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preußischer Verfassungskonflikt

Die revolutionäre Situation in den sechziger Jahren in Deutschland stand mit der Vereinigung Deutschlands zu einem Einheitsstaat im Zusammenhang. Nach der Niederlage Österreichs in dem Kriege von 1859 entschloss sich die preußische Regierung, die Ausschaltung Österreichs aus der Einigung Deutschlands zu beschleunigen, und bereitete den Krieg gegen Österreich vor. Zu diesem Zwecke bedurfte die preußische Regierung einer Verstärkung ihrer Armee. Im Jahre 1860 brachte sie im Preußischen Landtag eine Militärvorlage ein, in welcher eine Reorganisierung der preußischen Armee vorgesehen und dafür die Summe von 10 Millionen Taler gefordert wurde. Die Bourgeoisie, die im Landtag die Mehrheit besaß, wollte eine Verstärkung der Armee, fürchtete aber, dass diese verstärkte Armee nicht zum Kampfe für die Einigung Deutschlands, sondern zur Stärkung der Macht des Königs und der Junker in Preußen verwendet werden wird. Darum lehnte sie die Reorganisation der Armee nicht ab, bewilligte aber auch nicht die von der Regierung geforderten Mittel zu dieser Reorganisierung. Sie bewilligte die 10 Millionen Taler nur für ein Jahr. Die Bourgeoisie wollte Garantien dafür erhalten, dass die bewaffnete Macht Preußens für die Ziele der Bourgeoisie verwendet werde, die Regierung gab aber keine solche Garantie. Es brach ein Konflikt zwischen der Regierung und dem Landtag aus, der in ganz Deutschland große Erregung auslöste. In die Bewegung gegen die Regierung wurde das Kleinbürgertum und die Arbeiter hineingezogen. Der König löste den Landtag auf, und da er durch die Bewegung erschreckt war, berief er den eingefleischten Reaktionär und Junker Bismarck in die Regierung, der sogar nach einem Ausdruck seiner Freunde, „nach Blut roch“. Die allgemeine Bewegung war so stark, dass der König zu Bismarck sagte: „Ich sehe ganz genau voraus, wie das endigen wird. Da, vor dem Opernplatz, unter meinen Fenstern wird man Ihnen den Kopf abschlagen und etwas später mir.“ (Bismarck. „Gedanken und Erinnerungen“, I. Band, Stuttgart und Berlin 1915, Kapitel XII, S. 313.) Die Furcht des Königs erwies sich übrigens als unbegründet. Die Bourgeoisie, die selbst durch die Bewegung der „unteren Schichten“ erschreckt war, machte dem König Zugeständnisse, um die beginnende revolutionäre Bewegung zu ersticken.. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 5, Anm. 52]

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