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Leo Trotzki 19310528 Die Spanische Revolution und die ihr drohenden Gefahren

Leo Trotzki: Die Spanische Revolution und die ihr drohenden Gefahren

[Nach der Broschüre, Verlag Anton Grylewicz Berlin-Neukölln, Im Auftrage der Linken Opposition der KPD]

Die Leitung der Komintern im Spiegel der spanischen Ereignisse

Die spanische Revolution wächst. Es wachsen im Prozess des Kampfes ihre inneren Kräfte. Aber gleichzeitig wachsen auch die Gefahren. Wir sprechen nicht von jenen Gefahren, deren Herd die herrschenden Klassen sind und ihre politischen Handlanger: die republikanischen und sozialistischen. Hier handelt es sich um offene Feinde, und die Aufgaben in dieser Hinsicht sind klar. Doch gibt es Gefahren innerer Art.

Die spanischen Arbeiter blicken vertrauensvoll auf die Sowjetunion, den Spross der Oktoberrevolution. Diese Stimmung ist ein wertvolles Kapital des Kommunismus. Verteidigung der Sowjetunion ist Pflicht jedes revolutionären Arbeiters. Doch darf nicht geduldet werden, dass mit der Treue der Arbeiter zur Oktoberrevolution Missbrauch getrieben wird in der Absicht, den Arbeitern eine Politik aufzudrängen, die allen Lehren und Geboten des Oktober zuwiderläuft.

Man muss es klar sagen. Man muss es so sagen, dass es die Avantgarde des spanischen und des internationalen Proletariats vernimmt: unmittelbare Gefahr droht der proletarischen Revolution in Spanien seitens der heutigen Leitung der Komintern. Jede Revolution, auch die vielversprechendste, kann zu Grunde gerichtet werden: das hat die Erfahrung der deutschen Revolution von 1923 bewiesen, aber noch greller die Erfahrung der chinesischen Revolution von 1925-27. In beiden Fällen war die unmittelbare Ursache des Zusammenbruchs die falsche Leitung. Jetzt ist die Reihe an Spanien. Die Leiter der Komintern haben aus ihren eigenen Fehlern nichts gelernt. Noch schlimmer. Um die begangenen Fehler zu verdecken, sind sie gezwungen, sie zu rechtfertigen und zu steigern. Insofern es von ihnen abhängt, bereiten sie der spanischen Revolution das Schicksal der chinesischen.

Zwei Jahre lang verwirrte man die fortgeschrittenen Arbeiter mit der unglückseligen Theorie der «dritten Periode», welche die Komintern geschwächt und demoralisiert hat. Schließlich blies die Leitung zum Rückzug. Aber wann? Gerade in dem Moment, als die Weltkrise einen Umschwung in der Situation und die ersten Voraussetzungen für die revolutionäre Offensive geschaffen hatte. Die inneren Prozesse in Spanien entwickelten sich indes unbeachtet von der Komintern. Manuilski erklärte – und Manuilski erfüllt ja heute die Pflichten eines Führers der Komintern! –, die Ereignisse in Spanien verdienten überhaupt keiner Beachtung.

In unserer Arbeit über die spanische Revolution, geschrieben vor der April-Umwälzung, sprachen wir uns in dem Sinne aus, dass die Bourgeoisie, mit verschiedensten Schattierungen des Republikanismus spielend, aus allen Kräften und bis zum letzten Augenblick ihr Bündnis mit der Monarchie verteidigen würde. «Es ist allerdings eine solche Verquickung der Umstände nicht ausgeschlossen», schrieben wir, «bei der die besitzenden Klassen gezwungen sein werden, die Monarchie zu opfern, um sich zu retten (Deutschland)». Diese Zeilen gaben den Stalinisten Anlass, – selbstverständlich post factum – von einer falschen Prognose zu sprechen.* Menschen, die selber nichts vorausgesehen haben, fordern von den anderen nicht marxistische Prognosen, sondern theosophische Prophezeiungen darüber, an welchem Tage und in welcher Form die Ereignisse stattfinden werden: so erwarten unwissende und abergläubische Kranke Wunder von der Medizin. Die Aufgabe der marxistischen Prognose besteht darin, ein Hilfsmittel zu sein zur Orientierung in der Gesamtrichtung der Entwicklung und in deren «Überraschungen». Die Tatsache, dass die spanische Bourgeoisie sich zu einer Trennung von der Monarchie entschlossen hat, lässt sich auf zwei gleich wichtige Ursachen zurückführen. Die stürmischen Wogen der Massenempörung drängten der Bourgeoisie den Versuch auf, den dem Volke verhassten Alfons zum Sündenbock zu machen. Doch dieses mit ernstem Risiko verbundene Manöver war der spanischen Bourgeoisie nur deshalb möglich, weil die Massen den Republikanern und Sozialisten vertrauten und weil man bei der Umwälzung selbst mit der kommunistischen Gefahr nicht zu rechnen brauchte. Die historische Variante, die sich in Spanien verwirklicht hat. ist somit das Resultat des Massendrucks einerseits und der Schwäche der Komintern andererseits. Mit der Feststellung dieser Tatsachen muss man auch beginnen. Eine Grundregel der Taktik ist: willst du stärker werden, beginne nicht mit der Übertreibung deiner Kräfte. Doch diese Regel gilt nicht für die Epigonen-Bürokratie. Hatte Manuilski am Vorabend der Ereignisse prophezeit, es werde überhaupt nichts Ernstes geschehen, so begann einen Tag nach den Ereignissen der unvergleichliche Peri, Lieferant falscher Informationen aus den lateinischen Ländern, Telegramme nach Moskau zu schicken, dass das spanische Proletariat fast uneingeschränkt die kommunistische Partei unterstütze und die spanischen Bauern Sowjets errichten. Die «Prawda» druckte diesen Unsinn und ergänzte ihn durch den Unsinn über die «Trotzkisten», während Zamora linke Kommunisten ins Gefängnis setzte und setzt… Schließlich veröffentliche die «Prawda» am 14. Mai einen programmatischen Leitartikel «Spanien im Feuer», der einen Extrakt epigonenhafter Irrungen und Irrtümer darstellt, übertragen in die Sprache der spanischen Revolution.

Was soll mir den Cortes geschehen?

Die «Prawda» versucht von der unbestreitbaren Tatsache auszugehen, bloße Propaganda allein genüge nicht: «Die Kommunistische Partei muss den Massen sagen, was sie heute zu tun haben». Was schlägt in dieser Hinsicht die «Prawda» selbst vor? Die Arbeiter zusammenzuschließen «zur Entwaffnung der Reaktion, zur Bewaffnung des Proletariats, zur Wahl von Fabrikkomitees, zur eigenmächtigen Durchführung des Siebenstundentages usw.». Usw. steht da. Die aufgezählten Parolen lassen sich nicht bestreiten, obwohl sie außerhalb jeglicher inneren Verbindung stehen und außerhalb jener Konsequenz, die sich aus der Logik der Massenentwicklung ergeben muss. Es verblüfft jedoch, dass der Leitartikel der «Prawda» mit keinem Wort die Wahlen zu den Cortes erwähnt, als existiere dieses politische Ereignis im Leben der spanischen Nation überhaupt nicht, oder als gehe es die Arbeiter gar nicht an. Wie ist dieses Schweigen zu verstehen?

Äußerlich vollzog sich die republikanische Umwälzung bekanntlich mittels der Munizipal-Wahlen. Es ist selbstverständlich, dass für die Umwälzung tiefere Gründe vorhanden waren, und wir haben von ihnen lange vor dem Sturz des Ministeriums Berenguer gesprochen. Jedoch verlief die «parlamentarische» Form der Liquidierung der Monarchie völlig zu Gunsten der bürgerlichen Republikaner und der kleinbürgerlichen Demokraten. Sehr vielen Arbeitern in Spanien stellt sich die Sache jetzt so dar, als könne man grundlegende Fragen des sozialen Lebens mit Hilfe von Bulletins lösen. Diese Illusion kann nur durch die Erfahrung zerschlagen werden. Doch zu dieser Erfahrung muss man verhelfen können. Wie? Dadurch dass man den Cortes den Rücken kehrt oder umgekehrt, durch Beteiligung an den Wahlen? Darauf muss man antworten.

Außer dem obengenannten Leitartikel wurde in derselben Zeitung ein «theoretischer» Artikel (Nummern vom 7. und 10. Mai) veröffentlicht, der Anspruch erhob auf marxistische Analyse der inneren Kräfte der spanischen Revolution und auf bolschewistische Aufzeigung ihrer Strategie. Auch dieser Artikel erwähnt die Cortes mit keinem Wort: soll man die Wahlen boykottieren oder sich daran beteiligen? Überhaupt schweigt sich die «Prawda» völlig über Parolen und Aufgaben der politischen Demokratie aus, wenngleich sie die Revolution eine demokratische nennt. Was bedeutet dieses Sich-Ausschweigen? Man kann sich an den Wahlen beteiligen, man kann sie boykottieren. Aber kann man sie ignorieren?

In Bezug auf die Berenguer-Cortes war die Boykotttaktik vollkommen richtig. Es war von vorne herein klar: entweder würde es Alfons gelingen, für eine gewisse Periode abermals den Weg der Diktatur zu beschreiten, oder die Bewegung würde über den Kopf Berenguers u. seiner Cortes hinweggehen. Unter diesen Umständen mussten die Kommunisten die Kampf-Initiative zum Boykott der Cortes ergreifen. Gerade darauf bestanden wir mit Hilfe der bescheidenen Mittel, über die wir verfügten.** Wenn die spanischen Kommunisten rechtzeitig und entschieden für den Boykott eingetreten wären und zu dieser Frage auch nur eine geringe Zahl von Proklamationen im Lande verteilt hätten, ihre Autorität wäre im Augenblick des Sturzes des Berenguer-Ministeriums außerordentlich gewachsen. Die fortgeschrittenen Arbeiter hätten sich gesagt: «diese Menschen können doch etwas voraussehen». Leider begriffen die spanischen Kommunisten, verwirrt durch die Leitung der Komintern, die Situation nicht, sondern bereiteten sich, aber wiederum unsicher, darauf vor, an den Wahlen teilzunehmen. Die Ereignisse gingen über ihre Köpfe hinweg, und der erste Revolutionssieg brachte den Kommunisten fast keinen Einflusszuwachs.

Jetzt hat die Regierung Zamora die Einberufung der Konstituierenden Cortes übernommen. Besteht Grund, zu glauben, dass die Einberufung dieser Cortes durch eine zweite Revolution verhindert werden könne? Nein, es besteht kein Grund. Gewaltige Massenbewegungen sind höchst wahrscheinlich, jedoch können diese Bewegungen ohne Programm, ohne Partei, ohne Leitung nicht zu einer zweiten Revolution führen. Die Parole des Boykotts wäre jetzt die Parole der Selbstisolierung. Man muss an den Wahlen aktivsten Anteil nehmen.

Parlamentarischer Kretinismus der Reformisten und antiparlamentarischer Kretinismus der Anarchisten

Der parlamentarische Kretinismus ist eine scheußliche Krankheit, aber auch der antiparlamentarische Kretinismus ist nicht viel besser. Das sehen wir am besten am Schicksal der spanischen Anarcho-Syndikalisten. Die Revolution stellt scharf politische Fragen, wobei sie ihnen in dem gegebenen Stadium parlamentarische Form verleiht. Die Aufmerksamkeit der Arbeiterklasse muss sich auf die Cortes konzentrieren, und die Anarcho-Syndikalisten werden im Stillen für Sozialisten, wenn nicht für Republikaner stimmen. Gegen parlamentarische Illusionen zu kämpfen, ohne gleichzeitig gegen die antiparlamentarische Metaphysik der Anarchisten zu kämpfen, ist in Spanien weniger als irgendwo anders möglich.

In einer Reihe von Artikeln und Briefen versuchten wir, die ungeheure Wichtigkeit der Parolen der Demokratie für die weitere Entwicklung der spanischen Revolution nachzuweisen. Unterstützung der Arbeitslosen, Siebenstundentag, Agrarumwälzung, nationale Autonomie, alle diese lebenswichtigen, grundlegenden Fragen verbinden sich im Bewusstsein der erdrückenden Mehrheit der spanischen Arbeiter, darunter auch der Anarcho-Syndikalisten, so oder so, mit den kommenden Cortes. In der Periode Berenguer musste man die Cortes von Alfons' Gnaden im Namen revolutionärer konstituierender Cortes boykottieren. In der Agitation war es von Anfang an notwendig, die Frage des Wahlrechts in den Vordergrund zu stellen. Ja: die prosaische Frage des Wahlrechts! Die Sowjetdemokratie steht, gewiss, viel höher als die bürgerliche Demokratie. Aber Sowjets fallen nicht vom Himmel. Man muss an sie heranwachsen.

Es gibt auf der Welt, mit Verlaub zu sagen, Marxisten, die solchen Parolen, wie zum Beispiel allgemeines, gleiches, direktes und geheimes Wahlrecht für Männer und Frauen vom achtzehnten Lebensjahre an, mit großartiger Verachtung gegenüberstehen. Indes, würden die spanischen Kommunisten rechtzeitig diese Parole erhoben und sie in Reden, Artikeln, Flugblättern und Proklamationen verteidigt haben, sie hätten größte Popularität erworben. Gerade deshalb, weil die Volksmassen Spaniens dazu neigen, die schöpferische Kraft der Cortes zu übertreiben; jeder erwachte Arbeiter, jede revolutionäre Bäuerin will an den Wahlen teilnehmen. Wir solidarisieren uns auch nicht einen Augenblick lang mit den Illusionen der Massen; was aber an diesen Illusionen fortschrittlich ist, müssen wir ausnutzen, andernfalls sind wir nicht Revolutionäre, sondern verächtliche Pedanten. Allein die Herabsetzung des wahlberechtigten Alters berührt viele hunderttausende Arbeiter, Arbeiterinnen, Bauern, Bäuerinnen empfindlich. Und noch dazu welche? Junge, aktive, jene, die berufen sind, die zweite Revolution zu machen. Diese jungen Generationen den Sozialisten gegenüberzustellen, die bestrebt sind, sich auf die Arbeiter älterer Jahrgänge zu stützen, ist eine ganz elementare und unbestreitbare Aufgabe der kommunistischen Avantgarde.

Weiter. Die Regierung Zamora beabsichtigt in den Cortes eine Konstitution mit zwei Kammern durchzuführen. Die revolutionären Massen. die soeben die Monarchie gestürzt haben und von leidenschaftlichem, wenn auch sehr unklarem Bestreben nach –, –,Gleichheit –, –,und Gerechtigkeit erfüllt sind, werden begeistert auf die Agitation der Kommunisten gegen den Plan der Bourgeoisie, eine «Herrenkammer» dem Volke auf den Rücken zu setzen, reagieren. Diese Spezialfrage kann in der Agitation eine gewaltige Rolle spielen, den Sozialisten schwere Hindernisse bereiten, einen Keil zwischen Sozialisten und Republikaner treiben, d. h. sie kann, wenn auch nur vorübergehend, die Feinde des Proletariats trennen, und, was tausend Mal wichtiger ist – einen Keil treiben zwischen Arbeitermassen und Sozialisten.

Die von der «Prawda» aufgestellte Forderung des Siebenstundentages ist vollkommen richtig, äußerst wichtig und unaufschiebbar. Kann man jedoch diese nackte Forderung stellen und die politische Situation und die revolutionären Aufgaben der Demokratie ignorieren? Indem sie nur von Siebenstundentag, Fabrikkomitees und Bewaffnung der Arbeiter spricht, aber die «Politik» ignoriert und in all ihren Artikeln mit keinem Wort die Wahlen zu den Cortes erwähnt, kommt die «Prawda» dem Anarcho-Syndikalismus entgegen, nährt ihn und deckt ihn. Indes wird der junge Arbeiter, den Sozialisten und Republikaner des Wahlrechts berauben, trotzdem ihn die bürgerliche Gesetzgebung reif hält für die kapitalistische Ausbeutung, oder dem sie eine zweite Kammer aufbürden wollen, im Kampfe gegen diese Niederträchtigkeiten schon morgen den Wunsch verspüren, dem Anarchismus den Rücken zu kehren und die Hand nach der Flinte auszustrecken. Die Parole der Bewaffnung der Arbeiter realen politischen Prozessen, die die Masse brennend berühren, entgegenzustellen, heißt, sich von den Massen isolieren, und die Massen von den Waffen.

Die Parole der nationalen Selbstbestimmung hat in Spanien jetzt ganz besondere Bedeutung erhalten. Aber auch diese Parole steht heute auf der demokratischen Ebene. Es handelt sich für uns natürlich nicht darum, die Katalanen und Basken zur Lostrennung von Spanien aufzurufen, sondern darum, dafür zu kämpfen, dass ihnen diese Möglichkeit gegeben wird, wenn sie es selbst wollen. Wie aber ist festzustellen, ob sie es wollen? Sehr einfach: durch allgemeine, gleiche, direkte und geheime Abstimmung der interessierten Gebiete. Ein anderes Mittel gibt es jetzt nicht. In der Zukunft werden nationale Fragen, wie alle anderen, von den Sowjets, als Organen der Diktatur des Proletariats entschieden werden. Doch sind wir nicht imstande, den Arbeitern im beliebigen Augenblick Sowjets aufzuzwingen. Wir können die Arbeiter nur zu den Sowjets hinführen. Umso weniger können wir dem Volke jene Sowjets aufzwingen, die das Proletariat erst in der Zukunft schaffen wird. Unterdes ist es notwendig. auf die heutige Frage Antwort zu geben. Im Mai hatten die Selbstverwaltungsorgane Kataloniens Deputierte zu wählen zur Ausarbeitung einer provisorischen Konstitution für die Provinz, d. h. zur Festlegung ihrer Stellung zu Spanien. Könnten denn die katalanischen Arbeiter sich teilnahmslos der Tatsache gegenüber verhalten, dass die kleinbürgerliche Demokratie, die sich stets dem Großkapital unterwirft, mit Hilfe antidemokratischer Wahlen versucht über das Schicksal des katalanischen Volkes zu entscheiden? Die Parole der nationalen Selbstbestimmung ohne die sie ergänzenden und konkretisierenden Parolen der politischen Demokratie ist eine leere Formel, oder noch schlimmer: Sand in die Augen.

Während einer bestimmten Zeitperiode werden sich alle Fragen der spanischen Revolution auf die eine oder andere Weise im Prisma des Parlamentarismus brechen. Die Bauern werden gespannt darauf warten, was die Cortes über die Agrarfrage sagen werden. Ist es da schwer zu begreifen, welche Bedeutung es unter den gegenwärtigen Bedingungen haben würde, das kommunistische Agrarprogramm von den Tribünen der Cortes aus zu entwickeln? Dafür sind zwei Bedingungen erforderlich: man muss ein Agrarprogramm besitzen und muss sich Zutritt zu der Parlamentstribüne verschaffen. Nicht die Cortes werden die Agrarfrage lösen, das wissen wir. Es ist die Kampfinitiative der Bauern selbst erforderlich. Aber für eine solche Initiative benötigen die Massen ein Programm und eine Leitung. Die Tribüne der Cortes brauchen die Kommunisten für die Verbindung mit den Massen. Aus dieser Verbindung aber werden sich Taten entwickeln, die über die Köpfe der Cortes hinweggehen. Darin eben besteht das Wesen des revolutionär-dialektischen Verhaltens zum Parlamentarismus.

Womit ist es aber zu erklären, dass die Leitung der Komintern über diese Frage schweigt? Nur damit, dass sie eine Gefangene ihres eigenen gestrigen Tages ist. Die Stalinisten haben zu lärmend die Parole der Konstituierenden Versammlung für China verworfen. Der VI. Kongress hat offiziell die Parolen der politischen Demokratie für die Kolonialländer als «Opportunismus» gebrandmarkt. An dem Beispiel Spaniens, eines unvergleichlich fortgeschritteneren Landes als China und Indien, zeigt sich die ganze Unzulänglichkeit der Beschlüsse des VI. Kongresses. Aber die Stalinisten sind an Händen und Füßen gefesselt. Da sie es nicht wagen, zum Boykott des Parlamentarismus aufzurufen, schweigen sie einfach. Mag die Revolution umkommen, wenn nur die Reputation der Unfehlbarkeit der Führer lebt!***

Welche Revolution steht in Spanien bevor?

In dem oben zitierten theoretischen Artikel, gleichsam speziell dazu geschrieben, die Gehirne zu verkleistern, wird nach Versuchen, den Klassencharakter der spanischen Revolution zu bestimmen, wörtlich folgendes gesagt: «Bei all dem (!) wäre es jedoch (!) falsch, die spanische Revolution bereits auf der gegebenen Etappe als eine sozialistische zu charakterisieren». («Prawda» vom 10. Mai). Dieser eine Satz genügt zur Bewertung der ganzen Analyse. Ja, gibt es denn auf der Welt Menschen, wird der Leser sich fragen, die ohne Gefahr, in ein Irrenhaus zu geraten, fähig wären, zu glauben, man könne die spanische Revolution «auf der gegebenen Etappe» als eine sozialistische charakterisieren? Wie entstand überhaupt bei der «Prawda» der Gedanke an die Notwendigkeit einer solchen «Abgrenzung», dabei in so milder und bedingter Form: «Bei all dem wäre es jedoch falsch» … Dass lässt sich damit erklären, das die Epigonen zu ihrem Unglück bei Lenin den Satz von dem «Hineinwachsen» der bürgerlich-demokratischen Revolution in die sozialistische gelesen haben. Da sie Lenin nicht begriffen, die Erfahrung der russischen Revolution aber vergessen oder verfälscht haben, machten sie den Begriff «Hineinwachsen» zum Ausgangspunkt gröbster opportunistischer Irrtümer. Es geht – wir wollen es gleich sagen – nicht um akademische Finessen, sondern um Leben und Tod der proletarischen Revolution. Es ist noch gar nicht so lange her. da erwarteten die Epigonen, dass die Diktatur der Kuomintang in eine Arbeiter- und Bauerndiktatur «hineinwachsen» werde und diese in die sozialistische Diktatur des Proletariats. Sie stellten sich dabei vor, – besonders tiefsinnig ließ sich über dieses Thema Stalin aus –, dass von der einen Flanke der Revolution sich allmählich «rechte Elemente» absplittern, an der anderen Flanke «linke Elemente» sich befestigen würden: darin eben sollte der organische Prozess des «Hineinwachsens» bestehen. Zum Unglück beruht die großartige Idee Stalin-Martynows auf der völligen Missachtung der Marxschen Klassentheorie. Der Charakter jedes sozialen Regimes, somit auch der Charakter jeder Revolution wird vom Charakter jener Klasse bestimmt, die die Macht in Händen hält. Aus den Händen der einen Klasse in die Hände einer anderen Klasse kann die Macht nur mittels einer revolutionären Umwälzung übergehen, keinesfalls auf dem Wege eines organischen «Hineinwachsens». Diese grundlegende Wahrheit zerstampften die Epigonen zuerst für China, jetzt für Spanien. Und wir sehen die gelehrten Weisen der «Prawda», wie sie, die Häupter mit Schlafmützen bedeckt und indem sie Zamora ein Thermometer unter dem Arm gesteckt haben, erwägen: darf man zugestehen, dass der Prozess des «Hineinwachsens» die spanische Revolution bereits in das sozialistische Stadium hinüber geführt hat, oder darf man es nicht? Und die Weisen, wir wollen ihrer Weisheit den Tribut nicht versagen, kamen zur Schlussfolgerung: nein, vorläufig darf man noch nicht.

Nachdem sie uns eine so wertvolle soziologische Expertise geliefert hat, betritt die «Prawda» das Gebiet der Prognosen und Direktiven. «In Spanien», sagt sie, «kann die sozialistische Revolution nicht die unmittelbare Aufgabe des Tages sein. Die nächste Aufgabe ist die Arbeiter- und Bauernrevolution gegen Gutsbesitzer und Bourgeoisie». («Prawda» vom 10. Mai). Dass die sozialistische Revolution in Spanien nicht die «unmittelbare Aufgabe des Tages» ist, ist unbestreitbar. Besser und präziser wäre es jedoch zu sagen, dass der bewaffnete Aufstand zum Zwecke der Machteroberung durch das Proletariat in Spanien nicht «die unmittelbare Aufgabe des Tages» ist. Weshalb? Weil eine zersplitterte proletarische Avantgarde noch nicht die Klasse hinter sich führt, und die Klasse noch nicht die unterdrückten Dorfmassen. Unter diesen Bedingungen wäre der Kampf um die Macht Abenteurertum. Was bedeutet aber dann der ergänzende Satz: «Die nächste Aufgabe ist die Arbeiter- und Bauernrevolution gegen Gutsbesitzer und Bourgeoisie»? Bedeutet er, dass in der Mitte zwischen dem bürgerlich-republikanischen Regime und der Diktatur des Proletariats eine besondere «Arbeiter- und Bauernrevolution» bevorsteht? Wobei diese besondere, zwischenstufliche «Arbeiter- und Bauernrevolution» im Gegensatz zur sozialistischen in Spanien eine «unmittelbare Aufgabe» ist? Also ist die Aufgabe des heutigen Tages doch eine neue Umwälzung? Auf dem Wege des bewaffneten Aufstandes oder auf anderem Wege? Worin wird sich diese Arbeiter- und Bauernrevolution «gegen Gutsbesitzer und Bourgeoisie» von der proletarischen Revolution unterscheiden? Welche Kombination von Klassenkräften wird ihre Basis bilden? Welche Partei wird die erste Revolution zum Unterschiede von der zweiten leiten? Worin besteht der Unterschied in Programm und Methode dieser zwei Revolutionen? Vergeblich würden wir Antwort auf diese Fragen suchen. Verworrenheit und Wirrwarr der Gedanken werden mit dem Wörtchen «Hineinwachsen» überdeckt: trotz allen entgegengesetzten Vorbehalten schimmert vor diesen Menschen doch ein Prozess evolutionären Überganges von der bürgerlichen zur sozialistischen Revolution, durch eine Reihe organischer Etappen, die unter verschiedenen Pseudonymen figurieren: «Kuomintang», «demokratische Diktatur», «Arbeiter- und Bauernrevolution», «Volksrevolution» – wobei sich in diesem Prozess jener entscheidende Augenblick unmerklich auflöst, wo die eine Klasse der andern die Macht entreißt.

Das Problem der permanenten Revolution

Es ist selbstverständlich, dass die proletarische Revolution gleichzeitig auch eine Bauernrevolution ist: nur ist eine Bauernrevolution außerhalb der proletarischen Revolution unter den gegenwärtigen Verhältnissen unmöglich. Wir können den Bauern mit vollem Recht sagen, dass unser Ziel die Schaffung einer Arbeiter- und Bauernrepublik ist, wie wir in Russland die Regierung der proletarischen Diktatur nach der Oktoberumwälzung «Arbeiter- und Bauernregierung» nannten. Wir stellen aber die Arbeiter- und Bauernrevolution der proletarischen nicht entgegen, sondern umgekehrt, wir identifizieren sie. Und dies ist die einzig richtige Fragestellung.

Hier stoßen wir wieder auf den Kern der Frage über die sogenannte «permanente Revolution». Im Kampfe gegen diese Theorie sind die Epigonen bis zur völligen Preisgabe des Klassenstandpunktes hinab getorkelt. Nach der Erfahrung mit dem «Block der vier Klassen» in China sind sie allerdings vorsichtiger geworden. Dadurch aber auch nur noch verworrener, und sie versuchen jetzt aus aller Kraft andere zu verwirren.

Zum Glück haben die Ereignisse die Frage hinausgeführt aus dem Gebiet der Klügeleien der roten Professoren über alte Texte. Es geht nicht um historische Reminiszenzen, nicht um eine Zitaten-Auswahl, sondern um eine neue grandios-historische Erfahrung, die sich vor aller Augen entwickelt. Hier werden zwei Standpunkte auf dem Feld des revolutionären Kampfes konfrontiert. Das letzte Wort werden die Ereignisse sprechen. Ihre Kontrolle lässt sich nicht umgehen. Der spanische Kommunist, der sich nicht rechtzeitig Rechenschaft ablegt über das Wesen der Fragen, die mit dem Kampfe gegen «Trotzkismus» verbunden sind, wird vor den grundlegenden Fragen der spanischen Revolution theoretisch entwaffnet dastehen.

Was bedeutet «Hineinwachsen» der Revolution?

Ja, Lenin hat im Jahre 1905 die hypothetische Formel der «bürgerlich-demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft» aufgestellt. Gab es überhaupt ein Land, wo man eine selbständige, der Machtergreifung des Proletariats vorangehende, agrar-demokratische Revolution erwarten konnte, so war es Russland, wo das Agrarproblem das gesamte Leben der Nation beherrschte, wo die revolutionären Bauernbewegungen sich auf Jahrzehnte erstreckten, wo eine selbständige agrar-revolutionäre Partei, mit starken Traditionen und großem Einfluss auf die Massen existierte. Jedoch zeigte es sich, dass auch in Russland für diese zwischenstufliche Revolution, zwischen der bürgerlichen und der proletarischen, kein Platz war. Im April 1917 wiederholte es Lenin und zwar an die Adresse von Stalin, Kamejew und anderen, die an der alten bolschewistischen Formel von 1905 festhielten: Eine andere «demokratische Diktatur» außer der Diktatur Miljukow – Zereteli – Tschernow gibt es nicht und wird es nicht geben: die «demokratische Diktatur» ist ihrem Wesen nach die Diktatur der Bourgeoisie über das Proletariat; eine solche «demokratische Diktatur» ablösen kann nur die Diktatur des Proletariats. Wer zwischenstufliche Mittel-Formeln ausdenkt, sei ein kläglicher Illusionist oder ein Scharlatan. Dies ist die Schlussfolgerung, die Lenin aus der lebendigen Erfahrung der Februar- und der Oktoberrevolution gezogen hatte. Auf den Grundlagen dieser Erfahrung und dieser Schlussfolgerungen stehen wir voll und ganz.

Was bedeutet dann bei Lenin das «Hineinwachsen der demokratischen Revolution in die sozialistische»? Etwas ganz anderes als es den Epigonen und Schwätzern von der Gattung der roten Professoren vorschwebt. Es handelt sich darum, dass die Diktatur des Proletariats durchaus nicht mechanisch mit dem Begriff der sozialistischen Revolution zusammenfällt. Die Machteroberung durch die Arbeiterklasse geschieht in einem bestimmten nationalen Milieu und in einer bestimmten Periode, zur Lösung bestimmter Aufgaben. Bei rückständigen Nationen sind solche unmittelbaren Aufgaben – Aufgaben demokratischen Charakters: Nationale Befreiung vom imperialistischen Joch und Agrarumwälzung, wie in China: Agrarumwälzung und Befreiung der unterdrückten Nationalitäten, wie in Russland. Dasselbe, wenn auch in anderer Verbindung, sehen wir jetzt in Spanien. Lenin sagte sogar, dass das russische Proletariat im Oktober 1917 zur Macht gekommen sei vor allem als Agent der bürgerlich-demokratischen Revolution. Das siegreiche Proletariat begann mit der Lösung demokratischer Aufgaben und erst allmählich, durch die Logik seiner Herrschaft, ging es an die sozialistischen Aufgaben heran: an die Kollektivierung der Landwirtschaft schritt es ernstlich erst im zwölften Jahr seiner Herrschaft. Dies eben nannte Lenin Hineinwachsen der demokratischen Revolution in die sozialistische. Nicht die bürgerliche Herrschaft wächst hinein in die Arbeiter- und Bauern- und später in die proletarische Herrschaft; nein, die Macht einer Klasse wächst nicht hinein in die Macht einer anderen Klasse, sondern wird mit der Waffe in der Hand entrissen. Nachdem aber die Arbeiterklasse die Macht erobert hat, wachsen die demokratischen Aufgaben des proletarischen Regimes unvermeidlich in sozialistische hinein. Der evolutionäre, organische Übergang von Demokratie zu Sozialismus ist denkbar nur unter der Diktatur des Proletariats. Das ist die zentrale Idee Lenins. Die Epigonen haben das alles entstellt, verwirrt, verfälscht und vergiften jetzt mit ihren Falsifikaten das Bewusstsein des internationalen Proletariats.

Zwei Varianten: die opportunistische und die abenteuerliche

Es geht – wir wiederholen es – nicht um akademische Finessen, sondern um lebenswichtige Fragen der revolutionären Strategie des Proletariats. Es ist nicht wahr, dass in Spanien die «Arbeiter- und Bauernrevolution» auf der Tagesordnung steht. Es ist nicht wahr, dass in Spanien jetzt überhaupt eine neue Revolution, das heißt der unmittelbare Kampf um die Macht auf der Tagesordnung steht. Nein, auf der Tagesordnung steht der Kampf um die Massen, um ihre Befreiung von republikanischen Illusionen, von der Vertrauensseligkeit den Sozialisten gegenüber, um ihren revolutionären Zusammenschluss. Die zweite Revolution wird kommen, aber das wird die Revolution des Proletariats sein das die Bauernarmut hinter sich führt. Zwischen dem bürgerlichen Regime und der Diktatur des Proletariats wird es keinen Platz für irgendeine besondere «Arbeiter- und Bauernrevolution» geben. Mit dieser zu rechnen und die Politik ihr anzupassen, heißt, das Proletariat verkuomintangen, das heißt, die Revolution zu Grunde richten.

Die Konfusionsformulierungen der «Prawda» zeigen zwei Wege, wiederum in China bis zu Ende ausprobiert: den opportunistischen und den abenteuerlichen. Wenn die «Prawda» sich heute noch nicht entschließt, die spanische Revolution als eine Arbeiter- und Bauernrevolution zu «charakterisieren», so werden wir – wer weiß? – vielleicht morgen darauf stoßen, wenn der «treue Wan Tin-wei», sagen wir also der Linke Leroux den Zamora-Tschiang Kai-schek ablösen wird. Werden dann die weisen Diagnostiker, Martynow, Kuusinen und Kompanie nicht beschließen, das sei die Arbeiter- und Bauernrepublik, die man «insofern wie» unterstützen (Stalins Formel vom März 1917) oder restlos unterstützen müsse (die Formel des gleichen Stalins in Bezug auf die Kuomintang in den Jahren 1925-1927)?

Aber es gibt auch eine abenteuerliche Möglichkeit, die vielleicht den zentristischen Stimmungen des heutigen Tages mehr entspricht. Der Leitartikel der «Prawda» redet davon, dass die spanischen Massen «dazu übergehen, ihre Schläge auch gegen die Regierung zu richten». Kann jedoch die spanische Kommunistische Partei die Parole des Sturzes dieser Regierung als Tagesaufgabe stellen? In der gelehrten Untersuchung der «Prawda» wird, wie wir gehört haben, behauptet, die unmittelbare Aufgabe sei die Arbeiter- und Bauernrevolution. Versteht man dieses «Stadium» nicht im Sinne des Hineinwachsens, sondern im Sinne des Sturzes der Regierung, dann eröffnet sich die Variante des Abenteurertums weit. Die schwache Kommunistische Partei könnte sich in Madrid sagen, wie sie sich im Dezember 1927 in Kanton gesagt hat (oder wie zu sagen ihr befohlen worden war): «Für die proletarische Diktatur sind wir selbstverständlich noch nicht reif; da es sich aber gegenwärtig um eine Zwischenstufe handelt, um die Arbeiter- und Bauerndiktatur, so wollen wir versuchen, auch mit unseren schwachen Kräften einen Aufstand zu machen, vielleicht wird daraus etwas entstehen.» Es ist wahrhaftig nicht schwer, schon heute vorauszusehen, dass, sobald sich die verbrecherische Unterlassung der ersten Jahres der spanischen Revolution zeigen wird, die Schuldigen des Zeitverlustes mit dreisträhnigen Knuten auf die «Vollstrecker» einschlagen werden und sie bis zu einem tragischen Abenteuer im Stile Kantons treiben können.

Die Perspektive der Julitage

Inwiefern ist diese Gefahr real? Sie ist durchaus real. Sie wurzelt in den inneren Bedingungen der Revolution selbst, die den Vertuschungen und dem Wirrwarr der Führer einen besonders unheilvollen Charakter verleihen. Die gegenwärtige Lage Spaniens birgt neue Massenexplosion in sich, die mehr oder minder jenen Kämpfen im Jahre 1917 im Petrograd entspricht, die in die Geschichte unter dem Namen «Julitage» eingegangen sind und die nur dank der Richtigkeit der bolschewistischen Politik nicht zur Zertrümmerung der Revolution führten. Bei dieser für Spanien brennenden Frage muss man verweilen.

Dem Vorbild der «Julitage» begegnen wir in allen alten Revolutionen – beginnend mit der Großen Französischen –, mit verschiedenem, aber nach einer allgemeinen Regel ungünstigem, nicht selten katastrophalem Ausgang. Eine derartige Etappe ist in der Mechanik der bürgerlichen Revolution begründet, insofern die Klasse, die am meisten für ihre Erfolge opfert und die meisten Hoffnungen auf sie setzt, von ihr am wenigsten empfängt. Die Gesetzmäßigkeit des Prozesses ist durchaus klar. Die besitzende Klasse, durch die Umwälzung der Macht teilhaftig geworden, zu der Ansicht neigend, die Revolution habe damit ihre Mission schon erfüllt, ist vor allem darum besorgt, den Kräften der Reaktion ihre Zuverlässigkeit zu beweisen. Die «revolutionäre» Bourgeoisie ruft die Empörung der Volksmassen durch die gleichen Maßnahmen hervor, durch die sie das Wohlgefallen der gestürzten Klassen zu gewinnen bestrebt ist. Die Enttäuschung der Massen tritt sehr bald ein, noch ehe die Avantgarde Zeit gefunden hat, von den Revolutionsschlachten abzukühlen. Die fortgeschrittene Schicht glaubt, sie könne durch einen neuen Schlag das vollenden oder korrigieren, was sie früher nicht entschlossen genug getan hat. Daher der Drang zur neuen Revolution, ohne Vorbereitung, ohne Programm, ohne Überblick über die Reserven, ohne Überlegung der Folgen. Andererseits lauert die neu zur Macht gelangte Bourgeoisie gleichsam auf einen neuen Ausbruch von unten, um zu versuchen, mit dem Volke endgültig fertig zu werden. Dies ist die soziale und psychologische Basis jener ergänzenden Halbrevolutionen, die in der Geschichte mehr als einmal Ausgangspunkt der siegreichen Konterrevolution wurden.

Im Jahre 1848 fielen in Frankreich die «Julitage» auf den Juni und nahmen einen unermesslich grandioseren und tragischeren Charakter an als in Petrograd im Jahre 1917. Die sogenannten «Junitage» des Pariser Proletariats erwuchsen mit unüberwindlicher Kraft aus der Februarumwälzung. Die Pariser Arbeiter, mit der Februarflinte in der Hand, konnten den Widerspruch zwischen dem prunkvollen Programm und der jämmerlichen Wirklichkeit, diesen unerträglichen Kontrast, der sie täglich auf Magen und Gewissen traf, nicht ruhig hinnehmen. Ohne Plan, ohne Programm, ohne Leitung ähneln die Junitage von 1848 einem mächtigen, unabwendbaren Reflex des Proletariats. Die aufständischen Arbeiter wurden erbarmungslos niedergeschlagen. So bereiteten die Demokraten dem Bonapartismus den Weg.

Der gigantische Ausbruch der Kommune verhielt sich zur Septemberumwälzung von 1870 ebenso wie die Junitage zur Februarrevolution 1848. Der Märzaufstand des Pariser Proletariats war am allerwenigsten Sache strategischer Berechnung. Er entstand aus einer tragischen Verquickung von Umständen, ergänzt durch eine jener Provokationen, worin die französische Bourgeoisie, wenn Angst ihren bösen Willen anpeitscht, so erfinderisch ist. In der Pariser Kommune erklomm der reflexive Protest des Proletariats gegen den Betrug der bürgerlichen Revolution zum ersten Mal in der Geschichte die Stufe der proletarischen Umwälzung, um jedoch gleich wieder zu fallen.

Heute bereitet die unblutige, friedliche, ruhmreiche (die Liste dieser Adjektiva bleibt sich stets gleich) Revolution in Spanien vor unseren Augen ihre «Junitage» vor, nimmt man Frankreichs Kalender oder ihre «Julitage» nach dem russischen Kalender. In plätschernden Phrasen, die nicht selten wie eine Übersetzung aus dem Russischen klingen, verspricht die Madrider Regierung weitgehende Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit und Landnot, wagt es aber nicht, auch nur eine der sozialen Wunden zu berühren. Die Koalitionssozialisten helfen den Republikanern die Revolutionsaufgaben zu sabotieren. Das Haupt Kataloniens, des industriellsten und revolutionärsten Teiles Spaniens, predigt das Tausendjährige Reich ohne unterdrückte Nationen und ohne unterdrückte Klassen, wagt aber gleichzeitig nicht, einen Finger zu rühren, um dem Volke zu helfen, wenigstens einen Teil der verhasstesten alten Ketten tatsächlich von sich zu werfen. Macia versteckt sich hinter der Madrider Regierung, die sich hinter der Konstituierenden Versammlung versteckt. Als sei das Leben in Erwartung der Konstituierenden Versammlung stehen geblieben! Und als sei es nicht von vornherein klar, dass die nächsten Cortes nur eine erweiterte Reproduktion des republikanisch-sozialistischen Blocks sein werden, besorgt hauptsächlich darum, dass alles beim Alten bleibe. Ist es schwer, das fieberhafte Steigen der Empörung bei Arbeitern und Bauern vorauszusehen? Das Missverhältnis zwischen dem Gang der Massenrevolution und der Politik der neuen regierenden Klassen, – das ist die Quelle jenes unversöhnlichen Konfliktes, der in seiner Entwicklung entweder die erste, die Aprilrevolution, begraben oder zur zweiten führen wird.

Hätte die bolschewistische Partei, bei der Einschätzung der Julibewegung in Petrograd als einer «verfrühten» verharrend, den Massen den Rücken gekehrt, der halbe Aufstand wäre unvermeidlich unter die zersplitterte und uneinige Leitung von Anarchisten, Abenteurern, zufälligen Exponenten der Massenempörung geraten und in fruchtlosen Konvulsionen verblutet. Aber auch umgekehrt: hätte die Partei, sich an die Spitze der Bewegung stellend, auf ihre Einschätzung der Gesamtsituation verzichtet und den Weg entscheidender Kämpfe beschritten, der Aufstand hätte zweifellos einen kühnen Schwung genommen, und die Arbeiter und Soldaten hätten unter Führung der Bolschewiki vorübergehend im Juli in Petrograd die Macht erobert, aber nur, um die Katastrophe der Revolution vorzubereiten. Nur die richtige Führung der bolschewistischen Partei hat beide Varianten der schicksalsvollen Gefahr verhindert: sowohl die im Geiste der Junitage von 1848 wie die im Geiste der Pariser Kommune von 1871. Der im Juli 1917 den Massen und der Partei zugefügte Schlag war sehr schwer. Aber es war kein entscheidender Schlag. Die Opfer zählten nach Zehnern, nicht nach Zehntausenden. Die Arbeiterklasse ging aus der Prüfung weder enthauptet, noch verblutet hervor. Sie hatte sich ihre Kampfkader intakt erhalten. Diese Kader hatten vieles gelernt, und haben im Oktober das Proletariat zum Siege geführt.

Gerade unter dem Gesichtswinkel der «Julitage» bildet die Fiktion der «zwischenstuflichen» Mittelrevolutionen, die in Spanien angeblich auf der Tagesordnung stehe, eine furchtbare Gefahr.

Der Kampf um die Massen und um die Arbeiter-Juntas

Pflicht der linken Opposition ist, die Formel der besonderen «Arbeiter- und Bauernrevolution» zum Unterschiede von der bürgerlichen und der proletarischen Revolution im Bewusstsein der proletarischen Avantgarde erbarmungslos bloßzustellen, zu entlarven und für immer zu diskreditieren. Glaubt dem nicht, Kommunisten Spaniens! Das ist Illusion und Betrug. Das ist eine teuflische List, die sich morgen in eine Schlinge um euren Hals verwandeln wird. Glaubt dem nicht, fortgeschrittene Arbeiter Spaniens! Denkt euch hinein in die Lehren der russischen Revolution und in die Lehren der Epigonen-Niederlagen. Vor euch eröffnet sich die Perspektive des Kampfes um die Diktatur des Proletariats. Im Namen dieser Aufgabe müsst ihr die Arbeiterklasse um euch sammeln und die Millionen der Dorf-Armut aufrichten, dass sie den Arbeitern zu Hilfe kommen. Das ist eine gigantische Aufgabe. Auf euch, den Kommunisten Spaniens ruht eine unermessliche revolutionäre Verantwortung. Schließt die Augen nicht vor eurer Schwäche, lasst euch von Illusionen nicht verführen. Die Revolution traut Worten nicht. Sie überprüft alles und überprüft es mit Blut. Die Herrschaft der Bourgeoisie kann nur durch die Diktatur des Proletariats gestürzt werden. Keine Zwischenrevolution, keine «einfachere», keine «ökonomischere», keine euren Kräften entsprechendere gibt es und kann es geben. Keine Übergangsdiktatur, keine Diktatur zweiter Sorte, keine Diktatur mit Rabatt wird die Geschichte für euch erfinden. Wer euch davon spricht, betrügt euch. Bereitet euch vor für die Diktatur des Proletariats, bereitet euch darauf ernstlich, beharrlich, unermüdlich vor!

Unmittelbar jedoch steht vor den spanischen Kommunisten nicht die Aufgabe des Kampfes um die Macht, sondern des Kampfes um die Massen, und zwar wird sich dieser Kampf in der nächsten Periode auf den Grundlagen der bürgerlichen Republik, in hohem Grade unter den Parolen der Demokratie entwickeln. Die Schaffung von Arbeiter-Juntas (Sowjets) ist zweifellos die unmittelbare Aufgabe des Tages. Doch wäre es sinnlos, die Juntas den Parolen der Demokratie entgegenzustellen. Kampf gegen die Privilegien der Kirche und die Übermacht der Mönchsorden und Klöster – ein rein demokratischer Kampf – hat im Mai zur Massenexplosion geführt, hat günstige, zum Unglück unausgenutzte Bedingungen für die Wahl von Arbeiterdeputierten geschaffen.

Die Juntas bilden in diesem Stadium die Organisationsform der proletarischen Einheitsfront für Streiks, wie für die Vertreibung der Jesuiten, wie für Beteiligung an den Wahlen zu den Cortes, wie für die Verbindung mit den Soldaten und für die Unterstützung der Bauernbewegung. Nur durch die den grundlegenden Kern des Proletariats erfassenden Juntas. können sich die Kommunisten die Hegemonie im Proletariat und folglich in der Revolution sichern. Nur mit dem Steigen des kommunistischen Einflusses in der Arbeiterklasse, werden sich die Juntas in Kampforgane um die Macht verwandeln. Auf einer der weiteren Etappen – wir wissen noch nicht wann – werden die Juntas als Machtorgane des Proletariats den demokratischen Institutionen der Bourgeoisie gegenüberstehen. Und erst dann wird die letzte Stunde der bürgerlichen Demokratie geschlagen haben.

In all den Fällen, wo die Massen in den Kampf hineingezogen werden, fühlen sie (und müssen sie fühlen) ein akutes Bedürfnis nach einer autoritativen Organisation, die sich über Parteien. Fraktionen und Sekten erhebt und imstande ist, alle Arbeiter zu einer Tat zu vereinigen. Diese Form der Organisation müssen die gewählten Arbeiter-Juntas ergeben. Man muss es verstehen, diese Parole den Massen im geeigneten Moment nahezulegen, und solche Momente sind jetzt auf Schritt und Tritt gegeben. Aber die Parole der Sowjets als der Organe der proletarischen Diktatur dem realen heutigen Kampfe entgegenzustellen bedeutet, die Parole der Sowjets zu verwandeln in ein überhistorisches Heiligtum, in ein überrevolutionäres Heiligenbild, das nur einzelne Frömmler anbeten können, dem aber die revolutionären Massen niemals folgen werden.

Die Frage des Tempos der spanischen Revolution

Bleibt aber noch Zeit für die Anwendung der richtigen Taktik? Ist es nicht zu spät? Sind nicht alle Fristen versäumt?

Das Tempo der Revolutionsentwicklung richtig zu bestimmen, ist von allergrößter Bedeutung, wenn nicht um die grundlegende strategische Linie, so doch um die Taktik zu bestimmen. Ohne die richtige Taktik aber kann die beste strategische Linie zur Katastrophe führen. Selbstredend lässt sich das Tempo nicht in Voraus für eine längere Periode erraten. Das Tempo muss im Verlaufe des Kampfes an Hand der verschiedensten Anzeichen geprüft werden. Es kann auch im Laufe der Ereignisse das Tempo schroff wechseln. Dennoch muss man eine bestimmte Perspektive vor Augen haben, um während des Erfahrungsprozesses notwendig werdende Korrekturen vorzunehmen.

Die Große französische Revolution hat über drei Jahre gebraucht, um ihren Höhepunkt, die Diktatur der Jakobiner, zu erreichen. Die russische Revolution hat nach acht Monaten zur Diktatur der Bolschewiki geführt. Hier sehen wir einen großen Unterschied im Tempo. Würden sich in Frankreich die Ereignisse schneller entwickelt haben, die Jakobiner hätten nicht Zeit gefunden, sich zu formieren, da sie am Vorabend der Revolution als Partei nicht existierten. Andererseits, wären die Jakobiner bereits am Vorabend der Revolution eine Macht gewesen, die Ereignisse hätten sich wahrscheinlich schneller entwickelt. Das ist einer von den Faktoren, die das Tempo bestimmen. Doch gibt es andere, vielleicht entscheidendere.

Der russischen Revolution von 1917 war die Revolution von 1905 vorangegangen, die Lenin die Generalprobe nannte. Alle Elemente der zweiten und dritten Revolution waren im Voraus vorbereitet, sodass die am Kampfe teilnehmenden Kräfte sich gleichsam auf einem fest gestampften Pfad bewegten. Dies hat die Periode des Aufstiegs der Revolution zu ihrem Kulminationspunkt außerordentlich beschleunigt.

Und doch ist anzunehmen, dass im Jahre 1917 der entscheidende Faktor in Bezug auf das Tempo der Krieg war. Die Bodenfrage hätte man noch auf Monate, vielleicht auf ein, zwei Jahre vertagen können. Aber die Frage des Todes in den Schützengräben ließ keinen Aufschub zu. Die Soldaten sagten: «Wozu brauche ich Land, wenn ich nicht mehr da sein werde?» Der Druck der Zwölfmillionen-Soldatenmasse war ein Faktor zur außerordentlichen Beschleunigung der Revolution. Ohne Krieg hätte die einleitende, vorbolschewistische Periode, trotz Generalprobe von 1905 und trotz dem Bestehen der bolschewistischen Partei, nicht acht Monate, sondern vielleicht ein Jahr, zwei und noch länger dauern können.

Diese allgemeinen Erwägungen haben zweifellos Bedeutung für die Bestimmung des wahrscheinlichen Entwicklungstempos der Ereignisse in Spanien. Die heutige Generation der Spanier kennt keine Revolution und hat in der Vergangenheit keine «Generalprobe» durchgemacht. Die Kommunistische Partei ist in die Ereignisse als äußerst schwache Partei hineingegangen. Spanien führt keinen Krieg; die spanische Bauernschaft ist nicht zu Millionen in Kasernen und Laufgräben konzentriert und steht nicht vor der unmittelbaren Gefahr der Ausrottung. All diese Umstände lassen eine langsamere Entwicklung der Ereignisse erwarten und erlauben so, mit einer längeren Frist für die Vorbereitung der Partei zur Machteroberung zu rechnen.

Doch gibt es Faktoren, die in entgegengesetzter Richtung wirken und vorzeitige Versuche des Entscheidungskampfes heraufbeschwören können, die einer Niederlage der Revolution gleichkämen: das Fehlen einer starken Partei erhöht die Bedeutung des elementaren Momentes in der Bewegung, die anarchosyndikalistischen Traditionen wirken in gleicher Richtung, und schließlich öffnet die falsche Orientierung der Komintern den Ausbrüchen des Abenteurertums Tür und Tor.

Die Schlussfolgerung aus diesen historischen Analogien ist klar: führt die Lage in Spanien (das Fehlen frischer revolutionärer Traditionen, das Fehlen einer starken Partei, das Fehlen des Krieges) dazu, dass die normale Geburt der Diktatur des Proletariats, wie es den Schein hat, um eine bedeutend längere Frist als in Russland verschoben wird, so gibt es hingegen auch Umstände, die die Gefahr einer revolutionären Fehlgeburt äußert steigern.

Die Schwäche des spanischen Kommunismus, die eine Folge der falschen offiziellen Politik ist, macht ihn wiederum sehr empfänglich für die gefährlichsten Schlussfolgerungen aus den falschen Direktiven. Der Schwache liebt nicht, seiner Schwäche in die Augen zu blicken, er fürchtet, sich zu verspäten, ist nervös und eilt voraus. Insbesondere könnten sich die spanischen Kommunisten vor den Cortes fürchten.

In Russland trat die Konstituierende Versammlung, von der Bourgeoisie hinausgeschoben; erst nach der entscheidenden Lösung zusammen und wurde mühelos liquidiert. Die spanischen konstituierenden Cortes versammeln sich in einem früheren Stadium der Revolutionsentwicklung. Die Kommunisten werden in den Cortes eine verschwindende Minderheit sein, wenn es ihnen überhaupt gelingt hineinzukommen. Daher liegt der Gedanke nahe, zu versuchen, so schnell wie möglich mit Hilfe irgendeines elementaren Massenangriffs die Cortes zu stürzen. Ein solches Abenteuer würde das Machtproblem nicht nur nicht lösen, sondern im Gegenteil, es würde die Revolution weit zurückschleudern. höchst wahrscheinlich mit zerschmetterter Wirbelsäule. Das Proletariat wird die Macht den Händen der Bourgeoisie nur unter der Bedingung entreißen können, dass die Mehrheit der Arbeiter dies leidenschaftlich anstrebt und dass die unterdrückte Volksmehrheit zum Proletariat Vertrauen hat.

Gerade in der Frage der parlamentarischen Institutionen der Revolution müssen die spanischen Genossen nicht so sehr zur russischen Erfahrung greifen als zu der der Großen französischen Revolution. Der Diktatur der Jakobiner gingen drei Parlamente voran. Diese drei Stufen führten die Massen zur Diktatur der Jakobiner. Es ist unsinnig – gemeinsam mit den Madrider Republikanern und Sozialisten – zu glauben, die Cortes würden hinter die Revolution einen Punkt stellen. Nein, sie können der Entwicklung der Revolution nur einen neuen Antrieb geben, und ihr gleichzeitig größere Planmäßigkeit sichern. Diese Perspektive ist für die Orientierung über den weiteren Gang der Ereignisse von größter Bedeutung, als Gegenwirkung gegen Nervosität und Abenteurertum.

Selbstverständlich heißt das nicht, dass die Kommunisten als Bremse der Revolution auftreten müssen. Noch weniger heißt es, dass die Kommunisten sich vor Bewegungen und Aktionen der Massen in Stadt und Land abgrenzen sollen. Eine solche Politik wäre der Ruin einer Partei, der es erst bevorsteht, das Vertrauen der revolutionären Massen zu erobern. Nur deshalb, weil die Bolschewiki alle Kämpfe der Arbeiter und Soldaten geleitet hatten, waren sie imstande, die Massen im Juli vor einer Katastrophe zurückhalten. Sollten objektive Verhältnisse und böser Wille der Bourgeoisie dem Proletariat unter ungünstigen Bedingungen einen entscheidenden Kampf aufzwingen, dann würden selbstverständlich die Kommunisten in den ersten Kämpferreihen ihren Platz haben. Die revolutionäre Partei wird stets vorziehen, zusammen mit ihrer Klasse zerschmettert zu werden, als bei Seite zu stehen. Belehrungen zu erteilen, und die Arbeiter unter den Bajonetten der Bourgeoisie ohne Leitung zu lassen. Eine im Kampfe geschlagenen Partei wird tief in die Herzen der Massen eindringen und sich früher oder später Revanche holen. Eine Partei jedoch, die sich in der Minute der Gefahr von der Klasse abgewandt hat. wird sich niemals wieder aufrichten. Doch stehen die spanischen Kommunisten gar nicht vor einer solchen tragischen Alternative. Im Gegenteil, es bestellt berechtigter Grund zur Annahme, dass die schändliche Politik des an der Macht stehenden Sozialismus und die klägliche Ratlosigkeit des Anarcho-Syndikalismus die Arbeiter immer mehr in die Richtung des Kommunismus drängen werden und dass die Partei – unter Voraussetzung der richtigen Politik – genügend Zeit bekommen wird, sich vorzubereiten und das Proletariat zum Siege zu führen.

Für die Einheit der kommunistischen Reihen

Eines der bösartigsten Verbrechen der Stalinschen Bürokratie ist die systematische Spaltung der dünnen kommunistischen Reihen in Spanien, eine Spaltung, die sich nicht aus den Ereignissen der spanischen Revolution ergibt, sondern aus den erteilten Direktiven, die wiederum sich aus dem Kampfe der Stalinschen Bürokratie um ihre Selbsterhaltung ergeben. Die Revolution erzeugt im Proletariat stets eine starke Hinneigung zum linken Flügel. Mit den Bolschewiki verschmolzen sich im Jahre 1917 alle ihnen geistig nahestehenden Strömungen und Gruppen, mochten sie in der Vergangenheit auch gegen den Bolschewismus gekämpft haben. Die Partei nahm nicht nur schnell zu, sondern führte ein stürmisches inneres Leben. Vom April bis Oktober und später, in den Jahren des Bürgerkrieges erreichte der Kampf der Richtungen und Gruppierungen in der bolschewistischen Partei in gewissen Momenten äußerste Spannung. Aber wir sehen keine Spaltungen. Nicht einmal als vereinzelte Ausnahmen. Der gewaltige Massendruck schweißt die Partei zusammen. Der innere Kampf erzieht sie und klärt sie über ihre eigenen Wege auf. In diesem Kampfe gewinnen alle Parteimitglieder tiefgehende Sicherheit über die Richtung der Parteipolitik und die revolutionäre Zuverlässigkeit der Leitung. Nur diese, aus der Erfahrung im geistigen Kampfe gewonnene Überzeugung der gesamten Parteimitgliedschaft, ermöglicht es der Leitung, im gegebenen Moment die gesamte Partei in den Kampf zu führen. Und nur die tiefgehende Überzeugung der Partei selbst von der Richtigkeit ihrer Politik flößt den Arbeitermassen Vertrauen zur Partei ein. Künstliche, von außen aufgezwungene Gruppierungen; das Fehlen eines freien und ehrlichen Ideenkampfes; Umtaufung der Freunde in Feinde; Schaffung von Legenden, die zur Spaltung der kommunistischen Reihen dienen, – das ist es, was heute die spanische kommunistische Partei paralysiert Sie muss sich aus der bürokratischen Umklammerung, die sie zur Ohnmacht verurteilt, befreien. Man muss auf der Grundlage der offenen und ehrlichen Diskussion die kommunistischen Reihen sammeln. Man muss den Vereinigungskongress der spanischen kommunistischen Partei vorbereiten.

Die Lage wird dadurch komplizierter, dass nicht nur die zahlenmäßig kleine und schwache offizielle Stalinsche Bürokratie in Spanien, sondern auch die oppositionellen Organisationen, formell außerhalb der Komintern stehend – die Katalanischen Föderation und die Madrider autonome Gruppe – eines klaren Aktionsprogramms entbehren, und, was noch schlimmer ist, zu einem großen Teil von Vorurteilen erfüllt sind, die die Epigonen des Bolschewismus in den letzten Jahren so ausgiebig gesät haben. In der Frage der «Arbeiter- und Bauernrevolution», der «demokratischen Diktatur» und sogar der «Arbeiter- und Bauernpartei» fehlt den katalanischen Oppositionellen die nötige Klarheit. Das verdoppelt die Gefahr. Den Kampf um die Wiederherstellung der Einheit der kommunistischen Reihen muss man verbinden mit dem Kampf gegen die ideologische Fäulnis und den Betrug des Stalinismus.

Das ist die Aufgabe der linken Opposition. Doch auch hier muss man die Wahrheit aussprechen: an die Lösung dieser Aufgabe ist sie bisher fast nicht herangegangen. Die Tatsache, dass die spanischen Genossen, die sich zur linken Opposition zählen, bis auf den heutigen Tag nicht einmal ein eigenes Organ geschaffen haben, ist eine unverzeihliche Zeitversäumnis, und die Revolution wird dies nicht ungestraft lassen. Wir wissen, unter welchen schwierigen Verhältnissen unsere Gesinnungsgenossen sich befinden: dauernde Polizeiverfolgungen unter Primo de Rivera, unter Berenguer und unter Zamora. T. Lacroix zum Beispiel kommt aus dem Gefängnis nur, um wieder dorthin zurückzukehren. Der im Punkt der revolutionären Leitung so ohnmächtige Apparat der Komintern entwickelt höchste Aktivität im Punkt der Verfolgungen und der Verleumdung. Das alles erschwert die Arbeit aufs Äußerste. Nichtsdestoweniger muss sie geleistet werden. Man muss die Kräfte der linken Opposition im ganzen Lande sammeln, eine Zeitschrift und ein Bulletin gründen, die Arbeiterjugend organisieren, Gruppen bilden und für die Einheit der kommunistischen Reihen auf der Grundlage der richtigen marxistischen Politik kämpfen.

28. Mai 1931, Kadiköy.

Brief an das Politbüro der WKP (B.)

Anlage

Tagesfragen der spanischen Revolution

Oben wurde erwähnt, dass die linke Opposition gezwungen ist. die auf der Tagesordnung stehenden Fragen der spanischen Revolution in Privatbriefen zu erörtern. Wir geben hier einige Auszüge aus diesen Briefen, als Ergänzung zu der oben gedruckten Arbeit.

25. Mai 1930

Die Ereignisse der Krise, die Spanien durchmacht, entwickeln sich einstweilen mit bemerkenswerter Planmäßigkeit, die der proletarischen Avantgarde eine gewisse Zeit zur Vorbereitung gewährt …

Wenn die Bourgeoisie bewusst und beharrlich sich weigert, die Lösung der Aufgaben zu übernehmen, die sich aus der Krise der bürgerlichen Gesellschaft ergeben; wenn das Proletariat sich noch nicht darauf vorbereitet erweist, die Lösung dieser Aufgaben zu übernehmen, dann tritt nicht selten die Studentenschaft auf den Schauplatz … Die revolutionäre oder halbrevolutionäre Aktivität der Studentenschaft bedeutet, dass die bürgerliche Gesellschaft eine sehr tiefe Krise durchmacht…

Die spanischen Arbeiter bewiesen einen durchaus richtigen revolutionären Instinkt, als sie das Auftreten der Studenten mit ihrer Schulter stützten. Natürlich müssen sie es unter eigenem Banner und unter Leitung einer eigenen proletarischen Organisation tun. Dafür sorgen muss der spanische Kommunismus und er braucht dazu eine richtige Politik … Dieser Weg setzt seitens der Kommunisten einen entschlossenen kühnen und energischen Kampf für die Losungen der Demokratie voraus. Dies nicht zu begreifen, wäre der größte Fehler eines Sektierertums … Wenn die revolutionäre Krise sich in eine Revolution verwandeln wird, dann wird sie naturnotwendig über die bürgerlichen Grenzen hinausgehen und im Falle des Sieges, die Macht dem Proletariat übergeben müssen.

21. Nov. 1930

In meinem Artikel äußerte ich in sehr vorsichtiger Form den Gedanken, dass man nach einigen Jahren der Diktatur, der oppositionellen Bewegung der Bourgeoisie, des oberflächlichen Lärms der Republikaner und des Auftretens der Studentenschaft, unvermeidlich das Auftreten der Arbeiter erwarten muss. und zwar könnte dieses Auftreten die revolutionären Parteien unerwartet überraschen. Wenn ich nicht irre, glaubten einige spanische Genossen, dass ich die symptomatische Bedeutung des Auftretens der Studenten und damit auch die Perspektiven der revolutionären Arbeiterbewegung übertreibe. Seit jener Zeit indes hat der Streikkampf in Spanien ein gigantisches Ausmaß angenommen. Es ist vollständig unklar, wer diese Streiks leitet.

Glauben Sie nicht, dass auch Spanien jenen Zyklus durchmachen kann, den Italien seit 1918-19 durchlaufen hat: Gärung, Streiks, Generalstreiks. Betriebsbesetzungen, das Fehlen einer Leitung, Niedergang der Bewegung. Wachsen des Faschismus, konterrevolutionäre Diktatur? Das Regime Primo de Riveras war keine faschistische Diktatur, denn es stützte sich nicht auf die Reaktion der kleinbürgerlichen Massen. Glauben Sie nicht, dass als Resultat des Gegenwärtigen zweifellos revolutionären Aufstiegs in Spanien, bei weiterer Passivität und Unfähigkeit der proletarischen Avantgarde als Partei, Bedingungen entstehen können für den echten spanischen Faschismus? Das gefährlichste in einer solchen Lage ist die Zeitversäumnis.

12. Dez. 1930

Welches aber sind die Perspektiven? … Soviel ich aus Ihrem letzten Brief ersehe, schwimmen alle Organisationen und Gruppen mit der Strömung, d. h. sie beteiligen sich an der Bewegung, soweit sie von ihr mitgerissen werden. Nicht eine der Organisationen besitzt ein revolutionäres Aktionsprogramm oder eine klar durchdachte Perspektive… Mir scheint, dass die Parole der Sowjets durch die ganze Lage diktiert ist, betrachtet man die Sowjets so, wie sie bei uns entstanden und sich entwickelten: Ursprünglich waren es machtvolle Streikkomitees. Keiner ihrer ersten Teilnehmer, ahnte, dass es die künftigen Organe der Macht waren … Selbstverständlich kann man Sowjets nicht künstlich schaffen. Aber bei jedem lokalen Streik, der die Mehrzahl der Berufe erfasst und politischen Charakter annimmt, muss man Sowjets ins Leben rufen. Dies ist die einzige Organisationsform, die unter den gegebenen Bedingungen fähig ist, die Leitung der Bewegung in die Hand zu nehmen, und die Disziplin der revolutionären Aktion in sie hineinzubringen.

Ich will Ihnen offen sagen, ich befürchte sehr, dass der Historiker gezwungen sein wird, die spanischen Revolutionäre anzuklagen, sie hätten eine außerordentliche revolutionäre Situation verpasst.

12. Januar 1931

Werden die Wahlen tatsächlich am 1. März stattfinden?… Die Lage ist derart, dass es scheinen möchte, es sei durchaus möglich, die Wahlen Berenguers mit Hilfe einer energischen Boykotttaktik zu sprengen : 1905 haben wir auf solche Weise die Wahlen zur gesetzberatenden Duma verhindert. Wie ist die Politik der Kommunisten in dieser Frage? Geben sie Flugblätter, Aufrufe, Proklamationen heraus?

Aber boykottiert man die Cortes, dann in wessen Namen? Im Namen der Sowjets? Eine derartige Fragestellung wäre meiner Meinung nach falsch. Die Stadt und die Dorfmassen kann man jetzt nur unter den Parolen der Demokratie vereinigen. Hierzu gehören die konstituierenden Cortes auf Grund des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts. Ich glaube nicht, dass Ihr in der jetzigen Lage ohne diese Parole auskommen könntet. Sowjets gibt es ja noch nicht. Die spanischen Arbeiter wissen nicht – wenigstens nicht aus eigener Erfahrung – was Sowjets sind. Von den Bauern gar nicht zu reden. Indes wird der Kampf um die Cortes in der nächsten Periode den Inhalt des politischen Lebens des Landes bilden. Unter diesen Umständen wäre es falsch die Losung der Sowjets der Losung der Cortes gegenüberzustellen. Umgekehrt, Sowjets aufzubauen wird in der nächsten Zeit anscheinend nur möglich sein, indem man die Massen auf der Basis der Parolen der Demokratie mobilisiert. Das heißt: um die Monarchie zu hindern, falsche, gefälschte, konservative Cortes einzuberufen, um die Einberufung der demokratischen, konstituierenden Cortes zu sichern; damit diese Cortes das Land den Bauern übergeben können usw., usw. muss man Arbeiter-, Soldaten- und Bauernsowjets schaffen, als befestigte Positionen der werktätigen Massen.

31. Januar 1931

Die Parole der Einheit der kommunistischen Reihen wird zweifellos in der nächsten Periode in Spanien eine gewaltige Anziehungskraft haben, die zusammen mit dem Wachsen des Einflusses des Kommunismus wachsen wird. Die Masse, auch die fortgeschrittene Masse, wird nur jene Spaltungen akzeptieren, die sich aus ihrer eigenen Erfahrung ergeben. Darum glaube ich, muss die Parole der Einheitsfront in Bezug auf die Arbeiter-Syndikalisten und -Sozialisten durch die Parole der Vereinigung der Kommunisten (auf bestimmter Plattform) ergänzt werden.

5. Februar 1931

Ich denke, dass Ihr werdet kaum auf die Parole der revolutionären konstituierenden Cortes verzichten können. Sind doch in Spanien über 70% Bauern. Wie werden sie die Parole «Arbeiterrepublik» verstehen? Die Sozialisten und Republikaner einerseits, die Popen andererseits, werden den Bauern sagen, dass die Arbeiter sich ihnen auf den Nacken setzen und sie kommandieren wollen. Was werdet Ihr darauf antworten? Ich kenne eine einzige Antwort unter den gegebenen Verhältnissen: wir wollen, dass die Arbeiter und Bauern die von oben eingesetzten Beamten und überhaupt alle Gewalthaber und Unterdrücker verjagen und auf Grund des allgemeinen Wahlrechts ihren freien Willen kundtun. Man kann die Bauern für die Arbeiterrepublik, d.h. für die Diktatur des Proletariats gewinnen im Prozess des Kampfes um Land usw. Aber es ist unmöglich den Bauern die Diktatur des Proletariats als fertige Formel vorzusetzen.

Die Kommunisten haben offensichtlich einen Fehler begangen, indem sie nicht die Initiative des Boykotts ergriffen. Nur die Kommunisten, an der Spitze der revolutionären Arbeiter, hätten der Boykottkampagne einen kühnen Kampfcharakter verleihen können. Boykottstimmungen sind, anscheinend, in den oppositionellen Parteien sehr verbreitet und sind Wiederspiegelung und Symptom tiefen Brodelns in den Volksmassen. Die letzten Telegramme scheinen zu bestätigen, dass die Republikaner und Sozialisten sich für den Boykott ausgesprochen haben. Hätten die Kommunisten sie rechtzeitig unter ihre Knute genommen, es würde ihnen viel schwerer geworden sein, auf den Boykott zu verzichten. Indes hat Berenguer sich und seine Regierung mit den Wahlen für den 1. März stark gebunden. Wenn der Boykott Berenguer zu diesem oder jenem Rückzug zwingen würde, so wäre dies von gigantischen Folgen im Sinne einer Steigerung der revolutionären Selbstgefühle der Massen, besonders, wenn als Anführer der Boykott-Taktik die Kommunisten auftreten würden.

[13. Februar 1931]

Betreffs der «Arbeiterrepublik». Von dieser Parole braucht man keinesfalls abzugehen. Aber momentan hat sie mehr einen propagandistischen als einen agitatorischen Charakter. Wir müssen den aufgeklärten Arbeitern klar machen, dass die Arbeiterrepublik unser Ziel ist, dass wir aber die Bauern dafür gewinnen müssen. Die Bauern für die Arbeiterrepublik gewinnen, d. h. faktisch für die Diktatur des Proletariats, können wir jedoch kaum anders, als über einige Zwischen-«Experimente», darunter auch solche parlamentarischen Charakters. Die Bauernschaft wird die Diktatur des Proletariats erst akzeptieren, nachdem sie alle übrigen Möglichkeiten erschöpft hat. Es ist richtig, in Spanien sind viele Möglichkeiten schon in der Vergangenheit erschöpft worden. Aber es bleibt immerhin noch die «volle», «konsequente». auf revolutionärem Weg errungene Demokratie. Das eben sind die konstituierenden Cortes. Selbstverständlich, machen wir aus dieser Parole keinen Fetisch. Wenn die Entwicklung ein schnelleres Tempo annimmt, werden wir Zeit finden, die eine Parole durch eine andere zu ersetzen.

15. Februar 1931

Soviel ich mich entsinne, habe ich Ihnen wie von einem «Traum» geschrieben, wie schön es wäre, wenn der Boykott die Monarchie auf die Knie, und wenn auch nur auf eines, gezwungen hätte. Das ist jetzt eine vollzogene Tatsache. Die unmittelbare politische Bedeutung der Verabschiedung Berenguers ist nicht groß: die symptomatische riesig. Die Ohnmacht der Monarchie, der Zerfall der herrschenden Cliquen. ihr mangelndes Selbstvertrauen, die Angst, die Angst, die Angst – vor dem Volk, vor der Revolution, vor dem morgigen Tag, ihr Bestreben, durch äußeres Nachgeben den schrecklichsten Folgen vorzubeugen – all das tritt durch die Entlassung Berenguers und die halbe Kapitulation des Königs zu Tage. Großartig! wirklich großartig! Nichts Besseres könnte man sich ausdenken. Der Fetischismus der Macht ist im Bewusstsein der Volksmassen tödlich getroffen. Eine Welle der Befriedigung, der Selbstsicherheit und Kühnheit wird die Herzen von Millionen durchfluten, erwärmen, begeistern, vorwärts stoßen.

Die allgemeine revolutionäre Lage, in der die Partei des Proletariats zu handeln hat, ist jetzt im höchsten Grade günstig. Alles liegt jetzt an der Partei selbst. Leider waren die Kommunisten keine Koryphäen im Chor der Boykottisten. Sie gingen deshalb aus der Kampagne der letzten 2-3 Monate ohne große Eroberungen hervor. In Perioden stürmischer revolutionärer Fluten wächst die Autorität der Partei rasch, fieberhaft – wenn die Partei an Wendepunkten, an neuen Etappen sogleich die nötige Parole aufstellt, die von den Ereignissen bald bestätigt wird … Manches ist in den letzten Monaten und Wochen versäumt worden. Aber wir wollen nicht zurückblicken. Man muss vorwärts schauen. Die Revolution entwickelt sich erst. Man kann das Versäumte hundertfach nachholen.

Das konstitutionell-parlamentarische Problem rückt in das Zentrum des offiziellen politischen Lebens. Wir können nicht daran vorbeigehen. Die Parole der revolutionären konstituierenden Cortes muss, meiner Ansicht nach, jetzt mit doppeltem Nachdruck in den Vordergrund gestellt werden. Man darf sich von präzisen demokratischen Formulierungen nicht «verächtlich» abwenden. Zum Beispiel: Wahlrecht für alle Männer und Frauen, vom 18. Lebensjahr an, ohne irgendwelche Einschränkungen. 18 Jahre ist für Spanien als ein südliches Land vielleicht sogar ein zu hohes Alter. Man muss auf die Jugend setzen.

Die Frage der Einheitsfront aller kommunistischen Fraktionen einschließlich der offiziellen Partei wird unvermeidlich auf die Tagesordnung gestellt werden. Die Massen dürften in den kommenden Wochen und Monaten ein mächtiges Bedürfnis nach einer einheitlichen und ernsten revolutionären Führung verspüren. Die Uneinigkeit der Kommunisten wird die Massen reizen. Sie werden die Einigkeit erzwingen, – nicht für immer, denn die Ereignisse können aufs Neue verschiedene Fraktionen in verschiedene Richtungen führen. Aber für die nächste Zeit erscheint mir die Annäherung der Kommunistischen Fraktionen ganz unvermeidlich. Auch hier, wie in der Frage des Boykotts, wie bei jeder aktuellen politischen Frage überhaupt, wird die Fraktion gewinnen, die die Initiative zur Vereinigung der kommunistischen Reihen ergreift. Die Möglichkeit einer solchen Initiative seitens der kommunistischen Linken setzt Einheit und Organisiertheit dieser Linken selbst voraus. Man muss unverzüglich eine richtig organisierte, wenn auch in der ersten Zeit zahlenmäßig kleine Fraktion der linken kommunistischen Opposition schaffen, mit einem eigenen Bulletin und einem eigenen theoretischen Organ. Das schließt selbstverständlich die Beteiligung der linken Kommunisten au größeren Organisationen nicht aus, im Gegenteil, es setzt eine solche Beteiligung voraus. Aber ist gleichzeitig auch die notwendige Bedingung dieser Beteiligung.

13. März 1931

Einige Worte über Soldaten-Juntas. Sind wir daran interessiert, dass sie als selbständige Organisationen entstehen? Das ist eine sehr ernste Frage, in der man von Anfang an eine bestimmte Linie einhalten, muss, selbstverständlich mit dem Vorbehalt, je nach der Erfahrung. Korrekturen vornehmen zu dürfen.

13. Februar 1931

Im Jahre 1905 kam es in Russland zu Soldatensowjets nicht. Das Auftreten von Soldatendeputierten in den Arbeitersowjets hatte episodischen Charakter. 1917 spielten die Soldatensowjets eine gigantische Rolle. In Petrograd war der Soldatensowjet von Anfang an mit dem Arbeitersowjet verschmolzen, wobei die Soldaten die erdrückende Mehrheit besaßen. In Moskau waren Arbeitersowjet und Soldatensowjet von einander getrennt. Im Grunde genommen, ist dies aber eine Frage der Organisationstechnik. Der Kern der Sache lag in der gigantischen Armee, die ungefähr 10-12 Millionen Bauern umfasste. In Spanien haben wir eine Armee der Friedenszeit, unbedeutend im Vergleich zu der Bevölkerung, sogar im Vergleich zum Proletariat. Ist unter diesen Umständen das Auftreten selbständiger Soldatensowjets unvermeidlich? Vom Standpunkt der proletarischen Politik sind wir daran interessiert, die Soldatendelegierten in die Arbeiterjuntas einzubeziehen. in dem Maße, wie letztere einstehen werden. Reine Soldatenjuntas könnten nur auf dem Kulminationspunkte der Revolution oder nach deren Siege entstehen. Arbeiterjuntas können (müssen!) früher entstehen, auf Basis von Streiks, des Boykotts der Cortes. sodann – auf Grund der Teilnahme an den Wahlen. Die Soldatendeputierten in die Arbeiterjuntas einzubeziehen, ist folglich möglich lange vor der Bildung reiner Soldatenjuntas. Aber ich gehe weiter: Entwickelt man rechtzeitig Initiative bei der Schaffung von Arbeiterjuntas. und deren Einwirkung auf die Armee, dann könnte man vielleicht im Weiteren das Entstehen selbständiger Soldatenjuntas überhaupt vermeiden, die leicht unter den Einfluss karrieristischer Offiziere und nichtrevolutionärer Arbeiter geraten könnten. Die zahlenmäßige Geringfügigkeit der spanischen Armee spricht zugunsten einer solchen Perspektive. Aber andererseits besitzt diese kleine Armee mehr als es in irgendeinem anderen Land der Fall ist ihre eigenen revolutionär-politischen Traditionen. Das kann bis zu einem gewissen Grad die Auflösung der Soldatenvertretungen in den Arbeiterjuntas behindern.

Ihr seht, dass ich mich in dieser Frage nicht kategorisch auszusprechen wage: und auch die den Dingen nahestehenden Genossen werden hier kaum eine kategorische Entscheidung treffen können. Vielmehr stelle ich die Frage zur Diskussion: je früher eine breite Schicht der vorgeschrittenen Arbeiter bestimmte Fragen prüft, umso leichter wird ihre Lösung in der Zukunft sein. Jedenfalls wird man den Kurs nehmen müssen auf das Aufgehen der Soldatendelegierten in der Arbeiterschaft. Auch wenn dies nur teilweise gelingt, ist es gut. Aber eben zu diesem Zweck muss man rechtzeitig und sorgfältig den Zustand der Armee, einzelner Truppen-Gattungen, einzelner Truppenteile u. s. w. studieren.

Es wäre überhaupt gut, zu versuchen, kollektiv eine politische Karte von Spanien zusammenzustellen, zum Zweck einer genaueren Bestimmung der Kräfteverhältnisse in jedem Bezirk und der gegenseitigen Beziehungen der Bezirke. In einer solchen Karte müssten die Arbeiterbezirke, die revolutionären Herde, Gewerkschafts- u. Parteiorganisationen, Garnisonen, das Verhältnis der roten und weißen Truppenteile, die Bezirke der Bauernbewegungen u. s. f. eingezeichnet sein. So gering die Zahl der Oppositionellen auch ist, so könnten sie doch an verschiedenen Orten die Initiative zu einer derartigen Bearbeitung der Frage ergreifen, unter Hinzuziehung der besten Vertreter der anderen revolutionären Gruppen. So würden die Elemente eines Generalstabs der Revolution entstehen. Eine zentrale Zelle müsste dieser Arbeit die notwendige Einheitlichkeit geben. Diese vorbereitende, in der ersten Zeit scheinbar „akademische" Arbeit könnte in der Zukunft eine gewaltige, vielleicht sogar entscheidende Bedeutung erhalten. In einer Epoche, wie sie jetzt Spanien durchmacht, ist Zeitverlust die größte Sünde.

14. April 1931.

Ich danke für die Zitate über die „Volks"-Revolution aus der Rede Thälmanns, die ich übersehen hatte. Eine sinnlosere und bösartig verworrenere Fragestellung lässt sich nicht ausdenken! «Volksrevolution» als Parole und noch dazu unter Berufung auf Lenin! Aber in jeder Nummer des Blattes des Faschisten Strasser prangt ja die Parole der Volksrevolution als Gegensatz zu der marxistischen Parole der Klassenrevolution. Es ist klar, dass jede große Revolution eine Volks- oder nationale Revolution ist, in dem Sinn, dass sie um die revolutionäre Klasse alle lebendigen und schöpferischen Kräfte der Nation vereinigt und die Nation um die neue Achse aufbaut. Aber das ist keine Parole, sondern eine soziologische Beschreibung der Revolution, die zudem noch genauer und konkreter Erläuterungen bedarf. Als Parole jedoch ist es eine Hohlheit und Scharlatanerie, eine marktschreierische Konkurrenz mit den Faschisten, bezahlt mit dem Preis des Hineinbringens von Verwirrung in die Köpfe der Arbeiter. Erstaunlich ist die Evolution der Parolen der Komintern gerade in dieser Frage. Seit dem 3. Kongress der Komintern wurde die Parole «Klasse gegen Klasse» der populäre Ausdruck der Politik der proletarischen Einheitsfront. Das war völlig richtig: alle Arbeiter müssen sich gegen die Bourgeoisie zusammenschließen. Daraus wurde sodann der Bund mit den reformistischen Bürokraten gegen die Arbeiter (englischer Generalstreik). Dann verfiel man in das entgegengesetzte Extrem: Keine Verständigung mit den Reformisten, «Klasse gegen Klasse». Die gleiche Parole, die dem Zusammenschluss der sozialdemokratischen Arbeiter mit den kommunistischen dienen sollte, erhielt in der Zeit der «dritten Periode» die Bedeutung: Kampf gegen die sozialdemokratischen Arbeiter als gegen eine andere Klasse. Nun eine neue Wendung: Volksrevolution anstelle der proletarischen. Der Faschist Strasser sagt: 95 Prozent des Volkes sind an der Revolution interessiert, folglich ist dies keine Klassen-, sondern eine Volksrevolution. Thälmann stimmt in das Lied ein. In Wirklichkeit jedoch muss der kommunistische Arbeiter dem faschistisch gesinnten sagen: Natürlich, 95% der Bevölkerung, wenn nicht 98% werden vom Finanzkapital ausgebeutet. Aber diese Ausbeutung ist hierarchisch organisiert: es gibt Ausbeuter, es gibt Unter-Ausbeuter, Unter-Unterausbeuter usw. Nur dank dieser Hierarchie können die Oberausbeuter die Mehrheit der Nation unter ihrer Botmäßigkeit halten. Damit die Nation in der Tat um die neue Klassenachse aufgebaut werden kann, muss sie sich geistig umstellen, aber das ist nur in dem Fall zu erreichen, wenn das Proletariat, ohne sich im «Volke», in der «Nation» aufzulösen, im Gegenteil sein Programm, das Programm der proletarischen Revolution entfaltet, und das Kleinbürgertum zwingt, zwischen zwei Regimes zu wählen. Die Parole der Volksrevolution lullt das Kleinbürgertum ein, ebenso breite Schichten der Arbeiter, versöhnt sie mit der bürgerlich-hierarchischen Struktur des «Volkes», verlangsamt ihre Befreiung. Bei den jetzigen Verhältnissen in Deutschland verwischt die Parole der «Volksrevolution» die ideologischen Grenzlinien zwischen Marxismus und Faschismus, versöhnt einen Teil der Arbeiter und das Kleinbürgertum mit der Ideologie des Faschismus, indem sie ihnen ermöglicht, zu glauben, dass es gar nicht nötig sei, sich zu entscheiden, denn dort und hier handelte es sich um die Volksrevolution. Diese unseligen «Revolutionäre» denken beim Zusammenstoß mit jedem ernstlicheren Feind zuerst daran, sich ihm anzupassen, seine Farben anzunehmen und durch einen geschickten Trick, nicht aber durch den revolutionären Kampf die Massen zu erobern. Eine wahrhaft schändliche Fragestellung! Hätten sich die schwachen spanischen Kommunisten diese Formel zu Eigen gemacht, sie wären zur Politik einer spanischen Kuomintang gekommen.

20. April 1951

Viele Züge der Ähnlichkeit zwischen dem Februarregime in Russland und dem heutigen republikanischen Regime in Spanien sind augenfällig. Aber es gibt auch tiefe Unterschiede: a) Spanien führt nicht Krieg, und es fehlt Euch die akute Parole des Kampfes für den Frieden: b) Ihr habt noch keine Arbeiter- geschweige denn Soldatensowjets. Aus der Presse ersehe ich nicht einmal, dass diese Parole unter die Massen geworfen wäre, c) Die republikanische Regierung greift von Anfang an zu Repressalien gegen den linken proletarischen Flügel, was in Russland im Februar nicht der Fall war, denn die Bajonette waren in der Hand der Arbeiter- und Soldatensowjets, nicht aber in der Hand der liberalen Regierung. Der letztere Umstand hat eine ungeheure Bedeutung für Agitation. Das Februarregime verwirklichte auf politischem Gebiete sogleich die volle, in ihrer Art absolute Demokratie. Die Bourgeoisie hielt sich nur durch die Vertrauensseligkeit der Arbeiter- und Soldatenmassen. Bei Euch hält sich die Bourgeoisie nicht nur durch die Vertrauensseligkeit, sondern auch mit Hilfe der organisierten Gewalt, welche sie vom alten Regime übernahm. Ihr habt keine volle und uneingeschränkte Freiheit der Versammlungen, der Rede, Presse usw. Die Wahlbasis Eurer neuen Munizipalitäten ist sehr weit entfernt von Demokratie. Dabei sind in einer revolutionären Epoche die Massen besonders empfindlich für jede Rechtsungleichheit, für jede Art von Polizeiherrschaft. Das muss man ausnutzen. Mit andern Worten, die Kommunisten müssen jetzt als die konsequenteste, entschlossenste und unversöhnlichste demokratische Partei auftreten. Andererseits ist es notwendig, ohne Zögern mit der Schaffung von Arbeitersowjets zu beginnen. Der Kampf um Demokratie ist dafür der beste Ausgangspunkt. Sie haben ihre Munizipalität; wir Arbeiter brauchen unsere städtische Junta, um unsere Rechte und unsere Interessen zu verteidigen.

23. April 1931

(aus einem Brief nach Barcelona)

Die Katalanische Föderation muss bestrebt sein, der allgemeinen spanischen kommunistischen Organisation beizutreten. Katalonien bildet die Avantgarde. Wenn diese Avantgarde jedoch nicht Schulter an Schulter mit dem Proletariat, und weiter auch mit der Bauernschaft von ganz Spanien gehen wird, so wird die katalanische Bewegung bestenfalls als grandiose Episode im Stile der Pariser Kommune enden. Dahin drängt die besondere Lage Kataloniens. Der nationale Konflikt kann den Dampfkessel so erhitzen, dass die katalanische Explosion erfolgt lange bevor die Situation in Spanien für die zweite Revolution reif wird. Es wäre das größte historische Unglück, wenn das katalanische Proletariat unter dem Einfluss nationalen Siedens und Gärens sich auf den Weg des Entscheidungskampfes locken lassen würde, bevor es ihm gelungen ist. sich mit dem Proletariat ganz Spaniens zu vereinigen. Die Stärke der linken Opposition in Barcelona wie in Madrid könnte und müsste darin bestehen, alle Fragen auf eine historische Höhe zu erheben.

17. Mai 1931

(aus einem Brief nach Madrid)

Über den sogenannten «Nationalismus» der katalanischen Föderation. Das ist eine sehr wichtige und aktuelle Frage. Irrtümer könnten dabei zu fatalen Folgen führen.

Die Revolution weckte in Spanien mit neuer Kraft alle Probleme, darunter auch die nationale Frage. Trägerin nationalistischer Tendenzen und Illusionen ist in erster Linie die kleinbürgerliche Intelligenz, die danach strebt, in der Bauernschaft einen Stützpunkt gegen die denationalisierende Rolle des Großkapitals und der Staatsbürokratie zu finden. Die – im gegenwärtigen Moment – führende Rolle des Kleinbürgertums in der nationalen Freiheitsbewegung wie in jeder revolutionär-demokratischen Bewegung überhaupt, trägt in diese letztere unvermeidlich die verschiedensten Vorurteile hinein. Von hier aus dringen die nationalen Illusionen auch zu den Arbeitern. Wahrscheinlich ist dies heute im Großen und Ganzen die Lage in Katalonien überhaupt, und bis zu einem gewissen Grad wohl auch in der katalanischen Föderation. Das Gesagte verkleinert jedoch nicht den fortschrittlichen revolutionär-demokratischen Charakter des katalanischen Nationalkampfes, – gegen die spanischen Großmachtgelüste, den bürgerlichen Imperialismus und den bürokratischen Zentralismus.

Man darf es keine Minute aus dem Auge lassen, dass Spanien als Ganzes und Katalonien, als sein Teil, momentan nicht von katalanischen Nationaldemokraten regiert werden, sondern von spanischen Bourgeois-Imperialisten im Bunde mit Gutsbesitzern, alten Bürokraten und Generälen, mit Unterstützung der spanischen Sozialpatrioten. Diese ganze Sippe ist einerseits für die weitere Versklavung der spanischen Kolonien, andererseits für maximale bürokratische Zentralisation Spaniens selbst, d. h. für die Unterdrückung der Katalanen, Basken usw. durch die spanische Bourgeoisie. Im gegenwärtigen Stadium der Entwicklung, bei der jetzigen Verflechtung der Klassenkräfte, erscheint der katalanische Nationalismus als fortschrittlich-revolutionärer Faktor. Der spanische Nationalismus bildet einen reaktionär-imperialistischen Faktor. Ein spanischer Kommunist, der diesen Unterschied nicht begreift, ihn ignoriert, ihn nicht in den Vordergrund stellt, sondern im Gegenteil seine Bedeutung verwischt, läuft Gefahr, ein unbewusster Agent der spanischen Bourgeoisie zu werden und für die Sache der proletarischen Revolution verloren zu gehen.

Worin besteht die Gefahr der kleinbürgerlichen nationalen Illusionen? Darin, dass sie imstande sind, das Proletariat Spaniens in verschiedene nationale Richtungen zu spalten. Das ist eine sehr ernste Gefahr. Aber die spanischen Kommunisten können gegen diese Gefahr nur auf einem Wege mit Erfolg kämpfen: indem sie schonungslos die Gewalttaten der Bourgeoisie der herrschenden Nation entlarven und sich dadurch das Vertrauen des Proletariats der unterdrückten Nationalitäten erobern, jede andere Politik wäre gleichbedeutend mit der Unterstützung des reaktionären Nationalismus der imperialistischen Bourgeoisie der herrschenden Nation gegen den revolutionär-demokratischen Nationalismus des Kleinbürgertums der unterdrückten Nation.

20. Mai 1931.

Sie schreiben, dass die Lüge der «Humanité» in Katalonien Entrüstung hervorruft. Das kann man sich leicht vorstellen. Aber Entrüstung allein ist zu wenig. Die oppositionelle Presse muss ein systematisches Bild von dem geben, was in Spanien geschieht. Diese Frage hat eine gewaltige Bedeutung. An der lebendigen Erfahrung der spanischen Revolution müssen die Kader des internationalen Kommunismus neu erzogen werden. Systematische Korrespondenzen aus Barcelona und Madrid – das sind nicht einfach Korrespondenzen, sondern politische Dokumente ersten Ranges. Unterbleibt dies, dann sind die Stalinisten imstande, um die katalanische Föderation eine Atmosphäre der Entfremdung und Feindschaft zu schaffen, die an sich die fortgeschrittenen katalanischen Arbeiter auf den Weg des Abenteuers und der Katastrophe stoßen kann.

* Am stärksten zeichnen sich die amerikanischen Stalinisten aus. Man kann sich kaum vorstellen, zu welch herkulischen Säulen von Vulgarität und Dummheit die Bürokraten, die man dafür bezahlt und die niemand kontrolliert, in ihren Behauptungen sich zu versteigen fähig sind.

** Die linke Opposition besitzt keine Tageszeitung. Man ist gezwungen, in Privatbriefen Gedanken zu entwickeln, die den Inhalt täglicher Artikel bilden müssten. In der Anlage zu dieser Arbeit geben wir in chronologischer Reihenfolge Auszüge aus solchen Brief-Artikeln.

*** Die italienische Gruppe «Prometeo» (Bordigisten) bestreitet überhaupt revolutionär-demokratische Parolen für alle Länder und alle Völker. Dieser sektiererische Doktrinarismus, der praktisch mit der Position der Stalinisten zusammenfällt, hat mit der Position der Bolschewiki-Leninisten nichts gemein. Die internationale Linke muss jeden Schatten einer Verantwortung für diese ultralinke Kinderei ablehnen. Gerade die frische spanische Erfahrung beweist, dass beim Prozess des Zusammenbruchs des Regimes der faschistischen Diktatur in Italien die Parolen der politischen Demokratie zweifellos eine wichtige Rolle spielen werden. In die spanische oder italienische Revolution mit «Prometeo» -Programm hineinzugehen, ist dasselbe, wie schwimmen wollen mit auf dem Rücken festgebundenen Armen: ein solcher Schwimmer läuft stark Gefahr zu ertrinken.

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