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Leo Trotzki 19310612 Die Plattform der katalanischen Föderation

Leo Trotzki: Die Plattform der katalanischen Föderation

12. Juni 1931

[Nach Revolution und Bürgerkrieg in Spanien, S. 122-125]

Werte Genossen,

Ich habe gerade zum ersten Mal in La Lutte de classes die Plattform des sogenannten Arbeiter- und Bauernblocks – der Bezeichnung, unter der die Katalanische Föderation auftritt – gelesen. Ich meine, dass das Dokument gründlich und richtig in La lutte de classes übersetzt wurde. Das gesamte Dokument – von Anfang bis Ende – macht einen peinlichen Eindruck. Alles, was ich in meiner letzten Arbeit „Die spanische Revolution und die ihr drohenden Gefahren" gegen die offizielle Politik der Komintern in der spanischen Frage geschrieben habe, trifft auf die Katalanische Föderation zu. Ja, die Föderation begeht sogar Fehler, von denen sich die Führung der Komintern, zumindest in Worten, bereits losgesagt hat.

1. Das Dokument wird vom „Arbeiter- und Bauernblock" herausgegeben. Wer ist das? Ein Pseudonym für die Katalanische Föderation? Der Block, d.h. die Vereinigung von Arbeitern und Bauern, ist eine gewaltige politische Aufgabe, die von der proletarischen Avantgarde gelöst werden muss. Diese Aufgabe gehört in die Plattform hinein. Stattdessen wird der „Arbeiter- und Bauernblock" zur Bezeichnung der revolutionären Organisation. Das ist nichts anderes als eine Neuauflage der Arbeiter- und Bauernpartei. Doch selbst der VI. Kongress der Komintern hat sich von dieser reaktionären Vorstellung losgesagt – teilweise wegen der Kritik der Linken Opposition.

2. In allen ihren Dokumenten erscheint das Wort „Kommunismus" nicht ein einziges Mal. Wer seinen Kommunismus vor den Massen verbirgt, hört auf, ein Kommunist zu sein.

3. Sie sprechen von der demokratischen Revolution, der demokratischen Republik, der Volksrevolution, ohne den geringsten Versuch einer Klassenanalyse. Die Regierung wird der Unentschlossenheit, des Schwankens usw. bezichtigt. Aber nirgends wird sie als eine Regierung der Bourgeoisie, als Feind des Volkes bezeichnet. Ihre Kritik der Zamora-Regierung ist eine getreue Kopie der Kritik, die von den Menschewiki und den Sozialrevolutionären an der Regierung Kerenski-Fürst Lwow geübt wurde. Über die Macia-Regierung schweigen sie sich aus.

4. Das Dokument spricht von einem „vernünftigen Gesellschaftsaufbau", ohne zu erklären, was das bedeuten soll. Das ist die Sprache der „wahren" Sozialisten vor 1848. Weiterhin heißt es: „Die Republik muss das Zeichen für eine neue soziale Organisation geben." Welcher Art – für ein bürgerliches oder ein sozialistisches Regime? Die Plattform spielt mit Kapitalismus und Sozialismus Versteck.

5. Die Tatsache, dass man Alfonso Gelegenheit zu einer Flucht ins Ausland gegeben hatte, wird als der „erste schwere Fehler der Provisorischen Regierung" hingestellt. Fehler? Soll das heißen, dass Zamora bei seiner revolutionären Politik nicht „gescheit" genug ist? So haben die russischen Menschewiki die Frage gestellt. Bezeichnet man eine reiflich überlegte konterrevolutionäre Kalkulation seitens der Bourgeoisie als einen „Fehler", dann wäscht man die Bourgeoisie rein und deckt sie gegenüber den Massen.

6. „Die Republik muss nicht nur für die Bourgeoisie, sondern auch für die Arbeiter ein Sieg sein." Was bedeutet dieser wachsweiche, vulgär-demokratische und grundfalsche Satz? Wo und wann gab es eine Republik, die gleichzeitig den Interessen der Bourgeoisie und denen der Arbeiter entsprach? Von der republikanischen Bourgeoisie können und sollten wir demokratische Rechte und Sozialreformen verlangen; dabei aber müssen wir die bürgerliche, noch so erzdemokratische Republik unablässig als eine Maschine entlarven, die die Bourgeoisie benutzt, um Schweiß und Blut aus den Arbeitern und Bauern herauszupressen.

7. Der Hinweis auf die Republik von 1873 ist von folgender unglaublicher Belehrung begleitet: „So wurde eine völlige Trennung zwischen der Macht und der Bevölkerung geschaffen." Die Abstraktion der Bevölkerung ist von der Abstraktion der Macht getrennt. Vielleicht trennte sich die Bourgeoisie von der arbeitenden Bevölkerung? Es ist notwendig, auf das Beispiel von 1873 hinzuweisen, jedoch nicht in dem Sinne, die Bourgeoisie solle nachgiebiger, besser, großzügiger und sorgsamer werden, sondern um den Massen begreiflich zu machen, dass sie nicht einen Augenblick der „nachgiebigeren", „großzügigeren" und „sorgsameren" Bourgeoisie trauen dürfen. So gehen Marxisten an die Frage heran.

8. Die Plattform ruft die „arbeitenden Massen auf, sich in allen Provinzen auf der Basis revolutionärer Juntas zu organisieren." Zu welchem Zweck? Kein Programm ist angegeben. Es fehlt nicht nur jeder Hinweis, dass Juntas dieser Art den revolutionären Übergang der Macht in die Hände der Arbeiter und armen Bauern garantieren müssten, sondern es gibt dort auch kein Programm von Übergangsforderungen wie den Siebenstundentag, Arbeiterkontrolle der Produktion, Organisierung des Bauernaufstandes durch revolutionäre Arbeiter- und Soldatenjuntas. Sie erwähnen nicht einmal, dass die Junta eine Organisation des Proletariats und der ausgebeuteten Massen gegen die an der Macht befindlichen Klasse, d.h. gegen die Bourgeoisie ist. Die Junta wird als eine „revolutionäre Organisation" im Geiste der spanischen kleinbürgerlichen Tradition interpretiert.

9. Wenn die Plattform von der Bedeutung des Bauernaufstands spricht, erwähnt sie die Französische und die Russische Revolution. Kein Wort über die Erfahrungen mit der chinesischen Revolution, die gerade vor unseren Augen von der Führung der Komintern unterdrückt wurde. Fand die Komintern die richtige „Lösung" für die Agrarfrage in China? Darüber kein Wort. Ein Kommunist, der sich die Lehren der chinesischen Revolution nicht zunutze gemacht hat, hat kein Recht, sich an die Massen zu wenden, um sie zu belehren und an sie zu appellieren, besonders in einem mitten in einer Revolution befindlichen Lande.

10. In der Plattform heißt es: „Wir treten für einen Staat für jede Nation ein." Was bedeutet das für Spanien? Um welche Nationen handelt es sich? Die Staatsorganisation ganz Spaniens ist folgendermaßen definiert: „Die Union der Iberischen Republiken." Was heißt das? Wenn damit eine Föderation gemeint ist, sollte man es besser sagen.

11. „Die Verteidigung der Revolution muss oberstes Gesetz sein." Verteidigung gegen wen? Die an der Macht befindliche Bourgeoisie verteidigt ihre Revolution gegen das Proletariat. Wer diese Tatsache hinter leeren Phrasen über eine allgemeine Verteidigung der allgemeinen Revolution gegen allgemeine Feinde verbirgt, hilft der Bourgeoisie, das Proletariat unter der Fahne der Revolution zu ersticken.

12. Der „Arbeiter- und Bauernblock", d.h. die Arbeiter- und Bauernpartei, verspricht am Ende seiner Plattform, „mit allen seinen Kräften für die völlige Realisierung der demokratischen Revolution zu kämpfen." Bedeutet das die bürgerliche Republik auf der Grundlage des demokratischen Parlamentarismus? Dann sollte man es sagen; in diesem Falle jedoch muss man zum mindesten demokratische Wahlrechte fordern, denn bevor die „vernünftige" Republik und die „vernünftige Organisierung der Gesellschaft" auf der Iberischen Halbinsel realisiert werden kann, muss die bürgerliche Republik Zamoras den Arbeitern und Arbeiterinnen, den Bauern und Bäuerinnen zumindest das Stimmrecht geben.

13. Die Sozialistische Partei ist in der Plattform nicht erwähnt. Kein Wort wird über die Anarchosyndikalisten gesagt. Die offizielle Kommunistische Partei wird nicht erwähnt. Man könnte sagen, der „Arbeiter- und Bauernblock" ist bereit, in einem leeren Raum zu handeln.

Das sind unmittelbar sich ergebende Einwände, die meiner Meinung nach auf der Grundlage des in La Lutte de classes veröffentlichten Textes erhoben werden müssen. Es ist möglich, dass die Katalanische Föderation bereits in ihre Plattform einige Änderungen, Verbesserungen oder Zusätze eingefügt hat. Ich bin natürlich bereit, jeden Schritt der Föderation zum Marxismus hin zu begrüßen. Aber das Dokument, so, wie es ist, stellt einen „Kuomintangismus" reinsten Wassers, auf spanische Verhältnisse übertragen, dar. Vorstellungen und Methoden, welche die Opposition unerbittlich bei der Kominternpolitik in China bekämpfte, finden in diesem Dokument ihren verheerendsten Ausdruck.

Soweit mir bekannt ist, distanzieren sich die Führer der Katalanischen Föderation systematisch von der Linken Opposition. Das genügt nicht; die Linke Opposition muss sich selbst klar und deutlich von Vorstellungen und Methoden distanzieren, die von den Führern der Katalanischen Föderation in dem von uns gerade kurz analysierten Dokument niedergelegt wurden. Ein falscher Ausgangspunkt während einer Revolution nimmt im Laufe der Ereignisse unvermeidlich die Gestalt einer Niederlage an. Die spanische Linke Opposition, so schwach sie auch ist, kann dem Proletariat und der spanischen Revolution einen enormen Dienst erweisen. Wenn sie jedoch diese Aufgabe erfüllen will, muss sie in ihren eigenen Reihen ein System der Klarheit, Ehrlichkeit und Unversöhnlichkeit errichten. Das ist mein Appell an unsere spanischen Freunde.

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