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Leo Trotzki 19270801 Rede vor dem ZK- und ZKK-Plenum

Leo Trotzki: Rede vor dem ZK- und ZKK-Plenum

(Auszug)

[Nach Schriften 2.1, Hamburg 1990, S. 285-290, dort mit umfangreichen Fußnoten]

Wie lagen die Dinge in China?

Nehmen wir die taktische oder, richtiger, die strategische Linie in China im Ganzen. Die Guomindang ist die Partei der liberalen Bourgeoisie in der Revolution – die Partei der liberalen Bourgeoisie, in deren Händen die Führung der Arbeiter und Bauern liegt, die sie betrügt und verrät.

Auf Ihre Direktiven hin bleibt die Kommunistische Partei trotz allen Verrats in der Guomindang und unterwirft sich deren bourgeoiser Disziplin.

Die Guomindang insgesamt tritt der Komintern bei, deren Disziplin sie sich nicht unterwirft, deren Namen und Autorität sie vielmehr nur benutzt, um die chinesischen Arbeiter und Bauern zu betrügen.

Die Guomindang deckt die Gutsbesitzer-Generäle, die die Bauern-Soldaten in der Hand haben.

Moskau forderte – Ende Oktober vorigen Jahres! –, die Agrarrevolution nicht auszuweiten, um die Grundherren nicht zu verschrecken, die die Armee kommandieren. Die Armee wird so zu einer Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit für die Grundherren – die großen wie die kleinen.

Die Grundherren haben nichts dagegen einzuwenden, dass man ihre Kriegszüge als nationalrevolutionäre bezeichnet, solange die Macht und das Land in ihren Händen bleiben. Das Proletariat, das eine mächtige, junge revolutionäre Kraft darstellt, die keineswegs geringer ist als unser Proletariat im Jahre 1905, wird unter das Kommando der Guomindang gestellt.

Moskau gibt den chinesischen Liberalen den Rat: »Erlasst ein Gesetz, das nur die Organisation von Arbeitermilizen in geringstem Umfang zulässt« Das war im März 1927! Warum wurde der Führung geraten: »Ein Minimum an Waffen!«, warum wurde für die Arbeitermasse nicht die Losung ausgegeben: »Bewaffnet Euch!« Warum ein Minimum, nicht ein Maximum? Um die Bourgeoisie nicht »zu verschrecken«, um nicht einen Bürgerkrieg auszulösen. Aber der Bürgerkrieg ließ sich nicht vermeiden; er wurde noch weit schlimmer: er traf die Arbeiter unbewaffnet und ertränkte sie in ihrem Blut.

Moskau hat sich gegen die Organisation von Räten »im Rücken der Armee« ausgesprochen – als ob eine Revolution die Nachhut der Armee wäre –, um nicht eben den Generälen in den Rücken zu fallen, die zwei Tage später die Arbeiter und Bauern hinter sich massakrierten.

Haben wir die Bourgeoisie und die Gutsbesitzer dadurch gestärkt, dass wir die Kommunisten veranlassten, sich der Guomindang unterzuordnen und ihr mit der Autorität der Komintern Rückendeckung zu geben? Ja, das haben wir.

Haben wir die Bauern dadurch geschwächt, dass wir die Entwicklung der Agrarrevolution und der Räte gestoppt haben? Ja, das haben wir.

Haben wir die Arbeiter geschwächt mit der Losung, nein, nicht mit einer Losung, sondern mit der unterwürfigen Empfehlung an die bürgerliche Führung: »Ein Minimum an Waffen« und »Keine Räte«? Ja, das haben wir. Ist es da ein Wunder, dass wir eine Niederlage erlitten haben, wo wir doch alles darangesetzt haben, den Sieg zu erschweren?

Woroschilow hat die richtigste, gewissenhafteste und freimütigste Erklärung für diese ganze Politik gegeben: »Die Bauernrevolution«, sagt er, »hätte den Nordfeldzug der Generäle verhindern können«. Sie haben die Revolution im Interesse eines Feldzugs gebremst. Genauso hat Tschiang Kaischek die Sache gesehen. Eine Ausweitung der Revolution könnte ja den Feldzug des »nationalen« Generals erschweren. Aber die Revolution ist der wirkliche, der einzige Feldzug der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker. Um die Expedition eines Generals zu unterstützen, haben sie die Revolution behindert und vereitelt. Und eben darum hat sich der Feldzug des Generals in aller Härte nicht nur gegen die Arbeiter und Bauern gerichtet, sondern auch gegen die nationale Revolution.

Wenn wir der Kommunistischen Partei rechtzeitig völlige Selbständigkeit garantiert und ihr geholfen hätten, ihre eigene Presse aufzubauen und eine richtige Taktik zu entwickeln, wenn wir ihr die Losungen »Ein Maximum an Waffen für die Arbeiter« und »Ausweitung des Bauernkriegs auf dem Lande« empfohlen hätten – dann wäre die KP nicht nur täglich, sondern stündlich gewachsen, und ihre Kader wären im Feuer des revolutionären Kampfes gestählt worden. Die Räte-Losung hätte man seit den ersten Tagen der Massenbewegung ausgeben müssen. Man hätte überall, wo sich dazu auch nur die geringste Möglichkeit bot, die Bildung von Räten konkret in Angriff nehmen müssen. Auch hätte man die Soldaten in diese Räte aufnehmen müssen. Die Agrarrevolution hätte die pseudorevolutionäre Armee zerrüttet, gleichzeitig aber auch die konterrevolutionäre Armee des Feindes angesteckt. Nur auf dieser Basis – der Basis der Agrarrevolution und der Räte – hätte man allmählich eine wahrhaft revolutionäre, d. h. eine Arbeiter-und-Bauern-Armee aufbauen können.

Genossen! Wir haben hier nicht eine Rede des Volkskommissars für Armee und Marine, Woroschilow, sondern des Politbüromitglieds Woroschilow gehört. Ich sage: Diese Rede ist an sich schon eine Katastrophe. Sie wiegt soviel wie eine verlorene Schlacht.

Stimmen von den Plätzen der Opposition: Richtig!

Trotzki: Während des letzten EKKI-Plenums im Mai, als Sie Tschiang Kaischek endlich zum Lager der Reaktion zählten, auf Wang Jingwei und dann auf Tang Shengzhi setzten, schrieb ich in einem Brief an das EKKI, und zwar am 28. Mai: »Der Zusammenbruch dieser Politik ist absolut unvermeidlich.« Was war mein Alternativvorschlag? Ich zitiere wörtlich. Am 27. Mai schrieb ich:

»Das Plenum (hätte) gut daran getan, die Resolution Bucharins zurückzuweisen und durch eine Resolution von ein paar Zeilen zu ersetzen:

Die Bauern und Arbeiter dürfen den Führern der linken Guomindang keinen ( Hauben schenken, sie müssen vielmehr ihre Räte aufbauen und sich mit den Soldaten zusammenschließen.

Die Räte haben die Arbeiter und die fortschrittlichen Bauern zu bewaffnen.

Die Kommunistische Partei hat die Aufgabe, ihre völlige Selbständigkeit zu sichern, eine Tagespresse zu schaffen und die Führung beim Aufbau der Räte zu übernehmen.

Das Land der Gutsbesitzer ist unverzüglich zu enteignen.

Die reaktionäre Bürokratie muss unverzüglich ausgemerzt werden.

Mit den verräterischen Generälen und anderen Konterrevolutionären muss auf der Stelle abgerechnet werden.

Generell ist Kurs auf die Errichtung einer demokratischen Diktatur der Arbeiter- und Bauernräte zu nehmen.«

Und jetzt vergleichen Sie: »Kein Bürgerkrieg auf dem Land – verschreckt nicht unsere Weggefährten«, »verärgert nicht die Generäle«, »Ein Minimum an Waffen für die Arbeiter« usw. Und das nennt sich Bolschewismus! Unsere Position hingegen wird in den Thesen des Politbüros ... menschewistisch genannt. Sie haben alles auf den Kopf gestellt und sich fest vorgenommen, was weiß ist, schwarz zu nennen. Schlimm ist nur, dass der internationale Menschewismus von Berlin bis New York die China-Politik von Stalin und Bucharin billigt und sich in voller Kenntnis der Sachlage in der chinesischen Frage mit Ihrer politischen Linie solidarisiert.

Begreifen Sie doch: Es geht überhaupt nicht um den individuellen Verrat einzelner chinesischer Guomindang-Mitglieder, rechter oder linker chinesischer Feldherren, englischer Gewerkschafter, chinesischer oder englischer Kommunisten. Wenn man im Zug fährt, meint man immer, das Land bewege sich fort. Das Schlimme ist, dass Sie Hoffnungen auf Leute gesetzt haben, denen man nicht trauen kann. Sie haben die Bedeutung der revolutionären Erziehung der Massen unterschätzt, deren Prinzip es ist, gegenüber Reformisten, irgendwie »linken« Zentristen und anderen schwankenden Gestalten Misstrauen zu wecken. Ein Höchstmaß solchen Misstrauens ist die Kardinaltugend des Bolschewismus. Junge Parteien müssen das aber erst lernen. Sie aber haben im genau entgegengesetzten Sinn gehandelt und tun das auch weiterhin. Sie erfüllen die jungen Parteien mit Hoffnungen auf eine Linkswende der liberalen Bourgeoisie und der liberalen Labourpolitiker aus den Trade-Unions. Sie behindern die Erziehung der englischen und chinesischen Bolschewiki. Das ist die Quelle des »Verrats«, der Sie jedes Mal wieder überrascht.

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