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Leo Trotzki 19310913 Gegen die Widersacher der Losung Kontrolle der Produktion

Leo Trotzki: Gegen die Widersacher der Losung Kontrolle der Produktion

[Nach Mitteilungsblatt der Reichsleitung der Linken Opposition der KPD, Nr. 4 (Oktober 1931) S, 3 f.]

13. September 1931

Werte Genossen!

Sie widersprechen der Losung der Arbeiterkontrolle im Allgemeinen und den Versuchen ihrer Verwirklichung durch die Betriebsräte. Ihr Hauptgrund besteht in der Feststellung, dass die „gesetzlichen" Betriebsräte dazu nicht fähig seien. Ich habe in meinem Artikel nirgends von „gesetzlichen" Betriebsräten gesprochen. Nicht nur das: ich habe vollständig eindeutig darauf hingewiesen, dass die Betriebsräte zu Organen der Arbeiterkontrolle nur unter Voraussetzung eines solchen Drucks der Arbeitermassen werden können, durch den eine Doppelherrschaft im Betrieb und im Land teils vorbereitet, teils aufgerichtet wird. Es ist klar, dass das nicht im Rahmen des herrschenden Gesetzes über die Betriebsräte vor sich gehen kann,sc wenig wie die Revolution im Rahmen der Weimarer Verfassung.

Nur für Anarchisten kann jedoch daraus die Schlussfolgerung entspringen, als ob man weder die Weimarer Verfassung noch das Betriebsrätegesetz ausnutzen dürfe. Ausnutzen muss man sowohl die eine wie das andere. Aber auf revolutionäre Weise. Die Betriebsräte sind nicht das, wozu das Gesetz sie macht, sondern das, was die Arbeiter aus ihnen machen. Auf einer bestimmten Stufe verschieben die Arbeiter den Rahmen des Gesetzes oder zerbrechen ihn oder gehen einfach über ihn hinweg. Hierin besteht eben der Übergang zu einer rein revolutionären Situation. Dieser Übergang liegt jedoch noch vor, nicht aber hinter uns. Man muss ihn vorbereiten.

Dass in den Betriebsraten nicht selten Karrieristen, Faschisten, sozialdemokratische Bonzen usw. sitzen, spricht nicht gegen die Ausnutzung der Betriebsräte, sondern beweist nur die Schwäche der revolutionären Partei. Solange die Arbeiter solche Betriebsräte dulden, werden sie keine Revolution machen. Abseits der Arbeiter kann die Partei nicht stärker werden. Aber der hauptsächlichste Schauplatz der Tätigkeit der Arbeiter ist der Betrieb.

Aber, entgegenen Sie, in Deutschland gibt es doch Millionen Arbeitslose. Das übersehe ich nicht. Aber was folgt daraus? Ganz und gar auf die beschäftigten Arbeiter verzichten und alle Hoffnungen nur auf die Arbeitslosen übertragen? Das wäre eine rein anarchistische Taktik. Natürlich bilden die Arbeitslosen, besonders in Deutschland, einen gewaltigen revolutionären Faktor. Aber nicht als selbständige proletarische Armee, sondern nur als linker Flügel einer solchen. Den Hauptkern der Arbeiter hat man bei alledem in den Betrieben zu suchen. Dadurch bleibt die Frage der Betriebsräte in ihrer ganzen Schärfe bestehen.

Weiter. Auch für die Arbeitslosen ist es ganz und gar nicht gleichgültig, was in den Unternehmungen und überhaupt im Produktionsprozess vor sich geht. Zur Kontrolle über die Produktion sind unbedingt auch die Arbeitslosen heranzuziehen. Die organisatorischen Formen hierfür wird man finden. Sie werden sich aus der Praxis selbst ergeben. Natürlich wird all dies nicht im Rahmen des bestehenden Gesetzes vor sich gehen. Aber man muss die Formen finden, durch die sowohl die Beschäftigten wie die Arbeitslosen erfasst werden, nicht aber sich zur Rechtfertigung seiner Schwäche und Passivität einfach auf das Vorhandensein der Arbeitslosen berufen.

Sie sagen, dass die Brandlerianer für die Arbeiterkontrolle und für die Betriebsräte sind. Ich hörte, leider, aus Zeitmangel lange auf, ihre Literatur zu verfolgen. lch weiß nicht, wie sie diese Frage stellen. Es ist höchst wahrscheinlich, dass sie auch hier den Geist des Opportunismus und der Philisterhaftigkeit nicht loswerden. Ater kann etwa die Position der Brandlerianer für uns entscheidende Bedeutung haben, sei es auch im negativen Sinn? Die Brandlerianer haben auf dem 3. Kommunistenkongress etwas gelernt. Mit opportunistischen Entstellungen versuchen sie die bolschewistischen Methoden des Kampfes um die Massen anzuwenden oder zu propagieren. Müssen wir denn wirklich deshalb auf diese Methoden selbst verzichten?

So ich aus Ihrem Brief verstehe, sind Sie ebenso Gegner der Arbeit in den Gewerkschaften und der Teilnahme am Parlamentarismus. Aber dann sind wir durch einen Abgrund von einander getrennt. Ich bin Marxist, aber kein Bakunist. Ich stehe auf dem Boden der Wirklichkeit der bürgerlichen Gesellschaft ,um durch sie selbst Kräfte und Hebel zu ihrem Sturz zu finden.

Sie stellen den Betriebsräten, Gewerkschaften, dem Parlamentarismus das – Sowjetsystem entgegen. In dieser Beziehung haben die Deutschen einen schönen Vers: „Schön ist ein Zylinderhut ,wenn man ihn besitzen tut." Sie haben nicht nur keine Sowjets, sondern nicht einmal eine Brücke zu ihnen. Keine Straße zu dieser Brücke.Keinen Fußweg zu dieser Straße. Die "Aktion" verwandelte die Sowjets in einen Fetisch,in ein übersoziales Gespenst, in eine religiöse Mythe. Jede Mythologie dient den Menschen dazu, um ihre eigene Schwäche damit zu verdecken oder mindestens, sich mit ihr zu trösten. „Weil wir auf den Tod ohnmächtig sind, weil wir in den Betrieben nichts machen können, so … so, steigen wir zum Lohn dafür auf einmal in eine solche Höhe, dass zu unserer Hilfe die Sowjets vom Himmel fallen." Da haben Sie die ganze Philosophie der deutschen Ultralinken.

Nein, mit dieser Politik habe ich nichts gemein. Unsere Meinungsverschiedenheiten betreffen ganz und gar nicht das deutsche „Betriebsrätegesetz", sondern die marxistischen Gesetze der proletarischen Revolution.

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