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Verhandlungspause in Brest-Litowsk

Während der Pause kam Genosse Trotzki nach einer eintägigen Reise mit den Genossen Karachan und Karelin nach Warschau, wo er von der Bevölkerung begeistert begrüßt wurde, in Petrograd an. Der 3. Sowjetkongress, der am 23. Januar eröffnet wurde, billigte nachdem er den Bericht des Genossen Trotzki gehört hatte, uneingeschränkt die Tätigkeit der Regierung und der Delegation in ihrem Kampf für den Frieden und schlug, ohne bestimmte Richtlinien zu erlassen, grundsätzlich vor, diese Politik fortzusetzen. (Für die Sitzungen des Zentralkomitees der RKP, die während der Pause stattfanden, siehe Anmerkung 109.)

Die Pause wurde auch von Kühlmann und Czernin genutzt, die in ihren Parlamenten mit Berichten über den Verlauf der Verhandlungen redeten. Beide behaupteten, sie hätten keine aggressiven Ziele verfolgt und beschuldigten die Sowjetdelegation (im Übrigen nicht grundlos), nicht den Frieden, sondern die Übertragung der Revolution nach Deutschland und Österreich-Ungarn zu wollen. Gleichzeitig erlaubten sie sich in ihren Reden eine Reihe von Angriffen gegen das Sowjetsystem, insbesondere im Zusammenhang mit der Auflösung der Konstituierenden Versammlung.

Zur gleichen Zeit erhob die gesamte rechte Presse einen Feldzug gegen die Sowjetmacht und die Sowjetdelegation und beschuldigte sie, die Verhandlungen zu verzögern, um die Revolution und den Bürgerkrieg nach Deutschland zu verlagern und forderte einen Abbruch der Verhandlungen. Als typisches Beispiel zitieren wir Ausschnitte aus der „Täglichen Rundschau", dem Organ der Militärpartei; über eine Sitzung, die unter Beteiligung von Kühlmann, Czernin, Ludendorff und dem deutschen Botschafter in Wien, Wedel, stattfinden sollte, schrieb die Zeitung:

Bei diesem Treffen wird die Frage aufgeworfen, ob es sich lohnt, die Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk im Geiste der sinnlosen, rein akademischen Diskussionen fortzusetzen, die eine revolutionäre Bewegung näher bringen und herbeirufen, die eine größere Bedrohung für die Mittelmächte darstellt als die Gefahr eines Krieges mit Russland, nicht mit den Vertretern der breiten Massen des russischen Volkes, sondern mit der Macht des Terrors auf der Basis des anarchistischen Proletariats der Hauptstädte, denen die menschewistischen Sozialdemokraten entsagt haben, die Bolschewiki, als deren bester Vertreter ebendieser Trotzki erscheint und die die ganze Staatsordnung durch Raub und Räuberei zerstören, sich gewaltsam Staats- und andere Banken, Industrie, Zeitungen aneignen, die „Hoffnung des russischen Volkes" (die Konstituierende Versammlung – die Red.) durch Kanonenschüsse zerstreuten und sich nur mit Hilfe der Rote Garde halten, die sie mit geplündertem Geld bezahlen können.

Weder Lenin noch Trotzki wollen einen Frieden, bei dem ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach der Galgen oder Gefängnis winken würde, sondern sie versuchen, revolutionäre Gärung auf der ganzen Welt hervorzurufen, besonders bei den Mittelmächten …

Sie versuchen dies zu erreichen, indem sie Flugblätter verbreiten, Kriegsgefangene aufstacheln, den revolutionären Elementen der Mittelmächte mit Geld helfen und vor allem die Friedensverhandlungen hinauszögern. In Brest-Litowsk hat Trotzki eine Kanzel geschaffen, von der seine Stimme in der ganzen Welt gehört wird, besonders in den Mittelmächten, wo die Presse seine Reden vollständig wiedergibt …

Tun wir das Richtige, indem wir Verhandlungen mit der revolutionären Regierung aufnehmen? Dies hat unser Ansehen in neutralen und feindlichen Ländern nicht erhöht, da sie daraus geschlossen haben, wie hoffnungslos unsere Stellung sein muss, wenn wir als gleichberechtigte Verhandlungspartner mit so offensichtlichen Anarchisten und Kommunisten auftreten, die von den Regierungen der alliierten Mächte nicht anerkannt werden, und geduldig grobe Angriffe auf unser Staatssystem erdulden.“

Die sozialdemokratische Presse blieb jedoch nicht zurück. Das Leipziger Organ der Sozialdemokratie schrieb:

Die Bolschewiki sollten ernsthafter und besonnener in Bezug auf die Sache des Friedens sein, statt auf eine internationale Revolution zu spekulieren und sie zu schüren. Die Völker wollen Frieden, keine leeren Phrasen. Niemand in Deutschland will mit der Roten Garden Trotzkis gesegnet werden."

Wie bekannt, hatten die Arbeiter in dieser Sache eine andere Meinung und äußerten ihre Haltung zu den Friedensverhandlungen durch den enormen Aufschwung der revolutionären Bewegung, durch Straßendemonstrationen und Streiks. [Trotzki, Sotschinenija 17.1]

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