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Leo Trotzki 19300821 Die Weltarbeitslosigkeit und der Fünfjahresplan Sowjetrusslands

Leo Trotzki: Die Weltarbeitslosigkeit und der Fünfjahresplan Sowjetrusslands

[Nach Permanente Revolution, 2. Jahrgang 1932, Nr. 13 (Anfang Juli) S. 9 f. und Nr. 14 (Mitte Juli) S. 7 f.

Wir publizieren im Folgenden einen bisher in Deutschland unveröffentlichten Artikel des Gen. Trotzki vom Oktober 1930 zur Frage der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Sowjetunion, der im Zusammenhang mit dem Ausschluss Murphys wieder sehr aktuell geworden ist. Die Red.]

In der internationalen Presse der Linken Opposition (Bolschewiki-Leninisten) hoben wir vor einigen Monaten den ganz, einfachen und unbestreitbaren Gedanken hervor, dass die Kommunistischen Parteien der kapitalistischen Länder in Verbindung mit dem ungeheuerlichen Wachstum der Arbeitslosigkeit eine Agitation entfachen müssten für eine größtmöglichste Erweiterung und Erleichterung der Industriewarenkredite an die Sowjetunion. Wir schlugen vor, dieser Lösung möglich konkrete Formen zu geben: auf der Grundlage ihres Fünfjahresplanes (des heutigen oder abgeänderten, das wollen wir jetzt nicht behandeln) erklärt die Sowjetregierung, dass sie den Vereinigten Staaten, England, Deutschland, der Tschechoslowakei usw. usw. diese und jene Anfrage auf elektrotechnische Einrichtungen, landwirtschaftliche Maschinen usw. unter der Bedingung von Krediten auf eine bestimmte Anzahl von Jahren geben könnte. Dabei könnte die Kreditfähigkeit der Sowjetregierung in den Augen der kapitalistischen Welt durch ein entsprechendes Wachstum des Sowjetexportes vollkommen sichergestellt werden. Unter der Bedingung großer und zweckentsprechend aufgeteilter Industriekredite können die Kolchosen schon in den nächsten Jahren tatsächlich allergrößte wirtschaftliche Bedeutung bekommen, und die Ressourcen des landwirtschaftlichen Exports können schnell wachsen. Genau so, bei Erhalt ausländischer ergänzender Industrieausrüstungen – auf Grund annehmbarer, d. h. gebräuchlicher kapitalistischer Kreditbedingungen – kann der Export von Naphtha, Holz usw. entschieden vergrößert werden Bezüglich des Sowjetexportes wäre ebenfalls der Abschluss planmäßiger Verträge auf eine Reihe von Jahren möglich.

Die Sowjetregierung ist aufs Unmittelbarste interessiert an der detaillierten Bekanntmachung der Arbeiterdelegationen, Betriebsräte und Gewerkschaftsvertreter einerseits, der Vertreter der kapitalistischen Trusts und Regierungen anderseits, mit den entsprechenden selbstverständlich aufs Strengste technisch und ökonomisch begründeten Plan-Vorschlägen und eben deshalb imstande die Autorität des Sowjetstaates sowohl in den Augen der Arbeiter zu erhöhen, als auch vor den Kapitalisten die geforderten Kredite zu rechtfertigen.

Wer weiß, wie sich die ökonomischen Beziehungen der Sowjetunion mit den kapitalistischen Staaten gestalteten, oder wer theoretisch auch nur das ABC der ökonomischen Politik des Arbeiterstaates in kapitalistischer Umkreisung weiß, für den kann in dem ganzen oben dargelegten Plane nichts Bestreitbares oder Anzweifelbares sein. Die Notwendigkeit und Unaufschiebbarkeit einer energischen Kampagne zu Gunsten dieses Planes geht gleichzeitig hervor aus der heutigen, nie dagewesenen Arbeitslosigkeit in den kapitalistischen Staaten einerseits, anderseits aus dem starken Bedürfnis der Sowjetwirtschaft nach ausländischen Krediten.

Nichtsdestoweniger gab der stalinsche Apparat anlässlich unserer Vorschläge das Signal; verwerfen, entlarven, verurteilen. Warum? Zweifellos rechnen viele Sowjetbürokraten, dass eine Agitation solcher Art den ausländischen Krediten nicht hilft, sondern schadet. Mag, demnach, Sokolnikow sich im Stillen mit Henderson unterhalten, und mögen die Kolumnisten besser stillschweigen, um nicht ihre Bourgeoisie zu erschrecken und sie nicht von uns abzustoßen. Es ist zweifellos, dass namentlich dieser Gedanke, die stalinsche Bürokratie leitet, vor allem Stalin selbst, wenn sie gegen die von uns vorgeschlagene Kampagne auftreten. Denn mit großer Verachtung sprechen die hohen national-sozialistischen Bürokraten unter sich über die ausländischen Komparteien, sie zu keiner ernsten Sache fähig rechnend. Leute des Apparats, brachten sich die Stalinisten selbst bei, nur an die Spitzen des Staates zu glauben und fürchten sich geradezu vor der direkten Einmischung der Massen in «ernste», «praktische» Angelegenheiten Das ist der besondere Grund für den abgeschmackten und bösartigen Widerstand, auf welchen unsere Vorschläge stießen.

Aber es gibt noch einen ergänzenden Grund. Die Stalinisten fürchten tödlich den in der ganzen Welt wachsenden Einfluss der linken kommunistischen Opposition (Bolschewiki-Leninisten), und rechnen es darum für notwendig, auf jedes von ihr ausgesprochene Wort mit Lügen und Verleumdungen zu antworten. Derartige Anordnungen werden unveränderlich an den ganzen Apparat der Komintern gegeben.

Das Zentralorgan der tschechoslowakischen Kompartei «Rude Prawo», führte den aufgetragenen Befehl aus, so gut es konnte. In der Nummer vom 24. Juni wurde der Vorschlag der tschechischen linken Kommunisten zu einer Kampagne aus Anlass der Arbeitslosigkeit einer Kritik unterzogen, die man nicht anders als toll bezeichnen kann. Bei all ihrer Raserei überrascht sie aber durch ihre Kraftlosigkeit. Wir untersuchen die Einwände und Beschuldigungen des «Rude Prawo» Zeile für Zeile. Nicht deshalb, weil uns die Beamten interessieren, welche die ihnen mangelnden Gedanken und Beweise durch grobe Schimpfereien ersetzen, sondern darum, weil wir den vorgeschrittenen Arbeitern der Tschechoslowakei helfen wollen, sich in dieser großen und ernsten Frage zurechtzufinden.

Das «Rude Prawo» spricht so, als ob die tschechischen linken Kommunisten (Bolschewiki-Leninisten) forderten dass die Sowjetregierung «zusammen mit der tschechoslowakischen Regierung einen ökonomischen Plan zur Lösung der Krise ausarbeiten solle!!» Die Zeitung macht sich lustig über diesen tatsächlich abgeschmackten Gedanken, welchen sich aber die Redaktion selber ausdachte. Die Sowjetregierung soll mit den kapitalistischen Trusts und mit der bourgeoisen Regierung (in dem Falle, wenn die letztere die Kreditgarantie auf sich nehmen würde) ein bestimmtes System von Aufträgen und ihrer Bezahlung vereinbaren (aber ganz und gar nicht «einen Plan zur Lösung der Krise»). Jede Seite verfolgt hier ihre eigenen Ziele. Die Sowjetregierung ist daran, interessiert, die Ressourcen des sozialistischen Aufbaus zu verbreitern und auf diesem Wege sein hohes Tempo zu sichern, sowie das Lebensniveau der Arbeiter und Arbeiterinnen zu erhöhen. Die Kapitalisten sind interessiert an den Profiten. Die Arbeiter der Tschechoslowakei, wie auch die Arbeiter jedes anderen kapitalistischen Staates, leidend unter der Arbeitslosigkeit, sind interessiert an einer Milderung der Arbeitslosigkeit. Die Arbeiter-Kommunisten und Sympathisierenden verfolgen mit diesem Kampfe noch ein anderes, nicht minder wichtiges Ziel – Hilfe dem Arbeiterstaate. Aber an und für sich ist die Aufgabe des Kampfes dem Verständnis der breitesten und rückständigsten Arbeiterschichten zugänglich, folglicherweise auch denen, welche sich noch völlig gleichgültig zur Sowjetunion verhalten.

Über einen gemeinsamen Plan zur «Lösung» der Krise spricht niemand. Die Krise vernichten kann nur die sozialistische Revolution. Mit diesem Gedanken die Arbeiter zu erfüllen ist die direkte Verpflichtung der Kommunistischen Partei. Aber hieraus geht ganz und gar nicht hervor, dass die Arbeiter keine Teilforderungen zur Verminderung der Arbeitslosigkeit oder Abschwächung ihrer schwersten Folgen erheben sollen. Die Verkürzung der Arbeitszeit ist eine der wichtigsten Forderungen solcher Art. In einer Reihe mit ihr stehen: der Kampf gegen die heutige räuberische «Rationalisierung», die Forderung nach einer umfassenderen und wirksameren Arbeitslosenversicherung auf Kosten der Kapitalisten und des Staates. Vielleicht ist das «Rude Prawo» gegen diese Forderungen? Die Gewährung von Industriekrediten an den Sowjetstaat hätte nicht die Liquidierung der Krise zur Folge, sondern eine Milderung der Arbeitslosigkeit in einer Reihe von Industriezweigen. Gerade so müssen wir die Frage stellen, weder sich selbst noch andere betrügend.

Oder stellt sich das «Rude Prawo» auf den Standpunkt, dass die Kommunisten überhaupt keinerlei Maßnahmen fordern dürfen, welche geeignet wären, die verderblichen Folgen des Kapitalismus in Beziehung auf die Arbeiterschaft zu mildern? Ist vielleicht zur Devise der tschechischen Stalinisten geworden: je schlechter, desto besser? Auf diesem Standpunkt, stand der vorsintflutliche Anarchismus. Mit dieser Position hatten die Marxisten niemals etwas Gemeinsames.

Aber hier hebt das «Rude Prawo» den Einwand hervor, als ob nach unserem Plane der «prinzipielle Gegensatz des Sowjetstaates mit der kapitalistischen Welt wohl ersetzt werden soll durch ihre gegenseitige Zusammenarbeit». Was diese Phrase bedeutet, ist schwer zu verstehen. Wenn sie irgendeinen Sinn hat, dann nur den einen: der Sowjetstaat soll im Namen der Bewahrung der prinzipiellen Gegensätze ökonomische Verbindungen mit der kapitalistischen Welt vermeiden d. h. nicht importieren und nicht exportieren, keine Kredite und keine Anleihen suchen. Aber die gesamte Politik der Sowjetregierung hatte seit den ersten Tagen ihrer Existenz den direkt entgegengesetzten Charakter. Sie bewies beständig, dass ungeachtet der prinzipiellen Gegensätze zweier wirtschaftlicher Systeme eine Zusammenarbeit zwischen ihnen möglich ist in breitestem Maßstabe. Mehrmals sogar erklärten die Führer des Sowjetstaates, dass das Prinzip des Außenhandelsmonopol für die großen kapitalistischen Truste in der Hinsicht einen Vorteil darstellt, weil durch es planmäßige Aufträge für eine Reihe von Jahren im Voraus gesichert werden. Man kann es nicht leugnen, dass viele Sowjetdiplomaten und Administratoren im Übermaß friedliche Zusammenarbeit der Sowjetunion mit der kapitalistischen Welt predigen und prinzipiell falsche und unpassende Beweise aufführten. Aber das ist eine Frage anderer Ordnung. Auf alle Fälle werden prinzipielle Widersprüche zweier Wirtschaftssysteme, welche verhältnismäßig lange Zeit nebeneinander existieren, nicht dadurch vernichtet oder auch nur sogar abgeschwächt, dass sie in dieser Übergangsperiode gezwungen sind. miteinander allergrößte ökonomische Übereinkommen, ja manchmal auch politische Abmachungen abzuschließen. Ist es möglich, dass es noch solche «Kommunisten» gibt, welche das bis heute noch nicht begriffen?

Des weiteren schreibt das «Rude Prawo» noch besser: «Die Hauptsorge der Sowjets soll die Beseitigung (?) der kapitalistischen Krise sein, damit (!) das kapitalistische System, diese Wohltat der Menschheit, sich noch weiter aufrechterhalten kann». Jede neue Phrase vergrößert den Unsinn, multipliziert ihn, erhebt ihn auf eine höhere Stufe. Will das «Rude Prawo» sagen, dass die Sowjetrepublik, um die kapitalistische Krise nicht abzuschwächen, auf den Import ausländischer Waren, auf die amerikanische Technik, die deutschen und englischen Warenkredite usw., verzichten soll? Nur bei einer solchen Schlussfolgerung hätte die oben angeführte Phrase einen Sinn. Aber wir wissen doch, dass die Sowjetregierung gerade umgekehrt handelt. Gerade im gegenwärtigen Moment, führt Sokolnikow in London Verhandlungen über Wirtschaftsverbindungen mit England, Kredite anstrebend. In Amerika führt der Vertreter des Amtorg, Bogdanow, einen Kampf gegen die Teile der Bourgeoisie, welche die Wirtschaftsverhandlungen mit der Sowjetunion abbrechen wollen, wobei er aufs Neue eine Erweiterung der Kredite fordert. Klar, dass das «Rude Prawo» sich zu sehr bemühte. Es schlägt schon nicht mehr auf die Opposition, sondern auf den Arbeiterstaat. Vom Gesichtspunkte des «Rude Prawo» aus erweist sich die ganze Arbeit der Sowjetdiplomatie und der Sowjet-Handelsvertretungen, als eine Arbeit zur Befestigung des kapitalistischen Systems. Ein solcher Gedanke ist nicht neu. Auf diesem Standpunkt stand der seelige holländische Schriftsteller Gorter, Führer der sogenannten Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands, d. h. Leute utopistischen und halb anarchistischen Schlages, welche meinten, dass die Sowjetregierung eine solche Politik führen müsse, als ob sie nicht in kapitalistischer Einkreisung existierte, sondern im luftleeren Raume. Diesen Vorurteilen wurde seinerzeit noch von Lenin ein vernichtender Schlag versetzt. Jetzt serviert die Redaktion des tschechischen kommunistischen Organs die Anschauungen Gorters in der Form von tiefsinnigen Beweisen gegen die Linke kommunistische Opposition (Bolschewiki-Leninisten).

Besonders lachhaften Charakter, verleiht all diesen Betrachtungen die Tatsache, dass die Sowjetregierung eben in letzter Zeit es für notwendig hielt aufs Neue zu wiederholen, dass sie in den bekannten Grenzen bereit ist, sogar die alten Schulden zu bezahlen – unter der Bedingung, wenn ihr neue Kredite gewahrt werden. Auf der anderen Seite, wirbt die Sowjetregierung in Deutschland arbeitslose Kohlenhauer. Rettet sie nicht auf diesem Wege den Kapitalismus? Leere Phrasen wiederholend schließen die lügnerischen kommunistischen Beamten ganz einfach die Augen vor all dem. was in der Welt vorgeht. Unsere Vorschläge haben zwei Seiten: erstens: wir wollen, dass die Verbindungen der Sowjetwirtschaft mit der Welt, heute zufällig, teilweise und unsystematisch, von der Sowjetregierung selbst einbezogen werden sollen in den Rahmen eines breiten Planes (diese Frage behandeln wir hier nicht); zweitens: dass in den Kampf für die internationalen ökonomischen Positionen der Sowjetunion die Avantgarde des Weltproletariats hineingezogen wird, und durch sie – die Millionen von Arbeitern. Das ganze Wesen [der] von uns vorgeschlagenen Kampagne besteht darin, dass sie mit einem neuen festen Knoten das Bedürfnis des Sowjetstaates an ausländischen Produkten verbinden kann mit dem Bedürfnis der Arbeitslosen nach Arbeit, mit dem Bedürfnis des Proletariats nach einer Erleichterung der Arbeitslosigkeit.

Des weiteren ironisiert das «Rude Prawo»: «Schade, dass die Herren Trotzkisten uns nicht sagten, auf welchen Prinzipien der allgemeine tschechoslowakisch-sowjetische Plan zur Lösung der Krise aufgebaut sein soll: auf kapitalistischen Prinzipien, – aber würde damit dem Sieg des Kapitalismus in Deutschland Hilfe geleistet; oder auf sozialistischen, – das würde bedeuten, dass die Trotzkisten an die Bereitschaft der Bourgeoisie, selbst bei der Einführung des Sozialismus mitzuhelfen?»

Wahrlich, die menschliche Dummheit ist unerschöpflich, aber ihre schlechteste Abart ist die Dummheit des selbstzufriedenen Beamten.

Auf welchen Prinzipien können die gegenseitigen ökonomischen Beziehungen der Sowjetunion mit dem Weltmarkt gegründet sein'? Selbstverständlich auf den kapitalistischen Prinzipien, d. h., auf den Prinzipien des Kaufes-Verkaufes. So war es bis heute. So wird es auch künftighin sein, solange nicht die Arbeiter der anderen Stauten, den Kapitalismus stürzen. Aber dies tun sie solange nicht, – bemerken wir in Klammern, – solange sie nicht eine schonungslose Reinigung unter ihren Führern durchführen, die selbstzufriedenen Schwätzer verjagend und sie durch ehrliche proletarische Revolutionäre ersetzend, fähig zu beobachten, zu lernen und zu denken. Das ist aber eine Frage anderer Ordnung. Jetzt beschäftigen wir uns mit der Ökonomik.

Führt aber nicht, in Wirklichkeit, die Zusammenarbeit auf kapitalistischen Prinzipien zum Siege des Kapitalismus in Russland? So wäre es, wenn in Russland nicht das Außenhandelsmonopol wäre, die Diktatur des Proletariats und die Nationalisierung des Bodens, der Fabriken, Werke und Banken ergänzend. Ohne das Außenhandelsmonopol in den Händen des Arbeiterstaates wäre der Sieg des Kapitalismus unvermeidlich. Aber schlagen denn die linken Kommunisten (Bolschewiki-Leninisten) vor, das Außenhandelsmonopol aufzuheben? Am Monopol versuchte sich im Jahre 1922 Stalin zusammen mit Sokolnikow. Rykow. Bucharin und anderen. Zusammen mit Lenin kämpften wir für das Außenhandelsmonopol und verteidigten es. Selbstverständlich ist das Außenhandelsmonopol kein allrettendes Mittel. Notwendig sind richtige Wirtschaftspläne, eine richtige Führung, systematische Angleichung der Produktionskosten in der UdSSR an die Produktionskosten des Weltmarktes. Aber das ist ebenfalls wieder eine Frage anderer Ordnung. Auf alle Fälle haben wir im Auge solche Pläne ausländischer Aufträge und Kredite, welche aus den inneren Bedürfnissen und Aufgaben der Sowjetwirtschaft hervorgehen und der Festigung ihrer sozialistischer Elemente dienen müssen.

Das heißt, ironisiert das «Rude Prawo», dass die Bourgeoisie dem Sozialismus helfen wird? Ein fabelhaftes Argument! Aber warum kam es so spät ans Licht? Die Mehrzahl der komplizierten Maschinen in den Sowjetwerken sind aus dem Ausland eingeführt. Dutzende Verträge schlossen die Sowjettrusts ab mit den Weltmonopol-Trusts über technische Hilfe (Maschinen, Materialien, Zeichnungen, Rezepte u,a.m.). Das grandiose Wasserkraftwerk am Dnjepr wird in bedeutendem Ausmaße gebaut mit Hilfe der ausländischen Technik und unter Teilnahme amerikanischer und deutscher kapitalistischer Firmen. Geht etwa daraus hervor, dass die Bourgeoisie den Sozialismus aufbauen hilft? Und zu gleicher Zeit rettet die Sowjetregierung – ausländische Einkäufe machend und die Krisis abschwächend – den Kapitalismus. Als ob die Rollen vertauscht wären. Aber sie verwechselten sich nicht in der Wirklichkeit, sondern im Kopfe des Beamten vom «Rude Prawo». O weh, das ist ein ganz und gar unzuverlässiger Kopf!

Wie steht es nun mit dem Austausch der «Dienste» in Wirklichkeit? Gewiss, die ökonomische Zusammenarbeit zwischen dem Arbeiterstaate und der kapitalistischen Welt erzeugt eine Reihe von Widersprüchen. Das sind aber Widersprüche des Lebens, d.h., solche, welche die linke Opposition nicht ausgedacht, sondern die Wirklichkeit selber hervorgebracht hat. Die Sowjetregierung rechnet, dass die von ihr eingeführten kapitalistischen Maschinen viel mehr den Sozialismus stärken, als das für sie gezahlte Gold den Kapitalismus befestigt. Und das ist wahr. Auf der andern Seite, die Bourgeoisie, ihre Maschinen verkaufend, kümmert sich vor allem um den eigenen Vorteil. Die einen Kapitalisten glauben einfach nicht an die Möglichkeit des Aufbaus des Sozialismus. Die anderen denken nicht darüber nach. Endlich: jetzt befindet sich die Bourgeoisie unter der Knute der Krise und bemüht sich um ihre eigene Rettung. Diese Lage muss man ausnützen sowohl zur Befestigung der Positionen der Sowjetunion auf dem Weltmarkt, als auch zur Befestigung der kommunistischen Positionen unter der Arbeitslosen.

Von uns erst erfahrend, dass die Bourgeoisie, ohne ihren Willen, den Sozialismus bauen hilft, ruft das Rude Prawo» aus: «In diesem Falle verbreiten die ultralinken Trotzkisten bezüglich einer friedlichen Entwicklung schlimmere Illusionen als die Sozialfaschisten.»

In dieser Phrase ist wiederum jedes Wort eine Verwirrung. Vor allem sind wir keine «Ultralinken» und waren niemals solche. Ein Ultralinker war der oben genannte verstorbene Gorter und die ihm treu bleibenden Nachfolger. Nach ihrer Meinung bedeutete Außenhandel, Konzessionen, Kredite, Anleihen usw. den Tod des Sozialismus. Das «Rude Prawo» wiederholt ihre Argumente, nur noch weniger klug. Der ganze von uns besprochene Artikel des «Rude Prawo» ist ein Muster abgeschmacktester Ultralinksheit, gerichtet gegen den Leninismus.

Weiter: um welche «Illusionen friedlicher Entwicklung» geht die Rede? Ökonomische Verträge und Abmachungen zwischen zwei Staaten sind – selbstverständlich – auf friedliche Beziehungen berechnet, aber sie stellen durchaus keine Versicherung dieser Beziehungen dar. Wenn ein Krieg ausbricht, fliegen alle Verträge zum Teufel, sogar zwischen zwei kapitalistischen Staaten. Klar ist auch, wenn, sagen wir, die proletarische Revolution in England siegt, dass alle Vertrage Stalins mit MacDonald umgestoßen und durch ein brüderliches Bündnis zweier proletarischer Staaten ersetzt werden. Indessen schließt und schloss die Sowjetregierung, ungeachtet der Unvermeidlichkeit von Kriegen und Revolutionen, ökonomische Verträge ab, manchmal auf sehr große Fristen: so sind einige Konzessionsverträge auf 99 Jahre abgeschlossen! Die Ultralinken zogen daraus den Schluss, dass die Sowjetregierung die proletarische Revolution um 99 Jahre hinausschob. Wir lachten über sie. Die Beamten vom «Rude Prawo» übertrugen jetzt dieses Argument auf … die «Trotzkisten». Aber das Argument wurde durch die Abänderung der Adresse nicht gescheiter.

Wenn es das «Rude Prawo» ernstlich zu seiner Pflicht zählt, die proletarischen Prinzipien auf dem Gebiete der internationalen Politik des Sowjetstaates zu verteidigen, warum tat es dies nicht, als diese Prinzipien tatsächlich missachtet wurden von der heutigen stalinschen Führung? Wir erinnern an zwei Beispiele aus vielen Dutzenden.

Nachdem das Bündnis der Stalinisten mit den englischen Streikbrechern, den Führern der Tradeunions, seinen reaktionären Charakter bis zu Ende offenbart hatte, erklärten Stalin und Bucharin dem Präsidium der Komintern, dass das anglo-russische Komitee auf keinen Fall gesprengt werden dürfe, weil dies die gegenseitigen Beziehungen zwischen der UdSSR und England verschlechtern würde. Vor der Feindschaft Baldwins und Chamberlains versuchte sich Stalin mit der Freundschaft Purcells zu maskieren. Diese verderbliche Politik, welche den britischen Kommunismus für eine Reihe von Jahren untergrub und der Sowjetunion nicht einen Tropfen Nutzen brachte, traf, soviel wir wissen, auf die beständige Unterstützung von Seiten des «Rude Prawo».

Und wo waren die Schützer der Prinzipien, als die Sowjetregierung dem Kellogg-Pakt beitrat, gleichzeitig einen prinzipiell verbrecherischen und praktisch abgeschmackten Akt vollziehend?

Der Kellogg-Pakt ist eine imperialistische Schlinge für die schwächeren Staaten. Aber die Sowjetregierung schloss sich diesem Pakte an als einem Instrumente des Friedens. Das ist tatsächliche Züchtung von Illusionen, unzulässige Verkleisterung von Gegensätzen, direkter Betrug der Arbeiter im Geiste der Sozialdemokratie. Hat etwa das «Rude Prawo» protestiert? Nein, es stimmte zu. Wodurch wurde die Sowjetregierung zum Beitritt zum Kellogg-Pakt veranlasst? Durch die unsinnige Hoffnung Stalins darauf, dass es auf diesem Wege möglich sein wird, von der amerikanischen Regierung die Anerkennung, Kredite usw. zu bekommen. Die Kapitalisten steckten die ihnen zur Verdummung der amerikanischen Arbeiter sehr nützliche Sowjet-Anerkennung in die Tasche, und – selbstverständlich – gaben nichts als Kompensation. Gegen derartige Methoden des Kampfes um kapitalistische Kredite kämpfen unversöhnlich die Bolschewiki-Leninisten, während die Beamten vom «Rude Prawo» der Obrigkeit zustimmen. Der von uns vorgeschlagene Plan zur Kampagne enthält nicht einen Schatten von prinzipiellen Zugeständnissen an die Bourgeoisie oder Sozialdemokratie.

So sind alle Beweise des Zentralorgans der tschechoslowakischen Kompartei. Sie müssen in jedem ernsten Kommunisten das Gefühl der Scham hervorrufen für das politische Niveau, auf welches die Führung einer der stärksten Sektionen der Komintern sank.

Aber alle diese Beweise verblassen schließlich vor der Schlussfolgerung des Artikels. Das «Rude Prawo» erklärt, dass alle unsere Vorschläge in ihrer Art eine Falle darstellen und ihre Aufgabe ist, zu demaskieren «den realen Versuch des Manövers, nämlich: die Verantwortung für die Arbeitslosigkeit soll auf die Sowjetunion abgewälzt werden, welche uns nicht genügend Aufträge gibt … anstelle der Kompromittierung des untauglichen kapitalistischen Systems soll die industrielle Krise der Kompromittierung de; Sowjetunion dienen.»

Diese Zeilen scheinen unglaublich, doch wir zitieren auch hier wortwörtlich. Wenn das «Rude Prawo» meint, dass unser Plan falsch ist, so hat sie selbstverständlich das Recht zu beweisen, dass ein solcher Fehler dem Klassenfeinde Hilfe leisten kann. Jeder Fehler der revolutionären Strategie des Proletariats bringt in diesem oder jenem Maße der Bourgeoisie einen Nutzen. Jeder Revolutionär kann einen Fehler machen und der Bourgeoisie unfreiwillig Hilfe leisten. Einen Fehler muss man schonungslos kritisieren. Aber proletarischen Revolutionären zuzuschreiben, dass sie ihren Plan bewusst zu dem Zweck ausarbeiteten, um der Bourgeoisie zu helfen und die Sowjetunion zu kompromittieren, dazu sind nur Beamte ohne Ehre und ohne Gewissen fähig. Sich darüber zu empören, steht nicht dafür: dazu ist das Ganze zu dumm. Zu klar sichtbar ist der Auftrag. Zu kläglich die Ausführungen des Auftrages. Aber man darf andrerseits nicht eine Minute vergessen, dass diese Herren fortwährend die Sowjetunion und die Fahne des Kommunismus … kompromittieren.

Also, wir Bolschewiki-Leninisten wollten die Verantwortung für die kapitalistische Arbeitslosigkeit der Sowjetunion aufhalsen. Welche Meinung hat das «Rude Prawo» von den geistigen Fähigkeiten der tschechischen Arbeiter? Selbstverständlich wird nicht einem von ihnen in den Kopf kommen, dass die Sowjetunion imstande wäre, solche Aufträge zu erteilen, welche die Arbeitslosigkeit in der kapitalistischen Welt oder auch nur in einem großen kapitalistischen Lande liquidieren könnten. Ein beliebiger uns Dutzenden von auf den Straßen Prags zu treffenden Arbeitern erklärt die Absurdität des Gedankens, ob es möglich wäre, solche nicht-entsprechenden Forderungen an die Sowjetunion geltend zu machen oder sie zu kompromittieren wegen «ungenügender» Aufträge. Wozu das alles? Wohin führt das? Die Sache steht umgekehrt. Das politische Ziel der Kampagne ist, solche Arbeiter auf die Seite der Sowjetunion zu ziehen, welche sich jetzt noch gleichzeitig oder sogar feindselig verhalten. Insoweit die kapitalistischen Regierungen und Parteien, die Sozialdemokratie eingeschlossen, dieser Kampagne entgegenwirken werden, werden sie sich kompromittieren in den Augen der Arbeiter. Ihr politischer Verlust wird um so großer sein, je ernster und tüchtiger die Kommunisten ihre Kampagne führen werden. Welches ökonomische Resultat sich auch ergeben würde, der politische Nutzen ist auf jeden Fall gesichert Die Arbeiter, hineingezogen in die Kampagne um die lebensvollste und schärfste Frage der Arbeitslosigkeit, werden sich künftig als Verteidiger der UdSSR auch im Falle der Kriegsgefahr erweisen. Solche Mittel der Mobilisierung der Arbeiter sind bei weitem wirksamer als die Wiederholung nackter Phrasen über die morgen bevorstehende Intervention.

Aber wir verheimlichen nicht den Genossen-Arbeitern, dass wir die Durchführung einer derartigen Kampagne den Redakteuren des «Rude Prawo» nicht anvertrauen würden. Diese Leute sind fähig, jede Sache zu Grunde zu richten. Denken wollen sie nicht, zu lernen sind sie unfähig. Daraus geht aber nicht hervor, dass es nötig ist, auf den Massenkampf für die Interessen der Sowjetunion zu verzichten, sondern nur die Notwendigkeit, sich von den zu nichts tauglichen Führern loszusagen. Hier kommen wir zu den allgemeinen Fragen: zum Regime der Komintern, zu ihrer Politik und zur Auslese ihrer Bürokratie. Notwendig ist eine proletarische Reinigung, Erneuerung des Apparates, Wiederherstellung des Kurses, Gesundung des Regimes. Darum führt auch die linke Opposition (Bolschewiki-Leninisten) den Kampf. Das nächste Ziel unseres Kampfes ist die Wiederherstellung der Kommunistischen Internationale auf der Grundlage der Theorie und Praxis Marx' und Lenins.

L. Trotzki.

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