Glossar‎ > ‎

Warentausch und Handel in der NEP

Beim Übergang zur neuen ökonomischen Politik sah das Dekret über die Ersetzung der Lebensmittelzwangsumlage das Recht der Bauern vor, ihre Überschüsse im Rahmen des lokalen Warenumsatzes zu verkaufen. Es war wichtig, dem Bauern das Recht der freien Verfügung über seine Produktion einzuräumen; dieses Recht konnte er durch den Verkauf seiner Produktion und durch den Kauf der von ihm benötigten Waren auf dem nächstliegenden städtischen oder ländlichen Markt betätigen (lokaler Umsatz). Ursprünglich ging man von der Annahme aus, dass der Austausch vorwiegend Naturalcharakter tragen würde, d. h. dass die landwirtschaftlichen Produkte gegen Industrieprodukte nach bestimmten, zentral wie lokal von besonderen Kommissionen festgelegten Normen ausgetauscht werden würden. Den Genossenschaften wurden vom Staat zur Durchführung des Warenaustausches besondere Fonds von Industriewaren zugewiesen. Der Warenaustausch zeitigte jedoch nicht die erwarteten Resultate. Er nahm die Form von Kauf und Verkauf an, was auch mit der Entfaltung der neuen ökonomischen Politik unvermeidlich war. Seit Frühjahr 1921 begannen sich die Marktverhältnisse immer mehr zu entwickeln. Es tauchten Privathändler auf, die mit den Genossenschaften wetteiferten, dabei aber erfahrener und biegsamer waren als diese. Außer den Gouvernementsverbänden der Konsumgenossenschaften beschäftigten sich auch die Arbeitergenossenschaften, die lokalen Sowjets sowie die Organe des Volkskommissariats für Ernährungswesen mit der Beschaffung von landwirtschaftlichen Produkten. Man begann hier und da neben dem Warenaustausch auch zum Kauf von Produkten für Geld zu greifen. Der Privathändler, der nicht verpflichtet war, sich beim Austausch an ein bestimmtes Wertverhältnis der Produktion zu halten, und über Geld verfügte, befand sich in viel günstigeren Verhältnissen als die Genossenschaften und die staatlichen Organe. Im Prozess der Entfaltung des Warenumsatzes sahen sich die Genossenschaften gezwungen, vom Warenaustausch zum Kauf und Verkauf überzugehen, um so mehr als die staatlichen Betriebe zur gleichen Zeit zur kommerziellen Kalkulation, zur Geldwirtschaft übergingen. Unter den Bedingungen der neuen ökonomischen Politik musste sich der Sowjetstaat auf den Boden der unausbleiblichen (in gewissen Grenzen gehaltenen) Entwicklung des Handels stellen und dem Kapitalismus von diesen neuen Stellungen aus eine Schlacht liefern; der Staat musste lernen, Handel zu treiben, rentabel zu wirtschaften und erfolgreich auf Grund kommerzieller Kalkulation zu arbeiten. Daher wurde Lenins Losung „Lernt Handel treiben“ zur zentralen Losung des Tages.

Aus dem Übergang zum Handel und zur kommerziellen Kalkulation ergab sich die unaufschiebbare Aufgabe der Festigung des Geldsystems und der Schaffung eines stabilen Rubels. Deshalb sprach Lenin hier vom Übergang zur staatlichen Regulierung nicht nur des Kaufs und Verkaufs, sondern auch des Geldumlaufs. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 9, Anm. 82]

Kommentare