturen nicht rütteln. Bessere, durchdachtere, sorgfältiger durchgeprüfte Zahlen als die, die uns die veröffentlichte Tabelle der Staatsplan-Kommission bietet, kann es zurzeit nicht geben. Und eins steht jedenfalls schon fest: eine ungenaue, aber aus der gesamten bisherigen Wirtschaftserfahrung abgeleitete „Kontroll"-Ziffer steht unermesslich höher als ein Arbeiten ins Blaue hinein. Im ersten Falle korrigieren wir auf Grund der Erfahrung und lernen zu, im zweiten Fall dagegen leben wir „aufs Geratewohl".

Die Tabelle reicht bis zum 1. September 1926. Das heißt, dass nach ungefähr 20 Monaten, wenn uns die Wirtschafts-Jahresberichte für 1925/26 vorliegen, wir die Möglichkeit haben werden, unsere Wirklichkeit von morgen mit unseren heutigen zahlenmäßig niedergelegten Annahmen zu vergleichen. Wie hoch auch die Differenz dann sein mag, die Gegenüberstellung allein schon wird eine unersetzliche Schule der Planwirtschaft sein.

Spricht man von einer größeren oder kleineren Genauigkeit des Voraussehens, so muss man sich dabei im Klaren sein, von welcher Art des Voraussehens in diesem Fall die Rede ist. Wenn etwa die Statistiker des amerikanischen Howard-Instituts bemüht sind, die Entwicklungsrichtung und -geschwindigkeit verschiedener Zweige der amerikanischen Wirtschaft festzustellen, so gehen sie – bis zu einem gewissen Grade –, den Astronomen ähnlich, vor, d. h. sie versuchen hinter die Dynamik von Prozessen zu kommen, die von ihrem Willen gänzlich unabhängig sind. Der Unterschied ist nur der, dass jenen Statistikern nicht entfernt so genaue Methoden zur Verfügung stehen als den Astronomen. Unsere Statistiker dagegen befinden sich in einer prinzipiell andern Lage: Sie operieren als Glieder von Institutionen, die die Wirtschaft leiten. Der Voranschlagsplan ist hier nicht nur das Produkt passiven Voraussehens, sondern auch der Hebel der aktiven wirtschaftlichen Planung. Hier ist jede Ziffer nicht eine bloße photographische Kopie, sondern eine Direktive. Die Kontrollzifferntabelle ist durch ein Staatsorgan ausgearbeitet, das – und in welchem Maße! – die beherrschenden Positionen der Wirtschaft innehat. Besagt z. B. die Tabelle, unsere Ausfuhr müsse im Jahre 1925/26 von den diesjährigen 462 Millionen Rubel auf 1200 Millionen Rubel, d. h. um 160% steigen, so ist das kein bloßes Voraussehen, sondern auch ein Soll! Auf Grund des Seienden wird hier auf das zu Leistende hingewiesen. Sagt uns die Tabelle, dass die Kapitalinvestitionen in der Industrie (d. h. die Ausgaben für Erneuerung und Erweiterung des Grundkapitals) 900 Millionen Rubel betragen müssen, so ist dies wiederum keine passive, zahlenmäßige Darlegung, sondern eine – statistisch motivierte – praktische Aufgabe von allergrößter Bedeutung. Derartig ist die ganze Tabelle von Anfang bis zu Ende beschaffen. Sie stellt eine dialektische Paarung theoretischen Voraussehens mit praktischem Wollen dar, d. h. die Vereinigung der errechneten objektiven Bedingungen und Tendenzen mit den subjektiv gestellten Aufgaben des wirtschaftenden Arbeiter- und Bauernstaates. Darin liegt der prinzipielle Unterschied der „Übersichtstabelle" der Staatsplan-Kommission von allen möglichen statistischen Übersichten, Berechnungen und Vorausbestimmungen eines beliebigen kapitalistischen Staates. Wie wir noch sehen werden, liegt darin die gewaltige Überlegenheit unserer, d. h. sozialistischer, Methoden gegenüber den kapitalistischen.

Die perspektivische Kontrolltabelle der Staatsplan-Kommission gibt jedoch keine Einschätzung der Wirtschaftsmethoden des Sozialismus überhaupt, sondern ihrer Anwendung unter bestimmten Bedingungen, d. h. in einer bestimmten Etappe der sogenannten neuen ökonomischen Politik (NEP). Die elementaren Wirtschaftsprozesse vor allem lassen sich objektiv-statistisch erfassen. Ihrerseits gehen die vom Staate geleiteten Wirtschaftsprozesse – in einer bestimmten Etappe – „auf den Markt" und werden durch die Methoden des Marktes mit den elementaren, sozusagen unkontrollierbaren (vorwiegend durch die bei uns herrschende „atomisierte" Einzelbauernwirtschaft erzeugten) Wirtschaftsmethoden verbunden. Das Planwirtschaften besteht gegenwärtig zum guten Teil gerade in dem Verknüpfen der unter Kontrolle und Leitung stehenden Wirtschaftsprozesse mit jenen, die vorläufig noch nach ihren eigenen Marktgesetzen verlaufen. Mit anderen Worten: in unserer Ökonomik verbinden und verflechten sich sozialistische Tendenzen (verschiedenen Entwicklungsgrades) mit kapitalistischen, die ihrem Reife-(und Unreife)grad nach wiederum verschieden sind. Die Kontrollziffern spiegeln die Verflechtung der einen Prozesse mit den anderen wieder und decken damit die Komponente der Entwicklungskräfte auf. Darin liegt die grundlegende sozialistische Bedeutung des perspektivischen Plans.

Dass die in unserem Lande sich entwickelnden Wirtschaftsvorgänge diese Widersprüche in sich bergen, weil sie der Kampf zwischen zwei sich gegenseitig ausschließender Systemen – Sozialismus und Kapitalismus – sind, das haben wir immer schon gewusst und daraus nie ein Hehl gemacht. Im Gegenteil, gerade beim Übergang zu der NEP wurde die historische Frage von Lenin folgendermaßen durch zwei Worte formuliert: „Wer – wen?" Die menschewistischen Theoretiker, darunter als erster Otto Bauer, begrüßten herablassend die NEP als eine nüchterne Kapitulation der verfrühten, gewaltsamen, kurz: „bolschewistischen" Methoden der sozialistischen Wirtschaft vor dem bewährten und sicheren Kapitalismus. Die Befürchtungen der einen und die Hoffnungen der anderen sind einer sehr ernstlichen Nachprüfung unterworfen worden, deren Ergebnis in den Kontrollziffern unseres volkswirtschaftlichen Etats seinen Niederschlag gefunden hat. Ihre Bedeutung besteht ja unter anderem gerade darin, dass man jetzt nicht mehr länger mit Gemeinplätzen über sozialistische und kapitalistische Elemente unserer Wirtschaft (über den Plan „überhaupt" und das Unkontrollierbare „überhaupt") operieren kann. Wenn auch erst in roher und vorläufiger Form, so sind wir doch mit uns selbst „im Reinen". Wir haben das Wechselverhältnis von Sozialismus und Kapitalismus in unserer Ökonomik quantitativ festgestellt. Für heute und morgen. Dadurch sind wir zu wertvollem Tatsachenmaterial gekommen für die Beantwortung der historischen Frage: „wer wen?"

II.

Durch alles bisher Gesagte ist erst die methodologische Bedeutung der Übersichtstabelle der Staatsplan-Kommission charakterisiert, d. h. es ist auf die gewaltige Bedeutung der Tatsache hingewiesen worden, dass wir endlich die Möglichkeit errungen haben, alle grundlegenden Prozesse unserer Wirtschaft in ihrem Zusammenhang und ihrer Entwicklung zu beurteilen – und dadurch zu einem Stützpunkt für eine unvergleichlich bewusstere und klarer voraussehende Planpolitik (und dies nicht nur auf dem Gebiet der Wirtschaft) gelangt sind. Weit wichtiger aber ist für uns natürlich der unmittelbare materielle Inhalt der Übersichtstabelle, d. h. die realen Zahlenangaben, mit denen sie unsere gesellschaftliche Entwicklung charakterisiert.

Um eine richtige Antwort auf die Frage: zum Sozialismus oder zum Kapitalismus? zu erhalten, muss man vor allem die Frage richtig formulieren. Diese letztere zerfällt sinngemäß in drei Unterfragen: 1. entwickeln sich bei uns die Produktivkräfte?, 2. in welchen gesellschaftlichen Formen vollzieht sich diese Entwicklung? und 3. wie ist das Tempo dieser Entwicklung?

Die erste Frage ist die einfachste und dabei wesentlichste. Ohne Entwicklung der Produktivkräfte ist weder Kapitalismus noch Sozialismus denkbar. Der aus eherner geschichtlicher Notwendigkeit erwachsene Kriegskommunismus hatte sich schnell erschöpft, nachdem er die Entwicklung der Produktivkräfte zum Stillstand gebracht hatte. Der elementarste und gebieterische Sinn der NEP war die Entwicklung der Produktivkräfte als Grundlage jeder gesellschaftlichen Bewegung überhaupt. Die NEP wurde von der Bourgeoisie und den Menschewiki als der notwendige (aber natürlich „unzureichende") Schritt zur Entfesselung der Produktivkräfte begrüßt. Die menschewistischen Theoretiker – sowohl der Kautskyschen, als auch der Otto Bauerschen Spielart – billigten die NEP eben als Morgenröte kapitalistischer Restauration in Russland. Sie fügten hinzu: entweder stürzt die NEP die bolschewistische Diktatur (der „gute" Ausgang) oder die bolschewistische Diktatur stürzt schließlich die NEP (der „betrübliche" Ausgang). Die Richtung der „Smena Wech"-LeuteB entstand in ihrer ursprünglichen Form aus dem Glauben, die NEP werde die Entwicklung der Produktivkräfte in kapitalistischer Form sichern. – Und nun liefert uns die Übersichtstabelle der Staatsplan-Kommission die Grundelemente für die Beantwortung nicht nur der Frage der allgemeinen Entwicklung der Produktivkräfte, sondern auch der Frage, in welcher gesellschaftlichen Form diese Entwicklung sich den Weg bahnt.

Selbstverständlich wissen wir sehr gut, dass die gesellschaftliche Form unserer Wirtschaftsentwicklung zwiespältig ist, weil sie auf der Zusammenarbeit und dem Kampf kapitalistischer und sozialistischer Methoden, Formen und Ziele begründet ist. In diese Bedingungen ist unsere Entwicklung durch die neue ökonomische Politik versetzt. Ja, noch mehr: darin besteht eben der Hauptinhalt der letzteren. Eine solche allgemeine Vorstellung über das Widerspruchsvolle unserer Entwicklung genügt uns nicht mehr. Für unsere ökonomischen Widersprüchen suchen und fordern wir möglichst genaue Maßstäbe, d. h. nicht nur dynamische Koeffizienten der allgemeinen Entwicklung, sondern auch Vergleichskoeffizienten für das spezifische Gewicht der einen oder anderen Tendenz. Von der Antwort auf diese Frage hängt allzu vieles, genauer gesagt: alles – sowohl in unserer inneren, als auch äußeren Politik –, ab.

Um die Frage von der wichtigsten Seite her anzuschneiden, wollen wir sagen: ohne Antwort auf die Frage nach dem Kräfteverhältnis zwischen den kapitalistischen und sozialistischen Tendenzen, der Frage, in welcher Richtung das Verhältnis ihres spezifischen Gewichts sich mit dem Anwachsen der Produktivkräfte ändert, kann man sich keine klare und vollkommen zuverlässige Vorstellung über die Aussichten und möglichen Gefahren unserer Bauernpolitik bilden.

In der Tat: würde es sich erweisen, dass mit der Entwicklung der Produktivkräfte die kapitalistischen Tendenzen auf Kosten der sozialistischen zunähmen, so könnte diese Erweiterung des Rahmens der warenkapitalistischen Beziehungen im Dorfe von verhängnisvoller Bedeutung sein und könnte die Entwicklung endgültig auf das Gleis des Kapitalismus bringen. Und umgekehrt: nimmt in der Gesamtökonomik des Landes das spezifische Gewicht der staatlichen, d. h. für uns hier: sozialistischen Wirtschaft zu, so bewegt sich die mehr oder weniger weit gehende „Freigabe" des warenkapitalistischen Prozesses schon innerhalb der Schranken eines bestimmten Kräfteverhältnisses und wird darum unter rein sachlichem Gesichtspunkt entschieden: wie? wann? bis zu welcher Grenze? Mit anderen Worten: wenn die Produktivkräfte, die sich in den Händen des Staates befinden und ihm die gesamten „Kommandohöhen" sichern, nicht nur an sich schnell wachsen, sondern auch schneller, als die privatkapitalistischen Produktivkräfte in Stadt und Land; wenn dies durch die Erfahrung der schwersten Aufbauperiode bestätigt ist, – so ist es klar, dass durch eine gewisse Erweiterung der, den Urgründen der Bauernwirtschaft entspringenden, warenkapitalistischen Tendenzen wir keineswegs Gefahr laufen, irgendwelchen ökonomischen Plötzlichkeiten, einem rapiden Umschlagen der Quantität in Qualität, d. h. plötzlichen Wendungen zum Kapitalismus, ausgesetzt zu werden.

Drittens haben wir die Frage zu beantworten: wie steht es mit dem Tempo unserer Entwicklung unter dem Gesichtspunkt der Weltwirtschaft. Auf den ersten Blick könnte es scheinen, als ob trotz der Bedeutsamkeit dieser Frage ihr doch nur eine untergeordnete Bedeutung zukäme: es sei gewiss wünschenswert, zum Sozialismus „möglichst schnell" zu kommen, da aber die Vorwärtsbewegung durch die siegreiche Entwicklung sozialistischer Tendenzen unter den Bedingungen der NEP gesichert sei, so komme dem Tempo geringere Bedeutung zu. Das stimmt aber nicht. Ein solcher Schluss wäre richtig (und auch dann nicht ganz), wenn wir eine abgeschlossene selbstgenügsame (autarke) Wirtschaft hätten. Dies ist aber nicht der Fall. Gerade dank unseren Erfolgen sind wir auf den Weltmarkt getreten, d. h. wir sind in das Weltsystem der Arbeitsteilung eingetreten. Und dabei bleiben wir in kapitalistischer Umklammerung. Unter diesen Bedingungen wird das Tempo unserer wirtschaftlichen Entwicklung die Stärke unseres Widerstandes gegenüber dem ökonomischen Druck des Weltkapitalismus und dem militärisch-politischen des Weltimperialismus bestimmen. Und diese Faktoren darf man bis auf weiteres aus der Rechnung nicht streichen.

Treten wir nun mit unseren drei „Kontroll"-Fragen an die Übersichtstabelle und den Kommentar der Staatsplan-Kommission heran, so überzeugen wir uns leicht, dass auf die ersten zwei Fragen: (1) Entwicklung der Produktivkräfte und (2) gesellschaftliche Formen dieser Entwicklung, die Tabelle eine nicht nur klare und deutliche, sondern auch durchaus günstige Antwort gibt. Und was die dritte Frage – das Tempo – betrifft, so sind wir im Verlauf unserer wirtschaftlichen Entwicklung bei ihrer Aufrollung in internationalem Maßstabe eben erst angelangt. Aber auch hier werden wir sehen, dass die günstige Beantwortung der ersten beiden Fragen auch Voraussetzungen für die Lösung der dritten Frage schafft. Diese letztere wird das höchste Kriterium, der härteste Prüfstein unserer wirtschaftlichen Entwicklung in der nun beginnenden Periode sein.

III.

Die rasche Wiederherstellung unserer Produktivkräfte ist zu einer allbekannten Tatsache geworden und wird durch die Zahlen der Übersichtstabelle sehr gut illustriert. Wenn man die Produktion nach den Vorkriegspreisen berechnet, betrug die landwirtschaftliche Produktion des Jahres 1924/25 (die die schlechte Ernte von 1924 umfasste) 71% der Produktion des erntereichen Jahres 1913. Das bevorstehende Wirtschaftsjahr 1925/26, das die jetzige gute Ernte zu seinen Aktiven zählt, verspricht – nach den letzten Angaben – über die landwirtschaftliche Produktion von 1913 hinauszugehen und wird nur um ein weniges hinter dem Jahre 1911 zurückbleiben. Hat in den letzten Jahren der Gesamtertrag des Getreides nie 3 Milliarden Pud erreicht, so wird die diesjährige Ernte auf ungefähr 4,1 Milliarden Pud veranschlagtC.

Unsere Industrie hat in diesem Jahr (1924/25), dem Wert ihrer Erzeugnisse nach, 71% der Produktion des selben „gesunden" Jahres 1913 erreicht. Im nächsten Jahre wird sie nicht weniger als 95% der Produktion von 1913 erreichen, d. h. sie wird praktisch ihren Wiederaufbauprozess vollenden. Erinnert man sich, dass 1920 unsere Produktion auf ein Fünftel bis ein Sechstel der ehemaligen Leistungsfähigkeit unserer Betriebe gesunken war, so wird man das Tempo des Wiederaufbauprozesses voll und ganz würdigen lernen. Die Produktdon der Großindustrie ist seit 1921 um mehr als das Dreifache gestiegen. Unsere Ausfuhr, die in diesem Jahre keine halbe Milliarde Rubel erreichte, verspricht im nächsten Jahr bedeutend mehr als eine Milliarde zu ergeben. Die gleiche Entwicklung macht unsere Einfuhr durch. Der Staatshaushalt verspricht von 2½ Milliarden weit über 3½ Milliarden hinauszugehen. Das sind die grundlegenden Kontrollziffern. Die Qualität unserer Erzeugnisse ist zwar noch sehr unvollkommen, ist aber im Vergleich zu dem ersten und zweiten Jahr der NEP außerordentlich gestiegen. Auf diese Weise erhalten wir auf die Frage, wie sich unsere Produktivkräfte entwickeln, die äußerst eindringliche, demonstrative Antwort: dieFreigabe" des Marktes hat den Produktivkräften einen mächtigen Antrieb gegeben.

Aber gerade der Umstand, dass der Antrieb vom Markte ausging, – mithin einem Faktor der kapitalistischen Wirtschaftsordnung –, gab und gibt der Schadenfreude der bürgerlichen Theoretiker und Politiker Nahrung. Es schien, als ob die Nationalisierung der Industrie (1917/19) und die planwirtschaftlichen Methoden allein schon durch den Übergang zur NEP und durch die unzweifelhaften wirtschaftlichen Erfolge der letzteren heillos kompromittiert wären. Und darum kann nur die Antwort auf die zweite, von uns gestellte Frage – nach der gesellschaftlichen Form der Wirtschaft – eine sozialistische Beurteilung unserer Entwicklung ergeben. Es wachsen die Produktivkräfte z. B. auch in Kanada, das durch das Kapital der Vereinigten Staaten „befruchtet" wird. Sie wachsen in Indien, trotz der Fesseln der kolonialen Versklavung. Schließlich findet ein Wachstum der Produktivkräfte seit 1924 in der Form des Wiederaufbauprozesses auch im dawesierten Deutschland statt. Aber in allen diesen Fällen handelt es sich um eine kapitalistische Entwicklung. Gerade in Deutschland sind die Nationalisierungs- und Sozialisierungspläne, die 1919/20, wenigstens in geschwollenen Büchern der Kathedersozialisten und Kautskyaner, in solcher Blüte standen, – jetzt als „alter Kram" beiseite geworfen, und unter der harten amerikanischen Vormundschaft erlebt – mit ausgefallenen und ausgeschlagenen Zähnen – das Prinzip der privatkapitalistischen Initiative eine „zweite Jugend".

"Wie steht es nun in dieser Hinsicht mit uns? In welcher gesellschaftlichen Form vollzieht sich bei uns die Entwicklung der Produktivkräfte? Schreiten wir zum Kapitalismus oder zum Sozialismus?

Die Voraussetzung der sozialistischen Wirtschaft ist die Nationalisierung der Produktionsmittel. Hat nun diese Voraussetzung den Prüfungen der NEP standgehalten? Hat die Marktform der Güterverteilung zur Schwächung oder Stärkung der Nationalisierung geführt?

Die Übersichtstabelle der Staatsplan-Kommission liefert treffliches Material zur Beurteilung der Wechselwirkung und des Kampfes zwischen den sozialistischen und kapitalistischen Tendenzen unserer Wirtschaft. Wir besitzen absolut zuverlässige „Kontroll"-Ziffern, die sich auf Grundkapital, Produktion, Handelskapital und überhaupt alle wichtigsten Wirtschaftsprozesse des Landes erstrecken.

Am ehesten fraglich sind vielleicht die Zahlen, die die Verteilung des Grundkapitals charakterisieren; doch diese Fraglichkeit gilt viel eher für die absoluten Zahlen, als für ihr gegenseitiges Verhältnis. Und uns interessiert ja jetzt hauptsächlich das letztere. Laut Angaben der Staatsplan-Kommission gehörten „nach den bescheidensten Berechnungen" zu Beginn des laufenden Wirtschaftsjahres Kapitalfonds in Höhe von mindestens 11,7 Milliarden Goldrubel – dem Staat; den Genossenschaften – 0,5 und den privaten, hauptsächlich Bauernwirtschaften – 7,5 Milliarden G.-Rubel. Das heißt, dass auf dem Gebiet der Produktionsmittel mehr als 62% der Gesamtmasse vergesellschaftet sind, und dabei die technisch am höchsten stehenden Teile. Nicht-vergesellschaftet bleiben ungefähr 38%.

Was die Landwirtschaft betrifft, so werden hier die Resultate nicht so sehr der Nationalisierung des Grund und Bodens, als der Liquidierung des feudalen Grundbesitzes einer Prüfung unterzogen. Und deren Ergebnisse sind sehr ernst und lehrreich. Die Liquidierung des feudalen und überhaupt des größeren – über den Rahmen der Bauernwirtschaft hinausgehenden – Grundbesitzes führte zu einer fast restlosen Liquidierung der landwirtschaftlichen Groß-Betriebe, darunter auch der Mustergüter. Dies war eine, – allerdings keine ausschlaggebende – der Ursachen des vorübergehenden Rückgangs der Landwirtschaft. Aber wir haben schon gesehen, dass mit der diesjährigen Ernte die landwirtschaftliche Produktion den Vorkriegsstand erreichen wird – und dies ohne Großgrundbesitz und ohne kapitalistische „Muster"-Wirtschaften. Und dabei hat die Entwicklung der von den Großgrundbesitzern befreiten Landwirtschaft eben erst begonnen! Also hat die „Erledigung" des Gutsbesitzerstandes samt allen seinen Nestern und sogar die „barbarische" „Schwarze Umteilung"2, vor der die frommen Menschewiki solche Angst hatten, – sich bereits wirtschaftlich bewährt. Das ist der erste und hoffentlich nicht unbedeutende Schluss

Was die Nationalisierung von Grund und Boden betrifft, so konnte dieses Prinzip wegen der Zersplitterung der bäuerlichen Kleinwirtschaft noch keiner wirklichen Prüfung unterzogen werden. Die „volkstümlerische"3 Vergoldung, die unvermeidlich der Bodensozialisierung in der ersten Periode anhaftete, ist mit derselben Unvermeidlichkeit von ihr abgebröckelt. Gleichzeitig aber ist der Sinn der Nationalisierung als einer Maßnahme, die unter der Herrschaft der Arbeiterklasse prinzipiell sozialistisch ist, genügend klar zutage getreten, um seine gewaltige Rolle in der weiteren Entwicklung der Landwirtschaft zu erweisen. Dank der Nationalisierung des Grund und Bodens haben wir dem Staat unbegrenzte Möglichkeiten auf dem Gebiet der Landverteilung gesichert. Keine Mauern eines individuellen oder kollektiven Privatbesitzes werden uns bei der Anpassung der Bodenbenutzungsformen an die Erfordernisse des Produktionsprozesses hinderlich sein. Zur Zeit sind die landwirtschaftlichen Produktionsmittel kaum zu 4% vergesellschaftete; die übrigen 96% befinden sich im Privatbesitz der Bauern. Man muss aber im Auge behalten, dass die landwirtschaftlichen Produktionsmittel, sowohl die bäuerlichen, als auch die staatlichen, nur wenig mehr als 1/3 der gesamten Produktionsmittel der Sowjetunion ausmachen. Es wäre überflüssig, darzulegen, dass die Bedeutung der Nationalisierung von Grund und Boden erst im Endergebnis einer hohen Entwicklung der landwirtschaftlichen Technik und der sich daraus ergebenden Kollektivierung der Landwirtschaft, – d. h. in der Perspektive einer Reihe von Jahren, – sich voll und ganz auswirken wird. Aber gerade in der Richtung daraufhin bewegen wir uns.

IV.

Für uns als Marxisten war es gewiss auch vor der Revolution klar, dass die sozialistische Umgestaltung der Wirtschaft gerade bei der Industrie und dem mechanisierten Transport beginnen und von hier aus auf das Dorf hinüber greifen wird. Darum ist eine mit Zahlen belegte Nachprüfung der Tätigkeit der nationalisierten Industrie die fundamentale Frage der sozialistischen Beurteilung unserer Übergangswirtschaft.

Auf dem Gebiete der Industrie beträgt die Vergesellschaftung der Produktionsmittel 89%. zusammen mit dem Eisenbahntransport 97%; in der Schwerindustrie allein 99%. Diese Zahlen besagen, dass die Resultate der Nationalisierung keine Veränderung zu Ungunsten des Staats-Besitzes erfahren haben. Allein schon dieser Umstand ist von größter Bedeutung. Doch uns interessiert hauptsächlich etwas anderes: wie groß ist der prozentuelle Anteil der vergesellschafteten Produktionsmittel an der jährlichen Produktion? d. h. wie produktiv wendet der Staat die von ihm angeeigneten Produktionsmittel an? Darüber besagt die Übersichtstabelle der Staatsplan-Kommission folgendes: Die staatliche und genossenschaftliche Industrie ergab 1923/24 76,3% der Rohproduktion; in diesem Jahre beträgt sie 79,3% und verspricht dem Voranschlag der Staatsplan-Kommission nach im nächsten Jahre 79,7% zu ergeben. Was die Privatindustrie betrifft, so war ihr Anteil an der Produktion im Jahre 1923/24 23,7%. im Jahre 1924/25 20,7% und fürs nächste Jahr wird ihr 20,3% eingeräumt. So vorsichtig Voranschlagsziffern fürs nächste Jahr auch errechnet sind, so gewinnt ein Vergleich der Dynamik der staatlichen und privaten Produktion innerhalb der gesamten Warensumme des Landes eine gewaltige Bedeutung. Wir sehen, dass im vorigen und in diesem Jahre, d. h. in den Jahren des angestrengten wirtschaftlichen Aufschwunges, der Anteil der staatlichen Industrie um 3% gewachsen und der der privaten um ebenso viel gesunken ist. Um diesen Prozentsatz ist in diesem kurzen Zeitraum das Übergewicht des Sozialismus über den Kapitalismus gewachsen. Der Prozentsatz mag gering erscheinen, in der Tat aber ist, wie wir es gleich sehen werden, seine symptomatische Bedeutung gewaltig.

Worin hätte beim Übergang zur neuen ökonomischen Politik und in den allerersten Jahren derselben die Gefahr bestehen können? Sie bestand darin, dass der Staat infolge der völligen Erschöpfung des Landes sich außerstande hätte zeigen können, die großen Industriebetriebe in genügend kurzer Frist auf seinen Schultern emporzuheben. Bei der damals äußerst ungenügenden Beschäftigung der Großbetriebe (wir hatten es mit einer Beschäftigung von 10 und 20% zu tun) konnten die mittleren, kleinen und sogar die hausgewerblichen Betriebe ein ungeheures Übergewicht durch ihre Anpassungsfähigkeit, ihre „Elastizität" erhalten. Der sogenannte „Ausverkauf" der ersten Periode, der den sozialistischen Tribut an den Kapitalismus für die Ingangsetzung der dem Kapital konfiszierten Fabriken und Werke darstellte, drohte einen großen Teil des Staatsvermögens allerlei Händlern, Vermittlern und Schiebern zu überantworten. Hausgewerbeunternehmungen und kleine Werkstätten lebten als erste in der Atmosphäre der NEP auf. Die Kombinierung des privaten Handelskapitals mit der kleinen Privatindustrie – darunter auch der Hausindustrie – hätte zu einem genügend raschen Prozess der ursprünglichen kapitalistischen Akkumulation – in den alten gebahnten Geleisen – führen können. Unter solchen Umständen drohte ein derartiger Verlust an Tempo, dass er dazu führen konnte, die Zügel der wirtschaftlichen Leitung den Händen des Arbeiterstaates mit elementarer Wucht zu entreißen. Damit wollen wir natürlich keineswegs sagen, dass jede vorübergehende und sogar andauernde Erhöhung des spezifischen Gewichts der Privatindustrie im Rahmen des Gesamtumsatzes unbedingt katastrophale oder auch nur schwerwiegende Folgen in sich birgt. Die Qualität hängt auch hier von der Quantität ab. Ergäben die Übersichtszahlen, dass das „spezifische Gewicht", der Anteil der privatkapitalistischen Produktion in den letzten zwei, drei Jahren um 1–2–3% zugenommen hat, so würde das die Situation noch keineswegs bedrohlich gestalten: die Staatsproduktion würde dabei immerhin noch drei Viertel der Gesamtmasse ausmachen, und den Verlust des Tempos nachzuholen wäre jetzt, wo die Großbetriebe immer mehr beschäftigt werden, eine durchaus lösbare Aufgabe. Hätte sich herausgestellt, der Anteil der privatkapitalistischen Produktion sei um 6–10% gestiegen, so würde diese Tatsache schon ernster zu nehmen sein, aber auch ein solches Ergebnis der ersten Periode – der des Wiederaufbaus – würde keinesfalls bedeuten, dass die Nationalisierung ökonomisch ungünstig sei. Die Schlussfolgerung wäre nur die, dass der schwerwiegendste Teil der nationalisierten Industrie die erforderliche Entwicklungsdynamik noch nicht entfaltet hat. Um so größere Bedeutung kommt der Tatsache zu, dass – im Ergebnis der ersten, nur mit dem Wiederaufbau beschäftigten und für den Staat am schwierigsten und gefährlichsten Periode der NEP – die nationalisierte Industrie nicht nur keines ihrer Gebiete an die kapitalistische Industrie verloren hat, sondern, im Gegenteil, diese noch um 3% zurückgedrängt hat. Das ist die gewaltige symptomatische Bedeutung dieser kleinen Ziffer!

Unsere Schlussfolgerung wird noch klarer, wenn wir die Angaben untersuchen, die sich nicht nur auf die Produktion, sondern auch auf den Handelsumsatz beziehen. Im ersten Halbjahr 1923 nahm im Zwischenhandel das Privatkapital ungefähr 50% ein, im zweiten Halbjahr ungefähr 34%, 1924/25 etwa 26%. Mit anderen Worten: es ist in diesen zwei Jahren das spezifische Gewicht des Privatkapitals im Zwischenhandel um das Doppelte gesunken (von der Hälfte auf ein Viertel). Dies ist nicht durch einfache „Drosselung des Handels" erreicht worden, denn in derselben Periode ist der Umsatz des staatlichen und genossenschaftlichen Handels um mehr als das Doppelte gestiegen. Somit macht sich eine Verringerung der gesellschaftlichen Rolle nicht nur bei der Privatindustrie, sondern auch beim Privathandel bemerkbar. Das eine wie das andere – bei gleichzeitiger Zunahme der Produktivkräfte und des Handelsumsatzes! Wie wir gesehen haben, setzt die Übersichtstabelle für das laufende Jahr eine weitere, allerdings geringe, Abnahme des spezifischen Gewichts der Privatindustrie und des Privathandels voraus. Wir können in voller Ruhe abwarten, wie sich diese Voraussetzung in der Wirklichkeit bewahrheiten wird. Den Sieg der Staatsindustrie über die private darf man sich durchaus nicht unbedingt als eine ununterbrochen aufsteigende Linie vorstellen. Es kann Perioden geben, wo der Staat, der sich auf seine ökonomisch gesicherte Kraft stützt und das Entwicklungstempo beschleunigen will, bewusst eine einstweilige Zunahme des „spezifischen Gewichts“ der Privatunternehmungen zulässt: in der Landwirtschaft – in Form „starker", d. h. farmerisch-kapitalistischer Wirtschaften; in der Industrie und auch der Landwirtschaft – in Form von Konzessionen. Zieht man den äußerst „atomisierten", zwerghaften Charakters des größten Teils unserer Privatindustrie in Betracht, so wäre es naiv, zu glauben, jede Zunahme des spezifischen Gewichts der Privatproduktion über die jetzigen 20,7 % hinaus bedeute unvermeidlich irgendeine Bedrohung des sozialistischen Aufbaus. Überhaupt wäre es falsch, zu versuchen, hier irgendeine starre Grenze festzulegen. Die Frage wird nicht durch eine formale Grenze, sondern durch die allgemeine Dynamik der Entwicklung bestimmt. Und das Studium dieser Dynamik zeigt, dass in der schwersten Periode, wo die Großbetriebe mehr ihre negativen als positiven Eigenschaften hervorkehrten, der Staat dem ersten Angriff des Privatkapitals mit vollem Erfolg standgehalten hat. Zur Zeit des schnellsten Aufstieges, in den letzten zwei Jahren, hat sich das durch den revolutionären Umsturz geschaffene Verhältnis der ökonomischen Kräfte planmäßig zugunsten des Staates verschoben! Jetzt, wo die Hauptpositionen weit zuverlässiger gesichert sind, allein schon dadurch, dass sich die Großbetriebe einer 100prozentigen Beschäftigung nähern, – kann es keinen Grund zur Befürchtung irgendwelcher unerwarteten Wendungen geben, insoweit es sich um die inneren Faktoren unserer Wirtschaft handelt.

V.

In der Frage des ZusammenschlussesD, d. h. der Koordinierung der wirtschaftlichen Arbeit von Stadt und Land, gibt die Übersichtstabelle grundlegende und eben darum äußerst überzeugende AngabenE.

Wie aus der Tabelle hervorgeht, wirft die Bauernschaft weniger als ein Drittel ihrer Rohproduktion auf den Markt, und diese Warenmasse macht mehr als ein Drittel des gesamten Warenumsatzes aus.

Das Wertverhältnis zwischen der landwirtschaftlichen und industriellen Warenmenge bewegt sich, in engen Grenzen, um das Verhältnis 37:63 herum. (Vgl. auch S. 94.)4

Das bedeutet: misst man die Waren nicht nach Stück, Pud und Arschin, sondern in Rubeln, so werden am Markte ein wenig über ein Drittel landwirtschaftliche Waren und ein wenig unter zwei Dritteln städtische, d. h. Industriewaren, umgesetzt. Erklärt wird dies dadurch, dass das Dorf seine eigenen Bedürfnisse in riesigem Maße unter Umgehung des Marktes befriedigt, während die Stadt ihre gesamte Produktion fast restlos auf den Markt wirft. Die zersplitterte bäuerliche Konsumtionswirtschaft schließt sich zu mehr als zwei Dritteln aus dem gesamten Wirtschaftsumsatz aus, und nur das letzte Drittel beeinflusst unmittelbar die Ökonomik des Landes. Die Industrie dagegen nimmt, ihrer Natur nach, mit ihrer ganzen Produktion unmittelbaren Anteil an dem gesamten Umsatz des Landes; denn der „Innen"-Umsatz innerhalb der Industrie, der Trusts und Syndikate selbst, der den Warengehalt der Produktion um 11% herabmindert, setzt (infolge der Vereinfachung des Umsatzes) den Einfluss der Industrie auf den gesamten Wirtschaftsprozess nicht nur nicht herab, sondern verstärkt ihn im Gegenteil.

Beeinflusst nun die in Naturalform konsumierte Menge der landwirtschaftlichen Produkte den Markt nicht, so bedeutet das natürlich nicht, dass sie die Wirtschaft nicht beeinflusst Sie stellt in der gegebenen Wirtschaftslage das notwendige Natural-„Hinterland" des Warendrittels der bäuerlichen Produktion dar. Dieses Drittel ist seinerseits der Wert, für den das Dorf von der Stadt einen äquivalenten Gegenwert fordert. Hieraus ergibt sich deutlich die riesige Bedeutung der Dorfproduktion im Ganzen (und seiner Warendrittels im Besonderen) für die gesamte Wirtschaft. Die Realisierung der Ernte und besonders die Exportoperation ist einer der wichtigsten Faktoren unserer jährlichen Wirtschaftsbilanz. Die Mechanik des Zusammenschlusses zwischen Stadt und Land wird, je länger desto komplizierter. Die Sache beschränkt sich schon lange nicht mehr darauf, dass soundsoviel Pud Bauerngetreides gegen soundsoviel Arschin Kattun getauscht werden. Unsere Wirtschaft ist in das Weltsystem eingetreten. Dies fügte in die Kette des Stadt- und Landzusammenschlusses neue Glieder ein. Das Bauerngetreide wird gegen ausländisches Gold umgetauscht. Das Gold wird seinerseits in Maschinen, landwirtschaftliche Geräte und fehlende Gebrauchsgegenstände für Stadt und Land umgesetzt. Textilmaschinen, erhalten für das Gold, das durch die Getreideausfuhr realisiert ist, erneuern die Ausstattung der Textilindustrie und senken dadurch die Preise für Stoffe, die ins Dorf gehen. Der Kreislauf wird äußerst kompliziert, doch seine Basis bleibt nach wie vor ein gewisses wirtschaftliches Wechselverhältnis zwischen Stadt und Land.

Man darf jedoch keinen Augenblick lang vergessen, dass dieses Wechselverhältnis ein dynamisches ist, und dass in dieser komplizierten Dynamik das führende Prinzip die Industrie ist. Das heißt, wenn die landwirtschaftliche Produktion und unmittelbar ihr Warenteil bestimmte Grenzen für die Entwicklung der Industrie auch andeuten, so sind diese Grenzen nicht starr und unbeweglich. Das heißt, dass die Industrie sich durchaus nicht nur um die Summe entfalten kann, um die die Ernte zugenommen hat. Nein, die gegenseitige Abhängigkeit ist hier weit komplizierter. Indem sich die Industrie auf das Dorf stützt, hauptsächlich mit ihrem Fertigwaren-Flügel, und indem sie sich dank dem Wachsen des Dorfes entwickelt, wird die Industrie auch in sich selbst ein immer mächtigerer Markt.

Jetzt, wo sich Landwirtschaft und Industrie dem Abschluss des Wiederaufbauprozesses nähern, wird die Rolle der Triebkraft in unvergleichlich höherem Maße, als früher, der Industrie zufallen. Das Problem der sozialistischen Produktionseinwirkung der Stadt auf das Dorf nicht nur durch billige Gebrauchsmittel, sondern auch durch immer vollkommenere Geräte für landwirtschaftliche Produktion, die zu kollektiven Bearbeitungsformen zwingen, – dieses Problem erhebt sich jetzt vor unserer Industrie in all seiner Konkretheit und gewaltigen Größe.

Der sozialistische Umbau der Landwirtschaft wird sich natürlich nicht einfach durch die Genossenschaften, als reine Organisationsform, vollziehen, sondern durch Genossenschaften, die sich auf die Mechanisierung der Landwirtschaft, ihre Elektrifizierung und allgemeine Industrialisierung stützen. Das heißt, dass der technische und sozialistische Fortschritt der Landwirtschaft sich nicht trennen lässt von einem zunehmenden Übergewicht der Industrie in der Gesamt-Ökonomik des Landes. Und das wiederum bedeutet, dass in der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung der dynamische Koeffizient der Industrie den dynamischen Koeffizienten der Landwirtschaft zunächst langsam, dann immer rascher, überholen wird, bis diese Gegenüberstellung selbst endlich verschwunden sein wird.

VI.

Die Produktion der Gesamtindustrie hat 1924/25 die Produktion des vorhergegangenen Jahres um 48% überholt. Im nächsten Jahre ist im Vergleich zu diesem Jahr ein Anwachsen um 33% zu erwarten (wenn man dabei den Rückgang der Preise nicht in Betracht zieht). Doch die verschiedenen Kategorien der Industriebetriebe entwickeln sich durchaus nicht gleichmäßig.

Die Großbetriebe ergaben im laufenden Jahr ein Produktionswachstum von 64%. Die zweite Gruppe, die wir, bedingt, die Gruppe der mittleren Betriebe nennen wollen, ergab eine Zunahme von 55%. Die Kleinbetriebe vergrößerten ihre Produktion um nur 30%. Folglich haben wir einen Stand erreicht, wo die Vorzüge der Großbetriebe gegenüber den Mittel- und Kleinbetrieben schon sehr stark zutage treten. Das bedeutet aber noch keinesfalls, dass wir die Möglichkeiten, die die sozialistische Wirtschaft in sich birgt, bereits voll und ganz realisiert hatten. Soweit es sich hier um das Produktionsübergewicht der Großbetriebe gegenüber den mittleren und Kleinbetrieben handelt, realisieren wir vorläufig nur die Vorzüge, die den Großbetrieben auch unter dem Kapitalismus eigen sind. Standardisierung der Erzeugnisse im Staatsmaßstabe, Normalisierung der Produktionsprozesse, Spezialisierung der Betriebe, Verwandlung ganzer Werke in mächtige Einzel-„Werkstätten" einer die ganze Sowjet-Union umfassenden Fabrik, planmäßige materielle Verknüpfung der Produktionsprozesse der Schwerindustrie und der bearbeitenden Industrie an diese grundlegenden Produktionsaufgaben des Sozialismus treten wir eben erst heran. Hier eröffnen sich unübersehbare Möglichkeiten, die uns in einigen Jahren erlauben werden, unsere alten Maßstäbe weit zu überholen. Doch das ist Sache der Zukunft und darüber wird noch ein andermal zu sprechen sein.

Bis jetzt wurden von uns die Vorzüge, die die staatliche Leitung der Wirtschaft bietet, nicht auf dem Gebiet der Produktion selbst, d. h. der Organisierung und Koordinierung ihrer materiellen Prozesse, ausgenützt, sondern auf dem Gebiet der Produktionsdistribution: der Versorgung einzelner Industriezweige mit Material, Rohstoffen, Werkzeugeinrichtungen usw. oder, in der Sprache des Marktes, mit Betriebs- und teilweise mit Anlagekapital. Frei von den Fesseln des Privateigentums, konnte der Staat – durch die Pumpe des Staatsbudgets, durch die Staatsbank, durch die Gewerkschaftsbank usw. – die Barmittel in jedem gegebenen Augenblick dorthin hinüber pumpen, wo sie für die Erhaltung oder Wiedererschaffung oder Entwicklung des Wirtschaftsprozesses am nötigsten waren. Dieser Vorzug sozialistischen Wirtschaftens hat in den letzten Jahren eine wahrhaft rettende Rolle gespielt. Trotz nicht selten unterlaufender grober Missgriffe und Fehler in der Verteilung der Mittel, haben wir sie dennoch unvergleichlich ökonomischer und zweckmäßiger disponiert, als dies bei einem elementar-kapitalistischen Wiederaufbauprozess der Produktivkräfte der Fall gewesen wäre. Nur dank diesem Umstand konnten wir in so kurzer Zeit ohne Auslandsanleihen unseren gegenwärtigen Stand erreichen.

Damit ist die Frage aber nicht erschöpft. Die Ökonomie und folglich die gesellschaftliche Zweckmäßigkeit des Sozialismus zeigt sich auch darin, dass er den Wiederaufbauprozess der Wirtschaft von allen überflüssigen Ausgaben für parasitäre Klassen befreite. Die Tatsache bleibt bestehen, dass wir uns dem Produktionsstand von 1913 nähern, und dabei ist das Land bedeutend ärmer als vor dem Kriege. Das bedeutet, dass wir die selben Produktionsergebnisse mit kleineren gesellschaftlichen „Zuschlags"ausgaben erreichen: es fallen weg Ausgaben: für Monarchie, Adel, Bourgeoisie, ober-privilegierte Intellektuellenschichten und schließlich für die tollen Reibungen der kapitalistischen Mechanik selbstF. Einmal an die Aufgabe herangetreten, war es uns möglich, von dem vorhandenen noch sehr begrenzten materiellen Mitteln einen weit größeren Teil unmittelbar für Produktionszwecke zu mobilisieren und dadurch auf der nächsten Etappe einen schnelleren Aufschwung des materiellen Lebensniveaus der Bevölkerung vorzubereiten.

Wir haben also auf nationalisiertem Grund und Boden eine atomisierte Bauernwirtschaft, deren Warenproduktion etwas über ein Drittel der auf dem Markte umgesetzten Werte beträgt. An vergesellschaftetem Kapital gibt es in der Landwirtschaft kaum 4%.

Wir haben eine Industrie, deren Grundkapital zu 89% vergesellschaftet ist, wobei diese vergesellschaftete Industrie über 79% der industriellen Rohproduktion liefert. Die 11% nicht vergesellschafteter Produktionsmittel geben folglich über 20% der RohproduktionG. Der Anteil der Staatsproduktion ist im Wachsen begriffen.

Der Eisenbahntransport ist zu 100% vergesellschaftet. Die Leistung des Transports nimmt ständig zu: 1921/22 betrug sie etwa 25% der Friedensleistung, 1922/53 – 37%, 1923/24 – 44% und im Jahre 1924/25 wird sie über die Hälfte des Vorkriegsstandes hinausgehen. Fürs nächste Jahr werden 75% des Gütertransports der Vorkriegszeit erwartet.

Auf dem Gebiet des Handels betragen die vergesellschafteten, d. h. die staatlichen und genossenschaftlichen Mittel 70% des gesamten am Umsatz beteiligten Kapitals, und dieser Anteil nimmt ständig zu.

Der Außenhandel ist restlos vergesellschaftet, und sein Staatsmonopol bleibt ein unabänderlicher Grundsatz unserer Wirtschaftspolitik. Der Gesamtumsatz des Außenhandels soll im nächsten Jahr auf 2.200.000.000 Rubel steigen. Der privatkapitalistische Anteil an diesem Umsatz – zählt man sogar die Konterbande hinzu, was durchaus gerechtfertigt ist – dürfte kaum 5% erreichen.

Die Banken und überhaupt das gesamte Kreditsystem ist fast zu 100% vergesellschaftet. Und dieser mächtig wachsende Apparat erfüllt immer elastischer und leistungsfähiger seine Aufgabe: Barmittel zur Versorgung des Produktionsprozesses zu mobilisieren.

Das Staatsbudget steigt auf 3,7 Milliarden Rubel und beträgt 13% des nationalen Roheinkommens (29 Milliarden) oder 24% seiner Warenmenge (15,2 Milliarden).

Das Budget wird zu einem inneren mächtigen Hebel des ökonomischen und kulturellen Aufstieges des Landes. Das sind die Zahlen der Übersichtstabelle.

Diesen Zahlen kommt eine weltgeschichtliche Bedeutung zu. Die mehr als hundertjährige Tätigkeit der Sozialisten, die mit Utopien begann und später zur wissenschaftlichen Theorie führte, hat zum ersten Mal eine mächtige ökonomische „Probe" angestellt, die nun schon das achte Jahr dauert. Alles, was über Sozialismus und Kapitalismus, Freiheit und Zwang, Diktatur und Demokratie geschrieben wurde, ist durch den Glutofen der Oktoberrevolution gegangen und hat eine neue, unvergleichlich konkretere Form gewonnen. Die Zahlen der Staatsplan-Kommission ziehen das – wenn auch skizzenhaft, vorläufig –, so doch das erste Fazit aus dem ersten Kapitel des großen Versuchs: die bürgerliche Gesellschaft in die sozialistische umzuwandeln. Und dieses Fazit fällt voll und ganz zugunsten des Sozialismus aus.

Kein Land war durch einen ganzen Rattenkönig von Kriegen so verwüstet und erschöpft, wie Sowjet-Russland. Ausnahmslos alle kapitalistischen Länder, die im Kriege am meisten gelitten hatten, richteten sich nicht anders auf, als mit Hilfe ausländischen Kapitals. Nur das Land der Sowjets, am rückständigsten in der Vergangenheit, am meisten verwüstet und erschöpft durch Kriege und Revolutionserschütterungen, richtete sich aus vollständiger Armut mit eigenen Kräften empor, unter aktiver feindlicher Einwirkung der gesamten kapitalistischen Welt. Nur dank der völligen Aufhebung des feudalen Grundbesitzes und des bürgerlichen Besitzes, nur dank der Nationalisierung aller grundlegenden Produktionsmittel, nur dank den staatskapitalistischen Methoden der Mobilisierung und Einteilung der notwendigen Mittel, hat sich die Sowjetunion aus dem Staube erhoben und dringt als ständig wachsender Faktor in die Weltwirtschaft ein. Von der Übersichtstabelle der Staatsplan-Kommission führen unlösbare Fäden nach rückwärts, zum 1847er Marx-Engels'schen „Kommunistischen Manifest", und nach vorwärts – der sozialistischen Zukunft der Menschheit entgegen. Der Geist Lenins webt in diesen trockenen Zahlenreihen.

1 S. Anhang

A „Die Rechenschaftsberichte der operativen (betriebsführenden) Wirtschaftsorgane sind mehr, als unvollkommen: sie sind tendenziös," – bemerkt der Kommentar der Staatsplan-Kommission. Diese strenge Beurteilung muss man sich merken. Unter Mitwirkung der Staatsplan-Kommission und der Presse muss man die operativen Wirtschaftsorgane dazu erziehen, objektive, d. h. völlig wirklichkeitsgetreue Geschäftsberichte zu geben.

B „Smena Wech" = wörtl.: „Umsteckung der Wegzeichen"; eine bürgerliche „Umlerner"gruppe, meistens Wissenschaftler und andere Intellektuelle, die sich seit 1921 zu loyaler Mitarbeit am „Wiederaufbau Russlands" unter der Sowjetregierung bereiterklärte und Rückkehrerlaubnis erhielt.

C Das ist die Annahme für den heutigen Tag (28. August 1925). Es sind natürlich noch Veränderungen nach der einen oder anderen Seite hin möglich.

2 Wörtlich: „Schwarze" d. h. wilde, „widergesetzliche" Neuaufteilung des Bodens, gegen Zaren und Großgrundbesitz; zugleich Name einer illegalen, von intelligenzlerischen Revolutionären geführten Bewegung kleiner Kreise der landlosen und armen Bauern in Russland nach 1870. (D. Übers.)

3 Von „Volkstümler" (Narodniki), eine romantisch-scheinsozialistische Richtung unter den russischen Intellektuellen, etwa 1860 bis 1890; auslaufend in die Partei der kleinbäuerlich-kleinbürgerlichen, meist sozialpatriotischen Sozialrevolutionäre. (D. Übers.)

D Die auch in Westeuropa bekanntgewordene „Smytschka". Bündnis von ,Stadt' und ,Land', von Industrieproletariat und armem Bauerntum; eins der Vermächtnisse Lenins.

E In diesem wie auch in anderen Fällen will ich nicht sagen, dass alle Daten der Tabelle neu wären; aber sie sind geprüft, ergänzt und in ein System gebracht, das die Gesamtwirtschaft umfasst. Das gibt ihnen eine ausnehmende Bedeutung.

4d. h. im Anhang

FDie Spareinlagen und laufenden Konten betrugen 1924/25 im Durchschnitt nicht mehr als 11% der Einlagen von 1913. Zum Ende des nächsten Jahres erwartet man eine Erhöhung dieses Postens bis zu 36% des Standes von 1913. Das ist eines der hervorstechenden Anzeichen der Knappheit unserer Ersparnisse. Aber gerade die Tatsache, dass wir bei einem Stand der Einlagen und laufenden Rechnungen, der nur ca. 11% des Vorkriegsstandes erreicht, unsere Wirtschaft auf fast ¾ des Vorkriegsniveaus bringen, ist der beste Beweis dafür, dass der Arbeiter und Bauernstaat die gesellschaftlichen Mittel unvergleichlich ökonomischer, planmäßiger und zweckmäßiger anwendet, als das es bei einem bürgerlichen Regime der Fall ist.

Dass das Entwicklungstempo der Transportleistung hinter der Leistung der Landwirtschaft und der Industrie zurückbleibt, erklärt sich zum großen Teil dadurch, dass in der Vorkriegsperiode das „spezifische Gewicht" der Ein- und Ausfuhr bedeutend höher war, als jetzt. Was wiederum davon zeugt, dass wir uns dem Vorkriegsniveau der Industrie auch bei bedeutend bescheideneren nationalen Hilfsquellen und gesellschaftlichen „Zuschlags"-Spesen nähern, als sie 1913 waren.

G Erklärt wird dieses Missverhältnis zwischen Produktionsmitteln und Produktion vor allem durch die unterschiedliche organische Zusammensetzung des Kapitals: es ist natürlich, dass in der kleinen und hausgewerblichen Industrie die Einrichtung (k) unbedeutend ist im Vergleich zur lebenden menschlichen Kraft (v), die man verausgabt, ohne sie zu zählen. Am anderen Pol kommt dazu noch die Tatsache, dass die Leistungsfähigkeit unserer größten Betriebe, z. B. der metallurgischen Riesen, noch lange nicht zu 100% ausgenützt wird.

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