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Sowjetrussland und Frauenbefreiung

Die Rede „Über die Aufgaben der proletarischen Frauenbewegung“, die am 25. September 1919 gehalten wurde, sowie der Artikel „Der Internationale Frauentag“, der im März 1921 geschrieben wurde und gleich darauf in der Beilage zur „Prawda“ Nr. 51 erschien, sind speziell der Lage der werktätigen Frauen im Sowjetstaat und den Aufgaben der Arbeit unter ihnen gewidmet. [...] In beiden Schriften weist Lenin darauf hin, welche kolossale Errungenschaft die Sowjetrepubliken dank der Oktoberrevolution auf dem Gebiet der Befreiung und Entsklavung der werktätigen Frau zu verzeichnen haben. Für die Aufhebung der entwürdigenden, halb versklavten, rechtlich ungleichen Lage der Frau, für die Gleichstellung der Rechte der werktätigen Frau mit denen des Mannes haben die Oktoberrevolution und der Sowjetstaat das getan, was in keinem einzigen bürgerlichen Lande, auch nicht in dem „allerdemokratischsten“, getan wurde und auch nicht getan werden kann. In seinem Artikel „Die Sowjetmacht und die Lage der Frau“, den Lenin anlässlich des zweiten Jahrestages der Oktoberrevolution schrieb, führte er aus: „Die Lage der Frau macht den Unterschied zwischen der bürgerlichen und der sozialistischen Demokratie besonders anschaulich klar … In zwei Jahren hat die Sowjetmacht in einem der rückständigsten Länder Europas mehr für die Befreiung der Frau, für ihre Gleichstellung mit dem ,starken' Geschlecht getan, als die fortgeschrittenen, aufgeklärten, ,demokratischen' Republiken der ganzen Welt zusammengenommen in 130 Jahren getan haben“ (Sämtliche Werke, Bd. XXIV).

Als Beispiel für die rechtlose bzw. nicht gleichberechtigte Lage der Frau können so „demokratische“ Länder dienen wie Frankreich und England. In Frankreich haben die Frauen überhaupt kein Wahlrecht. In England dürfen die Frauen erst nach vollendetem dreißigsten Lebensjahr und auch dann nur unter der Bedingung wählen, dass sie Land oder ein Wohngebäude besitzen, das nicht weniger als fünf Pfund Sterling Einkommen abwirft, oder dass sie mit einem Grundbesitzer oder dem Eigentümer eines entsprechenden Hauses verheiratet sind. Selbstredend ist die Lage der werktätigen Frauen, der Arbeiterinnen und Bäuerinnen, insbesondere was ihr Familienleben und ihre Stellung in der Produktion in den bürgerlichen Ländern betrifft, besonders rechtlos und unterdrückt.

Diese Lage der Frau in der bürgerlichen Gesellschaft hat eine besondere Frauenbewegung, die sogenannte feministische (vom lateinischen Wort femina – Frau) Bewegung hervorgerufen. Diese Bewegung ist ihrem Klassenwesen nach bürgerlich, da ihr Hauptziel darin besteht, die rechtliche Gleichstellung der Frau der besitzenden Kreise, d. h. der Mitglieder der herrschenden bürgerlichen Klasse selbst, mit dem Mann zu erreichen. Diese Bewegung ist auch noch aus dem Grunde bürgerlich, weil sie sich hinter der Losung der Befreiung aller Frauen versteckt und heuchlerisch auch die Befreiung der werktätigen Frau als im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft erreichbar hinstellt.

Den Kampf der werktätigen Frau um ihre Befreiung betrachtete Lenin nicht als einen besonderen Kampf der Frauen gegen die Männer, sondern als einen Bestandteil des Kampfes der Arbeiterklasse für den Sturz der Bourgeoisie, für die Errichtung der Diktatur des Proletariats, für den Aufbau des Sozialismus, für die Aufhebung der Klassen und die Abschaffung jeder Ungleichheit zwischen den Menschen. Und eben weil die Oktoberrevolution die Herrschaft der Großgrundbesitzer und der Bourgeoisie gestürzt hat, weil sie das Privateigentum an den Produktionsmitteln abgeschafft und die Epoche der Diktatur des Proletariats, die Epoche des Aufbaus des Sozialismus und der Aufhebung der Klassen eingeleitet hat, hat sie den werktätigen Frauen ihre Befreiung gebracht.

Wie jedoch aus diesen beiden Arbeiten ersichtlich ist, hielt Lenin die Abschaffung der bürgerlichen Gesetze, die die Frau in eine rechtlich ungleiche Lage brachten, hielt er die Abschaffung dieser – nach einem seiner Aussprüche – „unerhört gemeinen, niederträchtigen, schmutzigen, bestialischen, rohen Gesetze über die Ungleichheit der Frau“ nur für den Auftakt zu der gewaltigen Arbeit an der Befreiung der werktätigen Frau. Einen weiteren Schritt auf diesem Gebiet erblickte Lenin in der tatsächlichen Heranziehung der Frau zur Verwaltung des Staates, zur aktiven Teilnahme am politischen Leben.

Diese Frage streift Lenin besonders häufig nach der Oktoberrevolution. So verwies er z. B. in dem Brief an Genossen Stalin, in dem von den Aufgaben der Arbeiter- und Bauerninspektion bei der Verbesserung des Staatsapparates und beim Kampf gegen den Bürokratismus die Rede ist, auf die Notwendigkeit, ausnahmslos alle Frauen zu dieser Sache heranzuziehen. [...]. [Ausgewählte Werke, Band 9, Anm. 136]

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