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VIII. Parteitag

Der VIII. Parteitag, der in der Zeit vom 18. bis zum 23. März 1919 tagte, versammelte sich in einer Situation, wo die erste Phase der Intervention, die unmittelbar mit den Kräften der imperialistischen Armee sowie der Agenten des Imperialismus im Innern des Landes durchgeführt wurde, im Großen und Ganzen abgeschlossen war. Die Revolution in Deutschland, die den Brester Vertrag in einem Fetzen Papier verwandelte, erschwerte gleichzeitig den Imperialisten die Durchführung der Intervention und gewährte dadurch dem Sowjetstaat eine gewisse Atempause. Gleichzeitig bereitete sich über eine ganze Reihe von Ländern Westeuropas eine Welle von proletarischen Aufständen aus, durch die der unmittelbare Kampf für die proletarische Diktatur dort wieder auf die Tagesordnung gestellt wurde. Die Eigenartigkeit der Lage der proletarischen Revolution in Russland und der proletarischen Weltrevolution, die es dem VIII. Parteitag ermöglichte, sich hauptsächlich mit den Problemen des inneren Aufbaus sowie mit organisatorischen Fragen zu befassen, wurde von Lenin in der Rede bei der Eröffnung dieses Parteitages gekennzeichnet (siehe Sämtliche Werke, Bd. XXIV).

Der VIII. Parteitag (siehe seine Beurteilung in der Schlussrede Lenins, S. 48 ff. des vorliegenden Bandes) legte eine Reihe von überaus wichtigen Grundsätzen der Politik der Partei fest, die weit über den Rahmen der Periode des Kriegskommunismus hinaus gelten und für die ganze Periode des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus ihre volle Geltung behalten. Hierher gehören solche Fragen wie das Parteiprogramm, das Verhältnis zur Mittelbauernschaft, die Stellung zu den Fachleuten und schließlich der Aufbau der Roten Armee. Das waren die Hauptfragen des VIII. Parteitages. Zur Frage des Parteiprogramms, die auf der Tagesordnung des Parteitages stand, hielt Lenin eine besondere Rede (siehe vorliegenden Band, S. 352 ff.) und berührte sie daher im Tätigkeitsbericht des Zentralkomitees überhaupt nicht. Zur Frage der Mittelbauern stand ein besonderer Punkt „Über die Arbeit auf dem Lande" auf der Tagesordnung, zu dein Lenin ebenfalls einen Bericht erstattete (siehe vorliegenden Band, S. 274 ff.). Deshalb berührte er diese taktische Kernfrage des VIII. Parteitages im Bericht des ZK lediglich in ganz allgemeinen Zügen, von der prinzipiellen Seite. Er setzte hier lediglich in Kürze die Thesen auseinander, die er in seiner Rede bei der Eröffnung des Parteitages aufgestellt hatte, um sie später, in seiner Rede über die Arbeit auf dem Lande, in ihrem ganzen Umfang aufzurollen. In seiner Eröffnungsrede hielt Lenin es für notwendig, „besonders zu unterstreichen“, dass „eine der schwierigsten Aufgaben des kommunistischen Aufbaus in einem kleinbäuerlichen Lande gerade jetzt vor uns erstehen muss: die Aufgabe, das Verhältnis zur Mittelbauernschaft festzulegen“. „Wir sind“ – führte er weiter aus – „in ein Stadium des sozialistischen Aufbaus eingetreten, wo es gilt, konkret, detailliert, an Hand der Erfahrungen der Arbeit auf dem Lande überprüfte grundlegende Regeln und Richtlinien auszuarbeiten, von denen wir uns leiten lassen müssen, um in unserem Verhältnis zum Mittelbauern auf den Boden eines festen Bündnisses zu treten, um die Möglichkeit jener wiederholt vorkommenden Abweichungen und Unrichtigkeiten auszuschalten, die den Mittelbauern von uns abstießen“ (Sämtliche Werke, Bd. XXIV; von uns hervorgehoben. D. Red.). Damit stellte Lenin den Parteitag vor die praktische Tagesaufgabe, gestützt auf die Dorfarmut und in ununterbrochenem Kampf gegen den Kulaken, das Bündnis mit dem Mittelbauern zu verwirklichen, jenes Bündnis, von dem er bereits seit Juli 1918 gesprochen und das er im November desselben Jahres im Artikel „Wertvolle Eingeständnisse Pitirim Sorokins“ in besonders klarer Form auseinandergesetzt hatte. Im Bericht des ZK stellt Lenin ebenso wie in dem erwähnten Artikel die Frage des Bündnisses zwischen dem Proletariat und dem Mittelbauern in einen unzertrennlichen Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Kulaken. Der Leser findet in diesem Bericht eine Bemerkung Lenins, dass in Russland sich die von Engels geäußerte Vermutung, es werde wahrscheinlich möglich sein, „von einer gewaltsamen Expropriation gegenüber dem Großbauern absehen zu können" „nicht bewahrheitet hat“. Nach dieser Bemerkung sagt Lenin: „Wir standen, stehen und werden in einem direkten Bürgerkrieg gegen die Kulaken stehen. Das ist unvermeidlich“ (von uns gesperrt. D. Red.). Diese Stelle in Lenins Bericht bedeutet einen Schlag gegen die rechtsopportunistische Theorie vom „Hineinwachsen des Kulaken in den Sozialismus“ und zeichnet das Verhältnis des Proletariats zum Kulakentum für die ganze Periode der proletarischen Diktatur als einen ununterbrochenen, auch nicht eine Minute lang aufhörenden Kampf vor.

Ebenso wichtig und für die späteren Perioden des sozialistischen Aufbaus in der Sowjetunion, für den Kampf gegen [...] das „Linkstum“ der Jahre 1928–1931 und die „Linken“ Überspitzungen in der Arbeit auf dem Lande [...] hochaktuell ist die Art und Weise, wie Lenin auf dem VIII. Parteitag den Kampf gegen das Kulakentum mit dem Hinweis verknüpfte, dass es notwendig sei, „die Möglichkeit von Abweichungen und Unrichtigkeiten, die den Mittelbauern von uns abstießen“, insbesondere die Möglichkeit, dass „Schläge, die den Kulaken gelten", den Mittelbauern treffen, auszuschalten.

Die Frage der Roten Armee, eine Frage, die in der Periode des Kriegskommunismus eine kolossale Rolle spielte, wurde von Lenin vom Standpunkt der praktischen Aufgaben der Landesverteidigung aus auf ein sehr hohes prinzipiell-theoretisches Niveau gehoben. Lenin sieht im Aufbau der Roten Armee in einer Situation, wo Zerfall und Zersetzung der alten imperialistischen Armeen eine internationale Erscheinung geworden sind, eine der wichtigsten Aufgaben der proletarischen Revolution. „Wir schritten von Versuch zu Versuch“ – sagt Lenin –, „wir versuchten eine Freiwilligenarmee zu schaffen, wobei wir tastend vorgingen, herauszufühlen suchten und probierten, auf welchem Wege unter den gegebenen Umständen diese Aufgabe gelöst werden könnte.“ Die Überwindung der Partisanenstimmungen beim Aufbau der Roten Armee und der auf die Ausnutzung der neuesten Errungenschaften der Kriegswissenschaft und Technik gerichtete Kurs wurde von Lenin als eine Aufgabe betrachtet, die sich daraus ergab, dass das Land der proletarischen Diktatur von den Ländern des Kapitals auf lange Frist eingekreist war. Da „eine Reihe der furchtbarsten Zusammenstöße zwischen der Sowjetrepublik und den bürgerlichen Staaten unvermeidlich ist“, ist die Arbeiterklasse verpflichtet, ihre Fähigkeit zur Herrschaft durch eine „eigene Militärorganisation" zu beweisen. Die Aufgabe des Aufbaus der Roten Armee ist nach Lenin eine Aufgabe, „den Enthusiasmus, das neue revolutionäre Schaffen mit der Ausnutzung jenes Vorrats an bürgerlicher Wissenschaft und Technik des Militarismus in ihren schlimmsten Formen zu verbinden, ohne die diese Klasse (die Arbeiterklasse) die moderne Technik und die Methode der modernen Kriegführung nicht meistern kann“ (siehe vorliegenden Bd., S. 36).

Diese Verbindung findet ihren praktischen Ausdruck in der Verwendung vom bürgerlichen Militärfachleuten beim Aufbau der Roten Armee. Lenin wies sogar darauf hin, dass sich die proletarische Diktatur gerade in der Roten Armee zum ersten Mal vor die Frage der Fachleute gestellt sah, die im Parteiprogramm einen entsprechenden Ausdruck fand. Deshalb rollte Lenin in seinem Bericht diese Frage nicht nur als ein militärisches Problem, sondern auch als ein Problem auf, das mit dem ganzen Aufgabenkreis des sozialistischen Aufbaus verknüpft ist. Hier muss vermerkt werden, wie konsequent klassenmäßig und revolutionär Lenin an die Frage der Verwendung der bürgerlichen Fachleute heranging; er forderte ihre Ausnutzung, verlangte die Schaffung der dazu erforderlichen Bedingungen, forderte, dass ihnen Vertrauen entgegengebracht werde, wenn sie die ihnen anvertraute Arbeit gewissenhaft erfüllen, und duldete keine Spezialistenhetze, schaltete aber gleichzeitig jede Möglichkeit einer Unterordnung der Interessen der proletarischen Politik unter die bürgerlichen Bestrebungen und Zunftinteressen der Fachleute aus und betonte die Rolle, die der aktiven proletarischen Leitung und der wachsamen Kontrolle ihnen gegenüber zukommt, da die bürgerlichen Fachleute „uns verrieten und uns noch jahrelang verraten werden“ (ebenda, S. 38; von uns hervorgehoben. D. Red. Ausführlicheres über das Verhältnis Lenins und der Partei zu den bürgerlichen Fachleuten siehe in der Anm. 129 zum vorliegenden Band).

  [Ausgewählte Werke, Band 8]
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