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V. Allrussischer Gewerkschaftskongress

Der V. Allrussische Gewerkschaftskongress [...] tagte in der Zeit vom 17. bis zum 22. September 1922 in folgender Situation: Im Herbst 1922 trat die Aufgabe des Wiederaufbaus der Industrie in den Vordergrund. Die gute Ernte von 1922 änderte die Ernährungslage der Republik mit einem Schlage. Der Übergang zur neuen ökonomischen Politik und die Maßnahmen des Sowjetstaates hatten ein beträchtliches Anwachsen der Saatfläche gesichert. Die Entwicklung der Produktivkräfte der Landwirtschaft schritt vorwärts.

Dank der Zunahme der Saatfläche und der guten Ernte erreichte die Landwirtschaft im Herbst 1922 60–70 Prozent der Vorkriegsproduktion, während die Industrieproduktion nur 28 Prozent des Vorkriegsstandes erreichte.

Innerhalb der Industrie selbst war die Lage der einzelnen Wirtschaftszweige sehr verschieden. Die Leichtindustrie (Textilindustrie, Nahrungs- und Lederindustrie), die für den Markt arbeitete, sah sich angesichts der stark zunehmenden Nachfrage nach ihren Erzeugnissen in günstigeren Bedingungen.

Im Gegensatz hierzu war die Lage der Schwerindustrie außerordentlich schwierig. Die Roheisenerzeugung betrug nur 4 Prozent der Vorkriegsproduktion. Die Kohlenförderung ging gerade im August 1922 stark zurück: so betrug sie für die Zeit vom Juni bis September nur 88 Millionen Pud gegen 134,5 Millionen Pud in der Zeit von April bis Juni 1922.

Der Arbeitslohn der Metallarbeiter war niedriger als der der Arbeiter der Lebensmittelindustrie usw. (in der Zeit von Juli bis September 1922 erhielt ein Metallarbeiter in Moskau die Hälfte des Vorkriegslohnes, ein Arbeiter der Nahrungsmittelindustrie dagegen nahezu 100 Prozent seines Vorkriegslohnes).

Es galt also, die ganze Aufmerksamkeit auf den Wiederaufbau der Schwerindustrie zu richten. Diese Aufgabe rollte denn auch Lenin vor der ganzen Arbeiterklasse auf. Er wies darauf hin, dass die Aufgabe der Wiederherstellung und Weiterentwicklung der Schwerindustrie besondere Schwierigkeiten biete. In der Schwerindustrie ist nämlich eine langfristige Anlage von großen Mitteln erforderlich, was in den kapitalistischen Ländern gewöhnlich mit Hilfe von Anleihen durchgeführt wird. Auf eine internationale Anleihe dürfe jedoch nicht gerechnet werden. Auf diese Weise laste die Aufgabe der Aufbringung der Mittel für den Wiederaufbau und die Weiterentwicklung der Schwerindustrie auf den Schultern der Arbeiter und Bauern selbst, auf den Schultern der Arbeiter- und Bauernmacht, was eine Anspannung aller Kräfte erfordere.

In seinen Beschlüssen stellte der V. Allrussische Gewerkschaftskongress die Notwendigkeit fest, „die Aufmerksamkeit der leitenden Staatsorgane auf den Wiederaufbau der Hauptzweige der Staatsindustrie zu konzentrieren …“

Der Kongress beschloss: „Durch die größte Kraftanspannung einen ausreichenden Fonds von finanziellen und materiellen Hilfsmitteln zur Sicherung der Entwicklung unserer Großindustrie und unseres Verkehrswesens aufzubringen …“

Der Kongress wies auch darauf hin, dass „die Hebung der Arbeitsproduktivität in der staatlichen Industrie und Wirtschaft auch unter den neuen Arbeitsmethoden der Gewerkschaften nach wie vor Gegenstand der systematischen Sorge und der energischsten Anstrengungen der Gewerkschaften bleiben muss“.

Gleichzeitig hielt der Kongress eine Regulierung der Löhne und „einen Ausgleich der Löhne in der Großindustrie, vor allem in der Schwerindustrie und im Transportwesen, die infolge der ungünstigen Wirtschaftslage zurückgeblieben sind“, für notwendig. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 9, Anm. 105]

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