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Friedrich Engels 18420100 Schelling, der Philosoph in Christo

Friedrich Engels: Schelling, der Philosoph in Christo,

oder die Verklärung der Weltweisheit zur Gottesweisheit

[Geschrieben Anfang 1842. Erschienen als Broschüre Anfang Mai 1842. Nach Marx Engels Werke, Ergänzungsband Zweiter Teil, Berlin 1982, S. 223-245]

Für gläubige Christen, denen der philosophische Sprachgebrauch unbekannt ist

Also auch wird Freude sein im Himmel über einen Sünder, der Buße tut, vor neunundneunzig Gerechten, die der Buße nicht bedürfen." (Luk. 15,7.)

Dieses Wort des Herrn mag einem wohl einfallen, wenn man von Schelling reden will; denn an ihm sind Wunder der göttlichen Gnade sichtbarlich geschehen, auf dass der Name des Herrn erhöhet werde. Denn er hat sich seiner erbarmt, wie er einst über Paulum sich erbarmte; welcher auch, ehe er bekehret war, hinging und zerstörete die Gemeinen und schnaubte mit Drohen und Morden wider die Jünger des Herrn. Da er aber gen Damaskus fuhr, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht, und er fiel auf sein Angesicht; der Herr aber redete zu ihm und zog ihn zu sich, also dass er gläubig ward zu derselbigen Stunde, ließ sich taufen und predigte den Namen des Herrn allen Völkern und ward ein auserwähltes Rüstzeug vor dem Herrn. So auch hat die Gnade des Heilandes über Schelling ihre Hand gehalten, und als die Zeit gekommen war, ging ihm ein großes Licht auf. Denn wer hätte es jemals nach menschlicher Einsicht vorhersagen können, dass der Mann, der um den Anfang dieses Jahrhunderts mit seinem damaligen Freunde, dem berüchtigten Hegel, den Grund zu jener schnöden Weltweisheit legte, die jetzt nicht mehr im Finstern schleicht, sondern deren Pfeile am Mittag verderben – dass dieser Mann dermaleinst noch sein Kreuz auf sich nehmen und Christo nachfolgen werde? Aber so ist es gekommen. Der die Herzen der Menschen lenkt wie Wasserbäche, hatte auch ihn nach seiner Gnade auserwählet und harrete nur der rechten Stunde, um ihn zu sich zu ziehen. Und jetzt hat er es getan, hat ihn erleuchtet und zu einem seiner Streiter gegen den Unglauben und die Gottlosigkeit gemacht. Es ist kein Zweifel mehr; er selbst ruft es vom Katheder herab den Gläubigen zu: Kommet und sehet, und preiset die Gnade, die der Herr an mir getan hat! Ja, der Hüter in Israel schläft noch schlummert nicht, der alte Gott lebt noch, allen Spöttern zum Trotz, und tut noch Zeichen und Wunder für alle, die da sehen wollen. Sie machen ein Getöse, die Gottlosen, und sprechen in ihrem Herzen, es ist kein Gott, aber der im Himmel wohnet, lachet ihrer, und der Herr spottet ihrer. Er hat über sie triumphiert, solange die Welt steht, und wird über sie triumphieren in alle Ewigkeit. Er hat mit starkem Arm sein Regiment gehalten und aller Orten sich Werkzeuge erweckt zur Verherrlichung seines Namens. Und jetzt wieder hat er glänzend triumphiert über die Philosophen, die ihm allezeit ein Gräuel waren, indem er den besten und tüchtigsten, den eigentlichen Stifter ihrer Lehre, aus ihrer Mitte herausgehoben und zu seinem Knecht gemacht hat. Denn dass Schelling früher selbst recht jämmerlich tief in diesem sogenannten Pantheismus, in dieser Vergötterung der Welt und seiner selbst, drin gesteckt hat, das ist aus seinen früheren Büchern sonnenklar. Er sah nur noch nicht recht alles in seinem Zusammenhange und wusste nicht recht, wohin dieser Weg führen werde. Möge er es dem Herrn danken, dass Er ihn von diesem Wege genommen hat und auf den schmalen Weg geführt, der zum Himmel geht, und dadurch an ihm seine Macht aufs Hellste bewiesen, allen Feinden des Glaubens gegenüber. Jetzt können sie nicht mehr sagen: Wo ist euer Gott? Was tut er? Wo treibt er sich herum? Warum tut er keine Wunder mehr? Hier ist er ja, in ihre eigne Schar fährt sein Arm hernieder wie der Blitz und macht Feuer aus Wasser, weiß aus schwarz, Gerechte aus Ungerechten. Wer kann hier noch leugnen, dass das Gottes Finger ist?

Aber das ist nicht alles. Der Herr hat uns durch Schellings Berufung noch einen zweiten Triumph über die Gottlosen und Lästerer bereitet. Er hat gerade Schelling auserkoren, weil dieser, mit der Weisheit dieser Welt vertraut, am besten geeignet war, die stolzen hochmütigen Philosophen zu widerlegen, und hat diesen dadurch in seiner unermesslichen Gnade und Liebe einen Weg eröffnet, wieder zu ihm zu kommen. Kann man mehr von ihm verlangen? Denen, die ihm fluchen, die gegen sein Dasein wüten, die seine tollsten, rasendsten, verstocktesten Feinde sind, denen bietet er, statt sie von der Erde zu vertilgen und in den tiefsten Schlund der Hölle zu stürzen, denen bietet er immer aufs Neue die rettende Hand, um sie aus dem Abgrund des Verderbens, in dem sie liegen, heraufzuziehen an das Licht; ja, die Gnade des Herrn ist so weit die Himmel reichen von Aufgang zum Niedergang, und seine Barmherzigkeit will kein Ende nehmen. Wer könnte einer solchen Langmut und Liebe widerstehen? Aber ihre Herzen sind so verstockt und in Sünden verhärtet, dass sie auch jetzt noch die Hand zurückstoßen, die sie retten will; so verblendet sind sie von den Lüsten dieser Welt und dem eignen Hochmutsteufel. Sie graben sich löchrige Brunnen und verschmähen den Quell des Lebens, der im Blute Christi fließt. Sie verstopfen ihre Ohren gegen das Heil, das von oben kommt, sie haben Lust an dem, was dem Herrn übel gefällt. Ihr Wesen haben sie kein Hehl und rühmen ihre Sünde, wie die zu Sodom, und verbergen sie nicht. Wehe ihrer Seele, denn damit bringen sie sich selbst in alles Unglück. (Jes. 3,9.) Aber dennoch hat der Herr nicht abgelassen, sie zu sich einzuladen, auf dass sie keine Entschuldigung haben. Er hat ihnen durch Schelling gezeigt, wie schwach und nichtig die menschliche Vernunft ist. Wenn sie sich jetzt nicht bekehren, so ist es allein ihre Schuld, und sie können nicht sagen, dass sie das Evangelium nicht gekannt haben.

Weil nun aber der Herr so Großes getan hat und der ganzen Christenheit ein so trostreiches Zeichen gegeben hat, dass er ihr nahe ist und sie nicht verlassen will in der Not und den Kämpfen dieser Welt, so muss es jedem Gläubigen am Herzen liegen, diese frohe Botschaft seinen Mitchristen zu verkündigen. Und weil nun Schelling sein Bekenntnis von Christo hier in Gestalt von Vorlesungen abgelegt hat, so ist dies einesteils nur wenigen bekannt geworden, andernteils aber auch in einer so schwierigen philosophischen Kunstsprache abgefasst, dass es nur denen, die sich mit der Weltweisheit längere Zeit beschäftigt haben, verständlich ist; drittenteils ist aber auch vieles für die Philosophen und anderes für die Gläubigen berechnet, so dass der einfältige Christ Mühe haben würde, sich hier durchzufinden. Deshalb hat der Verfasser dieser Zeilen es für nicht ganz überflüssig gehalten, allen denen, so nicht Zeit noch Lust haben, sich in das unfruchtbare Studium der Weltweisheit einzulassen, dennoch aber wohl Lust hätten zu wissen, was denn eigentlich an dem berühmten Schelling sei, dieses mit kurzen, einfältigen Worten, und um im Weinberge des Herrn nicht müßig zu stehen, darzulegen. Der Herr möge seinen Segen dazu geben, dass es gedeihe zu Nutz und Frommen seines Reiches.

Es muss aber vorher noch bemerkt werden, dass Schelling, bei allen seinen Verdiensten um das wahre Christentum, dennoch seine alte, verkehrte Weisheit nicht ganz loswerden kann. Es sind noch mancherlei Ansichten, die glauben machen, er könne den Hochmut der eignen Vernunft dennoch nicht so ganz unterdrücken, und als scheue er sich noch etwas vor der Welt, seine gänzliche Umkehr mit aller Freudigkeit und Dank gegen Christum zu bekennen. Wir wollen ihm das nicht zu hoch anrechnen; wer die Gnade bei ihm so herrlich zum Durchbruch brachte, der wird auch diese Flecken von ihm abwaschen; wer das Werk begann, wird es auch vollführen. Der mutige Streiter für die Wahrheit aber, von dem wir sprechen, möge dieses Pfahls im Fleisch gedenken, wenn der Hochmutsteufel über ihn kommt und ihn versuchet. Er möge allen Stolz auf seine ehemalige Philosophie, die doch nur gottlose Kinder geboren hat, von sich tun und nur stolz sein auf den, der ihn aus freier, unermesslicher Gnade aus diesem Verderben gerettet hat.

Das erste, was Schelling hier auf dem Katheder tat, war, dass er geradezu und mit offener Stirne gegen die Philosophie losging und ihren Boden, die Vernunft, unter den Füßen wegzog. Mit den schlagendsten, aus ihren eignen Rüstkammern genommenen Gründen bewies er ihnen, dass die natürliche Vernunft nicht fähig sei, auch nur das Dasein eines Grashalms zu beweisen; dass sie mit allen ihren Demonstrationen, Gründen und Schlüssen keinen Hund vom Ofen lockt und gar nicht zum Göttlichen hinauf kann, weil sie in ihrer Plumpheit immer auf dem Erdboden liegenbleibt. Das haben wir nun zwar längst gewusst, aber so schön und deutlich war es den verstockten Philosophen noch nicht gesagt worden. Dies hat er in einem ganzen langen System der sogenannten negativen Philosophie getan, worin er ihnen sonnenklar vor die Augen führt, dass ihre Vernunft nur Mögliches erkennen kann, aber nichts Wirkliches, am allerwenigsten Gott und die Geheimnisse des Christentums. Diese Mühe, die er sich mit einem so unfruchtbaren Gegenstande, mit den Luftgebilden der Weltweisheit gegeben hat, ist um des Reiches Gottes willen sehr dankenswert. Denn solange diese Philosophen noch auf ihre Vernunft pochen konnten, war mit ihnen nichts anzufangen, jetzt aber, da sie auch von ihrem Standpunkte aus überführt worden sind, dass ihre Vernunft ganz und gar untauglich zur Erkenntnis des Wahren ist und nur leere, hohle Hirngespinste zutage fördert, die gar nicht das Recht haben zu existieren, so gehört schon ein verstocktes und in Sünden grau gewordenes Haupt dazu, um in der heidnischen Lehre zu verharren, und es ist wohl möglich, dass unter dem Beistande der göttlichen Gnade sich einer oder der andre von seinem bösen Wandel bekehre. Es ist sehr richtig und muss immer wiederholt werden, dass die verfinsterte Vernunft des Menschen ganz und gar untüchtig ist und des Ruhmes mangelt, den sie vor Gott haben sollte, denn das ist das Hauptbollwerk der Ungläubigen, dass ihre Vernunft ihnen andre Dinge sagt als das Wort Gottes. Es ist aber ein Frevel gegen den Allerhöchsten, ihn, den Feind aller Sünde, mit der durch die Sünde befleckten und verblendeten Vernunft erkennen zu wollen, ja, diese allen Lüsten dieser Welt, allen Versuchungen des Satans hingegebene Vernunft über Gott selbst zu setzen, und das tun die Weltweisen doch, indem sie Gottes Wort mit dieser ihrer verworfenen Vernunft kritisieren, was ihnen nicht gefällt, herauswerfen nicht allein die Heiligkeit der Bibel, sondern das Dasein Gottes selbst mit frevlerischen Händen antasten und leugnen, um sich selbst an seiner Statt zum Gott zu machen. Das sind die natürlichen Folgen davon, dass die Vernunft, wie weiland jene Metze in den Bluttagen der Französischen Revolution, auf den Thron Gottes erhoben wird und sich unterfängt, die Maßregeln des allmächtigen Herrn der Welt zu kritisieren. Hier ist es, wo geheilt werden muss, nicht an der Oberfläche, sondern an der Wurzel des Übels. Flickt man auch einen neuen Lappen auf ein altes Kleid? Wie stimmt Christus mit Belial? Es ist nicht möglich, es ist eine Lästerung, wenn man den Erlösungstod des Herrn, die Auferstehung und Himmelfahrt mit der natürlichen Vernunft begreifen will. Darum gehe man mit Schelling kräftig zu Werke und werfe die Vernunft aus dem Christentum hinaus ins Heidentum, denn dahin gehört sie, da kann sie sich gegen Gott auflehnen und die Welt mit ihren Lüsten und Begierden, der wir abgesagt haben, für göttlich halten, alle Sünden und Laster, Gräuel der Völlerei und Unzucht als Tugenden und Gottesdienst beschönigen, und den Selbstmord eines Cato, die Unkeuschheit einer Lais und Aspasia1, den Verwandtenmord eines Brutus, den Stoizismus und die Christenverfolgungswut eines Markus Aurelius als Muster der Menschheit aufstellen. Dann steht sie dem Christentum doch offen entgegen und jeder weiß, woran er mit ihr ist. Aber es ist eine Hauptlist des Widersachers gewesen, sie ins Christentum hineinzuschmuggeln, wo sie dann saubere Hurkinder herausgeboren hat, als da sind: Pelagianismus, Sozinianismus, Rationalismus und spekulative Theologie. Gott aber, was töricht ist vor der Welt, das hat er erwählet, auf dass er die Weisen zuschanden mache (1 Kor. 1,27); darum vernimmt der natürliche Mensch nichts vom Geiste Gottes, es ist ihm eine Torheit und muss geistlich gerichtet sein (1 Kor. 2,14).

So ist es ein wahrhaft christliches Bestreben, wenn Schelling in der reinen Vernunftwissenschaft, welche eben die negative Philosophie ist, die Vernunft, statt ihr irgendeine Überhebung zu gestatten, recht tief erniedrigt und demütigt, dass sie zur Erkenntnis ihrer Schwäche und Sündlichkeit komme und sich bußfertig der Gnade zuwende, denn nur diese kann sie heiligen, erleuchten und wiedergebären, dass sie tüchtig werde zur Erkenntnis Gottes. Die Vernunft zu kreuzigen ist schwerer und deshalb mehr, denn das Fleisch zu kreuzigen. Dieses liegt doch unter dem Gewissen, welches auch schon den Heiden zur Zähmung ihrer Lüste und zum inneren Richter über ihre Sünden gegeben ist; die Vernunft aber stellt sich über dasselbe und verträgt sich sogar ganz gut mit ihm, und es ist nur dem Christen gegeben, sie unter das sanfte Joch des Glaubens zu beugen. Das aber fordert die Schrift von uns, und da gelten keine Einwendungen oder Ausflüchte: entweder gib deine Vernunft unter den Glauben gefangen oder geh hinüber zur Linken, zu den Böcken (nennen sich doch die ärgsten jener Selbstvergötterer wie zum Spott: die linke Seite), da bist du an deiner Stelle!

Hierdurch hat sich Schelling nun den Boden frei gemacht. All die Überbleibsel des Heidentums, die in unsrer Zeit wieder hervorgeholt werden und für neue Wahrheit gelten sollen, alle die verzerrten Ausgeburten der unkeuschen, lüsternen Vernunft sind beseitigt, und seine Zuhörer sind jetzt fähig, die Milch des Evangeliums in sich aufzunehmen. Das ist der rechte Weg. Die Heiden waren bei ihren weltlichen Wollüsten und Begierden zu fassen; aber unsre Philosophen stellen sich wenigstens heutzutage noch so, als wollten sie die christliche Moral noch anerkennen. Darum, wenn die Apostel bei den Heiden ein bußfertiges, reuiges, zerschlagenes und zerknirschtes Herz forderten, so muss von den hochmütigen Weltweisen dieser Zeit eine bußfertige, demütige, zerschlagene Vernunft gefordert werden, ehe sie fähig sind, die Gnade des Evangeliums zu genießen. So konnte Schelling denn auch erst jetzt seinen ehemaligen Genossen in der Gottlosigkeit, den verrufenen Hegel, recht beurteilen. Denn dieser Hegel hatte einen solchen Hochmut in der Vernunft, dass er sie geradezu für Gott erklärte, als er sah, dass er mit ihr zu einem andern wahren, über dem Menschen stehenden Gott nicht kommen konnte. Darum erklärte Schelling denn auch offen, er wolle mit diesem Menschen und seiner Lehre nichts mehr zu schaffen haben und kümmerte sich weiter auch nicht um ihn.

Nachdem nun die Vernunft sich gedemütigt hat und den Willen zeigt, das Heil anzunehmen, kann sie nun wieder erhöhet und vom Geist der Wahrheit erleuchtet werden. Dies geschieht in der positiven Philosophie, wo sie durch freies, d.h. erleuchtetes Denken mit Hülfe der göttlichen Offenbarung zu den Gnadengaben des Christentums zugelassen wird. Jetzt, nun ihr das Verständnis der höheren Welt aufgeschlossen ist, sieht sie auf einmal den ganzen wunderbaren Zusammenhang in der Geschichte des Reiches Gottes ein, und was ihr früher unbegreiflich war, ist jetzt klar und begreiflich, als wenn es gar nicht anders sein könnte. Denn die Augen, die der Herr erleuchtet, sind erst wahre Augen und sehend; wo aber die Finsternis herrscht und die Lüste und Begierden dieser Welt ihr Wesen treiben, da kann keiner etwas sehen. Diese Gnadenwirkung spricht Schelling darin aus, dass er sagt, diese Philosophie sei nur für die Wollenden und Klugen und finde ihre Bewährung in der Offenbarung. Wer also an diese nicht glaubt, für den ist auch die Philosophie nicht. Mit andern Worten, diese Sache ist eigentlich keine rechte Philosophie, sondern dieser Name ist nur um der Weltweisen willen gewählt, wie geschrieben steht: Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben (Matth. 10,16); im übrigen aber ist es ein rechtes und wirkliches Christentum, wie sich uns bald zeigen wird. Schelling hat die gute alte Zeit wieder heraufgeführt, wo die Vernunft sich unter den Glauben gefangen gibt und die Weltweisheit, indem sie sich als Magd der Theologie, der Gottesweisheit unterwirft, zur Gottesweisheit verklärt wird. Denn wer sich selbst erhöhet, der wird erniedriget, und wer sich selbst erniedriget, der wird erhöhet (Matth. 23,12).

Auf diesem Wege des erleuchteten Denkens kommt der teure Mann, von dem wir reden, denn auch sogleich zur wahren Grundlehre alles Christentums, nämlich der Dreieinigkeit Gottes. Es kann dem gottesfürchtigen Leser nicht zugemutet werden, diesen Weg mitzumachen, denn er weiß und glaubet ja, dass dieser Weg nur zur Wahrheit führen kann; es ist dies nur für die Ungläubigen gesagt worden, um ihnen zu zeigen, wie sie zur Wahrheit kommen können und wie sehr ihre Vernunft gereinigt und geheiligt werden muss, um die Erlösung in Christo Jesu erkennen und fassen zu können. Darum wollen wir diese Dinge, die für die Erkenntnis des Heils bei den Gläubigen doch keinen Wert haben, übergehen. Schelling beschreibt nun nach der Schrift, wie Gott die Welt aus Nichts geschaffen und der Mensch, vom Satan in Gestalt der Schlange verführt, seinen ersten Wandel verloren habe und dem Fürsten der Finsternis verfallen sei. Dadurch habe er die ganze Welt von Gott losgerissen und in die Gewalt des Satans gebracht. Alle Kräfte, die früher durch die göttliche Einheit zusammengehalten waren, seien jetzt auseinandergefallen und in wilde Feindschaft geraten, so dass der Satan recht mit Lust in der Welt hausen könne. Man muss sich nur durch die philosophische Ausdrucksweise unserer Gottesgelehrten nicht verblenden lassen. Die Weltweisen in unsrer gottlosen Zeit verstehen die einfache, von Gott selbst eingegebene Sprache der Heiligen Schrift nicht mehr; es muss ihnen auf ihre Weise beigebracht werden, bis sie wieder reif werden zum Verständnis der Bibel, wie geschrieben stehet: Ich preise dich, Vater und Herr [des] Himmels und der Erde, dass du es den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbaret (Matth. 11,25). Darum sagt Schelling für die Engel, die ihr Fürstentum nicht behalten haben, sondern verließen ihre Behausung (Judä 6), für den Teufel und seine gottlosen Scharen: kosmische Potenzen, was soviel heißt wie Fürsten dieser Welt. Jetzt natürlich kann Gott an der Welt keinen Gefallen mehr haben. Er stößt sie nach seiner Gerechtigkeit von sich, und wo er in ihr wirkt, tut er es in seinem Zorn und ohne seinen vollen freien Willen. Aber der ewige Erbarmer kann nicht von ihr lassen; das Wort, durch welches alle Dinge gemacht sind und ohne dasselbige ist nichts gemacht, das gemacht ist (Joh. 1,3), der eingeborene Sohn Gottes bleibt mit seiner unermesslichen Liebe und Gnade bei der armen, verstoßenen Welt. Sein Leidensstand beginnt mit dem Sündenfall und nicht erst mit seiner Menschwerdung unter Herodes, denn mit dem Sündenfall ist er ganz aus der Menschheit verdrängt, in der er mehr noch als der Vater lebte. Ja, indem er sich zwischen den zürnenden Gott und die gefallene Welt, die jener vernichten wollte, hinstellte, auf ihre Seite trat, trennte er sich vom Vater und war so gewissermaßen mitschuldig und konnte auf die göttliche Herrlichkeit keinen Anspruch machen, solange der Vater nicht versöhnt war. Dies große Werk der Versöhnung, den Kampf mit dem Fürsten dieser Welt, begann er nun in dieser nicht göttlichen und nicht menschlichen Gestalt, in dieser Trennung vom Vater, die sein Leiden und seinen Schmerz ausmacht. Dass diese Deutung in der Heiligen Schrift begründet ist, zeigt das 53. Kapitel des Propheten Jesaias aufs Deutlichste, wo von einem gegenwärtigen, nicht zukünftigen Leiden die Rede ist. Dieser große Streit beginnt nun im Judentum und im Heidentum. Wie der Herr sich das Judentum unterwirft, zeigt die Geschichte des Volkes Israel im Alten Testament, und die herrlichen Führungen, durch die der Herr sein Volk geleitet hat, sind den Christen wohlbekannt. Aber im Heidentum? War nicht gerade der Teufel der Gott der Heiden? Wir wollen versuchen, dies so klar wie möglich zu beantworten, ohne von den Aussprüchen der Heiligen Schrift abzuweichen.

Es hat wohl jeder bereits gehört, dass auch unter den Heiden, in den sibyllinischen Büchern und sonstwo Weissagungen auf Christum waren. Hier zeigt sich also schon, dass sie nicht ganz so gottverlassen waren, als man gewöhnlich meint, denn diese Weissagungen sind göttlichen Ursprungs. Nun aber ist es damit nicht getan. Warum sollte der Herr in seiner Barmherzigkeit sie so ganz in der Irre gehen und in die Krallen des Teufels fallen lassen? Lässt er doch regnen über Gute und Böse und die Sonne scheinen über Gerechte und Ungerechte! Ja, wenn die Heiden so ganz ohne Gottes Schutz und Leitung in der Gewalt des bösen Feindes gewesen wären, würden ihre Sünden da nicht größer und unerhörter sein, als sie wirklich waren? Würden dann nicht alle die schändlichen Wollüste und unnatürlichen Begierden, die fleischlichen und andern Sünden, Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei, Schalksauge, Unkeuschheit nicht so laut gen Himmel geschrien haben, dass Gott sie hätte ohne Zaudern vertilgen müssen? Ja, würden sie sich nicht selbst einander erschlagen und aufgefressen haben? Hieraus folgt schon, dass Gott sich auch der Heiden erbarmt und ihnen einiges Licht von oben gegeben haben muss; und dies besteht darin, dass sie allmählich und ohne dass sie es merkten durch alle Stufen des Götzendienstes zur Anbetung des wahren Christus geführt wurden, ohne aber dass sie wussten, ihr Gott und der der Christen sei derselbe, und der im Heidentum verborgen gewesen, sei nun im Christentum offenbaret worden. Diejenigen nun, welche dies nicht erkannten, als ihnen das Evangelium gepredigt war, beteten nun nicht mehr den verborgenen Christus an, weil sie den geoffenbarten verfolgten, sondern ihr Gott war nun der Feind Christi, der Teufel. Das ist ein großes Verdienst von Schelling, dass er der erste ist, der sich daran gibt, die Führungen Gottes unter den Heiden aufzusuchen und so der Liebe Christi zu den sündigen Menschen ein neues Lob bereitet.

Nachdem nun die Juden mit Bewusstsein und die Heiden ohne es zu wissen und in falscher Gestalt zur Erkenntnis des wahren Gottes gebracht, als die stolzen Paläste des Griechentums zerfallen waren und die eiserne Hemd des römischen Kaisers auf der ganzen Welt lag, da war die Zeit erfüllet, und Gott sandte seinen Sohn, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Dies geschah folgendermaßen. Indem Christus sich das Heidentum unterworfen hatte, war er der Gott desselben, aber nicht der wahre Gott, das konnte er ohne den Vater nicht sein. So hatte er dem Teufel die Welt abgerungen und konnte mit ihr machen, was er wollte; er konnte sie für sich behalten und ihre Herrschaft in dieser göttlichen Gestalt allein führen; aber er tat dies aus freiem Gehorsam nicht, sondern übergab sie seinem Vater, indem er die göttliche Gestalt ablegte und Mensch wurde. Welcher, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt er es nicht für einen Raub, Gott gleich sein, sondern [ent]äußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an und ward gleichwie ein anderer Mensch und an Gebärden wie ein Mensch erfunden. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuz (Phil. 2, 6-8). Es sind noch eine Menge Stellen in der Heiligen Schrift, die diese Auslegung für die richtige erklären und beweisen; auch kann man nach dieser Weise alles ganz einfältiglich und wörtlich nehmen, ohne viel Ausflüchte und Gelehrsamkeit nötig zu haben.

Das ist eben das Große an dem Gehorsam Christi, dass der Heiland die ganze Welt für sich besitzen und sich vom Vater lossagen konnte, und dass er dies nicht wollte, sondern seinem Vater die dem Teufel abgestrittene Welt zu Füßen legte und den Tod erlitt zur Versöhnung für viele.

Hier sehen wir auch, was die Versuchungsgeschichte Christi bedeutet. Hätte es nicht in Jesu freier Wahl gestanden, sich dem Vater zu unterwerfen oder nicht, so hätte der Teufel ihn gar nicht versuchen können, denn er musste ja wissen, dass es doch vergeblich sein werde. Also ist die obige Auslegung Schellings gewiss richtig.

Dass also Christus wahrer Gott sei, haben wir gehört und jetzt geht unser Gewährsmann zur zweiten Natur desselben, der menschlichen, über. Auch er ist des festen Glaubens, dass Christus wahrlich und wahrhaftiger Mensch gewesen ist und nicht, wie viele Ketzer meinen, bloß eine Erscheinung oder der Geist Gottes, der sich auf einen bereits existierenden Menschen herabgelassen habe.

Indem Christus die Welt gegen Gott vertrat, sich für sie verbürgte, trat er außer Gott heraus und ihm gegenüber. Solange also die Welt nicht wieder mit Gott versöhnt war, war Christus nicht Gott, sondern in einem Mittelzustande, der durch die Besiegung des Heidentums zur göttlichen Gestalt wurde, aber selbst der wahre göttliche Zustand nicht war. Um in diesen sich wieder zu versetzen, musste Christus seinem Vater die Welt übergeben, die er dem Teufel abgerungen hatte, musste die göttliche Gestalt ablegen und sich selbst demütig dem Vater unterwerfen, um die Strafe für die Missetat der Welt auf sich zu nehmen. Diese Demut zeigte er, indem er Mensch wurde, vom Weibe geboren, und gehorsam war bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuz. Alle Reinigung und Opfer hatten Gott nicht versöhnen können und waren bloß die Vorspiele des einen großen Opfers gewesen, in welchem nicht nur das Böse vertilgt, sondern auch der Zorn Gottes versöhnt wurde. Dieser konnte nur durch die größte, freiwilligste, demütigste Unterwerfung versöhnt werden, und das konnte nur der Sohn, nicht aber der Mensch, den die Furcht und Qual des Gewissens, der dräuende Zorn Gottes zur Unterwerfung zwang. Jetzt konnte Christus auch die Menschen vor Gott vertreten, da er durch die Anbetung, die sie ihm, ohne es zu wissen, zollten, ihr Herr, ihr Verteidiger geworden war. Um nun wirklich an des Menschen Statt die diesem zukommende Strafe zu tragen, ward er Mensch; der Entschluss zur Menschwerdung ist ein Wunder der göttlichen Gesinnung. So wurde der im Anfange bei Gott, ja Gott selbst, und nach dem Sündenfall in der „göttlichen Gestalt" war, jetzt in Bethlehem als Mensch geboren, und zwar aus dem heiligen Geist von der Maria, ohne Zutun einiges Mannes.

Wer hätte das zu hoffen gewagt, dass im Jahr 1842 ein Philosoph, ja, der Stifter der neuen Lästerschule, so erfreulich umkehren werde und sich so freudig zu den Hauptlehren des Christentums bekennen? Das, woran der Zweifel sich immer zuerst machte, was die Halbchristen von jeher verstoßen haben, und das dennoch der Eckstein des christlichen Glaubens ist, die Geburt Christi aus der Maria ohne Zutun des Mannes, dass Schelling auch dies als seine Überzeugung ausgesprochen hat, ist eines der erfreulichsten Zeichen der Zeit, und der hoch begnadigte Mann, der den Mut dazu hatte, hat Anspruch auf den Dank eines jeden Gläubigen. Wer erkennt aber nicht hier die Hand des Herrn in dieser wunderbaren, herrlichen Fügung? Wer sieht nicht, dass er hier seiner Kirche ein Zeichen gibt, dass Er sie nicht verlassen hat und ihrer bei Tag und Nacht gedenkt?

Über den Tod des Herrn spricht sich Schelling auf eine ebenso wahrhaft christliche und erbauliche Weise aus. Er sei von Anbeginn der Welt im Rate der Wächter beschlossen gewesen und ein Opfer, das die göttliche Gesinnung geheischt habe. Gott sei auch gegen den Satan gerecht und habe ihm so sehr sein Recht angedeihen lassen, dass er seinen eigenen Sohn in den Tod dahin gegeben, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben, damit der Teufel nur ja nicht den mindesten Grund habe zu sagen, er sei durch die größere Macht Gottes auf ungerechte Weise gestürzt worden. Es ist die Majestät und Herrlichkeit des Herrn selbst, die auch den leisesten Schein eines solchen Fleckens nicht duldet. Darum musste Christus Mensch werden und die Missetat der gottverlassenen Menschheit auf sich nehmen und am Kreuze den Tod leiden, auf dass durch eines Tod viele lebendig würden. Darum musste der Herr in seiner Gnade und Barmherzigkeit sich dahin geben für uns, sich für die Sünder beim Vater verbürgen und unsere Schuld bezahlen, dass wir wieder Zutritt haben zum Thron der Gnade. Und zwar sind die anderen Menschen auch dem Tode samt und sonders verfallen, aber keiner ist so gestorben wie der Herr, hat einen solchen Erlösungstod erlitten wie Jesus Christus. Und so ist auch diese Krone des Glaubens, die Reinigung von den Sünden im Blüte Christi, wieder einmal wunderbarlich aus den Krallen des alten Drachen, welcher jetzt in Gestalt der Weltweisheit und des leidigen Zeitgeistes umgeht, gerettet worden, und aufs Neue hat der Herr die köstliche Verheißung bewährt, dass die Pforten der Hölle seine Kirche nicht überwältigen sollen. Weiter sagt Schelling von Christo sehr schön: Dieser Tod ist ein so großes Wunder, dass wir gar nicht wagen würden, es zu glauben, wenn wir es nicht so gewiss wüssten. Bei seinem Tode war die ganze Menschheit vertreten: Juden und Heiden waren gegenwärtig, und sie waren die beiden Seiten des ganzen Menschengeschlechts. Das Prinzip der Heiden, wie Christus es durch seinen Kampf mit dem Satan im Heidentum geworden war, musste den Tod der Heiden, den Kreuzestod, sterben. Die Ausspannung am Kreuze ist nur die Lösung der langen Spannung, in der er sich unter den Heiden befunden hatte, d. h. die außergöttliche Stellung des Herrn löste sich auf, und er wurde durch den Tod wieder Eines mit Gott, wie geschrieben steht: Er ist aus der Angst und dem Gericht genommen, wer will seines Lebens Länge ausreden? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen, da er um die Missetat meines Volkes geplaget war (Jes. 53,8).

Von der Auferstehung des Herrn sagt aber Schelling, sie sei der Beweis, dass Christus seine Menschheit nicht zum Schein angenommen habe, sondern ernstlich und für immer Mensch geworden sei, und dass Gott die menschliche Gestalt und das menschliche Wesen wieder zu Gnaden angenommen habe, und zwar nicht allein die Menschheit in Christo, sondern überhaupt alle Menschheit, deren Vertreter Christus nur gewesen. Denn nicht die einzelne Sünde sei Gott so missfällig, dass er die Menschheit darum habe verlassen müssen, sondern das Schlimmste sei der ganze, sündige, dem Bösen verkaufte Zustand des ganzen Menschengeschlechts, und daher hat Gott sein Missfallen am Menschen, schon ehe er gesündigt, so dass es vor Gott schon gleichsam eine Sünde war, ein Mensch zu sein. Daher konnte kein guter, Gott wohlgefälliger Wille, daher keine einzige gute, vor Gott gerechte Tat auf der Welt sich finden, ehe Christus gestorben war, und daher können auch jetzt nur die Gläubigen gute Werke tun und guten Willen haben. Durch die Auferstehung des Herrn aber ist der menschliche Zustand wieder vor Gott gerechtfertigt und von Gott als entsündigter anerkannt, und so ist die Rechtfertigung durch die Auferstehung erst vollendet. So ist Christus nun gen Himmel aufgehoben worden und sitzet zur Rechten Gottes des Vaters, als wahrer Mensch und wahrer Gott, die Menschheit vor dem Vater vertretend.

Die Auferstehung ist uns ferner ein Beweis für die Unsterblichkeit unserer eigenen Seele und die Auferstehung des Fleisches. Auch dies erkennt Schelling an und setzt hinzu, dass, wenn in diesem Leben das Fleisch über den Geist herrsche, ein zweites folgen müsse, wo der Geist das Fleisch überwältigt habe und zuletzt eine Ausgleichung beider Seiten notwendig sei. Dies stimmt ganz mit der Lehre der Schrift, denn der letzte Zustand nach der Auferstehung und dem jüngsten Gericht, nach der Verklärung des Leibes, ist nichts anderes als das, was Schelling das Gleichgewicht zwischen Seele und Leib nennt. Für den Zustand der Unbußfertigen und Verdammten, die in Unglauben, Herzenshärtigkeit und Sünden dahingefahren sind, spricht Schelling auch eine Vermutung aus. Er hält den zweiten, ewigen Tod für ein ewiges Sterben, ohne je zum wirklichen Tode kommen zu können. Darüber zu grübeln, möchte wohl unterlassen und es dem Herrn anheimgestellt werden können, wie er seine Verächter und Lästerer züchtigen und peinigen will.

Endlich aber legt der teure Schelling folgendes köstliche Zeugnis von der Auferstehung unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi ab: Diese Auferstehung ist ein Blitz der inneren Geschichte in die äußere. Wer solche Tatsachen wegnimmt, dem bleibt die Geschichte des Reiches Gottes nur eine Reihe von äußerlichen, zufälligen Begebenheiten ohne allen göttlichen Inhalt, ohne das Transzendente (was über die Vernunft geht), welches erst eigentliche Geschichte ist. Ohne sie ist die Geschichte nur eine äußerliche Gedächtnissache, nie eine wahre, ganze Kenntnis der Begebenheiten. – Das ist ein schönes und christliches Wort, dagegen die Redereien der Weltweisen von Gott in der Geschichte und Entwickelung des Gattungsbewusstseins eitel Unflat und Lästerung sind. Denn wenn diese hochmütigen Jugendverführer ihren Gott in der Geschichte aller menschlichen Sünden und Verbrechen haben, wo bleibt der Gott außerhalb dieser Sünden. Diese Spötter wollen nicht einsehen, dass die ganze Weltgeschichte ein Vorüberdrängen von allerlei Ungerechtigkeit, Bosheit, Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei, Lästerung, Frevel, Zorn und Wut und Trunkenheit ist, die unfehlbar sich selbst in die Hölle stürzen würden und die ganze Welt mit, wenn man nicht überall Gottes rettende Hand sähe, die dem Übel wehrt und steuert; und diese schändliche Lasterbühne ist ihr Himmel, ihre ganze Unsterblichkeit, das haben sie selbst offen gesagt. Aber das sind die saubern Folgen davon, dass man alle göttlichen Wirkungen aus der Geschichte herauswirft. Gott rächt sich dadurch an ihnen, dass er ihnen sein wahres Wesen verschließt und sie sich einen Gott machen lässt, der noch weniger als ein tauber Götze von Holz und Stroh, der ein vages Luftgebilde, ein sogenannter Weltgeist und Geist der Geschichte ist. Was bei einer solchen Betrachtung der Geschichte, deren Hauptanstifter der bei allen guten Christen übel berufene Hegel ist, herauskommt, haben wir gesehen; halten wir also das Bild der Geschichte dagegen, welches ein Mann Gottes, wie Schelling, entwirft.

Unter den Zwölfen, sagt Schelling, welche den Herrn immer umgaben und von ihm zu Aposteln bestellt wurden, waren es vornehmlich drei, die er bei jeder Gelegenheit vor den andern begnadigte, Petrus, Jakobus und Johannes. In diesen Dreien sind die Vorbilder der ganzen christlichen Kirche gegeben, wenn wir für den früher für den Namen Christi getöteten Jakobus, den ungefähr zu derselben Zeit bekehrten Paulus als Nachfolger annehmen. Petrus, Paulus und Johannes sind die Herrscher über drei verschiedene Zeiträume der christlichen Kirche, wie im Alten Testament Moses, Elias und Johannes der Täufer die drei Vertreter dreier Zeiträume waren. Moses war der Gesetzgeber, durch welchen der Herr den Grund legte; Elias der feurige Geist, der das träge, abgefallene Volk wieder zum Leben und zur Tätigkeit brachte; Johannes der Täufer der Vollender, der das Alte Testament ins Neue hinüber führt. So auch war für die neutestamentliche Kirche Petrus der Moses, der Grundleger, durch welchen das jüdische Wesen der damaligen Zeit in der christlichen Kirche vertreten wurde; Paulus der treibende, feurige Elias, der die Gläubigen nicht lau werden und einschlummern ließ und das Wesen des Heidentums, Bildung, Gelehrsamkeit und Weltweisheit – sofern sie sich unter den Glauben gefangen gab – vertrat; Johannes aber wird wiederum der Vollender, der auf die Zukunft Hinweisende sein, denn die der Herr liebt, denen gibt er das Geschäft des Vollendens. So schrieb denn auch Johannes, schon zu seinen Lebzeiten auf die Zukunft hinweisend, die Offenbarung. Die Kirche des Apostels Petrus ist nun die katholische, deren zeremonieller Gottesdienst, so wie ihre Lehre von den guten Werken dem jüdischen Gesetze entspricht; und es lässt sich nicht leugnen, dass das Wort des Herrn: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen, auf die von ihm gestiftete Kirche geht. Wie er den Herrn dreimal verleugnete, so lässt sich auch nachweisen, dass die römische Kirche den Herrn dreimal verleugnet hat. Zuerst, als sie selbst nach der weltlichen Herrschaft strebte, sodann, als sie der weltlichen Gewalt zu ihren Zwecken sich zu bedienen wusste, und endlich, als sie der weltlichen Gewalt sich als Mittel zu ihren Zwecken hergab. Die zweite Kirche des Apostels Paulus nun ist die protestantische, in welcher die Gelehrsamkeit und alle gottselige Weisheit, also das Wesen der aus dem Heidentum herübergekommenen Christen vorherrschend ist, und in welcher, statt des Feststehenden, Bleibenden der katholischen Kirche, nun das Treibende, Parteien machende Leben der in viele Sekten zerfallenden evangelischen Kirche eintritt. Wer weiß, ob das Dichten und Trachten dieser heidnischen Christen dem Reiche Gottes nicht am Ende förderlicher ist als das der jüdischen Christen!

Aber keine dieser beiden Parteien ist die wahre, letzte Kirche des Herrn, sondern dies wird erst die sein, die von Petri Grund durch Paulum zu Johannes durchdringt und so die letzten Zeiten vorbereitet. Diese letzte Kirche ist die Kirche der Liebe, wie Johannes der Bote der Liebe war, die Vollendung der Kirche, zu deren Zeiten der auf das Ende geweissagte große Abfall sein wird, und sodann das jüngste Gericht. Es sind allen Aposteln viele Kirchen gebaut worden, aber verhältnismäßig sehr wenige dem heiligen Johannes. Hätte ich eine Kirche zu bauen, so würde ich sie ihm widmen; einst aber wird eine Kirche gebauet werden allen drei Aposteln, und diese wird die letzte, das wahre christliche Pantheon sein.

Dies sind die Worte, mit denen der erste wahrhaft christliche Philosoph seine Vorlesungen beschloss, und so wären wir ihm bis zum Ende gefolgt. Der Verfasser dieser Zeilen glaubt hinlänglich gezeigt zu haben, welch ein auserwähltes Rüstzeug der Herr seiner Kirche in diesem werten Manne erwecket hat. Das ist der Mann, welcher die Heiden der jetzigen Welt vertreiben wird, die da ihr Wesen treiben unter vielfältiger Gestalt, als Weltleute, als Junges Deutschland, als Philosophen und wie sie sich sonst nennen mögen. Wahrlich, wenn man in den Saal kam, in welchem Schelling seine Vorlesungen hielt, und hörte diese Leute über den Auserwählten unter den Weltweisen spötteln und witzeln, so musste man des Apostels Pauli gedenken, als er zu Athen predigte. Es ist geradeso, als wiederholte sich die Geschichte, wie sie Apostelgesch. 17,16ff. erzählet ist, wo die Worte also lauten:

Da aber Paulus zu Athen ihrer wartete, ergrimmete sein Geist in ihm, da er sah die Stadt so gar abgöttisch. Und er redete zwar zu den Juden und Gottesfürchtigen in der Schule, auch auf dem Markt alle Tage zu denen, so sich herzu fanden. Etliche aber der Epikureer und Stoiker Philosophen zankten mit ihm. Und etliche sprachen: Was will dieser Lotterbube sagen? Etliche aber: Es siehet, als wollte er neue Götter verkündigen. Das machte, er hatte das Evangelium von Jesu und von der Auferstehung ihnen verkündiget."

Wohl mochte auch Schelling hier zu Berlin ergrimmen, da er sähe die Stadt so gar abgöttisch. Denn wo wird mehr Abgötterei getrieben mit irdischen Dingen, mit dem Mammon und der Ehre dieser Welt, mit dem eignen lieben Ich, und der wahre Gott mehr beiseite gesetzt als gerade hier? Wo ist das Weltleben mit seiner Üppigkeit, seinem Luxus und seiner hohlen, eitlen Pracht, mit seinen glänzenden Lastern und übertünchten Sünden auf eine höhere Stufe gediehen als gerade hier? Haben eure Gelehrten, eure seichten und unchristlichen Schriftsteller euch nicht schmeicheln wollen, wenn sie eure Stadt so häufig mit Athen verglichen? O, welche bittere Wahrheit haben sie euch gesagt! Jawohl, Athen voll heidnischer, stolzer Bildung und Zivilisation, die euch eben die Augen verblendet gegen die einfache Wahrheit des Evangeliums, Athen voll Glanz und Schein und irdischer Herrlichkeit, voll Wohllebens und bequemen Schlendrians, der sich dehnt und gähnt auf weichen Lotterbettlein, und dem das Wort vom Kreuz viel zu langweilig und die Buße viel zu anstrengend ist, Athen voll üppigen wilden Rausches und Sinnentaumels, in dem die laute Stimme des Gewissens überschrien und übertäubt, die innere Unruhe und Pein mit glänzender Hülle bedeckt wird! Jawohl, Athen voll hochmütiger Weltweisen, die sich um Sein und Nichts und andre schale Dinge den Kopf zerbrechen und mit Gott und Welt längst fertig sind, die aber das Wort von der Demütigung und Armut im Geiste als eine Torheit und eine Kuriosität aus vergangenen Zeiten verlachen; Athen voll gründlicher Gelehrter, die alle Arten Infusionstierchen und alle Kapitel des römischen Rechts auswendig wissen und darüber das ewige Heil, welches ist der Seelen Seligkeit, vergessen! Da mag auch wohl ein Schelling ergrimmet sein wie einst Paulus, als er in eine solche Stadt trat. Und als er herkam, da sprachen die Weltweisen, wie vorzeiten die weiland Epikureer und Stoiker zu Athen: Was will dieser Lotterbube sagen? Sie sprachen schon schlecht von ihm, ehe er seinen Mund aufgetan hatte, sie schmähten ihn, ehe er noch ihre Stadt betreten hatte. Doch sehen wir, wie die Heilige Schrift uns weiter berichtet: „Sie nahmen ihn aber und führeten ihn auf den Richtplatz und sprachen: Können wir auch erfahren, was das für eine neue Lehre sei," die du lehrest? Denn du bringest etwas Neues vor unsre Ohren; so wollten wir gerne hören, was das sei? Die Athener aber alle, auch die Ausländer und Gäste, waren gerichtet auf nichts anderes, denn etwas Neues zu sagen und zu hören."

Nun, sind das nicht die Berliner, wie sie leiben und leben? Sind nicht auch sie nur gerichtet darauf, etwas Neues zu hören und zu sehen? Da gehet einmal hin in eure Kaffeehäuser und Konditoreien und sehet, wie die neuen Athener hinter den Zeitungen herlaufen, während die Bibel zu Hause bestaubt daliegt, und kein Mensch schlägt sie auf; hört, wenn sie zusammenkommen, ob ihr Gruß anders ist als: Was gibt's Neues? Nichts Neues? Immer etwas Neues, immer etwas noch nicht Dagewesenes, sonst langweilen sie sich zu Tode mit all ihrer Bildung, ihrer Pracht und ihren Genüssen. Wer gilt ihnen für liebenswürdig, interessant und beachtenswert? Der am erleuchtetsten ist vom heiligen Geist? Nein, der, der immer die meisten Neuigkeiten zu erzählen weiß. Was kümmert sie am meisten? Ob sich ein Sünder bekehrt hat, worüber sich doch die Engel Gottes freuen? Nein, was über Nacht für Skandalgeschichten vorgefallen sind, was in der „Leipziger Allgemeinen Zeitung" aus Berlin berichtet ist! Vor allen ist das Otterngezücht der Politiker und Kannegießer aber das schlimmste und am meisten auf Neuigkeiten versessene. Diese Heuchler mischen sich aufs vorlauteste in die Regierung, statt dem Könige zu lassen, was des Königs ist, und kümmern sich um ihrer unsterblichen Seelen Heil keinen Augenblick; den Splitter im Auge der Regierung wollen sie ausziehen, und den Balken in ihrem eignen glaubenslosen, für Christi Liebe blinden Auge wollen sie nicht bemerken. Diese sind ganz besonders wie weiland die Athener, die sich auch den ganzen Tag auf dem Markte umher trieben und Neuigkeiten aufspürten und die alte Wahrheit dagegen unangerührt im Schranke liegen haben. Was wollten sie von Schelling anders, als etwas Neues hören, und wie rümpften sie ihre Nasen, als er ihnen nur das alte Evangelium brachte! Wie wenige waren ihrer, die nicht stets nach neuen Dingen trachteten, sondern von Schelling nur die alte Wahrheit, das Wort von der Erlösung durch Christum Jesum, verlangten! -

Und so ist es mit der ganzen Geschichte, wie dort bei Paulus, so hier bei Schelling. Sie hörten seine Predigt mit kritischen Gesichtern an, lächelten hier und da vornehm, schüttelten den Kopf, sahen sich selbst vielsagend und dann Schelling mitleidig an, und da sie höreten die Auferstehung von den Toten, da hatten sie es ihren Spott (Apostelgesch. 17,32). Nur wenige hingen ihm an. Denn wie in Athen ist es noch heute: die Auferstehung von den Toten ist ihr Hauptärgernis. Die meisten sind ehrlich genug, von gar keiner Unsterblichkeit etwas wissen zu wollen; die Minderzahl gibt eine sehr ungewisse, schwankende, neblige Unsterblichkeit der Seele zu, aber den Leib lässt sie auf ewig vermodern, und sie sind alle darin gleich, dass sie die wirkliche, entschiedene und unverhohlene Auferstehung des Fleisches verspotten und für ein Ding der Unmöglichkeit halten, als wenn nicht geschrieben stände: Bei Gott ist kein Ding unmöglich.

Es bleibt uns aber noch eine andre Bemerkung übrig, wenn wir auf die dem gläubigen Leser dargelegte Geschichte der Kirche Christi, wie sie vorbildlich in den drei Aposteln Petrus, Paulus und Johannes uns vorgestellt ist, zurückkommen. Es folgt daraus, dass es höchst unrecht und sündlich gegen die Anordnung Gottes selbst ist, wenn wir, wie so manche noch heutzutage tun, die katholische Kirche gegen die unsrige verachten und herabsetzen wollten. Denn sie ist ebenso gut wie die protestantische im göttlichen Ratschluss vorherbestimmt, und wir können gar manches von ihr lernen. Die katholische Kirche hat noch die alte apostolische Kirchenzucht, welche bei uns ganz verlorengegangen ist. Wir wissen aus der Schrift, dass die Apostel und die Gemeinden Ungläubige, Irrlehrer und Sünder, die der Gemeinde zum Ärgernis waren, ausstießen aus der Gemeinschaft des heiligen Geistes. Spricht nicht Paulus 1 Kor. 5, 3-5: Ich zwar, als der ich mit dem Leibe nicht da bin, doch mit dem Geist gegenwärtig, habe schon als gegenwärtig beschlossen über den, der solches also getan hat: In dem Namen unsres Herrn Jesu Christi, in eurer Versammlung mit meinem Geist und mit der Kraft unsres Herrn Jesu Christi: Ihn zu übergeben dem Satan zum Verderben des Fleisches, auf dass der Geist selig werde am Tage unsres Herrn Jesu. Hat nicht Christus gesagt zu Petro: Und ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben. Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein (Matth. 16, 19). Sprach er nicht nach der Auferstehung zu allen Jüngern: Welchem ihr die Sünden erlasset, dem sind sie erlassen, welchem ihr sie behaltet, dem sind sie behalten? (Ev. Joh. 20, 23.) Solche Stellen der Heiligen Schrift gehen auf eine kräftige Kirchenzucht, wie sie in der apostolischen Kirche blühte und bei den Katholiken noch besteht, und wenn die apostolische Kirche unser Vorbild und die Heilige Schrift unsre Richtschnur ist, so müssen auch wir jene alte Einrichtung wieder in Geltung zu bringen trachten, und bei der Wut, mit welcher der böse Feind heutzutage die Kirche des Herrn verfolgt und angreift, mögen wir wohl uns vorsehen, nicht nur innerlich mit Glauben und Hoffnung, sondern auch äußerlich durch Befestigung der Gemeinschaft im Geist und Ausstoßung der falschen Propheten gerüstet zu sein. Der Wolf darf nicht unter die Herde kommen, ohne wieder heraus getrieben zu werden. Auch ist ferner die Ehelosigkeit der katholischen Priester nicht ganz zu verwerfen. Es steht geschrieben Matth. 19, 10- 12: Da sprachen die Jünger zu ihm: Stehet die Sache eines Mannes mit seinem Weibe also, so ist es nicht gut, ehelich werden. Er sprach aber zu ihnen: Das Wort fasset nicht jedermann, sondern denen es gegeben ist. Denn es sind etliche verschnitten, die sind aus Mutterleibe also geboren; und sind etliche verschnitten, die von Menschen verschnitten sind und sind etliche verschnitten, die sich selbst verschnitten haben um des Himmelreichs willen. Wer es fassen mag, der fasse es. Sodann handelt 1 Kor. 7 von Anfang bis zu Ende von den Vorzügen des ehelosen Standes gegen den Ehestand, und ich will daraus nur einige Stellen anführen: V. 1.2. Es ist dem Menschen gut, dass er kein Weib berühre, aber um der Hurerei willen habe ein jeglicher sein eigen Weib und eine jegliche habe ihren eigenen Mann. V. 8. Ich sage zwar den Ledigen und Witwen: Es ist ihnen gut, wenn sie auch bleiben wie ich. V. 27. Bist du aber los vom Weibe, so suche kein Weib. V. 32.33. Wer ledig ist, der sorget, was dem Herrn angehöret, wie er dem Herrn gefalle; wer aber freiet, der sorget, was der Welt angehöret, wie er dem Weibe gefalle. V. 38, ff. Endlich, welcher verheiratet, der tut wohl, welcher aber nicht verheiratet, der tut besser. Ein Weib ist gebunden an das Gesetz, solange ihr Mann lebet; so aber ihr Mann entschläft, ist sie frei, sich zu verheiraten, welchen sie will; allein, dass es in dem Herrn geschehe. Seliger ist sie aber, wo sie also bleibet, nach meiner Meinung. Ich halte aber, ich habe auch den Geist Gottes. – Diese Aussprüche sind doch klar genug, und es ist schwer zu begreifen, wie bei solchen Vorschriften der ehelose Stand unter den Protestanten so sehr in Verruf kommen konnte. So sehen wir also, dass die katholische Kirche in manchen Stücken der Heiligen Schrift näher steht als wir, und wir keine Ursach haben, sie zu verachten. Im Gegenteil stehen unsre Brüder in der katholischen Kirche, so sie gläubig und gottesfürchtig sind, uns näher als die abgefallenen und unchristlichen Protestanten, und es ist an der Zeit, dass wir die Johannes-Kirche vorzubereiten anfangen, indem wir uns mit den Katholiken vereinigen gegen die gemeinsamen Feinde, welche das ganze Christentum bedrohen. Es ist nicht mehr Zeit, sich über die Unterschiede der einzelnen Bekenntnisse zu streiten, wir müssen das dem Herrn überlassen, nachdem wir Menschen es in dreihundert Jahren nicht haben ins klare bringen können, wir müssen wachen und beten und gerüstet sein alle Zeit, umgürtet die Lenden mit Wahrheit und angezogen den Krebs der Gerechtigkeit und an Beinen gestiefelt, als fertig zu treiben das Evangelium des Friedens; vor allen Dingen aber müssen wir ergreifen den Schild des Glaubens, mit welchem wir auslöschen können alle feu[rigen] Pfeile des Bösewichts, und nehmen den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes (Epheser 6, 14-17). Denn die Zeit ist schlimm, und der Feind gehet um wie ein brüllender Löwe und suchet, welchen er verschlinge (1. Petri 5, 8). Und wenn der Verfasser seine demütige Meinung äußern darf, wo so manche gottselige und erleuchtete Männer reden könnten, so ist er der Ansicht, dass die Kirche Johannis und mit ihr die letzten Tage vor der Tür sind. Wer hat den Ereignissen der letzten Jahre im Hinblick auf den Herrn zugesehen, ohne zu merken, dass große Dinge im Anzuge sind, und die Hand des Herrn in den Begebenheiten der Könige und Länder waltet! Seit der gräulichen französischen Revolution ist ein ganz neuer, teuflischer Geist in einen großen Teil der Menschheit gefahren, und die Gottlosigkeit erhebt ihr freches Haupt so unverschämt und hoffärtig, dass man denken muss, es gingen jetzt die Weissagungen der Schrift in Erfüllung. Wir wollen aber einmal sehen, was die Schrift über die Gottlosigkeit der letzten Zeiten sagt. Der Herr Jesus sagt Matth. 24, 11-14: Und es werden sich viele falsche Propheten erheben und werden viele verführen, und dieweil die Ungerechtigkeit wird überhandnehmen, wird die Liebe in vielen erkalten. Wer aber beharret bis an das Ende, der wird selig. Und es wird geprediget werden das Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zu einem Zeugnis über alle Völker, und dann wird das Ende kommen. Und V. 24: Es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder tun, dass verführet würden in den Irrtum, wo es möglich wäre, auch die Auserwählten. Und Paulus sagt, 2.Thess. 2, 3 ff.: Es wird geoffenbaret werden der Mensch der Sünde und das Kind des Verderbens, der da ist ein Widerwärtiger und sich überhebt über alles, das Gott oder Gottesdienst heißt; nach der Wirkung des Satans, mit allerlei lügenhaftigen Kräften und Zeichen und Wundern und mit allerlei Verführung zur Ungerechtigkeit unter denen, die verloren werden, dafür, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen, dass sie selig würden. Darum wird ihnen Gott kräftige Irrtümer senden, dass sie glauben der Lüge; auf dass gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht glauben, sondern haben Lust an der Ungerechtigkeit. Und 1. Tim. 4, 1: Der Geist aber sagt deutlich, dass in den letzten Zeiten werden etliche vom Glauben abtreten und anhangen den verführerischen Geistern und Lehren der Teufel.

Ist das nicht, als sähen der Herr und Paulus unsere Zeit vor Augen wie sie leibt und lebt? Der allgemeine Abfall vom Reiche Gottes wird immer größer, die Gottlosigkeit und Lästerung wird täglich frecher, wie Petrus sagt, 2. Petri 3, 3: Und wisset, dass in den letzten Tagen kommen werden Spötter, die nach ihren eigenen Lüsten wandeln. Alle Feinde Gottes tun sich jetzt zusammen und fallen die Gläubigen mit allen möglichen Waffen an; die Gleichgültigen, welche der Lust dieser Welt frönen und denen das Wort vom Kreuz zu langweilig war, vereinigen sich jetzt, vom Gewissen gestachelt, mit den atheistischen Weltweisen und wollen durch deren Lehre den Wurm im Innern einschläfern; diese auf der andern Seite leugnen mit offener Stirn alles, was nicht mit Augen zu sehen ist, Gott und alles Leben nach dem Tode, und da versteht es sich von selbst, dass ihnen diese Welt das Höchste ist, diese Welt mit ihren fleischlichen Genüssen, mit Fressen, Saufen und Huren. Das sind die schlimmsten Heiden, die sich selbst verhärtet und halsstarrig gemacht haben gegen das Evangelium, und von denen der Herr sagt, dass es dem Lande der Sodomer und Gomorrher erträglicher gehen werde am jüngsten Gericht denn ihnen. Es ist nicht mehr eine Gleichgültigkeit und Kälte gegen den Herrn, nein, es ist offene, erklärte Feindschaft, und anstatt aller Sekten und Parteien haben wir jetzt nur zwei: Christen und Antichristen. Wer aber Augen hat zu sehen, der sehe und verblende sie nicht; denn es ist jetzt nicht Zeit zu schlummern und Ausflüchte zu machen; wo die Zeichen der Zeit so klar sprechen, da gilt es acht auf sie zu haben und zu forschen in den Worten der Weissagung, die uns nicht umsonst gegeben ist. Wir sehen die falschen Propheten mitten unter uns, und ist ihnen gegeben, ein Mund zu reden große Dinge und Lästerung, und sie tun ihren Mund auf gegen Gott zur Lästerung, zu lästern seinen Namen und seine Hütte und die im Himmel wohnen. Und ist ihnen gegeben zu streiten mit den Heiligen und (so will es fast scheinen) sie zu überwinden Off. Joh. 13,5-7. Alle Scham und Scheu und Ehrfurcht ist aus ihnen verschwunden, und die scheußlichen Spöttereien eines Voltaire sind ein Kinderspiel gegen den gräßlichen Ernst und die überlegte Lästerung dieser Verführer. Sie ziehen umher in Deutschland und wollen sich überall einschleichen, sie predigen ihre satanischen Lehren auf den Märkten und tragen das Panier des Teufels von einer Stadt zur andern, die arme Jugend hinter sich herlockend, um sie in den tiefsten Schlund der Hölle und des Todes zu stürzen. Die Versuchung hat auf eine unerhörte Weise überhandgenommen, und dass der Herr sie so zulässt, kann nicht ohne besondere Absicht sein. Soll es denn auch von uns heißen: Ihr Heuchler, des Himmels Gestalt könnt ihr beurteilen, könnt ihr denn nicht auch die Zeichen dieser Zeit beurteilen? Matth. 16, 3. Nein, wir müssen unsere Augen auf tun und um uns schauen; die Zeit ist wichtig, und es gilt zu wachen und zu beten, auf dass wir nicht in Anfechtung fallen und der Herr, welcher kommen wird wie ein Dieb in der Nacht, uns nicht schlafend finde. Es werden große Trübsal und Anfechtung über uns kommen, aber der Herr wird uns nicht verlassen, denn er hat gesagt: Offenb. Joh. 3, 5: Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buche des Lebens und will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und seinen Engeln. Und V. 11: Siehe, ich komme bald. Halte, was du hast, auf dass niemand deine Krone nehme! Amen.

1 Name zweier berühmter griechischer Hetären, die in der 2. Hälfte des 5. und Anfang des 4. Jh. v.u.Z. lebten.

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