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Leo Trotzki 19330319 Brief an das IS

Leo Trotzki: Brief an das IS

[Nach der maschinenschriftlichen Kopie, Lev Davidovič Trockij / International Left Opposition Archives , inventory number 215, International Institute of Social History, Amsterdam]

Büyükada, den 19. März 1933

Liebe Freunde!

Soeben habe ich den Bericht über die Verhandlungen und die Beschlüsse der reichsdeutschen Freunde erhalten. Ich finde das unter den gegebenen Verhältnissen erzielte Resultat für ganz befriedigend.

Die Konferenz hat sich gegen die Losung einer neuen Partei in Deutschland ausgesprochen. Diese Stellungnahme ist leicht zu verstehen, da die Genossen in der Atmosphäre der Verfolgungen gegen die offizielle Partei leben und wirken, da sie unter dem Einfluss unserer gesamten Tradition in dieser Frage stehen und da keine Diskussion über dieses Thema der Konferenz vorangegangen war.

Ich glaube auch nicht, dass wir – die internationale Organisation – ohne gebieterischen Zwang (und der wird kaum eintreten) den Beschluss der Konferenz in dieser Frage umstoßen werden müssen. Die Initiative dazu muss unbedingt von der neuen Reichsleitung ausgehen und ich bin sicher, dass jeder neue Tag die Unmöglichkeit der alten Einstellung beweisen wird. Daher schlage ich vor, meinen Artikel als Diskussionsartikel sogleich allen Sektionen zugänglich zu machen. Die Diskussion wird auf Grund der neuesten Entwicklung stattfinden; jeder neue Tag hat gerade in dieser Frage die größte Bedeutung. Der vorsichtige – man könnte sagen: konservative – Beschluss der Konferenz ist, wie oben gesagt, durch die gesamte Lage leicht zu erklären. Wenn man sich aber darauf festlegt und Zeit verliert, so kann man sich sehr stark kompromittieren und viele gute Elemente an andere Gruppen verlieren. Daher heißt es hierbei, keine Stunde zu verlieren, ich ersuche alle daran Beteiligten, sich miteinander in Korrespondenz zu setzen und diese Frage als die brennendste unserer internationalen Politik zu stellen.

Mit kommunistischen Grüßen

L. Trotzki

P. S. Auf der Konferenz ist das Schicksal der deutschen Partei und der Komintern mit dem Schicksal der Sowjetunion eng verbunden worden. Im geschichtlichen Sinne ist das richtig, aber nur im geschichtlichen, nicht im aktuell politischen. Es ist eine Tatsache, dass die Komintern in Deutschland abzusterben begann und wir müssen uns mit dieser Tatsache politisch abfinden. Übrigens habe ich mich darüber in meinem Briefe an das Internat. Sekr. ausgesprochen.

L. T.

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