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August Bebel 19050203 Brief an Lenin

August Bebel: Brief an Lenin

[Nach Lenin: Sämtliche Werke, Band 7, 1929, S. 560]

den 3. Februar 1905

Werter Parteigenosse!

Der Vorstand der deutschen Sozialdemokratie ist von verschiedenen Seiten ersucht worden, in dem bedauerlichen Konflikt, der zwischen den Anhängern desWperjod" und derIskra" seit längerer Zeit ausgebrochen ist und gegenwärtig mit Rücksicht auf die Lage der Dinge in Russland in besonderem Maße verderblich auf die Parteiverhältnisse wirkt, eine Intervention zu versuchen.

Ich bin beauftragt worden, den Vorsitz in einem Schiedsgericht zu übernehmen, das aus mir und je zwei Vertretern der streitenden Parteien zusammengesetzt werden soll, um ein Urteil über die streitigen Punkte zu fällen.

Die zwei Vertreter, die jede Partei nach ihrer Wahl stellt, sollen aber weder der russischen noch der polnischen Nationalität angehören, noch irgendeiner der Völkerschaften, welche die russische Regierung beherrscht (Letten, Finnen etc.), um jedem Verdacht, als könnten die Schiedsrichter befangen sein, zu begegnen.

Das Schiedsgericht muss in durchaus objektiver Weise die Sachlage prüfen.

Ich setze dabei voraus, dass wenn Sie und Ihre Freunde ein solches Schiedsgericht akzeptieren und Richter zu demselben wählen, Sie und Ihre Freunde auch bereit sind, sich dem Schiedsspruch des Gerichts zu unterwerfen.

Das Schiedsgericht soll in Zürich tagen.

Der Termin für die Tagung des Gerichts wird Ihnen mitgeteilt, sobald von beiden Seiten die Schiedsrichter ernannt und beide Seiten ihr Einverständnis mit den Bedingungen, unter denen das Schiedsgericht stattfinden soll, erklärt haben.

Eine weitere Bedingung würde sein, dass von dem Tage ab, an dem Sie und Ihre Freunde beschließen, das Schiedsgericht zu akzeptieren, jede Polemik gegen die von Ihnen bisher bekämpfte Seite eingestellt wird.

Selbstverständlich werden von der Gegenseite die gleichen Zusagen verlangt.

Ich darf annehmen, dass Sie und Ihre Freunde gern bereit sind, der Spaltung und gegenseitigen Bekämpfung der auf gleichem prinzipiellem Boden stehenden Parteigenossen ein Ende zu machen. Die Kenntnis von dieser Spaltung hat in der internationalen Sozialdemokratie große Bestürzung und lebhafte Missstimmung erzeugt und besteht allgemein die Erwartung, dass es gelingen werde, nach freier Aussprache der beiden Teile einen gemeinsamen Boden zum Kampf gegen den gemeinsamen Feind zu finden.

Ich bitte Sie, mir so rasch als möglich Ihre und Ihrer Freunde Entschließung mitteilen zu wollen.

Mit sozialdemokratischem Gruß

А. Вebel.

Sie wollen Ihr Schreiben an mich versiegeln und unter meinem Namen, Deutscher Reichstag, Berlin, adressieren.

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