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Leo Trotzki 19310531 Tagesfragen der spanischen Revolution

Leo Trotzki: Tagesfragen der spanischen Revolution

[Nach Internationales Bulletin der Kommunistischen Linksopposition, Nr. 9-10, August 1931, S. 6-15]

Im Folgenden bringen wir die Fortsetzung des politischen Briefwechsels der linken Opposition (s. Bulletin Nr. 21/22) über die Probleme der spanischen Revolution. Die Briefe sind im Auszug wiedergegeben. [Redaktion des Bulletins]

31. Mai 1931.

Die Anarcho-Syndikalisten, soweit ich beurteilen kann, führen gegenüber dem kläglichen und verachtungswürdigen Regime des Obersten Macia, des Barcelonaer Kommissionärs der Madrider Imperialisten, eine Politik des Kompromisses. Die Anarcho-Syndikalisten würden, anscheinend, zu Unterkommissionären und faktisch zu Agenten der nationalen bürgerlichen Welt Kataloniens. Die katalanische Föderation nimmt, soviel ich sehe, ihrerseits eine Kompromissstellung zu den Anarcho-Syndikalisten ein, d.h. sie ersetzt die revolutionäre Einheitsfrontpolitik durch eine opportunistische Politik des Schutzes und Beschönigung der Anarcho-Syndikalisten, und folglich auch des Regimes Macia. Gerade hierin sehe ich eine der Quellen der elementaren Explosionen, die in einem gewissen Stadium gefährlichen Charakter annehmen können. Es ist durchaus nicht die Aufgabe der syndikalistischen Verbände, die Arbeiter zurückzuhalten, sondern umgekehrt, sie zu mobilisieren und ihren Angriff auf der ganzen Linie zu organisieren, und vor allem, die Arbeiter der rückständigen Teile von Katalonien und im ganzen übrigen Spanien in Bewegung zu bringen.

Die Aufgabe der katalanischen Föderation besteht nicht darin, die Handlungsweise der anarcho-syndikalistischen Konföderation zu beschönigen.sondern darin, kritisch jedem ihrer Schritte zu folgen und ihren verschwiegenen Block mit der kleinbürgerlichen Gegenrevolution Macias vor den Arbeitern zu brandmarken.

Um zu verhüten, dass sich die Zurückhaltung vor unzweckmässigen oder verfrühten Handlungen in ein menschewistisches Ersticken und Löschen der Revolution verwandelt, muss man eine klare strategische Linie haben, müssen die vorderen Arbeiter diese Linie klar erkennen, um sie unermüdlich den breiten Massen klar zu machen. Die katalanische Föderation hat augenscheinlich gar keine strategische Linie. Ihre Führer fürchten über die Grundprobleme der Revolution nachzudenken sonst könnten sie nicht eine solch kindische und einfältige Furcht vor dem Trotzkismus" haben, die das ganze Niveau ihres politischen Denkens kennzeichnet.

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18. Juni 1931.

Liebe Genossen,

Der Lauf der Ereignisse stellt heute eine gewaltige Frage auf die Tagesordnung, zu der die Linksopposition ihre Auffassung vorlegen kann und muss. Ich spreche von der Spanischen Revolution. Es handelt sich heute nicht um eine nachträgliche Kritik, es handelt sich für die internationale Linksopposition um ein aktives Eingreifen in die Ereignisse, um der Katastrophe zuvorzukommen.

Wir haben wenig Kräfte. Aber der Vorteil einer revolutionären Situation besteht gerade darin, dass selbst eine wenig zahlreiche Gruppe in einer kurzen Zeitspanne eine starke Kraft werden kann, in dem Fall, dass sie richtige Prognosen stellt, und zur rechten Zeit richtige Losungen herausgibt. Ich meine damit nicht nur unsere spanische Sektion, die direkt durch die Ereignisse mitgerissen wird, sondern alle unsere Sektionen, weil die Revolution vorschreiten wird, je mehr sie die Aufmerksamkeit der Arbeiter der ganzen Welt auf sich zieht. Die Erprobung der politischen Linien wird sich vor den Augen der proletarischen Avantgarde der Welt abspielen. Wenn wir wirklich der linke Flügel sind, wenn wir wirklich durch unsere richtige revolutionäre Auffassung stark sind, müssen wir die Stärke: in erhöhtem Maße während einer revolutionären Situation zeigen. Wenn wir wirkliche Internationalisten sind, müssen wir die Aufgabe im internationalen Maßstab erfüllen.

Zwei Grundfragen müssen von uns gestellt werden : 1.) Die Frage nach dem allgemeinen Charakter der Spanischen Revolution und der darauf folgenden strategischen Linie.

2.) Die Frage nach der richtigen taktischen Anwendung der demokratischen Losungen und der parlamentarischen und revolutionären Möglichkeiten. Ich habe versucht, alles dafür Wesentliche in meiner letzten Arbeit über Spanien zu sagen. Hier will ich mich nur summarisch über den Fragenkomplex äußern, auf Grund dessen wir auf der ganzen Linie der komm. Internationale zur Offensive vorstoßen müssen.

Muss man in Spanien auf eine Zwischenrevolution zwischen der vollendeten republikanischen Revolution und der zukünftigen proletarischen Revolution warten, auf eine sogenannte „Arbeiter- und Bauern Revolution" mit einer „demokratischen Diktatur“?" Ja oder Nein? Die ganze strategische Linie hängt von der Antwort dieser Frage ab. Die offizielle Spanische Partei steckt bis zum Hals in einer ideologische Verwirrung in Bezug auf diese Grundfrage. Eine Verwirrung, die von den Epigonen gesät wurde und noch immer gesät wird, und die ihren Ausdruck in dem Programm der Komintern findet. Wir haben jetzt die Möglichkeit Tag für Tag angesichts der lebendigen Tatsachen die ganze Leere, die Unsinnigkeit und zu gleicher Zeit die gewaltige Gefahr vor der proletarischen Avantgarde zu entlarven, die die Fiktion einer Zwischen-Revolution in sich birgt. -

Die leitenden Genossen aller Sektionen müssen sich bewusst sein, dass wir, als linker Flügel von einer soliden, wissenschaftlichen Grundlage ausgehen müssen. Die leichtfertige Handhabung der Ideen, der journalistische Scharlatanismus im Stil Landaus u. Co. widersprechen in ihrem Wesen einer revolutionären proletarischen Fraktion. Man muss die Grundfragen der Revolution ebenso studieren, wie die Ingenieure den Widerstand des Materials oder die Ärzte Anatomie und Pathologie. Das Problem der Permanenten Revolution ist durch die spanischen Ereignisse tatsächlich zum Zentralproblem der Internationalen Linksopposition geworden. -

Die Diskussion der demokratischen Losungen, die Ausnutzung der Wahlen und schließlich der Cortes sind Fragen revolutionärer Taktik, die der strategischen Hauptfrage untergeordnet sind. Aber die richtigsten strategischen Formulierungen taugen nichts, wenn man nicht in jedem gegebenem Moment eine taktische Lösung dieser Formulierungen findet. Die französische Presse veröffentlicht eine Nachricht, nach der der Führer der katalanischen Föderation, Maurin, in seiner Madrider Rede erklärt haben soll, dass seine Organisation an den Wahlen nicht teilnehmen würde, weil sie nicht an ihre „Aufrichtigkeit" glaubt. Ist so etwas möglich? Das würde heißen, dass Maurin die Probleme revolutionärer Taktik nicht vom Standpunkt der Mobilisierung der proletarischen Kräfte betrachtet, sondern vom Standpunkt der Moral und kleinbürgerlichen Sentimentalität. Zwei Wochen habe ich geglaubt, dass die bürgerliche Presse Unsinn schreibt; aber nachdem ich die Plattform der katalanischen Föderation gelesen habe, muss ich zugeben, dass jene Nachricht, so unwahrscheinlich sie klingt, durchaus nicht unmöglich ist und nicht von vornherein ausgeschlossen werden muss.

Auf dieser Linie müssen wir einen unerbittlichen Kampf in unseren eigenen Reihen durchführen. Es ist völlig absurd und unwürdig, sich mit den verschiedenen Gruppen über Funktionen, Rechte und Vorrechte des Sekretariats zu streiten, in einem Augenblick, wo wir mit diesen Gruppen keinerlei gemeinsame prinzipielle Basis haben. Ich denke dabei vor allem an die Gruppe „Prometeo", die mit den Bolschewiki-Leninisten in allen Grundfragen der Strategie und Taktik auseinandergeht. Man darf niemanden erlauben, diese grundlegenden Differenzen durch Streitereien auf dem Gebiet des Organisationswesens zu vertuschen und durch prinzipienlose Blocks, die unvermeidlich zu Intrigen hinter den Kulissen herabsinken müssen. -

Nach den russischen Erfahrungen wurde die Frage der demokratischen Losungen während der Revolution von neuem im Verlauf des Kampfes in China gestellt. Jedoch hatten nicht alle europäischen Sektionen die Möglichkeit, allen Etappen dieses Kampfes zu folgen. Die Diskussion dieser Fragen hatte deswegen einen halb akademischen Charakter für manche Genossen und manche Gruppen. Aber heute bedeuten diese Fragen die Verkörperung des Kampfes, das Leben selbst. Können wir uns in einem derart wichtigen historischen Wendepunkte erlauben, dass man uns Hände und Füße bindet? Ebenso wie wir während des chines.-russ.- Konflikts, der in einen Krieg umzuschlagen drohte, uns nicht in Diskussionen verlieren konnten, ob die UdSSR oder Tschiang Kai-schek unterstützt werden musste, können wir heute angesichts der spanischen Ereignisse nicht einmal eine indirekte Verantwortlichkeit für die sektiererischen und halbanarchistischen Strömungen einzelner Gruppen zulassen.

Meine praktischen Vorschläge laufen darauf hinaus:

1.) Alle Sektionen müssen die Probleme der spanischen Revolution zur Tagesfrage stellen.

2.) Die Leitungen unserer Sektionen müssen Sonderkommissionen gründen, deren Aufgabe sein soll, Material zu sammeln, die Fragen zu vertiefen und um vor allen aufmerksam die Aktivität der offiziellen Parteien zu verfolgen, und die Art, wie sie die Probleme der spanischen Revolution stellen.

3.) Alle wichtigen Dokumente des spanischen Kommunismus (aller Richtungen) müssen zumindestens in Auszügen, regelmäßig allen unseren nationalen Sektionen zur Kenntnis gebracht werden.

4.) Nach einer notwendigen Vorbereitung muss jede nationale Sektion der Linksopposition den Angriff gegen die Politik der Komintern in der spanischen Revolution beginnen. Diese Offensive kann verschiedene Formen annehmen: Zeitungsartikel, Resolutionen, Kritiken, offene Briefe, Diskussionsreden in den Versammlungen, individuelle und Gruppenarbeit etc. Aber alle diese Formen müssen streng koordiniert sein.

5.) Nach einer gewissen vorbereitenden Arbeit innerhalb der nationalen Sektionen, als auch des Internationalen Sekretariats, ist unaufschiebbar ein Manifest der Internationalen Linksopposition über die span. Revolution zu erlassen, das so konkret als möglich sein muss und in enger Zusammenarbeit mit der span. Sektion. Man müsste diesem Manifest die weiteste Verbreitung sichern.

Das sind die konkreten Vorschläge; Ich bitte Euch, darüber zu diskutieren und gleichzeitig eine Abschrift dieses Briefes an alle nationalen Sektionen zu schicken,damit die Diskussion gleichzeitig in allen Sektionen erfolgen kann.

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24. Juni 1931.

Unglücklicherweise habe ich keine erschöpfende Information darüber, wie die spanischen Kommunisten der verschiedenen Gruppierungen die politischen Tagesfragen stellen. Eine Zergliederung der revolutionären Situation ist infolgedessen schwieriger als Schach zu spielen, ohne dabei auf das Brett zu schauen. Jedes Mal bleiben Fragen übrig, die eine ergänzende Bearbeitung nötig machen.

Ein großer Teil meines Artikels über die der spanischen Revolution drohenden Gefahren ist der Beweisführung gewidmet, dass zwischen der bürgerlich-republikanischen Revolution im April dieses Jahres und der künftigen proletarischen Revolution kein Platz für eine besondere „Arbeiter- und Bauernrevolution" ist. Dabei erwähnte ich, dass daraus durchaus nicht folgt, dass die Partei des Proletariats sich bis zum „letzten und entscheidenden Kampf" nur auf die friedliche Ansammlung der Kräfte beschränken muss. Eine solche Auffassung wäre gegenrevolutionär und philisterhaft durch und durch. Wenn es keine Zwischen-Revolution, keine Zwischen-Regime geben kann, so können und werden Zwischen-Angriffe der Massen stattfinden, Streiks, Demonstrationen, Zusammenstöße mit der Polizei und den Truppen, stürmische revolutionäre Erschütterungen, in denen die [Kommunisten] Kampfposten einnehmen Welches ist du mögliche historische Sinn dieser Zwischen-Kämpfe? Von der einen Seite können sie das bürgerlich-republikanische Regime in demokratischer Richtung verändern, von der anderen Seite werden sie die Massen auf die Eroberung der Macht zur Schaffung des proletarischen Regimes vorbereiten.

Die Teilnahme der Kommunisten in diesen Kämpfen, um so mehr die führende Teilnahme, fordert von ihnen nicht nur ein klares Verständnis der Revolution im Ganzen,sondern auch die Fähigkeit, rechtzeitig solche akuten Teil- und Kampflosungen aufzustellen,die an und für sich durchaus nicht dem „Programm" entspringen, aber dafür durch die Situation des Tages diktiert sind und die Massen weiter vorwärts bringen.

Es ist allbekannt,welche gewaltige Rolle im Jahr 1917, während der Koalition der russischen Kompromissler mit den Liberalen die bolschewistische Losung spielte: „Nieder mit den zehn Minister-Kapitalisten!" Die Massen vertrauten noch auf die Sozialisten-Kompromissler, aber'auch diese vertrauensseligsten Massen hatten immer ein instinktives Misstrauen zur Bourgeoisie, zu den Ausbeutern, Kapitalisten. Hierauf baute in einer bestimmten Zeitperiode die Taktik der Bolschewiki. Wir sagten nicht: „Nieder mit den Minister-Sozialisten!“ Wir stellten auch die Losung „Nieder mit der provisorischen Regierung!“ nicht als Kampflosung für den Augenblick auf. Aber dafür schlugen wir unermüdlich auf den einen Fleck: „Nieder mit den zehn Minister-Kapitalisten"! Diese Losung spielte die gewaltige Rolle deshalb, weil sie den Massen ermöglichte, sich in der Tat davon zu überzeugen,dass den Kompromisslern die Minister-Kapitalisten näher und teurer sind als die Arbeitermassen.

Losungen solcher Art entsprechen, wie es nicht besser der Fall sein könnte, dem jetzigen Stadium der spanischen Revolution. Die proletarische Vorhut ist absolut daran interessiert, die spanischen Sozialisten zur Übernahme der ganzen Macht zu drängen. Dazu eben ist es nötig, die Koalition zu sprengen.Die nächstfolgende Aufgabe ist die Verjagung der bürgerlichen Minister aus der Koalition. Diese oder eine andere ,am wahrscheinlichsten teilweise, halbe Entscheidung dieser Aufgabe ist denkbar nur in Verbindung mit wichtigen politischen Ereignissen, unter den Schlägen neuer Massenbewegungen u. dgl. So flogen in Russland unter dem Druck der Massenbewegungen aus der Koalitionsregierung zuerst Gutschkow und Miljukow, dann Fürst Lwow, an der Spitze der Regierung zeigte sich Kerenski, die Zahl der „Sozialisten" wuchs usw. Nach Lenins Ankunft solidarisierte sich die bolschewistische Partei nicht auf eine Minute mit Kerenski und den Kompromisslern. Aber sie half den Massen, die Bourgeoisie von der Macht hinweg zu stoßen und die Kompromissregierung durch die Erfahrung zu erproben. Das war eine sehr notwendige Etappe auf dem Weg der Bolschewisten zur Macht.

Soweit man aus der Ferne verstehen kann, offenbaren die Cortes-Wahlen die außerordentliche Schwäche der rechten Republikaner vom Schlage Zamora-Maura, und sichern den kleinbürgerlichen Kompromisslern verschiedener Färbung ein gewaltiges Übergewicht: den Radikalen, den Radikal-Sozialisten und den „Sozialisten", ungeachtet dessen, kann man fast mit Gewissheit erwarten, dass die Sozialisten und Radikal-Sozialisten sich mit allen Kräften an ihre Verbündeten von rechts anklammern worden. Die Losung: „Nieder mit Zamora-Maura" ist durchaus zeitgemäß. Man muss nur eins klar verstehen: Die Kommunisten führen die Agitation nicht zu Gunsten Leroux ,übernehmen keinerlei Verantwortung für ein sozialistisches Ministerium; in jeden gegebenen Moment richten sie den Hauptschlag gegen den meist ausgeprägten und folgerechten Klassengegner, schwächen damit die Kompromissler und säubern dem Proletariat den Weg. Den sozialistischen Arbeitern sagen die Kommunisten: „Ihr glaubt ,zum Unterschied von uns, Euren sozialistischen Führern; zwingt sie doch wenigstens, die Macht zu übernehmen. Darin werden wir Euch ehrlich unterstützen, und dann lasst uns praktisch erproben, wer von uns Recht hat. Die Frage ist oben in Verbindung mit der Zusammensetzung der Cortes genommen werden. Aber auch andere Ereignisse, z.B. Repressionen gegen die Massen, können der Losung „Nieder mit Zamora-Maura“ eine außerordentliche Schärfe geben. Ein Sieg auf diesem Gebiet, d.h. die Abdankung Zamoras, würde in neuer Etappe fast ebensolche Bedeutung erlangen wie die Abdankung Alfons ' im April. Bei der Aufstellung solcher Losungen darf man nicht von doktrinären Abstraktion ausgehen, sondern vom Zustand des Bewusstseins der Massen, davon, wie die Massen die Ereignisse aufnehmen, und wie dieser oder jener Teilerfolg auf sie einwirkt. Die bloße Gegenüberstellung der Losung „Diktatur des Proletariats" oder der „Arbeiter- und Bauernrepublik“ gegen das jetzige Regime ist an sich völlig ungenügend, denn sie ergreift die Massen nicht.

In Verbindung damit erhebt sich aufs Neue die Frage des „Sozial-Faschismus“ Diese einfältige Erfindung der erschrecklich linken Bürokratie verwandelt sich jetzt in das größte Hindernis auf dem Wege der Revolution. Wenden wir uns wieder an die russische Erfahrung. Die die Macht innehabenden Menschewisten und Sozialrevolutionäre führten den imperialistischen Krieg weiter, schützten die Grundbesitzer, verfolgten die Soldaten, Bauern und Arbeiter, nahmen Verhaftungen vor, führten die Todesstrafe ein, leisteten der Ermordung der Bolschewisten Vorschub, zwangen Lenin in die Illegalität, hielten die anderen bolschewistischen Führer im Gefängnis verbreiteten die entsetzlichsten Verleumdungen über sie usw. All das genügt im Überfluss, um sie nachträglich als „Sozial-Faschisten" zu bezeichnen. Aber damals im Jahre 1917, existierte diese Benennung überhaupt noch nicht, ;was wie bekannt nicht hinderte, dass die Bolschewisten zur Macht gelangten. Nach den furchtbaren Verfolgungen der Bolschewisten im Juli-August, saßen die Bolschewisten zusammen mit den „Sozial-Faschisten" in den Kampforganen gegen Kornilow. Anfang September schlug Lenin aus der Illegalität heraus den russischen „Sozial-Faschistenw den Kompromiss vor: „Brecht mit der Bourgeoisie, ergreift die Macht, und wir Bolschewisten werden innerhalb der Sowjets friedlich um die Macht kämpfen"..

Wenn zwischen den Kompromisslern und den Kornilow-Leuten, den damaligen wirklichen „Faschisten", keinerlei Unterschied bestanden hätte, so wäre der gemeinsame Kampf der Bolschewisten zusammen mit den Kompromisslern gegen die Kornilow-Leute unmöglich gewesen. Während dem spielte jedoch dieser Kampf eine gewaltige Rolle in der Entwicklung der Revolution, indem er die Attacke der Konterrevolution der Generäle zurückschlug und den Bolschewisten half, die Massen endgültig von den Kompromisslern loszureißen.

Darin eben besteht die Natur der kleinbürgerlichen Demokratie, dass sie zwischen Kommunismus und Faschismus schwankt. In einer revolutionären Zeit pflegen diese Schwankungen besonders stark zu sein. Die spanischen Sozialisten als Abart des Faschismus zu betrachten, heißt von vornherein darauf verzichten, ihre unvermeidliche Linksschwankung auszunützen, heißt sich selbst den Weg zu den sozialistischen und syndikalistischen Arbeitern zu versperren.

Zum Schluss dieses Briefes bemerke ich, dass die Kritik und die Entlarvung der spanischen Anarcho-Syndikalisten eine überaus wichtige Aufgabe ist, die man auch nicht einen Tag vernachlässigen darf. Der Anarcho-Syndikalismus stellt in seinen Spitzen die am meisten maskierte, treubrüchigste und gefährlichste Form des Zusammengehens mit der Bourgeoisie und der Dienstfertigkeit ihr gegenüber dar. In seinen unteren Schichten umschließt der Anarcho=Syndikalismus große, potenzielle Kräfte für die Revolution. Unsere Hauptaufgabe ist hier die gleiche wie in Bezug auf die Sozialisten: die unteren Schichten den obersten gegenüberstellen. - Jedoch muss dieses Problem sorgfältig dem spezifischen Charakter der syndikalistischen Organisation und dem spezifischen Charakter der anarchistischen Maskierung angepasst, behandelt werden. Davon in einen der folgenden Briefe.

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29. Juni 1931.

Maurin muss man einer schonungslosen und ununterbrochenen Kritik unterziehen, welche durch die Ereignisse glänzend bestätigt werden wird. Es wird sehr wenig Zeit vergehen, und Maurin wird sich einfach als lächerliche Figur erweisen mit seinen provinziellen Ideen, hausbackenen Doktrinen und selbst fabrizierten Losungen. Die ganze Frage ist die, wer nach ihm kommt. Die linke Opposition kann nicht zur leitenden Kraft in ganz Spanien werden,wenn sie nicht in Katalonien dazu geworden ist.

Die zweite unaufschiebbare Frage ist die von den Anarcho-Syndikalisten. Man muss eine Broschüre gegen den Anarcho-Syndikalismus herausgeben und sie inmöglichst großer Auflage nicht nur in Spanien, sondern auch in anderen Bändern verbreiten. Habt Ihr die Artikel von Monatte gelesen, in denen er die Hoffnung ausdrückt, dass die spanischen Anarcho-Syndikalisten dem bolschewistischen Staat den richtigen „Anarchistischen“ Staat entgegenstellen werden? Das ganze Schicksal des Anarcho-Syndikalismus auf der ganzen Welt – richtiger seiner Überbleibsel, denen die russische Revolution noch nicht den Garaus gemacht hat, ist jetzt untrennbar mit den Schicksal des spanischen Anarcho-Syndikalismus verbunden. Aber weil der Anarcho-Syndikalismus in Spanien unvermeidlich dem Bankrott entgegengeht, einem kläglichen und lächerlichen Bankrott, so kann man nicht zweifeln, dass die spanische Revolution das Grab des Anarchismus darstellen wird. Aber ..... dass nur nicht das Grab des Anarcho-Syndikalismus zugleich auch das Grab der Revolution selbst wird! Wenn Maurin eine zeitweilige Deckung für die Syndikalisten darstellt, so stellt der Anarcho-Syndikalismus eine zeitweilige Deckung für die SoziaIisten und Republikaner, d.h. für die Bourgeoisie dar. Wie Maurin die fortgeschrittenen Arbeiter in die Hände der zentristischen Bürokratie liefern kann, so können die Anarcho-Syndikalisten die ganze Revolution an die Bourgeoisie ausliefern.

Der Kampf mit dem Anarcho-Syndikalismus, theoretisch wie praktisch, steht jetzt auf der Tagesordnung. Es versteht sich, dass (auch) dieser Kampf auf der Grundlage der Einheitsfrontpolitik geführt werden muss, unter Verteidigung der Einheit der syndikalistischen Organisation usw. Aber man muss die Führer des Anarcho-Syndikalismus demaskieren, und, vor allem, diesen traurigen Laienpfaffen Pestaña nackt ausziehen, dem unzweifelhaft in der weiteren Entwicklung der Revolution die schmutzigste und niedrigste Rolle bevorsteht.

Der sozialistische Arbeiter traut der Bourgeoisie nicht und möchte sehr, dass die ganze Macht in den Händen der Sozialisten wäre. Eben so sieht auch der syndikalistische Arbeiter die Sache. Die Aufgabe der Politik besteht im gegenwärtigen Fall darin, indem man sich an die sozialdemokratischen Vorurteile der Arbeiter anlehnt, ihnen zu helfen, sich von diesen Vorurteilen zu befreien. Man muss die Arbeiter im Allgemeinen, die sozialistischen im Besonderen, auf ihre Führer hetzen unter der Losung: „Ergreift die Macht !" Dies ist wohl die zentrale taktische Aufgabe des Momentes. Sehr wichtig ist es, den Losungen eine schlagende, klare, präzise bildliche Formulierung zu geben.

Die Proben von Maurins Reden rufen einen niederdrückenden Eindruck hervor. Im Gegensatz zu uns, seht, hält dieser Mensch den Fünfjahresplan für eine Eroberung der Revolution! Liest er wirklich nichts?

Apropos , die Agentur Reuter und auch andre verbreiten gefälschte Telegramme über meine angeblichen Artikel und Interview über den Fünfjahresplan („völliger Zusammenbruch, Betrug" usw.) Es ist äußerst wichtig, diese Gemeinheiten aufzudecken und auf sie zu erwidern. In vorliegendem Fall benutzt die Bourgeoisie gegen die Stalinisten deren eigene Erdichtungen und Verleumdungen.

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An das Sekretariat

[1. Juli 1931]

1.) Vor mir liegt die hiesige Zeitung vom 1.Juli mit den ersten Nachrichten über den Ausgang der spanischen Wahlen. In der Tat, alles verläuft einstweilen in strengplanmäßiger" Ordnung. Der Ruck nach links vollzog sich mit merkwürdiger Gesetzmäßigkeit. Wir hoffen, dass unsere spanischen Genossen die Wahlresultate mit der nötigen Genauigkeit analysieren, indem sie alle Materialien dazu sammeln. Man muss klarstellen, wie die Arbeiter, insbesondere die Anarcho-Syndikalisten, gestimmt haben. In einigen Bezirken muss die Antwort vollständig eindeutig aus der Wahlstatistik hervorgehen. Äußerst wichtig ist es selbstverständlich, die Abstimmung der Bauern in den verschiedenen Provinzen klarzustellen. Gleichzeitig sind alle jene „Agrar-Programme" zu sammeln, welche von den verschiedenen Parteien in den verschiedenen Landesteilen vorgelegt wurden. All das ist eine sehr eilige und sehr wichtige Arbeit.

2.) Die Sozialisten haben anscheinend, wie auch zu erwarten war, einen großen Sieg davongetragen. Hierin liegt der Schwerpunkt der parlamentarischen Situation. Die sozialistischen Führer fühlen sich glücklich, dass sie nicht die Mehrheit in den Cortes haben, und dass ihre Koalition mit der Bourgeoisie auf diese Weise durch die parlamentarische Statistik gerechtfertigt erscheint. Die Sozialisten wollen die Macht nicht übernehmen, denn begründeterweise fürchten sie, dass eine sozialistische Regierung nur eine Etappe zur Diktatur des Proletariats ist. Aus der Rede Prietos geht hervor, dass die Sozialisten gesonnen sind, die Koalition solange zu halten, solange es auf diesem Weg gelingt, das Proetariat zu zügeln, um dann, wenn der Andrang der Arbeiter zu stark wird, unter radikalen Vorwänden in Opposition zu gehen und es der Bourgeoisie anheim zu stellen, die Arbeiter zu züchtigen und niederzuwerfen. Mit anderen Worten, wir haben eine Variante der Linie Eberts und Zeretelis vor uns. Erinnern wir uns, dass Eberts Linie gelang, die Politik Zeretelis scheiterte, wobei die entscheidende Bedeutung in beiden Fällen in der Stärke der kommunistischen Partei und in ihrer Politik lag.

3.) Den Plan der Sozialisten (ihr politisches Schlagdamespiel) aufzudecken ist unmittelbar erforderlich, indem wir sie in jeder einzelnen Frage überführen. Aber mit der Entlarvung allein ist es nicht genug. Notwendig ist die klare politische Losung, die dem Charakter der jetzigen Etappe der spanischen Revolution entspricht. Die Wahlergebnisse machen diese Losung absolut deutlich: die Arbeiter müssen den Block mit der Bourgeoisie brechen und die Sozialisten zwingen, die Macht zu übernehmen. Die Bauern müssen den Arbeitern helfen,wenn sie Land bekommen wollen.

4.) Die Sozialisten werden sich darauf berufen, dass sie in den Cortes nicht die Mehrheit haben. Unsere Schlussfolgerung hieraus: Wahlen von wirklich demokratischen Cortes auf Grund des wirklich allgemein gleichen Wahlrechts für Männer und Frauen über 18 Jahre. Mit anderen Worten: den undemokratischen, betrügerisch zusammengesetzten Cortes müssen wir in jetzigen Stadium echte Volks- = echte demokratisch ehrlich gewählte Cortes entgegenstellen.

5.) Wenn die Kommunisten im jetzigen Stadium probieren würden, den Cortes den Rücken zu kehren, und ihnen die Losung der Sowjets und der Diktatur des Proletariats entgegenzustellen, so würden sie damit nur beweisen, dass sie unmöglich ernst zu nehmen sind. In den Cortes ist anscheinend nicht ein einziger Kommunist (so melden die türkischen Telegramme.) Es versteht sich, der revolutionäre Flügel ist immer stärker im Handeln, im Kampf, als in der parlamentarischen Vertretung. Aber immerhin besteht zwischen der Stärke einer revolutionären Partei und ihrer parlamentarischen Vertretung eine gewisse Beziehung. Die Schwäche des spanischen Kommunismus hat sich völlig offenbart. Unter diesen Umständen von einem Sturz des bürgerlichen Parlamentarismus durch die proletarische Diktatur zu sprechen, hieße einfach die Rolle von Narren und Schwätzern spielen. Die Aufgabe besteht darin, auf der Grundlage des parlamentarischen Stadiums die Revolution zu stärken, indem man die Massen für sie gewinnt. Nur so kann man den Parlamentarismus überwinden. Aber gerade dazu muss man sofort unter den Losungen für die äußerste Demokratie und die entschiedenste Demokratie eine intensive Agitation entfalten.

6.) Welches sind die Kriterien bei der Aufstellung von Losungen? Auf der einen Seite, die allgemeine Richtung der revolutionären Entwicklung, durch die unsere strategische Linie bestimmt wird, von der anderen Seite der Zustand des Bewusstseins der Massen. Der Kommunist, der nicht mit dem letzten Faktor rechnet, wird sich den Kopf einrennen. Denken wir uns ein bisschen hinein, wie die spanischen Arbeiter in ihrer Masse auf die jetzige Situation reagieren müssen. Ihre Führer, die Sozialisten, befinden sich an der Macht. Das erhöht die Ansprüche und die Beharrlichkeit der Arbeiter. Jeder einzelne Streikende wird damit rechnen, dass man die Regierung nicht nur nicht zu fürchten braucht, sondern dass man umgekehrt Hilfe von ihr erwarten muss. Gerade in dieser Richtung müssen die Kommunisten die Gedanken der Arbeiter richten: „Stellt Forderungen an die Regierung! Dort sitzen ja Eure Führer!“ Die Sozialisten werden sich gegenüber den Arbeiter-Deputationen darauf berufen, dass sie nicht die Mehrheit haben. Die Antwort ist klar. Bei einem wirklich demokratischen Wahlrecht und beim Bruch der Koalition mit der Bourgeoisie ist die Mehrheit gesichert. Aber das eben wollen die Sozialisten nicht. Ihre Stellung bringt sie in Widerspruch zu den Losungen einer entschiedenen Demokratie. Wenn wir einfach den Cortes die Diktatur des Proletariats oder die Räte gegenüberstellen, so schweißen wir die Arbeiter mit den sozialistischen Führern zusammen, denn die einen wie die anderen sagen: die Kommunisten wollen uns beherrschen. Unter den Losungen der Demokratie jedoch und des Bruchs der Sozialisten mit der Bourgeoisie treiben wir einen Keil zwischen die Arbeiter und sozialistischen Führer und bereiten die folgende Etappe der Revolution vor.

7.) Alle angeführten Überlegungen würden in der Luft hängen, wenn wir uns nur auf die Losungen der Demokratie beschränken würden, und auf ihren Widerhall im Parlament. Davon kann auch nicht einmal die Rede sein. Die Kommunisten nehmen an allen Streiks teil, an allen Protestaktionen, Demonstrationen, bringen immer neue Schichten in Bewegung. Kommunisten mit der Masse und der Masse voran in allen Kämpfen. Aufgrund dieser Kämpfe stellen die Kommunisten die Losung der Sowjets auf und gründen sie bei der ersten Möglichkeit Sowjets als Organisationen der proletarischen Einheitsfront. Im jetzigen Stadium können die Sowjets nicht mehr sein. Aber wenn sie als Organe der proletarischen Einheitsfront entstehen, werden sie unter Führung der Kommunisten in einem bestimmten Stadium unvermeidlich zu Organen des Aufstandes, darauf aber auch zu Organen der Macht.

8.) Man darf, indem man kühn das Agrarprogramm aufrollt, auf keinen Fall die selbständige Rolle der landwirtschaftlichen Arbeiter vergessen. Das ist der erste und hauptsächlichste Hebel für die proletarische Revolution im Dorf. Mit den Bauern stehen die Arbeiter im Bündnis, aber die landwirtschaftlichen Arbeiter stellen in sich einen Teil des Proletariats selbst dar. Diesen tiefen Unterschied darf man niemals aus den Augen lassen.

9.) Aus derVérité" erfahre ich, dass die Stalinisten halb die ganze linke Opposition, halb mich allein verklagen, als ob wir gegen die unmittelbare Konfiskation des Großgrundbesitzes [seien]. Es ist tatsächlich unmöglich, vorauszusehen, wo die bürokratischen Demagogen diesmal hinaus wollen. Was bedeutet „unmittelbare" Inbesitznahme des Landes? Durch wen? Durch welche Organisationen? Es ist wahr, der unvergleichliche Peri versicherte noch im April, dass die spanischen Bauern Sowjets errichten, die Arbeiter aber Mann für Mann den Kommunisten folgen. Es versteht sich, wir sind dafür, dass die Bauernräte (oder Verbände oder Komitees) unmittelbar den Großgrundbesitz in Besitz nehmen. Aber man muss ja doch nur noch die Bauern in Bewegung bringen. Aber dazu muss man die Arbeiter dem Einfluss der Sozialisten entreißen. Aus dem Einen wird nichts ohne das Andere.

Oder vielleicht wollen die Stalinisten sagen. dass wir das Grundeigentum in Schutz nehmen? Aber auch in der Verleumdung müsste doch Logik stecken. Auf welche Weise folgt aus der Position der permanenten Revolution der Schutz des Grundeigentums? Soll einer probieren, uns das klar zu machen. Wir, unsererseits, erinnern daran, dass, als die Stalinisten in China die Politik des Blocks der vier Klassen durchführten, das Politbüro unter der Führung Stalins dem Zentralkomitee der chinesischen Partei ein Telegramm schickte mit der Forderung, die Bauernbewegung abzubremsen, um nicht „die revolutionären Generäle" abzustoßen. In das Agrarprogramm fügten Stalin und Molotow eine kleine Einschränkung ein: Konfiskation des Großgrundbesitzes, mit Ausnahme des Landes der Offiziere. Da aber alle Grundbesitzer, Grundbesitzersöhnchen und ihre Verwandten in die [Armee] Tschiang Kai-scheks eintraten, so wurde aus den „revolutionären" Offizieren ein Schutzverband für das Grundeigentum. Dieses Kapitel der Schande lässt sich aus der Geschichte der Stalinschen Führung nicht ausstreichen. Die Opposition fand zu gleicher Zeit die Kopie des Telegramms in den Protokollen des Politbüros, enthüllte und brandmarkte diesen schändlichen Verrat an der agrarischen Revolution. Jetzt versuchen diese Herrschaften uns in Spanien diejenigen Verbrechen unterzuschieben die sie in China begangen haben. Doch nein: heute hat die Opposition fast in jedem Lande ihre Sektion, die die Verbreitung von Lüge und Verwirrung nicht straflos hingehen lässt. An Hand der lebendigen Erfahrung der spanischen Revolution klärt die linke Opposition alle grundlegenden strittigen Fragen und macht einen Riesenschritt vorwärts. Nicht umsonst doch ist die Revolution die Lokomotive der Geschichte.

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8. Juli 1931.

Sehr gefährlich, schädlich, ja geradezu verderblich wäre es, wenn im Selbstbewusstsein der Arbeiter Kataloniens, Spaniens, der ganzen Welt sich der Gedanke festsetzen würde, dass wir uns mit der Politik der Katalanischen Föderation solidarisch fühlen oder die Verantwortung für sie tragen, oder ihr auch nur näher stehen als der zentristischen Gruppierung. Die Stalinisten unterstützen aus allen Kräften eine solche Vorstellung. Wir haben das bis jetzt nicht entschieden genug bekämpft. Umso wichtiger und unaufschiebbarer ist es, dieses Missverständnis zu zerstreuen, das uns äußerst kompromittiert und die Entwicklung der katalanischen und spanischen Arbeiter hintenan hält.

Bei den Wahlen in die Cortes vereinigte die Föderation ungefähr 10.000 Stimmen auf sich. Diese Zahl ist nicht groß. Aber in revolutionärer Epoche besitzt eine wirklich revolutionäre Organisation die Fähigkeit, rasch zu wachsen. Es gibt jedoch einen Umstand, der das Gewicht dieser 10.000 Stimmen überaus stark vermindert: bei den Wahlen in die Cortes erhielt die Föderation weniger Stimmen, als bei den Kommunalwahlen in Barcelona, d.h. im wichtigsten revolutionären Zentrum. Dieser auf den ersten Blick unbedeutende Umstand hat eine gewaltige symptomatische Bedeutung. Er beweist, dass in der Zeit, in der sich in zurückgebliebeneren Orten ein wenn auch äußerst schwacher Zustrom der Arbeiter zur Föderation bemerkbar macht, in Barcelona die Konfusion Maurins die Arbeiter nicht anzieht, sondern zurückstößt. Es versteht sich, der unvermeidliche Bankrott Macias kann sogar auch Maurin als dem nächstfolgenden Bankrotteur zu Gute kommen. Aber die Impotenz der jetzigen Leitung der Föderation ist durch die Corteswahlen vollständig bewiesen: es bedarf in der Tat besonderer „Talente", um es fertig zu bekommen, dass in Barcelona ihr Einfluss im Verlauf dreier Monate der Revolution nicht gestiegen ist.

Was stellt die Föderation in der Sprache der revolutionären Politik dar? Ist das eine kommunistische Organisation und was für eine: eine rechte, linke, zentristische? Es ist unzweifelhaft, dass für die Föderation revolutionäre Arbeiter, potentielle Kommunisten stimmen. Aber in ihren Köpfen ist noch keine Klarheit. Woher sollen sie sie auch nehmen, solange sie von Wirrköpfen geleitet werden. Unter solchen Umständen müssen die entschiedeneren, mutigeren, konsequenten Arbeiter unvermeidlich auf die Seite der offiziellen Partei getrieben werden. Diese letztere erhielt in Barcelona im Ganzen 170 Stimmen von ungefähr 1000 in ganz Katalonien. Aber man darf nicht denken, dass das die schlechtesten Elemente sind. Umgekehrt, die Mehrheit dieser Elemente könnten bei uns sein und werden zu uns kommen, sowie wir unser Fahne entfalten.

Zu Beginn der Revolution im Jahre 1917 hatte die Mehrheit der sozialdemokratischen Organisationen Russlands eine gemischte Zusammensetzung, indem sie in ihren Reihen Bolschewisten, Menschewisten, Versöhnler u.a. umfasste. Die Tendenz zu einer allgemeinen Einigung war so stark, dass auf der Parteikonferenz der Bolschewisten Stalin noch Ende März, einige Tage vor der Ankunft Lenins sich für die Vereinigung mit den Menschewisten einsetzte. Einige von den Organisationen in der Provinz blieben vereinigt bis zur Oktoberrevolution. Die katalanische Föderation stelle ich mir als eine derartige gemischte, nicht differenzierte Organisation vor, zu der sowohl die künftigen Bolschewisten, wie auch die künftigen Menschewisten gehören. Das rechtfertigt eine Politik, die darauf abzielt, die Reihen der Föderation politisch zu differenzieren. Der erste Schritt auf diesem Wege ist die Aufdeckung der politischen Abgeschmacktheit des Maurinismus. Hier darf es keine Nachsicht geben.

Ein Vergleich der katalanischen Föderation mit den vereinigten Organisationen in Russland erfordert jedoch sehr wesentliche Einschränkungen. Aus den geeinigten Organisationen war keine einzige aus den vorhandenen sozialdemokratischen Gruppierungen ausgeschlossen. Alle hatten das Recht, innerhalb der Einheitsorganisation für ihre Anschauungen zu kämpfen. Ganz und gar anders steht die Sache in der katalanischen Föderation. Dort ist der „Trotzkismus" verboten. Jeder beliebige Konfusionsrat kann seine Konfusion vertreten, aber die Bolschewisten-Leninisten dürfen nicht ihre Stimme offen erheben. Auf solche Weise grenzt sich diese geeinigte, gemischte, eklektische Organisation von allem Anfang an vom linken Flügel ab. Aber gerade damit verwandelt sie sich in einen chaotischen Block zentristischer und rechter Tendenzen. Der Zentrismus kann sich entweder nach links oder nach rechts entwickeln. Der Zentrismus der katalanischen Föderation, der sich in der Zeit der Revolution vom linken Flügel abstößt, ist dem schimpflichen Untergang geweiht. Die Aufgabe der linken Opposition ist es, diesen Untergang durch ihre schonungslose Kritik zu beschleunigen.

Es gibt aber noch einen Umstand, auf den man seine Aufmerksamkeit wenden muss, Die katalanische Föderation tritt offiziell für die Vereinigung aller kommunistischen Organisationen und Gruppen ein. Man braucht nicht zu zweifeln, dass dies die einfachen Mitglieder aufrichtig und ehrlich wünschen, wenngleich sie natürlich mit der Losung der Einheit alle möglichen Illusionen verknüpfen. Uns liegen solche Illusionen völlig fern. Wir treten für die Einheit deshalb ein, weil wir darauf rechnen, im Rahmen der geeinigten Partei mit Erfolg die progressive Arbeit der ideellen Abgrenzung auf Grund von Fragen und Aufgaben durchzuführen, die nicht von außen aufgedrungen sind, sondern aus der Entwicklung der spanischen Revolution selbst sich ergeben. Auf jeden Fall jedoch unterstützen wir den Kampf für die Vereinigung der Kommunisten. Die Grundbedingung dieser Vereinigung ist für uns das Recht und die Möglichkeit innerhalb der geeinigten Organisation für unsere Ansichten zu kämpfen. Wir können und müssen dabei volle Loyalität in diesem Kampfe zusichern. Aber gerade diese Grundbedingung bricht die Föderation von Anfang an:

sie tritt unter der Flagge der Einheit auf, wirft die Bolschewisten-Leninisten aus den eigenen Reihen. Es wäre unsererseits der Gipfel der Abgeschmacktheit, wenn wir unter solchen Umständen die führende Rolle der katalanischen Föderation im Kampf um die Einheit der komm. Partei anerkennen würden. Maurin schickt sich an, auf dem Einigungs-Kongress die erste Geige zu spielen. Sollen wir in der Tat diese widerwärtige Heuchelei schweigend dulden? Indem er gegen die linke Opposition kämpft, äfft Maurin die Stalinsche Bürokratie nach, um sich ihre Gunst damit zu erkaufen. Im Wesentlichen sagt er zu den Stalinisten: „Gebt mir Euren Segen und vor allem Euer Geld, – und ich verspreche Euch aus Überzeugung, nicht aus Furcht gegen die Bolschewisten-Leninisten zu kämpfen". Wenn wir dazu schweigen, sind wir nicht Revolutionäre, sondern passive Gehilfen bei einer politischen Erpressung. Wir sind verpflichtet, Maurins Rolle, d.h. sein „Einigungs“-Gaukelspiel ohne Schonung aufzudecken, ohne im Geringsten in unseren Kampf für eine tatsächliche Vereinigung der kommunistischen Reihen nachzulassen, noch in unserem Kampf dafür, dass die komm. Reihen unserer Fahne folgen.

Die Arbeit der internationalen Linksopposition muss heute zu 9/10 auf Spanien konzentriert werden. Man muss die Ausgaben einschränken, um die Möglichkeit zu haben, eine Wochenzeitung auf Spanisch herauszugeben und periodische Ausgaben auf Katalanisch, indem man gleichzeitig Flugschriften in beträchtlicher Menge herausgibt. Man muss die Frage der Ausgabenbeschränkung für andere Zwecke ohne Ausnahme auf sich nehmen, um der spanischen Opposition die größtmöglichste Hilfe zu geben.

Das Internationale Sekretariat muss, meines Erachtens, 9/10 seiner Kräfte den Fragen der spanischen Revolution widmen. Man muss einfach vergessen, dass in der Welt alle Arten von Landaus existieren, Intrigen und Intriganten den Rücken kehren, ohne ihnen eine einzige Minute zu widmen. Die spanische Revolution ist auf der Tagesordnung.

Man muss sofort die wichtigsten Dokumente übersetzen und sie der notwendigen Kritik unterziehen. Die nächste Nummer des Int. Bullet. muss völlig der span. Revolution gewidmet sein. Dazu braucht man Leute und Mittel, beide müssen gefunden werden.

Es gibt und kann kein größeres Verbrechen als den Zeitverlust geben.

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