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Leo Trotzki 19300901 Brief an die »Oktober-Gesellschaft«

Leo Trotzki: Brief an die »Oktober-Gesellschaft«

[Nach Schriften 2.2, Hamburg 1990, S. 685 f., dort mit Fußnoten]

Liebe Genossen!

Ihren Brief (d. h. den Brief der »Oktober-Gesellschaft«) vom 27. Juli habe ich erhalten. Ich antworte Ihnen darauf sehr kurz, weil sich gleichzeitig das Büro der Internationalen Linken Opposition in einem besonderen Manifest zur Lage in China äußern will. Hier möchte ich nur kurz wiederholen, was ich den anderen Gruppen schon geschrieben habe.

1. Das Internationale Büro hat keine Position für eine der chinesischen Gruppen der Linken Opposition und gegen eine andere bezogen. Das erklärt sich daraus, dass die Unterlagen, über die wir verfügen, nicht die Existenz irgendwelcher ernsthafter Meinungsverschiedenheiten bezeugen, die eine Spaltung rechtfertigen.

2. Deshalb kann sich keine der chinesischen linksoppositionellen Gruppen, im Unterschied zu anderen Gruppen, als Vertreterin der Internationalen Linken Opposition betrachten.

3. Das bezieht sich auch auf die Gruppe des Genossen Chen Duxiu. Kürzlich erhielten wir den offenen Brief des Genossen Chen Duxiu vom 10. Dezember vergangenen Jahres in englischer Sprache. In diesem Brief vertritt er in allen wesentlichen Fragen eine Position, die mit unserer allgemeinen Position völlig übereinstimmt. Ich sehe deshalb keinen Grund, warum einige chinesische Genossen die Gruppe des Genossen Chen Duxiu weiterhin als eine »rechte« bezeichnen. Keine der Gruppen hat uns irgendwelche Fakten oder Dokumente mitgeteilt, die diese Beurteilung bestätigt hätten.

4. Deshalb halten wir es für notwendig, einen offenen und ehrlichen Versuch zur Vereinigung aller vier Gruppen der Linken Opposition auf einer gemeinsamen prinzipiellen Grundlage zu unternehmen. Das Internationale Büro wird sich in den nächsten Tagen an alle vier Gruppen mit dem Vorschlag wenden, eine Verständigungskommission zu bilden, die die Hauptthesen einer Plattform und die organisatorischen Verfahren der Vereinigung ausarbeitet.

5. Zur Frage der Nationalversammlung habe ich mich bereits in einem Aufsatz geäußert. Einige chinesische Genossen wollen bei dieser Frage jedes Haar in vier Teile spalten. Wenn in dieser Frage, wie auch in anderen Fragen, tatsächlich irgendwelche prinzipiellen Meinungsverschiedenheiten existieren (was ich persönlich keineswegs glaube), dann müssten sie bei der Ausarbeitung der Thesen für die Plattform zutage treten. Nach Erhalt der verschiedenen Formulierungen kann dann das Internationale Büro beurteilen, wie gravierend die Meinungsverschiedenheiten tatsächlich sind. Wir hoffen jedoch fest, dass wir nicht konkurrierende Formulierungen, sondern einen gemeinsamen Text erhalten, auf dessen Basis sich dann auch die Vereinigung der gesamten chinesischen linken kommunistischen Opposition vollziehen wird.

P. S. Ich schicke Ihnen diesen Brief in zwei Exemplaren; eines davon schicken Sie sogleich dem Genossen Chen Duxiu, dessen Adresse mir unbekannt ist.

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