Leo Trotzki‎ > ‎1940‎ > ‎

Leo Trotzki 19400526 Der imperialistische Krieg und die Weltrevolution

Leo Trotzki: Der imperialistische Krieg und die Weltrevolution

[Nach Unser Wort. Halbmonatszeitung der IKD, Jahrgang 8, Nr. 3 (101), Dezember 1940, S. 1, 3-8]

Die Not-Konferenz der Vierten Internationale, der Weltpartei der sozialistischen Revolution, tritt an einem Wendepunkt des zweiten imperialistischen Kriegs zusammen. Das Stadium des Sondierens, der Vorbereitung und der relativen militärischen Untätigkeit liegt bereits weit zurück. Deutschland hat alle Furien der Hölle in einer großen Offensive entfesselt, auf die die Alliierten in gleicher Weise mit Entfaltung aller Kräfte der Zerstörung antworten. Von nun an wird das Leben Europas und der ganzen Menschheit auf lange hinaus vom Verlauf des imperialistischen Krieges und seinen ökonomischen und politischen Folgen bestimmt werden.

Die Vierte Internationale erachtet die Zeit für gekommen, klar und deutlich zu sagen, wie sie diesen Krieg und die ihn führen ansieht, wie sie die Kriegspolitik der verschiedenen Arbeiterorganisationen einschätzt, und ganz besonders, den Ausweg zu Frieden, Freiheit und Überfluss zu weisen.

Die Vierte Internationale wendet sich nicht an die Regierungen, die die Völker in das Gemetzel trieben, auch nicht an die bürgerlichen Politiker, die die Verantwortung für diese Regierungen tragen, und auch nicht an die Arbeiterbürokratie, die das kriegführende Bürgertum stützt. Die Vierte Internationale wendet sich an die Männer und Frauen der Arbeit, an die Soldaten und Matrosen, die ruinierten Bauern und die geknechteten Kolonialvölker. Die Vierte Internationale kennt keinerlei Band, das sie mit den Unterdrückern, den Ausbeutern, den Imperialisten verbindet. Sie ist die Weltpartei der Werktätigen, der Unterdrückten und der Ausgebeuteten. Dieses Manifest ist an sie gerichtet.

Die allgemeinen Ursachen des jetzigen Krieges.

Die Technik ist jetzt unendlich mächtiger als sie am Ende des Krieges von 1914-18 war, die Menschheit aber noch bedeutend ausgepowerter. In einem Land ums andere ist der Lebensstandard gesunken. An der Schwelle des gegenwärtigen Krieges war die Landwirtschaft in einer schlimmeren Lage als beim Ausbruch des vorigen. Die Agrarländer sind ruiniert. In den Industrieländern wird das Kleinbürgertum wirtschaftlich zugrunde gerichtet, und eine bleibende Unterklasse von Arbeitslosen – modernen Parias – hat sich gebildet. Der innere Markt hat sich verengert. Der Kapitalexport ist zurückgegangen. Der Imperialismus hat faktisch den Weltmarkt gesprengt und ihn in Sphären aufgebrochen, die von einzelnen mächtigen Ländern beherrscht werden. Bei einem beträchtlichen Zuwachs in der Erdbevölkerung sank der Welthandel von 109 Staaten auf unserm Planeten um beinahe ein Viertel allein in dem diesem Krieg vorausgehenden Jahrzehnt. Der Außenhandel einiger Völker sank auf die Hälfte, ein Drittel, ein Viertel. Die Kolonialländer leiden unter ihren eigenen inneren Krisen und denen der „Mutterländer" dazu. Rückständige Völker, die gestern noch halbfrei waren, sind heute in Sklaverei gesunken (Abessinien, Albanien, China …). Jedes imperialistische Land muss seine eigenen Rohstoffquellen haben, vor allem für den Krieg, d. h. für einen neuen Kampf um Rohstoffe. Um sich fernerhin zu bereichern, zerstören und verwüsten die Kapitalisten alles, was die Arbeit von Jahrhunderten geschaffen hat.

Die Welt des verfallenden Kapitalismus ist überfüllt. Die Frage der Zulassung von hundert extra Flüchtlingen wird ein großes Problem für eine Weltmacht vom Range der Vereinigten Staaten. In der Zeit des Flugzeugs, Telegraphen, Radios, Fernsehens wird durch Pässe und Visa das Reisen von Land zu Land lahmgelegt. Die Periode des schwindenden Außenhandels und verfallenden inneren Marktes ist gleichzeitig die Periode der monströsen Steigerung des Chauvinismus und speziell des Antisemitismus. In der Epoche seines Aufstiegs nahm der Kapitalismus die Juden aus dem Ghetto und benutzte sie als Werkzeug seiner Handelsausbreitung. Heute bemüht sich die verfallende kapitalistische Gesellschaft, den Juden den letzten Blutstropfen auszupressen; siebzehn von den zweitausend Millionen, die den Erdball bewohnen, d. h. weniger als ein Prozent, können auf unserm Planeten keinen Platz mehr finden!

Bei den ungeheuren Landflächen und den Wundern der Technik, die dem Menschen die Himmel erobert hat zur Erde hinzu, hat die Bourgeoisie es fertig gebracht, unsern Planeten in ein widerwärtiges Gefängnis zu verwandeln.

Am 1. November 1914, beim Beginn des letzten imperialistischen Kriegs, schrieb Lenin: „Der Imperialismus hat das Schicksal der europäischen Kultur aufs Spiel gesetzt. Wenn nicht eine Reihe siegreicher Revolutionen auftreten, werden auf diesen Krieg weitere folgen, das Märchen vom ,Krieg, alle Kriege zu beenden', ist hohl und verderblich." … Arbeiter, ruft euch diese Voraussage ins Gedächtnis zurück! Der jetzige Krieg – der zweite imperialistische Krieg – ist kein Zufall; er rührt nicht aus dem freien Willen dieses oder jenes Diktators her. Er wurde lange vorher vorausgesagt. Er folgt unerbittlich aus den Widersprüchen der internationalen kapitalistischen Interessen. Entgegen den offiziellen Fabeln, die das Volk einlullen sollen, ist die Hauptursache des Krieges, wie aller andern sozialen Übel – Arbeitslosigkeit, hohe Lebenskosten. Faschismus, koloniale Unterdrückung – das Privateigentum an den Produktionsmitteln und der bürgerliche Staat, der darauf beruht.

Bei dem gegenwärtigen Stand der Technik und der Qualifikation der Arbeiter ist es wohl möglich, angemessene Bedingungen für die materielle und geistige Entfaltung der ganzen Menschheit zu schaffen. Es wäre nur nötig, das Wirtschaftsleben in jedem Lande und auf unserm ganzen Planeten richtig, wissenschaftlich und rationell, nach einem allgemeinen Plan zu organisieren. So lange aber die Hauptproduktivkräfte der Gesellschaft im Besitz von Trusts, d. h. vereinzelten Kapitalistencliquen, sind, und so lange der nationale Staat ein gehorsames Werkzeug in den Händen dieser Cliquen bleibt, muss der Kampf um Märkte, um Rohstoffquellen, um die Weltherrschaft unvermeidlich einen immer verwüstenderen Charakter annehmen, Die Staatsmacht und die Herrschaft über die Wirtschaft kann diesen raubgierigen imperialistischen Cliquen nur von der revolutionären Arbeiterklasse aus den Händen gewunden werden. Das ist der Sinn von Lenins Warnung, dass ohne eine Reihe siegreicher Revolutionen ein neuer imperialistischer Krieg unvermeidlich folgen würde. Die verschiedenen Voraussagen und Versprechungen, die gemacht wurden, sind der Prüfung durch die Geschehnisse unterzogen worden. Das Märchen vom ,Krieg, alle Kriege zu beenden' erwies sich als Lüge. Lenins Voraussage ist tragische Wahrheit geworden.

Die unmittelbaren Ursachen dieses Krieges.

Die unmittelbare Ursache des gegenwärtigen Krieges ist die Rivalität zwischen den alten reichen Kolonialreichen England und Frankreich und den verspäteten imperialistischen Plünderern Deutschland und Italien.

Das neunzehnte Jahrhundert war die Ära der unbestrittenen Hegemonie der ältesten kapitalistischen Macht England. Von 1815 bis 1914 herrschte der „Britische Frieden" – allerdings durchaus nicht ohne vereinzelte militärische Explosionen. Die englische Flotte, die mächtigste der Welt, spielte die Rolle des Polizisten der Meere. Aber diese Ära gehört nun der Vergangenheit an. Schon am Ende des vorigen Jahrhunderts fing Deutschland, mit der modernen Technik ausgerüstet, an, an die erste Stelle in Europa aufzurücken. Auf der andern Seite des Ozeans stieg ein sogar noch mächtigeres Land auf, eine frühere englische Kolonie. Der bedeutendste wirtschaftliche Gegensatz, der zum Krieg von 1914-18 führte, war die Rivalität zwischen England und Deutschland. Was die Vereinigten Staaten betrifft, so war ihre Teilnahme am Krieg von vorbeugendem Charakter – sie konnten nicht dulden, dass der europäische Kontinent unter deutsche Oberherrschaft kam.

Die Niederlage schleuderte Deutschland in vollkommene Ohnmacht zurück. Verstümmelt, von Feinden eingekreist, bankrott von den Reparationen, geschwächt durch die Konvulsionen des Bürgerkriegs, schien es auf lange hinaus, wenn nicht für immer, aus dem Rennen ausgeschieden. Erste Violine auf dem europäischen Festland spielte nun zeitweilig Frankreich. Für das siegreiche England war die Bilanz des Krieges letzten Endes nur negativ: wachsende Unabhängigkeit der Dominions; Unabhängigkeitsbewegung in den Kolonien; Verlust der Flottenhegemonie; Verringerung der Bedeutung der Flotte infolge der Entwicklung des Flugwesens.

Dem Trägheitsgesetz folgend, versuchte England in den ersten Jahren nach dem Sieg noch die führende Rolle auf der Weltarena zu spielen. Seine Konflikte mit den Vereinigten Staaten nahmen offensichtlich einen bedrohlichen Charakter an. Es sah aus, als ob der nächste Krieg zwischen den beiden angelsächsischen Anwärtern auf die Weltherrschaft entbrennen würde. Aber England musste sich bald überzeugen, dass sein spezifisches ökonomisches Gewicht dem Kampf mit dem Koloss überm Ozean nicht gewachsen war. Seine Abmachung mit den Vereinigten Staaten betreffs Flottengleichheit bedeutete einen offiziellen Verzicht auf die Flottenhegemonie, die tatsächlich schon verloren war. Dass es Zollmauern an die Stelle des Freihandels setzte, bedeutete eine offene Zugabe der Niederlage der englischen Industrie auf dem Weltmarkt. Dass es auf die Politik der „splendid Isolation" (glänzenden Abgesondertheit) verzichtete, zog die Einführung der Militärpflicht nach sich. So sanken alle geheiligten Traditionen in den Staub.

Ein ähnliches Missverhältnis zwischen ökonomischem Gewicht und Weltposition ist; auch für Frankreich charakteristisch, wenn auch in verkleinertem Maßstab. Seine Vorherrschaft in Europa beruhte auf einem zeitweiligen Zusammentreffen von Umständen, die die Vernichtung Deutschlands und die künstlichen Kombinationen des Versailler Vertrags geschaffen hatten. Bevölkerungszahl und wirtschaftliches Fundament gaben eine weit zu unangemessene Grundlage für eine solche Vorherrschaft ab. Als die Siegeshypnose hinschwand, kam das wirkliche Kräfteverhältnis zum Vorschein. Frankreich erwies sich viel schwächer als es nicht nur seinen Freunden, sondern seinen Feinden erschienen war. Indem es eine Deckung suchte, wurde es im Wesen Großbritannien neuestes Dominion.

Deutschlands Wiederherstellung war auf der Basis seiner erstklassigen Technik und Organisationskunst unvermeidlich. Sie kam schneller als man es für möglich hielt – zu einem guten Teil dank der Unterstützung, die England Deutschland gegen die Sowjet-Union, gegen die übermäßigen Ansprüche Frankreichs und, weniger unmittelbar, gegen die Vereinigten Staaten gewährte. Solche internationalen Kombinationen hatten sich für England mehr als einmal in der Vergangenheit nützlich erwiesen, so lange es die stärkste Macht blieb. In seiner Altersschwäche aber erwies es sich unfähig, die Geister zu bannen, die es gerufen.

Mit einer Technik ausgerüstet, die moderner, wendiger war und höhere Produktionskapazität besaß, begann Deutschland wieder, England aus sehr wichtigen Märkten, besonders in Südosteuropa und Lateinamerika, hinauszudrängen. Im Gegensatz zum neunzehnten Jahrhundert, als sich die Konkurrenz zwischen den kapitalistischen Ländern auf einem sich ausdehnenden Weltmarkt entfaltete, verengert sich heute die wirtschaftliche Arena des Streites, so dass den Imperialisten nichts übrig bleibt als Stücke des Weltmarkts einander wegzureißen. Die Initiative im Kampf für die Neuverteilung der Welt, diesmal wie 1914, gehört natürlich dem deutschen Imperialismus. Überrumpelt, versuchte die englische Regierung erst, sich vom Krieg durch Konzessionen auf Kosten anderer (Österreich, Tschechoslowakei) loszukaufen. Aber diese Politik war kurzlebig. Die „Freundschaft" mit Großbritannien war nur eine taktische Phase für Hitler. London hatte ihm bereits mehr eingeräumt als er zu kriegen erwartet hatte. Das Münchener Abkommen, durch das Chamberlain eine langwährende Freundschaft mit Deutschland zu sichern glaubte, führte im Gegenteil zu einer Beschleunigung des Bruchs. Hitler konnte nichts mehr von London erwarten – eine weitere Ausdehnung Deutschlands musste lebenswichtige Verbindungen Großbritanniens selbst treffen. So führte die „neue Friedensära", die Chamberlain im Oktober 1938 proklamierte, innerhalb einiger Monate zum schrecklichsten aller Kriege.

Die Rolle des Imperialismus der Vereinigten Staaten

Während England von den ersten Kriegsmonaten an die größten Anstrengungen machte, die geräumten Positionen des blockierten Deutschland auf dem Weltmarkt einzunehmen, trieben die Vereinigten Staaten fast automatisch heraus. Zwei Drittel des Goldbestands der Welt ist in amerikanischen Banken konzentriert. Das restliche Drittel fließt denselben Weg. Englands Rolle als Weltbankier gehört der Vergangenheit an. Und nicht viel besser steht es auf anderen Gebieten. Während Großbritanniens Flotte und Handelsmarine große Verluste erleidet, bauen die amerikanischen Werften in kolossalem Umfang Schiffe, welche die Vorherrschaft der amerikanischen Flotte über die britische und japanische sichern werden. Offensichtlich rüsten sich die Vereinigten Staaten, den „Zwei-Mächte-Standard" anzunehmen (eine Flotte, die stärker ist als die Flotten der beiden nächst starken Mächte vereinigt). Das neue Programm für die Luftwaffe erfasst die Sicherung der Überlegenheit der Vereinigten Staaten über den Rest der Welt ins Auge.

Aber die industrielle, finanzielle und militärische Stärke der Vereinigten Staaten, der kapitalistischen Vormacht der Welt, sichert keineswegs eine Blüte der amerikanischen Wirtschaft, sondern stattet die Krise ihres sozialen Systems nur mit einem besonders bösartigen und krampfhaften Charakter aus. Gold in den Milliarden muss brach liegen, so wie die Millionen Arbeitsloser ohne Arbeit! In den Thesen der Vierten Internationale „Der Krieg und die Vierte Internationale", die vor sechs Jahren veröffentlicht wurden, ist vorausgesagt: „Der Kapitalismus der Vereinigten Staaten ist dabei, kopfüber in die Probleme zu stürzen, die Deutschland 1914 auf die Bahn des Krieges zwangen. … Für Deutschland galt es, Europa zu ,organisieren'. Für die Vereinigten Staaten gilt es, die Welt zu ,organisieren'. Die Geschichte bringt die Menschheit direkt in den vulkanischen Ausbruch des amerikanischen Imperialismus."

Die „New Deal" und „Good Neighbor"-Politik war der letzte Versuch, den Wendepunkt hinauszuschieben dadurch, dass die soziale Krise durch Konzessionen und Verträge gemildert wurde. Nach dem Bankrott dieser Politik, die Milliarden verschlang, blieb dem amerikanischen Imperialismus nichts anderes übrig als zu der Methode der gepanzerten Faust seine Zuflucht zu nehmen. Unter dem einen oder dem andern Vorwand und Schlagwort werden die Vereinigten Staaten in den ungeheuren Zusammenprall eingreifen, um ihre Weltherrschaft aufrecht zu erhalten. Die Form und der Zeitpunkt des Kampfes zwischen dem amerikanischen Kapitalismus und seinen Feinden ist noch nicht bekannt – vielleicht nicht einmal in Washington. Ein Krieg mit Japan würde ein Kampf um „Lebensraum" im Pazifischen Ozean sein. Ein Krieg im Atlantischen Ozean würde, selbst wenn er unmittelbar gegen Deutschland gerichtet wäre, ein Kampf um das Erbe Großbritanniens sein.

Die Möglichkeit eines deutschen Sieges liegt wie ein Alpdruck auf Washington. Mit dem europäischen Kontinent und den Hilfsmitteln seiner Kolonien als Basis, all die europäischen Munitionsfabriken und Schiffswerften zu seiner Verfügung, würde Deutschland, besonders in Verbindung mit Japan im Osten, eine tödliche Gefahr für den amerikanischen Imperialismus darstellen. Die gegenwärtigen gigantischen Schlachten auf Europas Feldern sind in diesem Sinne vorbereitende Episoden im Kampf zwischen Amerika und Deutschland. Frankreich und England sind nur befestigte Positionen des amerikanischen Kapitalismus, auf die andere Seite des Atlantischen Ozeans vorgeschoben. Wenn die Grenzen Englands am Rhein liegen, wie sich ein britischer Premierminister ausdrückte, dann könnten die amerikanischen Imperialisten mit Recht sagen, dass die Grenzen der Vereinigten Staaten an der Themse liegen. Washington spart bei seiner fieberhaften Vorbereitung der öffentlichen Meinung auf den kommenden Krieg nicht mit edler Entrüstung über das Schicksal Finnlands, Dänemarks, Norwegens, Hollands, Belgiens. … Mit der Besetzung Dänemarks erhob sich plötzlich das Problem Grönlands, das „geologisch" als Teil der westlichen Halbkugel erklärt wurde und durch glücklichen Zufall Vorkommen von Kryolith besitzt, das für die Aluminiumproduktion unerlässlich ist. Auch übersieht Washington nicht das geknechtete China, die hilflosen Philippinen, das verwaiste Niederländische Indien und die offenen Seewege. So treiben menschenfreundliches Mitgefühl für unterdrückte Völker und sogar geologische Rücksichten die Vereinigten Staaten in den Krieg.

Die bewaffnete Macht Amerikas könnte aber nur so lange erfolgreich eingreifen, als Frankreich und die Britischen Inseln feste Basen bleiben. Sollte Frankreich besetzt werden und deutsche Truppen an der Themse erscheinen, dann würde sich das Kräfteverhältnis drastisch zu Ungunsten der Vereinigten Staaten verschieben. Washington wird mit Rücksicht darauf gezwungen, alle Tempi zu beschleunigen, aber auch sich die Frage vorlegen: Ist nicht der richtige Moment verpasst worden?

Gegen die offizielle Position des Weißen Hauses werden lärmende Proteste des amerikanischen Isolationismus, welcher nur eine Varietät eben desselben Imperialismus ist, vom Stapel gelassen. Der Sektor der Kapitalisten, deren Interessen in erster Linie mit dem amerikanischen Kontinent, Australien und dem Fernen Osten verknüpft sind, rechnet darauf, dass die Vereinigten Staaten bei einer Niederlage der Alliierten automatisch ein Monopol nicht nur auf Latein-Amerika, sondern auch auf Kanada, Australien und Neuseeland gewinnen würden. Was China, Niederländisch Indien und den Osten im Allgemeinen anlangt, so ist es die Überzeugung der ganzen herrschenden Klasse der Vereinigten Staaten, dass der Krieg mit Japan sowieso in naher Zukunft unvermeidlich ist. Unter dem Mantel des Isolationismus und Pazifismus arbeitet ein einflussreicher Sektor der Bourgeoisie ein Programm der amerikanischen kontinentalen Expansion und der Vorbereitung des Kampfs gegen Japan aus. Der Krieg gegen Deutschland um die Weltherrschaft ist nach diesem Plan nur aufgeschoben. Was die kleinbürgerlichen Pazifisten vom Schlage Norman Thomas und seiner Brüderschaft betrifft, so sind sie nur die Chorknaben in dem einen der imperialistischen Lager.

Unser Kampf gegen das Eingreifen der Vereinigten Staaten in den Krieg hat nichts mit Isolationismus oder Pazifismus zu tun. Wir sagen den Arbeitern offen, dass die imperialistische Regierung nicht umhin kann, dieses Land in den Krieg zu ziehen. Der Disput innerhalb der herrschenden Klasse geht nur darum, wann in den Krieg zu treten und gegen wen zuerst das Feuer zu eröffnen. Darauf zu zählen, dass man die Vereinigten Staaten durch Zeitungsartikel und pazifistische Resolutionen in der Neutralität erhalten könnte, ist, wie wenn jemand versuchen würde, die Flut mit einem Besen zurückzuhalten. Wirklicher Kampf gegen den Krieg bedeutet Klassenkampf gegen den Imperialismus und erbarmungslose Entblößung des kleinbürgerlichen Pazifismus. Nur die Revolution könnte die amerikanische Bourgeoisie vom Eintritt in den zweiten imperialistischen Krieg oder Eröffnen des dritten imperialistischen Krieges zurückhalten. Alle anderen Methoden sind entweder Spiegelfechterei oder Dummheit, oder beides.

Die Verteidigung des Vaterlandes.

Vor fast hundert Jahren, als der nationale Staat noch einen relativ fortschrittlichen Faktor darstellte, proklamierte das Kommunistische Manifest, dass die Proletarier kein Vaterland haben. Ihr einziges Ziel ist, das Vaterland der Werktätigen zu schaffen, das die ganze Welt umfassen soll. Gegen das Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurde der bürgerliche Staat mit seinen Armeen und Zollmauern die schlimmste Bremse für die Entwicklung der Produktivkräfte, welche eine viel ausgedehntere Arena erfordern. Ein Sozialist, der heute für die Verteidigung des „Vaterlands" eintritt, spielt dieselbe reaktionäre Rolle wie die Bauern der Vendée, die dem feudalen Regime zu Hilfe eilten, d. h. ihre eigenen Ketten verteidigen halfen.

In den letzten Jahren und sogar Monaten hat die Welt mit Erstaunen beobachten können, wie leicht Staaten von der europäischen Landkarte verschwinden: Österreich, Tschechoslowakei, Albanien, Polen, Dänemark, Norwegen. Holland, Belgien. … In keinem Zeitalter außer dem der napoleonischen Kriege ist die politische Karte mit solcher Geschwindigkeit umgeformt worden. Zu jener Zeit handelte es sich um die überlebten Feudalstaaten, die dem bürgerlichen Nationalstaat Platz machen mussten. Heute handelt es sich um die überlebten bürgerlichen Staaten, welche dem sozialistischen Bund der Völker Platz machen müssen. Die Kette bricht immer am schwächsten Glied. Der Kampf der imperialistischen Banditen lässt genau so wenig Raum für unabhängige kleine Staaten wie die Konkurrenz der Trust und Kartelle für kleine unabhängige Fabrikanten und Kaufleute.

Wegen seiner strategischen Lage erachtet Deutschland es vorteilhafter, seine Hauptfeinde durch die kleinen neutralen Länder anzugreifen. Großbritannien und Frankreich dagegen finden es vorteilhafter, sich hinter der Neutralität der kleinen Staaten zu decken und Deutschland diese durch seine Schläge ins Lager der „demokratischen" Alliierten treiben zu lassen. Das Wesen der Sache wird durch diesen Unterschied der strategischen Methoden nicht geändert. Im Zahnradgetriebe der großen imperialistischen Länder werden die kleinen Trabanten zu Staub zermahlen. Die „Verteidigung" der riesigen Vaterländer erfordert die Vernichtung eines Dutzends kleiner und mittelgroßer.

Aber selbst bei großen Staaten handelt es sich für die Bourgeoisie nicht um die Verteidigung des Vaterlandes als vielmehr der Märkte, der Auslandskonzessionen, der Rohstoffquellen und Einflusssphären. Die Bourgeoisie verteidigt nie das Vaterland um des Vaterlandes willen. Sie verteidigt Privateigentum, Vorrechte, Profite. Sobald diese geheiligten Werte bedroht sind, schlägt die Bourgeoisie sofort die Bahn des Defätismus ein. So war es mit der russischen Bourgeoisie, deren Söhne sofort nach der Oktober-Revolution in jeder Armee der Welt gegen ihr eigenes früheres Vaterland kämpften und wieder einmal dazu bereit sind. Um ihr Kapital zu retten, wandte sich die spanische Bourgeoisie an Mussolini und Hitler um militärische Hilfe gegen ihr eigenes Volk. Die norwegische Bourgeoisie half Hitlers Einfall in Norwegen. So war es immer und so wird es immer sein.

Der offizielle Patriotismus ist eine Maske für die Ausbeuterinteressen. Klassenbewusste Arbeiter schleudern diese Maske verächtlich zur Seite. Sie verteidigen nicht das Bourgeoisvaterland, sondern die Interessen der Werktätigen und der Unterdrückten in ihrem eigenen Lande und der ganzen Welt. Die Thesen der Vierten Internationale stellen fest: „Der reaktionären Parole der ,Verteidigung des Vaterlands' muss die Parole der Zerstörung des Nationalstaates entgegengestellt werden. Dem Irrenhaus des kapitalistischen Europa muss das Programm der Sozialistischen Vereinigten Staaten von Europa entgegengesetzt werden als einer Stufe auf dem Weg zu den Sozialistischen Vereinigten Staaten der Welt."

Der „Kampf für Demokratie" ist eine Lüge.

Keine geringere Lüge ist die Parole eines Krieges für Demokratie gegen Faschismus. Als ob die Arbeiter vergessen hätten, dass die englische Regierung Hitler und seiner Henkersbande zur Macht verhalf! Die imperialistischen Demokratien sind in Wahrheit die größten Aristokratien, der Geschichte. England, Frankreich, Holland, Belgien sind auf der Knechtschaft der Kolonialvölker aufgebaut. Die Demokratie der Vereinigten Staaten beruht auf der Besitzergreifung des unermesslichen Reichtums eines ganzen Kontinents. Alle Bemühungen dieser „Demokratien" sind auf die Erhaltung ihrer privilegierten Stellung gerichtet. Ein beträchtlicher Teil der Kriegslasten wird von den imperialistischen Demokratien auf ihre Kolonien abgeladen. Die Sklaven müssen Blut und Gold liefern, um ihren Herren zu ermöglichen. Sklavenhalter zu bleiben. Die kleinen kapitalistischen Demokratien ohne Kolonien sind Trabanten der großen Reiche und lesen einen Teil ihrer Kolonialprofite auf. Die herrschende Klasse dieser Staaten ist jeden Augenblick bereit, auf Demokratie zu verzichten, um ihre Vorrechte zu bewahren.

An dem winzigen Norwegen ist die innere Maschinerie der verfallenden Demokratie wieder einmal vor der ganzen Welt bloßgelegt worden. Die norwegische Bourgeoisie machte gleichzeitig von der sozialdemokratischen Regierung und den faschistischen Polizisten, Richtern, Offizieren Gebrauch. Beim ersten ernsten Stoß wurden die demokratischen Häupter weggefegt, und die faschistische Bürokratie, die sofort eine gemeinsame Sprache mit Hitler fand, wurde Herr im Hause. In verschiedenen nationalen Abwandlungen wurde dasselbe vorher in Italien, Deutschland, Österreich, Polen, Tschechoslowakei und einer Reihe anderer Staaten gemacht. Im Augenblicke der Gefahr ist die Bourgeoisie immer imstande gewesen, den wirklichen Apparat ihrer Herrschaft als direktes Werkzeug des Finanzkapitals von allem demokratischen Zierat zu befreien. Nur die hoffnungslos blind sind, können glauben, dass die englischen und französischen Generäle einen Krieg gegen den Faschismus führen!

Der Krieg hat den Prozess der Umwandlung von Demokratien in reaktionäre Diktaturen nicht aufgehalten, sondern führt ganz im Gegenteil diesen Vorgang vor unsern Augen zu seiner Vollendung.

Innerhalb jedes Landes und auf der Weltarena hat der Krieg sogleich die reaktionärsten Gruppen und Institutionen gestärkt. Die Generalstäbe, diese Nester bonapartistischer Verschwörung, die bösartigen Polizeihöhlen, die Banden gedungener Patrioten, die Kirchen aller Konfessionen werden sofort in die Vorderlinie gestoßen. Die Kurie, Brennpunkt des Dunkelmännertums und Hasses unter Menschen, wird von allen Seiten umworben, besonders von dem protestantischen Präsidenten Roosevelt. Materieller und geistiger Abstieg bringt immer Polizeibedrückung und vermehrte Nachfrage nach dem Opium der Religion mit sich.

Indem sie die Vorteile des totalitären Regimes zu erlangen suchen, beginnen die imperialistischen Demokratien ihre eigene Verteidigung mit einer verdoppelten Kampagne gegen die Arbeiterklasse und der Verfolgung der revolutionären Organisationen. Die Kriegsgefahr und nun der Krieg selbst wird von ihnen zuerst und vor allem ausgenutzt, die inneren Feinde zu zerschmettern. Die Bourgeoisie folgt unwandelbar und unerschütterlich der Regel: „Der Hauptfeind steht im eignen Land."

Wie immer, leiden die Schwächsten am meisten. Die Schwächsten im gegenwärtigen Völkergemetzel sind die zahllosen Flüchtlinge aus allen Ländern, unter ihnen die Revolutionäre im Exil. Bourgeoisie-Patriotismus drückt sich zuerst in brutaler Behandlung wehrloser Ausländer aus. Ehe die Konzentrationslager für Kriegsgefangene errichtet wurden, hatten alle Demokratien bereits Konzentrationslager für die revolutionären Flüchtlinge eingerichtet. Die Regierungen der ganzen Welt, besonders auch die der Sowjet-Union, haben das schwärzeste Kapitel unsrer Epoche mit ihrer Behandlung der Flüchtlinge, der Verbannten, der Heimatlosen in die Annalen der Geschichte geschrieben. Wir senden unsre wärmsten Grüße unsern eingekerkerten und verfolgten Brüdern und rufen ihnen zu: Kopf hoch! Aus den kapitalistischen Kerkern und Konzentrationslagern wird die Führerschaft des Europa und der Welt von morgen kommen!

Was die Nazi-Kriegsparolen wirklich bedeuten.

Im Allgemeinen steht es nicht dafür, Hitlers offizielle Schlagworte zu untersuchen. Der Kampf für „nationale Vereinigung" hat sich längst als Lüge erwiesen, denn Hitler verwandelt den nationalen Staat in einen Staat von vielen Nationen und zertrampelt Freiheit und Einheit anderer Völker. Der Kampf für „Lebensraum" ist nichts als eine Attrappe für imperialistische Expansion, die Politik der Annexion und des Raubes. Die rassentheoretische Rechtfertigung für diese Expansion ist eine Lüge; der Nationalsozialismus wechselt seine Rassensympathien und -antipathien mit den strategischen Rücksichten. Ein etwas stabileres Element in der faschistischen Propaganda ist vielleicht der Antisemitismus, dem Hitler eine zoologische Form gegeben hat, indem er die wahre Sprache von Rasse" und „Blut" im Hundebellen und Schweinegrunzen entdeckte. Nicht umsonst bezeichnete Friedrich Engels den Antisemitismus als den „Sozialismus des dummen Kerls". Der einzige Zug des Faschismus, der nicht Fälschung ist, ist sein Wille zu Macht, Unterjochung und Raub. Faschismus ist Imperialismus in Reinkultur.

Die demokratischen Regierungen, die seinerzeit Hitler für seinen Kreuzzug gegen den Bolschewismus priesen, machen nun aus ihm eine Art von Satan, der unerwartet aus den „Tiefen der Hölle" losgelassen wurde, die Heiligkeit von Verträgen, Grenzlinien, Regeln und Ordnungen zu verletzen. Wenn Hitler nicht wäre, würde die kapitalistische Welt ein blühender Garten sein. Was für eine elende Lüge! Dieser deutsche Epileptiker mit einer Rechenmaschine in seinem Schädel und unbegrenzter Macht in seiner Hand fiel nicht vom Himmel oder kam nicht aus der Hölle: er ist nichts als die Personifikation der zerstörenden Kräfte des Imperialismus. So wie Dschingis Khan und Tamerlan den schwächeren Hirtenvölkern als verheerende Geißeln Gottes erschienen, während sie in Wirklichkeit nichts als den Hunger aller Hirtenstämme nach mehr Weideland und Raub von den besiedelten Strichen ausdrückten, so gibt Hitler, wenn er die alten kolonialen Mächte in ihren Grundfesten erschüttert, dem imperialistischen Machtwillen nur einen vollendeteren Ausdruck. Mit Hitler hat der Weltkapitalismus, in eine Sackgasse geraten und zur Verzweiflung getrieben, angefangen, sich den Dolch ins eigene Eingeweide zu pressen.

Den Schlächtern des zweiten imperialistischen Krieges wird es nicht gelingen, Hitler zum Sündenbock zu machen und sich loszukaufen.

Vor dem Richterstuhl des Proletariats werden sich alle, die jetzt herrschen, zu verantworten haben. Hitler wird nur den ersten Platz auf der Verbrecherbank kriegen.

Das Übergewicht Deutschlands in dem Konflikt.

Was immer der Ausgang des Krieges sein mag, das Übergewicht Deutschlands hat sich bereits klar gezeigt. Fraglos besitzt Hitler keine geheime „neue Waffe". Aber die Vollendung all der verschiedenen bereits existierenden Waffen und ihre wohlkoordinierte Kombination – auf der Grundlage einer höher rationalisierten Industrie – verleiht dem deutschen Militarismus ungeheures Gewicht. Die militärische Dynamik ist eng mit den einem totalitären Regime eigentümlichen Zügen verbunden: Einheit des Willen, konzentrierte Initiative, geheime Vorbereitung, plötzliche Ausführung. Ferner hat der Vertrag von Versailles den Alliierten einen Bärendienst erwiesen. Nach fünfzehn Jahren deutscher Abrüstung hatte Hitler eine Armee aus dem Nichts aufzubauen, und dank dem ist die Armee frei von Routine und veralteter Technik und Ausrüstung. Die taktische Ausbildung der Truppen folgt neuen Ideen, die auf dem letzten Wort der Technik beruhen, Anscheinend sind nur die Vereinigten Staaten bestimmt, die deutsche Mordmaschine zu übertreffen. Die Schwäche Frankreichs und Großbritanniens kommt nicht unerwartet. Die Thesen der Vierten Internationale (1934) stellen fest: „Der Zusammenbruch des Völkerbunds ist unlöslich mit dem beginnenden Zusammenbruch der französischen Vorherrschaft auf dem europäischen Festlande verbunden." Dieses programmatische Dokument erklärt ferner, dass „Englands Herrscher immer weniger imstande sind, ihre Pläne auszuführen," dass die britische Bourgeoisie „über den Zerfall des Reiches, die revolutionäre Bewegung in Indien, die Labilität ihrer Positionen in China schwer beunruhigt ist." Die Kraft der Vierten Internationale beruht darauf, dass ihr Programm die Prüfung großer Ereignisse aushalten kann.

Die Industrie Englands und Frankreichs blieb dank dem gesicherten Zufluss von kolonialen Überprofiten lange in Technik und Organisation zurück. Hinzu kommt, dass die sogenannte „Verteidigung der Demokratie" durch die sozialistischen Parteien und Gewerkschaften für die britische und französische Bourgeoisie eine äußerst privilegierte politische Situation schuf. Privilegien ziehen immer Trägheit und Stillstand groß. Wenn Deutschland heute ein solch kolossales Übergewicht über Frankreich und England zeigt, so tragen die sozialpatriotischen Verteidiger der Demokratie, die das Proletariat verhinderten, England und Frankreich durch eine rechtzeitige Revolution aus der Atrophie zu reißen, den Löwenanteil der Verantwortung.

Das Friedensprogramm."

Als Ersatz für die Verknechtung der Völker verspricht Hitler, in Europa auf Jahrhunderte hinaus einen „Deutschen Frieden" zu errichten. Ein eitles Trugbild! Der „Britische Frieden" nach dem Sieg über Napoleon konnte ein Jahrhundert dauern – nicht tausend Jahre! – nur weil Britannien der Pionier einer neuen Technik und eines fortschrittlichen Systems der Produktion war. Trotz der Stärke seiner Industrie ist das heutige Deutschland genau wie seine Feinde Bannerträger eines zum Untergang verurteilten gesellschaftlichen Systems. Hitlers Sieg würde in Wirklichkeit nicht Frieden, sondern den Anfang einer neuen Reihe blutiger Zusammenstöße im Weltmaßstabe bedeuten. Wenn Deutschland das britische Reich zerstörte, Frankreich auf den Status von Böhmen und Mähren herunterbrächte und sich auf den europäischen Kontinent und seine Kolonien basierte, würde Deutschland unzweifelhaft die erste Macht der Welt. An seiner Seite könnte Italien – doch nicht auf sehr lange – die Herrschaft über das Mittelmeer antreten. Aber die erste Macht sein heißt nicht die einzige Macht sein. Der Kampf um „Lebensraum" würde nur in ein neues Stadium eintreten.

Die „neue Ordnung", die Japan sich anschickt aufzurichten, indem es einen deutschen Sieg zugrunde legt, hat die Ausdehnung der Herrschaft Japans über den größeren Teil des asiatischen Festlandes im Auge. Die Sowjet-Union würde sich zwischen ein germanisiertes Europa und ein japanisiertes Asien eingeklemmt finden. Alle drei Amerikas, ebenso wie Australien und Neuseeland würden an die Vereinigten Staaten fallen. Wenn wir das provinzielle italienische Reich dazu nehmen, würde die Welt zeitweilig in fünf „Lebensräume" geteilt sein. Aber der Imperialismus verabscheut seiner Natur gemäß jede Teilung der Macht. Um seine Hände gegen Amerika frei zu kriegen, würde Hitler mit seinen gestrigen Freunden Stalin und Mussolini blutig abrechnen müssen. Japan und die Vereinigten Staaten würden nicht uninteressierte Zuschauer in dem neuen Kampfe bleiben. Der dritte imperialistische Krieg würde nicht von Nationalstaaten und nicht von Weltmächten des alten Typs, sondern von ganzen Kontinenten geführt werden. … Hitlers Sieg im gegenwärtigen Krieg würde so nicht tausend Jahre „deutschen Friedens", sondern blutiges Chaos für viele Jahrzehnte, wenn nicht für Jahrhunderte, bedeuten.

Aber auch ein alliierter Triumph würde keine glänzenderen Folgen haben. Ein siegreiches Frankreich könnte seine Position als Großmacht nur wiederherstellen, wenn es Deutschland zerstückelte, die Habsburger wieder auf den Thron setzte, Europa balkanisierte. Großbritannien könnte nur wieder eine führende Rolle in Europa spielen, wenn es erneut die Gegensätze zwischen Frankreich und Deutschland einerseits und Europa und Amerika andererseits ausspielte. Das würde eine neue und zehnmal verschlimmerte Ausgabe des Vertrags von Versailles, mit unendlich bösartigeren Wirkungen auf den geschwächten Organismus von Europa, bedeuten. Dazu kommt, dass ein alliierter Sieg ohne amerikanische Hilfe unwahrscheinlich ist, während die Vereinigten Staaten diesmal einen viel höheren Preis für ihre Hilfe verlangen werden als im letzten Krieg. Das erniedrigte und erschöpfte Europa – der Gegenstand von Herbert Hoovers Philanthropie – würde der bankrotte Schuldner seines transatlantischen Retters werden.

Wenn wir schließlich die am wenigster wahrscheinliche Variante betrachten, nämlich einen Friedensschluss der erschöpfter Gegner nach der pazifistischen Forme „Weder Sieger noch Besiegte", so würde dies die Wiederherstellung des internationalen Chaos bedeuten, das vor dem Krieg herrschte, nur diesmal auf blutige Ruinen, Erschöpfung. Verbitterung gebaut. Nach einer kurzen Weile würden alle alten Antagonismen mit explosiver Gewalt zur Oberfläche durchschlagen und neue internationale Krämpfe ausbrechen.

Das Versprechen der Alliierten, diesmal eine demokratische europäische Föderation zu schaffen, ist die gröbste aller pazifistischen Lügen. Der Staat ist keine Abstraktion, sondern das Instrument des Monopolkapitalismus. Solange Trusts und Banken nicht zugunsten des Volkes enteignet sind, ist der Kampf zwischen den Staaten genau so unvermeidlich wie der Kampf zwischen den Trusts selbst. Freiwilliger Verzicht des mächtigsten Staates auf den Vorteil, den ihm seine Stärke gibt, ist eine ebenso lächerliche Utopie wie freiwillige Verteilung der Kapitalien unter die Trusts. Solange das kapitalistische Eigentum aufrechterhalten wird, würde eine demokratische „Föderation" nichts als eine Aufwärmung des Völkerbunds mit allen seinen Fehlern, doch nun ohne seine Illusionen, sein.

Umsonst versuchen die imperialistischen Herren des Schicksals ein Rettungsprogramm neu zu beleben, das die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte vollkommen diskreditiert hat. Umsonst wärmen ihre kleinbürgerlichen Lakaien pazifistische Allheilmittel auf, die längst in ihre eigene Karikatur verkehrt wurden. Die vorgeschrittenen Arbeiter werden sich nicht anführen lassen. Der Frieden wird nicht von den Mächten geschlossen werden, die jetzt Krieg führen. Die Arbeiter und Soldaten werden ihr eigenes Friedensprogramm diktieren!

Der jetzige Krieg und die Verteidigung der Sowjet-Union.

Stalins Bündnis mit Hitler, das das Startsignal zum Weltkrieg gab und unmittelbar zur Knechtung des polnischen Volkes führte, ist ein Resultat der Schwäche der Sowjet-Union und der Panik des Kremls vor Deutschland. Die Verantwortung für diese Schwäche trägt niemand anders als der Kreml selbst; seine Innenpolitik, die zwischen der herrschenden Kaste und dem Volke einen Abgrund aufriss, seine Außenpolitik, die die Interessen der Weltrevolution denen der Stalin-Clique opferte.

Die Besitzergreifung von Ostpolen, ein Pfand des Bündnisses mit Hitler und eine Garantie gegen Hitler, war von der Nationalisierung des halb feudalen und des kapitalistischen Eigentums in der Westukraine und Westweißrussland begleitet. Ohne dies hätte der Kreml das besetzte Gebiet nicht der Sowjet-Union einverleiben können. Die erstickte und entwürdigte Oktoberrevolution tat kund, dass sie noch am Leben war.

In Finnland gelang es dem Kreml nicht, einen ähnlichen sozialen Umsturz durchzuführen. Die imperialistische Mobilmachung der Weltöffentlichkeit „für die Verteidigung Finnlands"; die Drohung einer direkten Intervention Englands und Frankreichs; die Ungeduld Hitlers, der Dänemark und Norwegen nehmen musste, bevor französische und britische Truppen auf skandinavischem Boden erschienen – all dies zwang den Kreml auf die Sowjetisierung Finnlands zu verzichten und sich auf die Besitzergreifung der unumgänglich nötigen strategischen Positionen zu beschränken.

Der Einfall in Finnland erregte in der Sowjetbevölkerung fraglos nur Verurteilung. Indessen werden die vorgeschrittenen Arbeiter verstanden haben, dass die Verbrechen der Kreml-Oligarchie nicht die Frage der Existenz der Sowjet-Union von der Tagesordnung abgesetzt haben. Ihre Niederlage im Weltkrieg würde nicht nur den Sturz der totalitären Bürokratie, sondern die Aufhebung der neuen Eigentumsformen, den Zusammenbruch des ersten Experiments einer planmäßigen Ökonomie und die Umwandlung des ganzen Landes in eine Kolonie bedeuten, d. h. die Auslieferung kolossaler Naturschätze an den Imperialismus, die ihm eine Atempause bis zum dritten Weltkrieg geben würde. Weder die Völker der Sowjet-Union noch die Arbeiterklasse der Welt als Ganzes können ein solches Ergebnis wünschen.

Finnlands Widerstand gegen die Sowjet-Union war bei allem Heroismus ebenso wenig ein Akt unabhängiger nationaler Verteidigung als später der Widerstand Norwegens gegen Deutschland. Die Helsinki-Regierung selbst verstand dies, wenn sie es vorzog, vor der Sowjet-Union zu kapitulieren, als Finnland in eine militärische Basis für Frankreich und England zu verwandeln. Unsere uneingeschränkte Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes jeder Nation ändert, nichts an der Tatsache, dass dieses Recht im gegenwärtigen Kriege nicht viel mehr Gewicht hat als Sommerfäden. Wir müssen die Grundlinie unserer Politik nach Grundfaktoren und nicht nach solchen zehnten Ranges bestimmen. Die Thesen der Vierten Internationale stellen fest: „Die Idee der Verteidigung des Vaterlandes, besonders wenn sie mit dem Gedanken der Verteidigung der Demokratie zusammentrifft. kann höchst bequem ausgenutzt werden, die Arbeiter kleiner neutraler Länder (die Schweiz, in einem gewissen Maß Belgien, die skandinavischen Länder auszuführen. … Nur ein kleinbürgerlicher Schafskopf (wie Robert Grimm) aus einem weltverlorenen Schweizer Dorf konnte ernstlich glauben, dass der Weltkrieg, in den er hineingezogen wird, ein Mittel ist, die Unabhängigkeit der Schweiz zu verteidigen." Diese Worte bekommen heute eine besondere Bedeutung. In keiner Weise sind dem Schweizer Sozialpatrioten Grimm jene pseudorevolutionären Kleinbürger überlegen, die glauben, man könnte die proletarische Strategie in Bezug auf die Verteidigung der Sowjet-Union nach solchen taktischen Episoden wie dem Einfall der roten Armee in Finnland bestimmen.

Äußerst beredt in seiner Einmütigkeit und Heftigkeit war der Feldzug, den die Weltbourgeoisie über den sowjet-finnischen Krieg von Stapel ließ. Weder die Perfidie noch die Gewalttaten des Kremls hatten vorher die Entrüstung der Bourgeoisie erregt, denn die ganze Geschichte der Weltpolitik ist in Perfidie und Gewalttat geschrieben. Ihre Furcht und Entrüstung wurde von der Aussieht auf einen sozialen Umsturz in Finnland nach dem Muster dessen, den die rote Armee in Ostpolen erzeugte, erregt. Um was es ging, war eine neue Bedrohung kapitalistischen Eigentums. Die antisowjetische Kampagne, die durch und durch einen Klassencharakter hatte, offenbarte wieder einmal, dass die Sowjet-Union dank den von der Oktoberrevolution gelegten sozialen Fundamenten, von denen letzten Endes die Existenz der Bürokratie selbst abhängt, doch ein Arbeiterstaat bleibt und die Bourgeoisie der ganzen Welt in Schrecken versetzt. Episodische Übereinkünfte zwischen der Bourgeoisie und der Sowjet-Union ändern nichts an der Tatsache, dass „im historischen Maßstab gesehen, der Gegensatz zwischen dem Weltimperialismus und dem Rätestaat unendlich tiefer geht als der Antagonismus zwischen den einzelnen kapitalistischen Ländern untereinander." (Der Krieg und die Vierte Internationale.)

Viele kleinbürgerliche Radikale, die gestern noch die Sowjet-Union als eine Achse betrachten wollten, um die sich die „demokratischen" Kräfte gegen den Faschismus gruppieren sollten, haben nun, wenn ihre eignen Vaterländer von Hitler bedroht sind, plötzlich entdeckt, dass Moskau, welches ihnen nicht zu Hilfe kam, eine imperialistische Politik verfolgt und dass kein Unterschied zwischen Rätestaat und den faschistischen Ländern besteht.

Lüge! wird jeder klassenbewusste Arbeiter antworten – der Unterschied besteht. Die Bourgeoisie schätzt diesen sozialen Unterschied besser und tiefer ab als die radikalen Windbeutel. Zwar sichert die Nationalisierung der Produktionsmittel in einem einzigen Lande, und einem rückständigen überdies noch nicht den Aufbau des Sozialismus. Aber sie kann die erste Vorbedingung für den Sozialismus, nämlich die planmäßige Entwicklung der Produktivkräfte, fördern. Sich von der Nationalisierung der Produktionsmittel aus dem Grunde abzukehren, dass sie an und für sich noch nicht den Wohlstand der Massen schafft, wäre dasselbe wie ein granitenes Fundament zu zerstören aus dem Grunde, dass man ohne Wände und Dach nicht wohnen könne. Der klassenbewusste Arbeiter weiß, dass ein siegreicher Kampf für vollständige Emanzipation ohne die Verteidigung bereits gemachter Eroberungen, wie bescheiden sie auch immer sein mögen, undenkbar ist. Umso unerlässlicher ist daher die Verteidigung einer so kolossalen Eroberung wie die planmäßige Ökonomie gegen die Wiederherstellung kapitalistischer Verhältnisse. Wer alte Stellungen nicht verteidigen kann, wird nie neue erobern.

Die Vierte Internationale kann die Sowjet-Union nur mit den Methoden des revolutionären Klassenkampfes verteidigen. Die Arbeiter das richtige Verständnis für die Klassennatur des Staates – imperialistischer, kolonialer, Arbeiterstaat – und die gegenseitigen Beziehungen zwischen ihnen wie auch die inneren Gegensätze in jedem zu lehren, befähigt die Arbeiter, richtige praktische Folgerungen in jeder gegebenen Situation zu ziehen. Während sie einen unermüdlichen Kampf gegen die Moskauer Oligarchie führt, lehnt die Vierte Internationale entschieden jede Politik ab, die dem Imperialismus gegen die Sowjet-Union helfen würde.

Die Verteidigung der Sowjet-Union fällt im Prinzip mit der Vorbereitung der proletarischen Weltrevolution zusammen. Wir verwerfen ausdrücklich die Theorie des Sozialismus in einem Lande, dieses Geisteskind des unwissenden und reaktionären Stalinismus. Nur die Weltrevolution kann die Sowjet-Union für den Sozialismus retten. Aber die Weltrevolution bringt unvermeidlich die Vertilgung der Kreml-Oligarchie mit sich.

Für den Sturz der Stalin-Clique.

Nach fünfjähriger Kriecherei vor den „Demokraten" verriet der Kreml eine zynische Verachtung für das Weltproletariat und schloss ein Bündnis mit Hitler und half ihm. das polnische Volk zu ersticken: er blies sich am Vorabend der finnischen Invasion mit einem schändlichen Chauvinismus auf und entfaltete eine nicht minder schändliche militärische Unfähigkeit in dem darauffolgenden Kampf: er machte geräuschvolle Zusagen, das finnische Volk von den Kapitalisten zu „emanzipieren" und kapitulierte dann feige vor Hitler – das war in den kritischen Stunden der Geschichte die Leistung des Stalinregimes.

Die Moskauer Prozesse hatten bereits offenbart, dass die totalitäre Bourgeoisie ein absolutes Hindernis auf dem Wege der Entwicklung des Landes geworden war Das steigende Niveau der sich wachsend komplizierenden Bedürfnisse des wirtschaftlichen Lebens kann die bürokratische Einschnürung nicht mehr dulden. Die Parasitenbande ist aber nicht zu Konzessionen geneigt. Im Kampf für Aufrechterhaltung ihrer Position zerstört sie alles, was das Beste ist im Lande. Man darf nicht glauben, dass die Leute, die drei Revolutionen in zwölf Jahren durchgeführt haben, plötzlich einfältig geworden sind. Sie sind unterdrückt und nicht orientiert, aber sie sind wachsam und denken. Die Bürokratie erinnert sie jeden Tag an ihre Existenz durch ihre Willkür, Bedrückung, Habgier und blutige Rachsucht. Halbverhungerte Arbeiter und Kollektivbauern tuscheln untereinander, hassvoll über die Verschwenderlaunen der tollen Kommissare. Zu Stalins sechzigstem Geburtstag mussten die Arbeiter im Ural eineinhalb Jahr an einem Riesenportrait des gehassten „Vaters der Völker" aus Edelsteinen arbeiten – ein Unternehmen, des persischen Xerxes oder der ägyptischen Kleopatra würdig. Ein Regime, das sich in solchen Scheußlichkeiten ergeht, muss den Hass der Massen erwecken.

Die Außenpolitik entspricht der Innenpolitik. Drückte die Kremlregierung die wirklichen Interessen des Arbeiterstaates aus: diente die Komintern der Sache der Weltrevolution, so würde die Volksmasse des winzigen Finnland unvermeidlich nach der Sowjet-Union hin gravitiert haben und der Einfall der roten Armee wäre überhaupt nicht nötig gewesen oder wäre vom finnischen Volk sofort als eine revolutionäre Handlung der Emanzipation akzeptiert worden. In Wirklichkeit stieß die ganze vorausgehende Politik des Kreml die finnischen Arbeiter und Bauern von der Sowjet-Union zurück. Während Hitler auf den Beistand der sogenannten „fünften Kolonne" in den neutralen Ländern, die er überfällt, rechnen kann, fand Stalin in Finnland, trotz der Tradition der Erhebung von 1918 und des langjährigen Bestandes der finnischen kommunistischen Partei, keinerlei Unterstützung. Unter diesen Umständen nahm die Invasion der roten Armee den Charakter einer direkten offenen Gewalttat an. Die Verantwortung dafür trägt ganz und ungeteilt die Moskauer Oligarchie.

Der Krieg ist der Prüfstein für ein Regime. Als Folge der ersten Periode des Krieges hat sich die internationale Position der Sowjet-Union trotz dekorativer Erfolge bereits sichtlich verschlimmert. Die Außenpolitik des Kreml hat weite Kreise .der Arbeiterklasse der Welt und der unterdrückten Völker von der Sowjet-Union zurückgestoßen. Die strategischen Stützpunkte, deren sich Moskau bemächtigt hat, werden im Konflikt der Weltmächte einen drittrangigen Faktor darstellen. Inzwischen hat Deutschland den wichtigsten und industrialisiertesten Teil Polens erlangt und eine gemeinsame Grenze mit der Sowjet-Union, d. h. ein Einfallstor in den Osten, erworben. Durch Skandinavien beherrscht Deutschland die Ostsee und verwandelt den finnischen Golf in eine fest verkorkte Flasche. Das verbitterte Finnland kommt unter Hitlers direkte Kontrolle. Anstatt schwachen neutralen Staaten steht die Sowjet-Union nun einem mächtigen Deutschland an ihrer Leningrader Grenze gegenüber. Die Schwäche der von Stalin enthaupteten roten Armee ist vor der ganzen Welt demonstriert worden. Die zentrifugalen nationalistischen Tendenzen innerhalb der Sowjet-Union haben sich verstärkt. Das Prestige der Kreml-Führerschaft ist gesunken. Deutschland im Westen, Japan im Osten sind nun unendlich zuversichtlicher als vor dem finnischen Abenteuer des Kreml. In seinem dürftigen Arsenal konnte Stalin auf die Übles vorbedeutende Warnung der Ereignisse nur eine einzige Antwort finden: er ersetzte Woroschilow durch eine noch größere Null, Timoschenko. Wie immer bei solchen Anlässen, ist das Ziel dieses Manövers, den Zorn des Volkes und der Armee von dem für das Missgeschick verantwortlichen Hauptverbrecher auf das Haupt der Armee abzulenken, eine Person, deren Zuverlässigkeit durch ihre Bedeutungslosigkeit gewährleistet wird. Der Kreml hat sich wieder einmal als Hauptherd der Niederlagenstrategie erwiesen. Nur durch Zerstörung dieses Herdes kann der Bestand der Sowjet-Union gesichert werden.

Die Vorbereitung des revolutionären Sturzes der Moskauer herrschenden Kaste ist eine der Hauptaufgaben der Vierten Internationale. Diese Aufgabe ist nicht einfach oder leicht. Aber die Epoche großer Konvulsionen, in die die Menschheit getreten ist, wird der Kreml-Oligarchie einen Schlag um den andern versetzen, wird ihren totalitären Apparat aufbrechen, wird das Selbstvertrauen der arbeitenden Massen heben und dadurch die Bildung einer Sowjet-Sektion der Vierten Internationale erleichtern. Die Ereignisse werden zu unsern Gunsten arbeiten, wenn wir uns fähig zeigen, ihnen zu helfen!

Der Kampf in den Kolonien und der Krieg.

Schon dadurch, dass er für die imperialistischen „Mutterländer'' ungeheure Schwierigkeiten und Gefahren schuf, eröffnet der Krieg den unterdrückten Völkern große Möglichkeiten. Der Kanonendonner in Europa kündet das Nahen ihrer Befreiungsstunde.

Wenn ein Programm friedlicher sozialer Umformung schon für die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder eine Utopie ist, so ist das Programm einer friedlicher, Befreiung für die kolonialen Länder doppelt utopisch. Andrerseits sind die letzten halbfreien zurückgebliebenen Länder vor unsern Augen versklavt worden (Abessinien, Albanien, China …). Der ganze gegenwärtige Krieg ist ein Krieg um Kolonien. Die einen jagen danach; die andern besitzen sie und lehnen ab, sie aufzugeben. Keine Seite hat die geringste Absicht, sie freiwillig frei zu lassen. Die im Abstieg befindlichen „Mutterländer" sind gezwungen, so viel als möglich aus den Kolonien zu ziehen und ihnen dafür so wenig als möglich zurückzugeben. Nur der direkte und offene revolutionäre Kampf der geknechteten Völker kann die Bahn für ihre Emanzipation frei machen.

In den kolonialen und halbkolonialen Ländern ist der Kampf für den unabhängigen nationalen Staat und so auch die „Verteidigung des Vaterlands" prinzipiell von dem in imperialistischen Ländern verschieden. Das revolutionäre Proletariat der ganzen Welt unterstützt bedingungslos den Kampf Chinas oder Indiens um nationale Unabhängigkeit, denn dieser Kampf, der das zurückgebliebene Volk aus dem asiatischen System, dem Partikularismus und der ausländischen Verknechtung reißt, versetzt dem Imperialismus mächtige Schläge." (Der Krieg und die Vierte Internationale.)

Gleichzeitig weiß die Vierte Internationale im Voraus und warnt die zurückgebliebenen Völker offen, dass ihre verspäteten Nationalstaaten nicht mehr auf eine unabhängige demokratische Entwicklung rechnen können. Vom verfallenden Kapitalismus umgeben und im Netz imperialistischer Widersprüche gefangen, wird die Unabhängigkeit, eines zurückgebliebenen Staates notwendig halb fiktiv sein und unter dem Einfluss innerer Klassengegensätze und äußeren Drucks wird das politische Regime unweigerlich zu einer Diktatur gegen das Volk herabsinken – ein solches Regime ist das der „Volks"-Partei in der Türkei, der Kuomintang in China; Gandhis Regime in Indien wird morgen ähnlich sein. Der Kampf um nationale Unabhängigkeit der Kolonien ist vom Standpunkt des revolutionären Proletariats nur ein Übergangsstadium auf dem Weg, die rückständigen Länder in die internationale sozialistische Revolution hineinzuziehen.

Die Vierte Internationale zieht keine unübersteigbaren Grenzen zwischen rückständigen und fortgeschrittenen Ländern, den demokratischen und den sozialistischen Revolutionen. Sie kombiniert sie und ordnet sie dem Weltkampf der Unterdrückten gegen die Unterdrücker unter. Genau so wie in unserer Epoche das internationale Proletariat die einzige wirklich revolutionäre Kraft ist, so ist das einzige echte Programm, alle Unterdrückung zu beseitigen, soziale wie nationale, das Programm der permanenten Revolution.

Die große Lehre Chinas.

Die tragische Erfahrung Chinas ist eine große Lehre für die unterdrückten Völker. Die chinesische Revolution von 1925-1927 hatte alle Aussichten auf einen Sieg. Ein geeintes und umgeformtes China würde heute eine mächtige Festung der Freiheit im Fernen Osten darstellen. Das ganze Schicksal Asiens und in einem gewissen Grade das der ganzen Welt hätte anders sein können. Aber der Kreml, dem das Vertrauen in die chinesischen Massen fehlte und der die Freundschaft der Generäle suchte, benutzte sein ganzes Gewicht, das chinesische Proletariat der Bourgeoisie unterzuordnen und half so Tschiang Kai-schek, die chinesische Revolution zu Boden zu schlagen. Enttäuscht, uneinig und geschwächt, war China der japanischen Invasion ausgeliefert.

Wie jedes zum Untergang verurteilte Regime, ist die stalinistische Oligarchie bereits unfähig, aus der Geschichte zu lernen. Am Beginn des Chinesisch-Japanischen Krieges machte der Kreml die Kommunistische Partei wieder zum Knechte Tschiang Kai-scheks und erstickte die revolutionäre Initiative des chinesischen Proletariats im Keime. Dieser Krieg, der jetzt bald drei Jahre dauert, hätte längst mit einer Katastrophe für Japan enden können, wenn China ihn als einen echten Volkskrieg geführt hätte, der sich auf eine Agrarrevolution basierte und mit seiner Glut die japanischen Soldaten revolutionär entzündet hätte. Aber die chinesische Bourgeoisie fürchtet ihre eignen bewaffneten Massen mehr als die japanischen Räuber. Wenn Tschiang Kai-schek, der unheilvolle Henker der chinesischen Revolution, durch die Umstände gezwungen wird, einen Krieg zu führen, so beruht sein Programm doch nach wie vor auf Unterdrückung der eigenen Arbeiter und Kompromiss mit den Imperialisten, Der Krieg in Ostasien wird sich immer mehr mit dem imperialistischen Weltkrieg verflechten. Das chinesische Volk wird nur unter der Führung des jungen und aufopfernden Proletariats, in dem die Wiedergeburt der Wellrevolution das unerlässliche Selbstvertrauen aufs Neue entfachen wird, die Unabhängigkeit erlangen können. Es wird eine feste Marschroute vorzeichnen. Der Verlauf der Geschehnisse setzt die Entwicklung unserer chinesischen Sektion in eine machtvolle revolutionäre Partei auf die Tagesordnung.

Aufgaben der Revolution in Indien.

In den allerersten Wochen des Krieges schon übten die Massen Indiens einen wachsenden Druck aus und zwangen die opportunistischen „nationalen" Führer zu einer ganz ungewohnten Sprache. Aber wehe dem indischen Volk, wenn es sein Vertrauen in tönende Worte setzt! Unter der Maske der Parole der nationalen Unabhängigkeit hat sich Gandhi bereits beeilt, seine Weigerung zu proklamieren, Großbritannien in der jetzigen schweren Krise Schwierigkeiten zu bereiten. Als ob die Unterdrückten irgendwo sich anders hätten befreien können, als indem sie die Schwierigkeiten ihrer Unterdrücker ausnutzten!

Gandhis „moralische" Ablehnung von Gewalt spiegelt nur die Furcht der indischen Bourgeoisie vor ihren Volksmassen wieder. Sie hat gute Gründe für die Vorahnung, dass der britische Imperialismus sie in seinen Zusammenbruch mit hineinreißen wird. London seinerseits warnt, dass es bei dem ersten Zeichen von Ungehorsam „alle notwendigen Maßnahmen" ergreifen wird – einschließlich des Einsatzes der Luftmacht natürlich, an der es an der Westfront so Mangel leidet. Eine klare Arbeitsteilung besteht zwischen der kolonialen Bourgeoisie und der britischen Regierung: Gandhi braucht die Drohungen Chamberlains und Churchills, damit er die revolutionäre Bewegung umso erfolgreicher lähmen kann.

In naher Zukunft verspricht der Gegensatz zwischen der indischen Masse und der Bourgeoisie schärfer zu werden, da der imperialistische Krieg immer mehr ein Riesengeschäft für die indische Bourgeoisie wird. Indem er einen außerordentlich günstigen Markt für Rohstoffe schafft, dürfte er die indische Industrie rasch fördern. Wenn die vollkommene Zerstörung des britischen Reiches die Nabelschnur durchreißt, die das indische Kapital mit der „City" (London) verbindet, würde die nationale Bourgeoisie schnell einen neuen Herrn in „Wall Street" (New York) suchen. Die materiellen Interessen der Bourgeoisie bestimmen ihre Politik mit der Unvermeidlichkeit des Gravitationsgesetzes.

So lange die Freiheitsbewegung von der Ausbeuterklasse kontrolliert wird, kann sie aus der Sackgasse nicht herauskommen. Was allein Indien zusammenschweißen kann, ist die Agrarrevolution unter dem Banner der nationalen Unabhängigkeit. Eine vom Proletariat geführte Revolution wird nicht nur gegen die britische Herrschaft, sondern auch gegen die indischen Fürsten, die ausländischen Konzessionen, die oberste Schicht der nationalen Bourgeoisie und die Führer des Nationalkongresses wie auch der Liga der Moslems gerichtet sein. Es ist eine dringende Aufgabe der Vierten Internationale, eine stabile und machtvolle Sektion in Indien zu schaffen.

Die verräterische Politik der Klassenzusammenarbeit, durch die der Kreml die letzten fünf Jahre hindurch den kapitalistischen Regierungen half, den Krieg vorzubereiten, wurde von der Bourgeoisie abrupt fallen gelassen, sobald sie keine pazifistische Vermummung mehr nötig hatte. Aber in den kolonialen und halbkolonialen Ländern -- nicht nur in China und Indien, sondern auch in Latein-Amerika – fährt der Betrug der „Volksfronten" noch fort, die arbeitenden Massen zu lähmen, verwandelt sie in Kanonenfutter für die „fortschrittliche" Bourgeoisie und schafft so eine einheimische politische Basis für den Imperialismus

Was birgt die Zukunft für Lateinamerika?

Das ungeheuerliche Anwachsen der Rüstungen in den Vereinigten Staaten bereitet auf eine gewaltsame Lösung der komplizierten Gegensätze auf der westlichen Halbkugel vor und dürfte bald offen die Frage nach dem Schicksal der lateinamerikanischen Länder aufwerfen. Das Zwischenspiel der „Guter Nachbar"-Politik nähert sich seinem Ende. Roosevelt oder sein Nachfolger wird bald die Eisenfaust aus dem Samthandschuh ziehen. Die Thesen der Vierten Internationale stellen fest: „Süd- und Zentralamerika können sich von Rückständigkeit und Dienstbarkeit nur durch eine Vereinigung aller Staaten in einen mächtigen Bund befreien. Diese grandiose historische Aufgabe zu lösen, ist nicht die verspätete südamerikanische Bourgeoisie, die völlig prostituierte Agentur des ausländischen Imperialismus, berufen, sondern das junge südamerikanische Proletariat, der berufene Führer der unterdrückten Massen. Daher ist die Parole für den Kampf gegen Gewalt und Intrigen des Weltkapitalismus und gegen die Blutarbeit der einheimischen Kompradorencliquen: Die Vereinigten Sowjetstaaten von Süd- und Zentralamerika." Diese Zeilen, die vor sechs Jahren geschrieben wurden, haben nun eine besonders brennende Aktualität erworben.

Nur unter seiner eigenen revolutionären Leitung ist das Proletariat der Kolonien und der Halbkolonien imstande, jene unbesiegbare Zusammenarbeit mit dem Proletariat in den Weltzentren und der ganzen internationalen Arbeiterklasse zustande zu bringen; Nur diese Zusammenarbeit kann den unterdrückten Völkern völlige und endgültige Emanzipation durch den Sturz des Imperialismus auf der ganzen Welt bringen. Ein Sieg des internationalen Proletariats wird die kolonialen Länder aus der lang sich hinziehenden Plackerei kapitalistischer Entwicklung erlösen und ihnen die Möglichkeit eröffnen, Hand in Hand mit dem Proletariat der fortgeschrittenen Länder zum Sozialismus zu kommen.

Die Perspektive der permanenten Revolution bedeutet keinesfalls, dass die rückständigen Länder das Signal von den fortgeschrittenen abwarten müssen, oder dass die Kolonialvölker geduldig auf das Proletariat der Weltzentren warten sollen, sie zu befreien. Wer sich selbst hilft, dem hilft Gott. Die Arbeiter müssen den revolutionären Kampf in jedem Lande, kolonial oder imperialistisch, entfalten, wo günstige Bedingungen dafür entstanden sind, und dadurch den Arbeitern anderer Länder ein Beispiel geben. Nur Initiative und Aktivität, Entschlossenheit und Kühnheit können die Parole „Arbeiter aller Länder, vereinigt euch!" verwirklichen.

Die Verantwortung der Zweiten und der Dritten Internationale.

Der Sieg der spanischen Revolution hätte eine Ära revolutionärer Umstürze in ganz Europa eröffnen können und so den gegenwärtigen Krieg verhindert. Aber diese heroische Revolution, die alle Möglichkeit des Sieges besaß, wurde in der Umarmung der Zweiten und Dritten Internationale unter Mithilfe der Anarchisten erstickt. Das Weltproletariat wurde um noch eine große Hoffnung ärmer und um die Lehre noch eines ungeheuerlichen Verrates reicher.

Die mächtige Bewegung des französischen Proletariats im Juni 1936 offenbarte ungewöhnlich günstige Bedingungen für die revolutionäre Eroberung der Macht. Eine französische Sowjetrepublik hätte sofort die revolutionäre Vorherrschaft in Europa erlangt, revolutionäre Rückwirkungen in jedem Lande geschaffen, die totalitären Regime ins Wanken gebracht, und auf diese Weise die Menschheit vor diesem imperialistischen Gemetzel mit seinen zahllosen Opfern gerettet. Aber die ganz und gar nichtswürdige, feige, und verräterische Politik der Leon Blum und Leon Jouhaux unter tätiger Mithilfe der französischen Sektion der Komintern führte zum Zusammenbruch einer der vielversprechendsten Bewegungen des letzten Jahrzehnts.

Die Abwürgung der spanischen Revolution und das Sabotieren der proletarischen Offensive in Frankreich – diese beiden tragischen Tatsachen stehen an der Schwelle des gegenwärtigen Krieges. Die Bourgeoisie überzeugte sich, dass sie mit solchen „Arbeiterführern" zu ihrer Verfügung alles, sogar ein neues Völkergemetzel wagen konnte. Die Führer der Zweiten Internationale haben das Proletariat verhindert, die Bourgeoisie am Schlusse des ersten imperialistischen Krieges zu stürzen. Die Führer der Zweiten und der Dritten Internationale halfen der Bourgeoisie, einen zweiten imperialistischen Krieg zu entfesseln. Er soll ihr politisches Grab werden!

Die Zweite Internationale.

Der Krieg von 1914-1918 spaltete die Zweite Internationale sofort in zwei durch die Schützengräben getrennte Lager. Jede sozialdemokratische Partei verteidigte ihr Vaterland. Erst einige Jahre nach dem Krieg versöhnten sich die verräterischen, kriegführenden Brüder wieder und proklamierten gegenseitige Amnestie.

Heute hat sich die Situation in der Zweiten Internationale stark geändert – aber nur an der Oberfläche. Alle ihre Sektionen ohne Ausnahme stehen politisch auf der einen Seite der militärischen Linien, im Lager der Alliierten: die einen, weil sie Parteien in den demokratischen Ländern sind, die andern, weil sie Emigranten von kriegführenden oder neutralen Ländern sind. Die deutsche sozialdemokratische Partei, die unter den Hohenzollern im ersten imperialistischen Krieg eine verabscheuungswürdige chauvinistische Politik führte, ist heute eine Partei des „Defätismus" im Dienste von Frankreich und England. Es wäre unverzeihlich zu glauben, dass diese hartgesottenen Lakaien Revolutionäre geworden sind. Es gibt eine einfachere Erklärung. Das Deutschland Wilhelms II. bot den Reformisten genügend Möglichkeiten persönlicher Sinekuren in den parlamentarischen Körperschaften. Stadtverwaltungen, Gewerkschaften und andern Orten. Die Verteidigung des kaiserlichen Deutschland war die Verteidigung einer wohlgefüllten Futterkrippe, in welcher die konservative Arbeiterbürokratie ihre Schnauze begrub. „Die Sozialdemokratie bleibt nur so lange patriotisch, als das existierende politische Regime ihm Profite und Vorrechte sichert," warnten unsere Thesen vor sechs Jahren. Die russischen Menschewiki und Narodniki, die sogar unter dem Zaren Patrioten waren, als sie ihre eigenen Dumafraktionen, ihre eigenen Zeitungen, ihre eigenen Gewerkschaftsfunktionäre hatten und auf weitere Fortschritte auf dieser Bahn hofften – nehmen jetzt, wenn sie all das verloren haben, eine defätistische Haltung in Bezug auf die Sowjet-Union ein.

Die jetzige Einmütigkeit der Zweiten Internationale lässt sich daher aus der Tatsache erklären, dass alle Sektionen hoffen, die Alliierten werden ihnen ihre Posten und Einnahmen in der Arbeiterbürokratie der demokratischen Länder retten und in den totalitären wiederherstellen. Die Sozialdemokratie geht nicht über impotente Tagträume von der Gönnerschaft der „demokratischen" Bourgeoisie hinaus. Diese politischen Invaliden sind vollkommen unfähig zu kämpfen, selbst wo ihre eigenen Interessen auf dem Spiele stehen.

Dies zeigte sich am klarsten in Skandinavien, das die sicherste Zufluchtsstätte der Zweiten Internationale schien und wo alle Länder seit Jahren von der nüchternen, realistischen, reformistischen und pazifistischen Sozialdemokratie regiert wurden. Sozialismus nannten diese Herrschaft die konservative königliche Demokratie plus Staatskirche, plus kärglichen Sozialreformen, die infolge begrenzter Militärausgaben zeitweilig möglich waren. Vom Völkerbund gestützt und durch den Schild ihrer „Neutralität" geschützt, rechneten die skandinavischen Regierungen auf Generationen ruhiger und friedlicher Entwicklung. Aber die imperialistischen Herren beachteten diese Berechnungen nicht. Sie mussten den Schlägen des Schicksals weichen. Als die Sowjet-Union in Finnland einfiel, erklärten sich alle drei skandinavischen Regierungen, so weit als es Finnland betraf, neutral. Als Deutschland in Dänemark und Norwegen einfiel, erklärte sich Schweden, so weit als diese beiden Opfer des Angriffs in Betracht kamen, neutral. Dänemark brachte es sogar fertig, sich in Bezug auf sich selbst neutral zu erklären. Nur Norwegen machte unter den Kanonenmündungen seines Vormunds, Englands, einige symbolischen Gesten der Selbstverteidigung. Diese Helden sind durchaus bereit, auf Kosten des demokratischen Vaterlandes zu leben, aber haben eine Abneigung, dafür zu sterben. Der Krieg, den sie nicht vorausgesehen haben, begrub ganz im Vorbeigehen ihre Hoffnungen lauf eine friedliche Entwicklung unter Gott und König. Das skandinavische Paradies, die letzte Zuflucht der Hoffnung der Zweiten Internationale, ist in einen winzigen Abschnitt der allgemeinen imperialistischen Hölle verwandelt worden.

Die sozialdemokratischen Opportunisten kennen nur eine Politik, – die der passiven Anpassung. Unter den Bedingungen des verfallenden Kapitalismus bleibt ihnen nichts, als eine Position um die andere zu übergeben. Das fortwährende Beschneiden ihres bereits elenden Programmes, die Herabsetzung ihrer Forderungen, der Verzieht auf Forderungen überhaupt, der beständige Rückzug, bis kein Platz für den Rückzug weiter geblieben ist, außer einem Rattenloch. Aber sogar hier zerrt sie die erbarmungslose Hand des Imperialismus am Schwanze heraus. Das ist die kurze Geschichte der Zweiten Internationale, Sie wird durch den jetzigen Krieg zum zweiten Mal und, möchte man denken, diesmal für immer getötet.

Die Dritte Internationale.

Die Politik der degenerierten Dritten Internationale – einer Mischung von rohem Opportunismus und ungezügeltem Abenteurertum – übt auf die Arbeiterklasse einen Einfluss aus, der womöglich sogar noch demoralisierender ist. als die Politik ihres älteren Bruders, der Zweiten Internationale. Die revolutionäre Partei baut ihre ganze Politik auf das Klassenbewusstsein der Arbeiter; die Komintern ist mit nichts anderem beschäftigt, als damit, dieses Klassenbewusstsein zu verunreinigen und zu vergiften.

Die offiziellen Propagandisten jedes der kriegführenden Lager stellen, manchmal ganz richtig, die Verbrechen des gegnerischen Lagers bloß. Goebbels erzählt viel Zutreffendes über britische Gewalttaten in Indien. Die französische und englische Presse sagt vieles, was die Außenpolitik Hitlers und Stalins durchschauen lässt. Trotzdem stellt diese einseitige Propaganda an sich das schlimmste chauvinistische Gift dar. Halbwahrheiten sind die gefährlichsten Lügen, Die ganze gegenwärtige Propaganda der Komintern gehört zu dieser Kategorie. Nach fünf Jahren der rohesten Kriecherei vor den Demokratien, als der ganze „Kommunismus" auf die eintönig wiederholte Anklage faschistischer Angreifer reduziert war, entdeckte die Komintern plötzlich im Herbst 1939 den verbrecherischen Imperialismus der westlichen Demokratien. Links um, kehrt! Von da an nicht ein einziges Wort der Verurteilung der Zerstörung der Tschechoslowakei und Polens, der Besitzergreifung Dänemarks und Norwegens und der erschütternden Bestialitäten, die Hitlers Banden den Polen und den Juden zufügten! Hitler wurde zu einem friedensliebenden Vegetarier gemacht, der beständig von den westlichen Imperialisten provoziert wird. Das englisch-französische Bündnis wurde in der Komintern-Presse nur der „imperialistische Block gegen das deutsche Volk" genannt. Goebbels selbst hätte das nicht besser zusammenbrauen können! Die emigrierte deutsche Partei entbrannte in der Flamme der Vaterlandsliebe, und da das deutsche Vaterland nicht aufgehört hatte, faschistisch zu sein, kam heraus, dass die deutsche kommunistische Partei – sozialfaschistisch war. Endlich war die Zeit gekommen, da Stalins Theorie des Sozialfaschismus Fleisch und Blut annahm.

Auf den ersten Blick schien das Betragen der französischen und englischen Sektionen der kommunistischen Internationale diametral entgegengesetzt. Zum Unterschied von den Deutschen waren sie gezwungen, ihre eigene Regierung anzugreifen. Aber dieser plötzliche Defätismus war kein Internationalismus. sondern eine entstellte Abart des Patriotismus – diese Herrschaften betrachten als ihr Vaterland den Kreml, von dem ihre Wohlfahrt abhängt. Viele französische Stalinisten benahmen sich unter der Verfolgung zweifellos mutig. Aber der politische Inhalt dieses Mutes wurde durch ihre Beschönigung der Raubpolitik des feindlichen Lagers beschmutzt. Was mussten die französischen Arbeiter davon denken? Revolutionäre Internationalisten sind von der Reaktion immer als Agenten des feindlichen Auslands dargestellt worden. Die Komintern schuf für ihre französischen und englischen Sektionen eine Situation, die die Gründe für solch eine Anklage lieferte und dadurch die Arbeiter notwendig ins patriotische Lager trieb oder sie zur Verwirrung und Passivität verurteilte.

Die Politik des Kreml ist einfach: er verkaufte Hitler die Komintern zusammen mit Petroleum und Mangan. Aber die hündische Servilität, mit der diese Leute sich verkaufen ließen, bezeugt unweigerlich die innere Korruption der Komintern. Weder Prinzipien noch Ehre, noch Gewissen sind den Agenten des Kreml geblieben – nur ein biegsames Rückgrat. Aber Leute mit biegsamem Rückgrat haben noch nie eine Revolution geführt.

Stalins Freundschaft mit Hitler wird nicht ewig dauern, nicht einmal irgendwie lange. Ehe unser Manifest zu den Massen gelangt, mag die Außenpolitik des Krem! eine neue Wendung gemacht haben. In diesem Falle würde sich auch der Charakter der Propaganda der Komintern ändern. Wenn der Kreml sich den Demokratien nähert, wird die Komintern aus ihren Lagerhäusern wieder mal das Braunbuch der nationalsozialistischen Verbrechen ausgraben. Aber das bedeutet nicht, dass ihre Propaganda einen revolutionären Charakter annehmen wird. Unter wechselnden Etiketten wird sie genau so servil wie vorher bleiben. Revolutionäre Politik erfordert vor allem, den Massen die Wahrheit zu sagen. Aber die Komintern lügt systematisch. Wir wenden uns an die Werktätigen der Welt und rufen ihnen zu: Glaubt den Lügnern nicht!

Sozialdemokraten, Stalinisten und die Kolonien.

Parteien, die mit den Ausbeutern verbunden und an Vorrechten interessiert sind, sind organisch unfähig, eine ehrliche Politik gegen die ausgebeutetsten Schichten der Arbeiter und der unterdrückten Völker zu führen. Daher offenbart sich die wahre Physiognomie der Zweiten und der Dritten Internationale mit besonderer Klarheit in ihrer Haltung gegen die Kolonien.

Als Anwalt der Sklavenhalter und Teilhaber an den Sklavereiprofiten hat die Zweite Internationale keine eignen Sektionen in den Kolonien, wenn wir von gelegentlichen Gruppen kolonialer Funktionäre, vorwiegend französische Freimaurer, und von „linken" Karrieristen im Allgemeinen absehen, die der eingeborenen Bevölkerung auf dem Rücken sitzen. Indem sie nützlicherweise auf den unpatriotischen Gedanken, die Kolonialbevölkerung gegen das „demokratische Vaterland" aufzustacheln, verzichtet hat, erwarb sich die Zweite Internationale das Vorrecht, der Bourgeoisie die Minister für die Kolonien, d. h. die Sklavenaufseher, zu stellen (Sidney Webb. Marius Moutet. und andere).

Nach einer kurzen Periode hat die Dritte Internationale, die mit einem mutigen revolutionären Aufruf an alle unterdrückten Völker begann, sich in der Kolonialfrage ebenfalls vollkommen prostituiert. Als vor nicht gar so langer Zeit Moskau ein Bündnis mit den imperialistischen Demokratien ins Auge fasste, brachte die Komintern die Parolen der nationalen Emanzipation nicht nur für Abessinien, Albanien, sondern auch für Österreich vor. Aber für die Kolonien Englands und Frankreichs beschränkte sie sich bescheiden auf Wünsche nach „vernünftigen" Reformen. Zu der Zeit verteidigte die Komintern die Inder nicht gegen Großbritannien, sondern gegen mögliche Angriffe seitens Japans, und Tunis gegen die Fänge Mussolinis. Nun hat sich die Lage jäh geändert. Vollkommene Unabhängigkeit für Indien, Ägypten, Algier! – Dimitrow akzeptiert nichts darunter. Araber und Neger haben wieder einmal in Stalin ihren besten Freund gefunden, natürlich wenn man von Hitler und Mussolini absieht. Die deutsche Sektion der Komintern verteidigt mit der für diese Parasitenbande charakteristischen Unverschämtheit Polen und die Tschechoslowakei gegen die Anschläge des britischen Imperialismus. Diese Leute sind fähig und bereit zu allem! Sollte der Kreml sich wieder nach den westlichen Demokratien orientieren, so werden sie wieder London und Paris ehrfurchtsvoll ansuchen, ihren Kolonien doch liberale Reformen gewähren zu wollen.

Im Gegensatz zur Zweiten Internationale übt die Komintern dank ihrer großen Tradition fraglos einen Einfluss in den Kolonien aus. Aber ihre soziale Basis hat sich in Übereinstimmung mit ihrer politischen Entwicklung geändert. Gegenwärtig ruht die Komintern in kolonialen Ländern auf der Gesellschaftsschicht, die die traditionelle Basis der Zweiten Internationale in den „Mutterländern" bildet. Die Krumen, die von seinem Überprofit abfallen, haben es dem Imperialismus ermöglicht, in den kolonialen und halbkolonialen Ländern den Anschein einer eingeborenen Arbeiteraristokratie zu schaffen. Obwohl sie im Vergleich mit ihrem Urbild in „Mutterländern" unbedeutend ist, sticht sie aber auf dem Hintergrund allgemeiner Armut hervor und besteht hartnäckig auf ihren Privilegien. Die Arbeiterbürokratie und -aristokratie der kolonialen und halbkolonialen Länder liefert im Verein mit den Staatsfunktionären besonders serviles Material für die „Freunde" des Kreml. In Latein-Amerika ist einer der abstoßendsten Repräsentanten dieses Typus, der Mexikaner Rechtsanwalt Lombardo Toledano, den der Kreml zur Belohnung für seine vertraulichen Dienste zu der dekorativen Position des Präsidenten der lateinamerikanischen Gewerkschaftsföderation erhoben hat.

Indem der Krieg ihnen die Probleme des Klassenkampfes unmittelbar und unausweichlich stellt, schafft er für diese Gaukler und Wetterfahnen eine wachsend schwierige Position, welche echte Bolschewiki dazu ausnützen müssen, die Komintern aus den kolonialen Ländern für immer hinaus zu fegen.

Zentrismus und Anarchismus.

Da der Krieg alles Bestehende überprüft und alles Faule über den Haufen wirft, stellt der Krieg eine tödliche Gefahr für die überlebten Internationalen dar. Eine beträchtliche Sektion der Kominternbürokratie wird sich, besonders im Falle von Rückschlägen für die Sowjet-Union, unweigerlich dem eigenen imperialistischen Vaterland zuwenden. Die Arbeiter dagegen werden immer mehr nach links rücken. Unter solchen Umständen sind Spaltungen und Splitterungen unvermeidlich. Eine Reihe von Anzeichen weist auch auf die Möglichkeit hin, dass der „linke" Flügel der Zweiten Internationale sich abspaltet. Zentristische Gruppen von verschiedener Herkunft werden sich vereinigen, spalten, neue „Fronten", „Lager" und so weiter bilden. Unsere Epoche, wird sich aber erweisen, findet den Zentrismus unerträglich. Die erschütternde und tragische Rolle der POUM in der spanischen Revolution, der ernstesten und ehrlichsten der zentristischen Organisationen, wird dem fortgeschrittenen Proletariat als eine schreckliche Warnung im Gedächtnis bleiben.

Aber die Geschichte liebt Wiederholungen. Die Möglichkeit neuer Versuche, eine neue internationale Organisation der zweieinhalb Internationale oder diesmal einer dreieinviertel Internationale zu bilden, ist nicht ausgeschlossen. Solch ein Beginnen verdient nur als Widerspiegelung viel tiefer gehender Prozesse in den Arbeitermassen Beachtung. Aber es kann von vornherein mit Sicherheit gesagt werden, dass die zentristischen „Fronten", „Lager" und „Internationalen", die jeder theoretischen Grundlage, revolutionärer Traditionen oder eines ausgeführten Programmes entbehren, nur Eintagscharakter haben werden. Wir werden ihnen helfen, indem wir erbarmungslos ihre Unentschiedenheit und Halbheit kritisieren werden.

Diese Skizze des Bankrotts der alten Organisationen der Arbeiterklasse würde unvollkommen sein, wenn wir den Anarchismus nicht erwähnen würden. Sein Verfall stellt ein gänzlich unbestreitbares Phänomen unserer Epoche dar. Sogar vor dem ersten imperialistischen Krieg hatten es die französischen Anarchosyndikalisten dazu gebracht, die schlimmsten Opportunisten und die direkten Diener der Bourgeoisie zu werden. Im letzten Krieg traten die meisten Führer der Anarchisten in den verschiedenen Ländern als Patrioten auf. In der Hitze des Bürgerkriegs in Spanien nahmen die Anarchisten Posten als Minister der Bourgeoisie an. Die anarchistischen Phrasendrescher leugnen den Staat, solange er sie nicht braucht In der Stunde der Gefahr werden sie genau wie die Sozialdemokraten Agenten der Kapitalistenklasse.

Die Anarchisten traten in den jetzigen Krieg ohne Programm, ohne einen einzigen Gedanken und mit einem Banner, das durch den Verrat des spanischen Proletariats besudelt war. Sie sind heute unfähig, irgend etwas Anderes in die Arbeiterreihen zu bringen als patriotische Demoralisation, die mit humanitären Lamentationen gewürzt wird. Wenn wir mit den anarchistischen Arbeitern, die wirklich bereit sind, für die Klasseninteressen zu kämpfen auch Verbindung suchen, so verlangen wir doch gleichzeitig, dass sie vollkommen mit jenen Führern brechen, die in Krieg wie Revolution der Bourgeoisie als Botenjungen dienen.

Die Gewerkschaften und der Krieg.

Während die Magnaten des Monopolkapitalismus über den offiziellen Organen der Staatsmacht stehen und sie von ihren Höhen herab kontrollieren, drängen sich die opportunistischen Gewerkschaftsführer unten um den Fußschemel der Staatsmacht und schaffen ihr Unterstützung unter den Arbeitermassen. Es wäre unmöglich, diese schmutzige Dienstmädchenarbeit zu verrichten, solange in den Gewerkschaften eine Arbeiterdemokratie aufrechterhalten wird. Das Regime in den Gewerkschaften folgt dem Muster des Bourgeois-Staates und wird immer mehr autoritär. In Kriegszeiten wird die Gewerkschaftsbürokratie endgültig die Militärpolizei des Generalstabs in der Arbeiterklasse. Aber kein Dienst wird sie retten. Der Krieg bringt den heutigen reformistischen Gewerkschaften Tod und Zerstörung. Die Gewerkschaftler, die in der Blüte ihrer Jahre sind, werden für das Gemetzel mobilisiert. Sie werden durch Knaben. Frauen und alte Männer ersetzt, d. h. durch solche, die am wenigsten Widerstand leisten können. Alle Länder werden aus dem Krieg so ruiniert hervorgehen, dass der Lebensstandard der Arbeiter um hundert Jahre zurückgeworfen wird. Reformistische Gewerkschaften sind nur unter dem Regime der Bourgeois-Demokratie möglich. Aber die gänzlich verrottete Demokratie wird das erste sein, was im Krieg untergeht. Sie wird in ihren Sturz alle Arbeiterorganisationen mitreißen, die ihr als Stütze dienten. Es wird kein Platz für reformistische Gewerkschaften bleiben. Die kapitalistische Reaktion wird sie unbarmherzig zerstören. Man muss die Arbeiter davor sofort und so laut warnen, dass es jeder hört.

Eine neue Epoche erfordert neue Methoden. Neue Methoden erfordern neue Führer. Die Gewerkschaften können nur auf diese Weise gerettet werden; indem sie in kämpfende Organisationen umgewandelt werden, die sich den Sieg über die kapitalistische Anarchie und das imperialistische Banditentum zum Ziele setzen. Die Gewerkschaften werden eine überragende Rolle im Aufbau der sozialistischen Wirtschaft spielen, aber die Vorbedingungen dafür ist der Sturz der Kapitalistenklasse und die Vergesellschaftung der Produktionsmittel. Die Gewerkschaften können nur dann dem Schicksal, unter den Trümmern des Krieges begraben zu werden, entrinnen, wenn sie den Weg zur sozialistischen Revolution einschlagen.

Die Vierte Internationale schwimmt gegen den Strom.

Die proletarische Vorhut ist der unversöhnliche Feind des imperialistischen Krieges. Aber sie fürchtet diesen Krieg nicht. Sie nimmt den Kampf in der Arena an, die der Klassenfeind gewählt hat. Sie tritt in diese Arena mit fliegenden Bannern.

Die Vierte Internationale ist die einzige Organisation, die den allgemeinen Lauf der Ereignisse vorausgesagt hat, die die Unvermeidlichkeit einer neuen imperialistischen Katastrophe voraussah, die den pazifistischen Betrug der bürgerlichen Demokraten und der kleinbürgerlichen Abenteurer der Stalin-Schule bloßgestellt hat, die gegen die Politik der Klassenzusammenarbeit, „Volksfront" genannt, kämpfte, die die verräterische Rolle der Komintern und der Anarchisten in Spanien anprangerte, die die zentristischen Illusionen der POUM unversöhnlich kritisiert, die ihre Kader unaufhörlich im Geiste des revolutionären Klassenkampfes gestählt hat. Unsere Politik im Kriege ist nur eine konzentrierte Fortsetzung unserer Politik im Frieden.

Die Vierte Internationale baut ihr Programm auf das granitene Fundament des Marxismus. Sie verwirft den verächtlichen Eklektizismus, der jetzt in der offiziellen Arbeiterbürokratie der verschiedenen Lager herrscht, und der sehr häufig die Kapitulation vor der Bourgeois-Demokratie bemänteln soll. Unser Programm ist in einer Reihe von Dokumenten formuliert, die jedem zugänglich sind. Sein Kern kann in zwei Worten ausgedrückt werden: Diktatur des Proletariats.

Der Bolschewismus unsere Grundlage.

Die Vierte Internationale steht mit beiden Füßen auf der Grundlage der revolutionären Tradition des Bolschewismus und seiner organisatorischen Methoden. Mögen die kleinbürgerlichen Radikalen gegen den Zentralismus heulen. Ein Arbeiter, der, wenn auch nur ein Mal, an einem Streik teilgenommen hat, weiß, dass ohne Disziplin und feste Führung kein Kampf möglich ist. Unsere ganze Epoche ist vom Geiste der Zentralisierung durchdrungen. Der Monopolkapitalismus hat die wirtschaftliche Zentralisation zur äußersten Grenze getrieben. Die Zentralisierung des Staates hat in der Verkleidung des Faschismus totalitären Charakter angenommen. Die Demokraten versuchen immer mehr diesem Muster nachzueifern. Die Gewerkschaftsbürokratie verteidigt erbarmungslos ihre machtvolle Maschine. Die Zweite und die Dritte Internationale nutzen den Staatsapparat in ihrem Kampf gegen die Revolution unverschämt aus. Unter diesen Umständen ist die elementare Gewähr für einen Erfolg nur, dass der revolutionäre Zentralismus dem der Reaktion entgegengestellt wird. Es ist unerlässlich, eine Organisation der proletarischen Vorhut durch eiserne Disziplin zusammenzuschweißen, eine echte Auswahl gehärteter Revolutionäre zu schaffen, die zur Selbstaufopferung bereit und von einem unüberwindlichen Siegeswillen beseelt sind. Die Offensive systematisch und peinlichst vorzubereiten und im entscheidenden Moment die ganze Kraft der Klasse ohne Schwanken auf das Schlachtfeld zu werfen – das kann nur eine zentralisierte Partei, die selbst nicht schwankt, die Arbeiter lehren.

Flache Skeptiker vergnügen sich daran, auf die Degeneration des bolschewistischen Zentralismus in den Bürokratismus hinzuweisen. Als ob der ganze Verlauf der Geschichte von dem Bau einer Partei abhinge! In Wahrheit ist es das Schicksal der Partei, das von dem Verlauf des Klassenkampfes abhängt. Jedenfalls aber war die bolschewistische Partei die einzige, die durch die Tat ihre Fähigkeit bewies, die proletarische Revolution durchzuführen Gerade so eine Partei ist es, die das internationale Proletariat heute brauchte. Wenn das Bourgeois-Regime ungestraft aus dem Krieg hervorginge, würde jede revolutionäre Partei degenerieren. Wenn die proletarische Revolution siegt, werden jene Umstände, die die Degeneration erzeugen, verschwinden.

Bei den Bedingungen einer siegreichen Reaktion, einer Massenenttäuschung und Massenermüdung, in einer politischen Atmosphäre, die von der bösartigen Zersetzung der traditionellen Arbeiterorganisationen vergiftet wird, inmitten all der sich aufhäufenden Schwierigkeiten und Hindernisse, konnte die Entwicklung der Vierten Internationale notwendigerweise nur langsam voranschreiten. Mehr als ein Mal sind isolierte und auf den ersten Blick viel weitgreifender und vielversprechender erscheinende Versuche, den linken Flügel zu vereinigen, von den Zentristen unternommen worden, die unsere Bemühungen geringschätzig betrachteten. Alle diese anspruchsvollen Versuche zerfielen jedoch in Staub, sogar noch ehe die Massen eine Möglichkeit hatten, sich ihre Namen einzuprägen. Nur die Vierte Internationale fährt mit Hartnäckigkeit, Ausdauer und wachsenden Erfolgen fort, gegen den Strom zu schwimmen.

Wir haben die Probe bestanden!

Was eine echte revolutionäre Organisation charakterisiert, ist vor allem der Ernst, mit dem sie ihre politische Linie ausarbeitet und an jeder neuen Wende der Ereignisse prüft. Der Zentralismus wird durch die Demokratie fruchtbar gemacht. Im Feuer des Krieges diskutieren unsere Sektionen leidenschaftlich alle Fragen proletarischer Politik, prüfen die Methoden und streifen im Vorbeigehen jene unbeständigen Elemente ab, die sich uns nur wegen ihrer Opposition zu der Zweiten und Dritten Internationale anschlössen. Trennung von unzuverlässigen Mitläufern sind unvermeidliche Unkosten bei der Bildung einer echten revolutionären Partei.

Die überwältigende Mehrheit unserer Genossen in den verschiedenen Ländern haben die erste Probe des Krieges bestanden. Diese Tatsache ist für die Zukunft der Vierten Internationale von unschätzbarer Bedeutung. Jedes Mitglied unserer Organisation hat nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, sich von nun an als Offizier in der Revolutionsarmee zu betrachten, die in der Flamme der Ereignisse geschaffen werden wird. Sobald die Massen auf dem revolutionären Kampfplatz erscheinen, wird sich die Bedeutungslosigkeit der opportunistischen, pazifistischen und zentristischen Programme herausstellen. Ein einziger wirklicher Revolutionär in einer Fabrik, einem Bergwerk, einer Gewerkschaft, einem Regiment, einem Kriegsschiff ist unendlich mehr wert als hunderte kleinbürgerliche Pseudorevolutionäre, die in ihrem eigenen Safte schmoren.

Die Politiker der Großbourgeoisie sind viel besser über die Rolle der Vierten Internationale unterrichtet als unsere kleinbürgerlichen Pedanten. Am Vorabend des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen waren der französische Gesandte Coulondre und Hitler, die bei ihrer Unterredung einander mit den Folgen des Krieges Schrecken einjagen wollten, sich beide darüber einig, dass der „einzige wirkliche Sieger" die Vierte Internationale sein würde. Als die Feindseligkeiten gegen Polen begangen, brachte die Presse in Frankreich, Dänemark und anderen Ländern Meldungen, dass in den Arbeitervierteln Berlins an den Wänden Aufschriften erschienen: „Nieder mit Stalin, hoch Trotzki!" Das bedeutet: nieder mit der Dritten Internationale, hoch die Vierte Internationale! Als in Prag die entschlosseneren Arbeiter und Studenten am Unabhängigkeitstage eine Demonstration organisierten, gab der „Protektor" Baron Neurath eine amtliche Erklärung heraus, welche die tschechischen „Trotzkisten" für diese Demonstration verantwortlich machte. Die Prager Korrespondenz, in der von Beneš, dem früheren Präsidenten der tschechoslowakischen Republik, herausgegebenen Zeitung, bestätigt die Tatsache, dass die tschechischen Arbeiter „Trotzkisten" werden. Bisher sind all dies nur Symptome. Aber sie zeigen unmissverständlich die Richtung der Entwicklung an. Die neue Generation der Arbeiter, die der Krieg auf die Bahn der Revolution stoßen wird, wird sich unter unser Banner stellen.

Die Bedingungen für die Revolution sind da.

Die Grundbedingungen für den Sieg der proletarischen Revolution sind von der historischen Erfahrung festgestellt und theoretisch geklärt worden. 1. Die bürgerliche Ausweglosigkeit und die daraus folgende Verwirrung der herrschenden Klasse; 2. Die starke Unzufriedenheit und das Streben nach entscheidenden Änderungen in den Reihen des Kleinbürgertums, ohne dessen Unterstützung sich die Großbourgeoisie nicht behaupten kann; 3. Das Bewusstsein der unhaltbaren Lage und die Bereitschaft für die revolutionäre Aktion in den Reihen des Proletariats; 4. Ein klares Programm und eine feste Führung der proletarischen Vorhut – dies sind die vier Bedingungen für den Sieg der proletarischen Revolution. Der Hauptgrund für die Niederlage vieler Revolutionen ist darin zu suchen, dass diese vier Bedingungen selten den nötigen Grad der Reife zu ein und derselben Zeit erreichen. In der Geschichte ist der Krieg nicht selten der Vater der Revolution gewesen, gerade weil er die überalterten Regierungsformen bis zum Fundament erschüttert, die herrschende Klasse schwächt und das Wachstum der revolutionären Empörung in der unterdrückten Klasse beschleunigt. Schon kann sich die Bourgeoisie nicht zurechtfinden, schon ist die Unruhe und das Missvergnügen der Volksmassen heftig, nicht nur in den kriegführenden, sondern auch in den neutralen Ländern; diese Erscheinungen werden sich mit jedem Monat, den der Krieg dauert, verstärken. Zwar hat das Proletariat in den letzten zwanzig Jahren eine Niederlage nach der andern erlitten, jede schwerer als die vorhergehende, war von den alten Parteien enttäuscht und wurde vom Krieg zweifellos in niedergedrückter Stimmung getroffen. Man sollte indessen die Stabilität oder Dauer solcher Stimmungen nicht überschätzen. Die Ereignisse schufen sie, die Ereignisse werden sie vertreiben.

Krieg wie Revolution wird zuerst und vor allem von der jüngeren Generation gemacht. Millionen junger Leute, die zur Industrie keinen Zutritt finden konnten, begannen ihr Leben als Arbeitslose und blieben daher außerhalb des politischen Lebens. Heute finden sie ihren Platz oder sie werden ihn morgen finden: der Staat organisiert sie in Regimenter und eröffnet gerade dadurch die Möglichkeit ihrer revolutionären Vereinigung. Ohne Zweifel wird der Krieg auch die älteren Generationen aus ihrer Apathie aufrütteln.

Das Problem der Arbeiterführung.

Es bleibt die Frage der Führung. Wird nicht die Revolution auch diesmal verraten werden, da es ja zwei Internationalen im Dienste des Imperialismus gibt, während die echten revolutionären Elemente nur eine winzige Minorität darstellen, mit anderen Worten: werden wir noch rechtzeitig eine Partei vorbereiten können, die fähig ist, die proletarische Revolution zu führen? Um diese Frage richtig beantworten zu können, muss sie richtig gestellt werden. Natürlich kann und wird dieser oder jener Aufstand dank der Unreife der revolutionären Führung mit einer Niederlage enden. Aber es handelt sich nicht um einen einzigen Aufstand. Es handelt sich um eine ganze revolutionäre Epoche.

Die kapitalistische Welt hat keinen Ausweg, wenn nicht ein verlängerter Todeskampf als solcher betrachtet werden soll. Man muss sich auf viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, von Krieg, Aufständen, kurzen Zwischenspielen des Waffenstillstandes, neuen Kriegen und neuen Aufständen gefasst machen. Eine junge revolutionäre Partei muss sich auf diese Perspektive gründen. Die Geschichte wird sie mit genügend Gelegenheiten und Möglichkeiten versorgen, sich zu erproben, Erfahrungen zu sammeln und zu reifen. Je schneller die Reihen der Vorhut sich verschmelzen, desto kürzer wird die Epoche der blutigen Krämpfe sein, desto weniger Zerstörung wird unser Planet erleiden. Aber die große historische Aufgabe wird jedenfalls nicht, gelöst werden, ehe eine revolutionäre Partei an der Spitze des Proletariats steht. Die Frage der Tempi und Zwischenpausen ist von ungeheurer Bedeutung; aber sie ändert weder die allgemeine historische Perspektive noch die Richtung unserer Politik. Die Folgerung ist einfach: die Arbeit der Erziehung und Organisierung der proletarischen Vorhut muss mit verzehnfachter Energie fortgeführt werden. Gerade darin liegt die Aufgabe der Vierten Internationale.

Den größten Irrtum begehen diejenigen, die pessimistische Schlüsse zu rechtfertigen suchen und einfach auf die traurigen Folgen des letzten Krieges hinweisen. Erstens gebar der Krieg die Oktoberrevolution, von deren Lehren die Arbeiterbewegung der ganzen Welt zehrt. Zweitens sind die Bedingungen des jetzigen Krieges gründlich von denen im Jahre 1914 verschieden. Die ökonomische Lage der imperialistischen Staaten, einschließlich der Vereinigten Staaten, ist heute unendlich schlimmer und die zerstörende Kraft des Krieges unendlich größer als vor einem Vierteljahrhundert. Wir haben daher genügend Grund, diesmal eine schnellere und viel entschiedenere Reaktion seitens der Arbeiter und der Armee zu erwarten.

Die Erfahrungen des ersten Krieges gingen nicht vorüber, ohne einen tiefen Eindruck auf die Massen zu hinterlassen. Die Zweite Internationale zog ihre Stärke aus den beinahe noch unberührten demokratischen und pazifistischen Illusionen der Massen. Die Arbeiter hofften ernstlich, dass der Krieg von 1914 der letzte Krieg sein würde. Die Soldaten ließen sich töten, um ihren Kindern ein neues Gemetzel zu ersparen. Nur dank dieser Hoffnung hatten Menschen den Krieg mehr als vier Jahre ertragen können. Heute ist fast nichts von den demokratischen und pazifistischen Illusionen zurückgeblieben. Die Völker erleiden den jetzigen Krieg, ohne an ihn noch zu glauben, ohne mehr als neue Ketten von ihm zu erwarten. Dies trifft auch auf die totalitären Staaten zu. Die ältere Generation der Arbeiter, die die Last des ersten imperialistischen Krieges getragen und seine Lehren nicht vergessen hat, ist noch lange nicht vom Kampfplatz ausgeschaltet. Der nächstältesten Generation, die im Kriege zur Schule ging, klingen noch immer die verlogenen Parolen des Patriotismus und Pazifismus in den Ohren. Die unschätzbare politische Erfahrung dieser Schichten, die jetzt vom Gewicht der Kriegsmaschine nieder gepresst werden, wird sich in voller Kraft zeigen, wenn der Krieg die Werktätigen zwingt, offen gegen ihre Regierungen hervorzutreten.

Unsere Thesen „Der Krieg und die Vierte Internationale (1934) sagen: „Die Bloßstellung der äußerst reaktionären, degenerierten und mörderischen Natur des modernen Kapitalismus, der Zusammenbruch der Demokratie, des Reformismus und Pazifismus, das unaufschiebbare und brennende Bedürfnis des Proletariats, einen rettenden Ausweg aus dem unentrinnbaren Ruin zu finden, setzt die Weltrevolution mit neuer Kraft auf die Tagesordnung."

Heute handelt es sich nicht mehr wie im neunzehnten Jahrhundert darum, einfach eine schnellere und gesündere Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens zu sichern: heute geht es darum, die Menschheit vom Selbstmord zu retten. Es ist gerade die Zugespitztheit des historischen Problems, die den opportunistischen Parteien den Boden unter den Füßen wegzieht. Die Partei der Revolution dagegen findet eine Quelle unerschöpflicher Kraft in dem Bewusstsein. dass sie eine unerbittliche, historische Notwendigkeit ausführt.

Ferner darf man die jetzige revolutionäre Vorhut nicht mit jenen isolierten Internationalisten, die beim Ausbruch des letzten Krieges ihre Stimme erhoben, auf die gleiche Stufe stellen. Nur die russische Partei der Bolschewiki stellte zu jener Zeit eine revolutionäre Kraft dar. Aber sogar sie erwies sich in ihrer überwältigenden Mehrheit mit Ausnahme einer kleinen Emigrantengruppe um Lenin, unfähig, ihre nationale Begrenztheit abzustreifen und sich zu der Perspektive der Weltrevolution zu erheben.

Die Vierte Internationale ist, was die Zahlen anlangt, besonders aber die Vorbereitung, unendlich im Vorteil gegenüber ihren Vorläufern am Anfang des letzten Krieges. Die Vierte Internationale ist der direkte Erbe des Bolschewismus in seiner Blüte. Die Vierte Internationale hat die Tradition der Oktoberrevolution in sich aufgenommen und die Erfahrungen der reichsten historischen Periode zwischen den beiden imperialistischen Kriegen in Theorie umgestaltet. Sie hat Glauben an sich und ihre Zukunft.

Der Krieg – vergessen wir das nicht – beschleunigt ungeheuer die politische Entwicklung. Jene großen Aufgaben, die gestern noch viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte entfernt schienen, können in den nächsten zwei oder drei Jahren und sogar früher, direkt vor uns auftauchen. Programme, die auf gewohnte Friedenszeitbedingungen gebaut sind, werden unvermeidlich in der Luft hängen bleiben. Andererseits werden das Programm und die Übergangsforderungen der Vierten Internationale, die kurzsichtigen Politikern „unrealistisch" erschienen, ihre volle Bedeutung im Prozess der Mobilisierung der Massen für die Eroberung der Staatsmacht offenbaren.

Am Anfang der neuen Revolution werden die Opportunisten wieder einmal wie vor einem Vierteljahrhundert suchen, den Arbeitern die Idee einzuimpfen, dass es unmöglich sei, den Sozialismus auf Ruinen und Verwüstung aufzubauen. Als ob das Proletariat die Wahl hat! Man muss auf den Grundlagen bauen, die die Geschichte uns gibt. Die russische Revolution hat gezeigt, dass die Arbeiterherrschaft sogar ein sehr rückständiges Land aus tiefster Armut erheben kann. Um so größer sind die Wunder, die das Proletariat der fortgeschrittenen Länder vollbringen könnte. Der Krieg zerstört Bauten, Eisenbahnen, Fabriken, Bergwerke; aber er kann nicht die Technik, die Wissenschaft, die Fertigkeiten umbringen. Nachdem es seinen eigenen Staat geschaffen, seine eigenen Reihen richtig organisiert, die qualifizierten Kräfte, die das Bourgeois-Regime ihm nachgelassen hat, in die Arbeit hineingezogen und die Produktion nach einem einheitlichen Plan organisiert hat, wird das Proletariat nicht nur in wenigen Jahren alles wiederherstellen, was der Krieg zerstörte, sondern wird auf der Grundlage der Solidarität auch die Bedingungen für die größte Blüte der Kultur schaffen.

Was ist jetzt zu tun?

Dieses Manifest wird von der Notkonferenz der Vierten Internationale in einem Augenblick angenommen, wenn die deutschen Armeen, nachdem sie Holland und Belgien überwältigt und den anfänglichen Widerstand der alliierten Truppen zerschmettert haben, sich wie eine Springflut von Feuer nach Paris und dem Kanal zu wälzen. In Berlin beeilt man sich schon, den Sieg zu feiern. Im Lager der Alliierten grenzt die Bestürzung an Panik. Wir haben hier weder die Möglichkeit noch das Bedürfnis, uns in strategische Spekulationen über die nächsten Stadien des Krieges einzulassen. Auf jeden Fall aber drückt Hitlers gewaltiges Übergewicht der politischen Physiognomie der ganzen Welt ihren Stempel auf.

Aber muss denn nicht die Arbeiterklasse in der gegenwärtigen Lage den Demokratien im Kampfe gegen den deutschen Faschismus zu Hilfe kommen!" So wird von weiten kleinbürgerlichen Kreisen, für die das Proletariat immer nur ein Hilfsinstrument dieser oder jener Fraktion der Bourgeoisie bleibt, die Frage gestellt. Wir lehnen diese Politik mit Entrüstung ab Natürlich besteht ein Unterschied zwischen den politischen Regierungsformen in der bürgerlichen Gesellschaft, genau wie einer im Komfort zwischen den verschiedenen Wagenklassen eines Zuges besteht. Aber wenn der ganze Zug in einen Abgrund stürzt, verschwindet die Unterscheidung zwischen der Verfallsdemokratie und dem Faschismus angesichts des Zusammenbruches des ganzen kapitalistischen Systems.

Durch seine Siege und Bestialitäten ruft Hitler natürlich den bitteren Hass der Arbeiter der ganzen Welt hervor. Aber zwischen diesem berechtigten Hass der Arbeiter und der Hilfeleistung an seine schwächeren, aber nicht weniger reaktionären Feinde klafft eine unüberbrückbare Kluft. Der Sieg der Imperialisten Großbritanniens und Frankreichs würde letztlich für das Schicksal der Menschheit nicht weniger schrecklich sein als der Hitlers und Mussolinis. Die Bourgeois-Demokratie kann nicht gerettet werden. Wenn die Arbeiter ihrer Bourgeoisie gegen den auswärtigen Faschismus helfen, beschleunigen sie nur den Sieg des Faschismus im eigenen Lande. Die Aufgabe, die die Geschichte stellt, ist nicht, einen Teil des imperialistischen Systems gegen den andern zu stützen, sondern dem System als Ganzem ein Ende zu bereiten.

Die Arbeiter müssen das Kriegshandwerk erlernen.

Die Militarisierung der Masse wird jeden Tag verstärkt. Wir weisen die groteske Anpassung zurück, dass diese Militarisierung durch leere pazifistische Proteste abgeschafft werden könnte. Alle großen Fragen werden in der nächsten Epoche mit der Waffe in der Hand entschieden werden. Die Arbeiter dürfen Waffen nicht fürchten; sie müssen im Gegenteil lernen, sie zu gebrauchen. Revolutionäre sondern sich ebenso wenig im Krieg wie im Frieden vom Volke ab. Ein Bolschewik sucht nicht nur der beste Gewerkschaftler, sondern auch der beste Soldat zu werden.

Wir wollen der Bourgeoisie nicht erlauben, unabgerichtete oder nur halb ausgebildete Soldaten im letzten Moment auf das Schlachtfeld zu treiben. Wir verlangen, dass der Staat sofort Arbeitern und Arbeitslosen die Möglichkeit gibt, zu erlernen, wie die Flinte, die Handgranate, das Maschinengewehr, die Kanone, das Flugzeug, das Unterseeboot und die andern Instrumente des Krieges gehandhabt werden. Wir brauchen besondere Militärschulen in enger Verbindung mit den Gewerkschaften, so dass die Arbeiter qualifizierte Spezialisten im Kriegshandwerk werden können und im Stande sind, Kommandoposten einzunehmen.

Dies ist nicht unser Krieg!

Zur gleichen Zeit vergessen wir nicht für einen Augenblick, dass das nicht unser Krieg ist. Zum Unterschied von der Zweiten und Dritten Internationale baut die Vierte Internationale ihre Politik nicht auf das Kriegsglück der kapitalistischen Staaten, sondern auf die Verwandlung des imperialistischen Krieges in den Krieg der Arbeiter gegen die Kapitalisten, auf den Sturz der herrschenden Klasse in allen Ländern, auf die sozialistische Weltrevolution. Die Verschiebungen in den Schlachtlinien an der Front, die Zerstörung von Hauptstädten, die Besetzung von Territorien, der Untergang einzelner Staaten stellen von diesem Standpunkt aus nur tragische Episoden auf dem Weg zum Umbau der modernen Gesellschaft vor.

Wir erfüllen unabhängig vom Verlaufe des Krieges unsere Grundaufgabe; wir erklären den Arbeitern die Unversöhnlichkeit zwischen ihren Interessen und denen des blutdürstigen Kapitalismus; wir mobilisieren die Werktätigen gegen den Imperialismus; wir propagieren die Vereinigung der Arbeiter in allen kriegführenden und neutralen Ländern; wir rufen die Arbeiter und Soldaten innerhalb jedes Landes und die Soldaten auf beiden Seiten der Schlachtlinie zur Verbrüderung auf; wir mobilisieren die Frauen und die Jugend gegen den Krieg; wir betreiben eine beständige, ausdauernde, unermüdliche Vorbereitung der Revolution – in den Fabriken, in den Betrieben, in den Dörfern, in den Baracken, an der Front und bei der Flotte.

Dies ist unser Programm. Proletarier aller Länder, es gibt keinen andern Ausweg als den, sich unter dem Banner der Vierten Internationale zu vereinigen!

Kommentare