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Leo Trotzki 19310216 Brief an die tschechoslowakische Gruppe Linker Kommunisten

Leo Trotzki: Brief an die tschechoslowakische Gruppe Linker Kommunisten

[Nach dem maschinenschriftlichen Text in Lev Davidovič Trockij / International Left Opposition Archives, inventory number 923, International Institute of Social History, Amsterdam]

Büyükada, den 16. Februar 1931

An die Gruppe Linker Kommunisten, Prag

Werte Genossen,

ich bedaure die Verspätung in der Beantwortung Ihres Briefes, die durch andere unaufschiebbare Arbeiten verursacht wurde. Ich danke Ihnen für Ihre Mitteilungen and die freundliche Bereitschaft, mir Material über die strittigen Fragen einzusenden. Sie werden verstehen, dass es mir gegenwärtig absolut unmöglich ist, über eine der strittigen Fragen meine Meinung zu äußern. Ich glaube, das Vorgehen im Ganzen war vielleicht nicht gerade richtig. Die Internationale Opposition erst nach der vollbrachten Spaltung in Kenntnis zu setzen, scheint mir doch nicht ganz in Ordnung, denn in diesen Dingen muss ja die Internationale Organisation eher als Klinik denn als Leichenbestattungsanstalt fungieren.

Ich kann Ihnen auch nicht verheimlichen, dass die Stelle Ihres Schreibens, wo Sie von der „gänzlichen Unkenntnis der tschechoslowakischen Verhältnisse und dem absoluten Mangel an politischer Selbständigkeit" der Jiskragruppe sprechen, von einer großen Voreingenommenheit Ihrerseits zeugt. Dass die Jiskragruppe noch kein umrissenes Aktionsprogramm besitzt und auch keine genügende Erfahrung, ist nicht zu leugnen. Dass diese Gruppe, oder wenigstens ein wichtiger Teil von ihr, im Laufe der letzten schwierigen Jahre ihre grundsätzliche Einstellung bewährte und verteidigte, gerade dies ist ein hohes Zeugnis für die politische Selbständigkeit, denn moralisch-revolutionäre Standhaftigkeit ist der wichtigste Bestandteil der politischen Selbständigkeit. Das Übrige kommt mit der Erfahrung, dem Zulernen usw.

Die Jiskragruppe gehört zur Internationalen Opposition. Ihre Gruppe, wenn ich richtig verstehe, möchte sich auch der Internationalen Opposition anschließen. Daraus ergibt sich eine sehr schwierige Situation, denn die Internationale Fraktion kann nur durch eine Organisation in jedem Lande vertreten sein. Wie ist der Ausweg zu finden? Ich stelle mir die Sache folgendermaßen vor, und werde in diesem Sinne nach Eintreffen Ihrer Antwort einen Vorschlag an das Internationale Sekretariat richten: Ihre Gruppe wird einstweilen als Sympathisierende betrachtet. Dabei muss man sogleich zu Maßnahmen schreiten, die entweder zur Verschmelzung der beiden Organisationen auf der richtigen Basis führen oder deren Unmöglichkeit vor der Internationalen Opposition beweisen und so die definitive Entscheidung möglich machen. Die diesbezüglichen Maßnahmen habe ich in einem rohen Konzept, das nur meine vorläufige, private Meinung zum Ausdruck bringt und das ich dies dem Briefe beilege, festgehalten. Ich werde von Ihnen sobald wie möglich die Meinung darüber erwarten, und zwar in ganz präziser Form, d.h. durch Kritik Ergänzungen, Abänderungsvorschläge usw.

Mit kommunistischem Gruß

L.D.T.

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