Glossar‎ > ‎

Zentralrada

Rada (ukrainisch für „Rat“): Nach der russischen Februarrevolution als Vertretung der Ukraine von bürgerlichen Liberalen, Sozialrevolutionären und Menschewiki gebildet. Mitte Juni erklärte sie die Ukraine für autonom, nach der Oktoberrevolution versuchte die Rada sowohl die Unterstützung des anglo-französischen als auch deutsch-österreichischen Imperialismus zu gewinnen. Es kam zum Bürgerkrieg zwischen ukrainischem Sowjetkongress und Rada, den letztere mit Hilfe des deutschen Imperialismus gewann. Im Frieden von Brest-Litowsk musste die russische Sowjetregierung die Abtretung der Ukraine anerkennen. Am 29. 4. 1918 stürze der deutsche Imperialismus die Rada, weil sie nicht kooperativ genug war.

Die Zentralrada war das führende Organ der nationalen ukrainischen Bewegung und vom November 1917 bis Anfang Februar 1918 und von März bis Ende April 1918 das oberste Machtorgan der „Ukrainischen Volksrepublik''. Sie wurde im April 1917 auf dem Kongress der ukrainischen nationalen Organisationen in Kiew geschaffen. Bis zum Kongress bestand in Kiew eine überparteiliche Rada (seit dem 15. (2.) März), die den Kongress vorbereitete. Sie führte den Kampf für die nationale Unabhängigkeit der Ukraine und geriet dabei wiederholt in scharfe Konflikte mit der Provisorischen Regierung. Während der Oktoberkämpfe zwischen der Roten Garde und den Truppen der Provisorischen Regierung in Kiew nahm die Rada zuerst eine „neutrale" Haltung ein und hinderte das Revolutionäre Militärkomitee in Kiew nicht daran, die Macht zu ergreifen; aber Mitte November nahm die Rada bereits eine ausgesprochen feindliche Haltung gegenüber den Sowjets ein, entwaffnete die Rotgardisten, bereitete die Verhaftung des Kiewer Revolutionären Militärkomitees vor und versuchte, alle antibolschewistischen Kräfte um sich zu sammeln. Am 20. (7.) November nimmt sie das sogenannte III. Universal an und proklamiert die Unabhängigkeit der Ukrainischen Volksrepublik, die von der Rada und ihrem Exekutivorgan dem Generalsekretariat, repräsentiert wird. Am 22. (9.) November schlug das Generalsekretariat dem Armeekomitee im Hauptquartier vor, Verhandlungen über die Schaffung einer gesamtrussischen Regierung an Stelle des Rates der Volkskommissare aufzunehmen. Anfang Dezember schloss die Rada ein Abkommen mit der französischen Militärmission, übernahm die Verpflichtung, die Einstellung der militärischen Operationen gegen die Deutschen an der Südwestfront und der rumänischen Front nicht zuzulassen, und erklärte diese Fronten als einheitliche ukrainische Front. Gleichzeitig richtete die Rada an alle ukrainischen Soldaten an den anderen Fronten einen Befehl, ohne Erlaubnis ihrer Kommandeure nach Hause zu kehren, und ließ auf Grund dieses Befehls Kosakentruppen nach dem Don zu Kaledin durch. Die Antwort auf alle diese konterrevolutionären Handlungen der Rada war das Manifest des Rates der Volkskommissare an das ukrainische Volk, in dem ultimative Forderungen an die Ukrainische Rada gestellt wurden. Das Manifest wurde vom Rat der Volkskommissare am 16. (3.) angenommen und am Tage darauf am 17. (4.) nach Kiew telegraphisch übermittelt.

In seiner Antwort auf das Ultimatum beschuldigte das Generalsekretariat die Räteregierung, dass sie die Unabhängige Ukrainische Republik nicht anerkenne und gegen das ukrainische Volk Krieg führen wolle. Auf diese Weise wurde die Gefahr eines Krieges zwischen Sowjetrussland und der Rada offenkundig.

Der Rat der Volkskommissare aber, der der Rada die Möglichkeit nehmen wollte, mit dem Nationalgefühl der Ukrainer zu spekulieren, unternahm abermals einen Versuch, den Konflikt friedlich zu lösen, und benutzte dabei die Vermittlung der linken Sozialrevolutionäre in Gestalt des II. Allrussischen Kongresses der Bauernräte.

Nach dem misslungenen Versuch am 20. (7.), sich mit den Führern der Rada am Telegraph zu einigen, reiste eine Delegation mit P. Proschjan an der Spitze nach Kiew. Nach der Rückkehr aus Kiew erstattete Proschjan dem Rat der Volkskommissare am 1. Januar (19. Dezember) einen Bericht über die Verhandlungen und trat dafür ein, dass man mit der Rada die Verhandlungen fortsetzen müsse. Der Rat der Volkskommissare fasste eine von Lenin eingebrachte Resolution über die Bedingungen, unter denen die Verhandlungen aufgenommen werden können (siehe S. 148 dieses Bandes).

Um diese Zeit bestand jedoch in der Ukraine bereits außer der kleinbürgerlichen Regierung der Rada eine Sowjetregierung: das Volkssekretariat und das Zentralexekutivkomitee der Ukrainischen Räte, das auf dem I. All-Ukrainischen Rätekongress der Arbeiter, Soldaten und Bauern in Charkow am 24. (11.) Dezember gewählt worden war. Die Stellung des Rates der Volkskommissare zu dieser Regierung geht aus folgender Resolution hervor, die am 29. (16.) Dezember angenommen wurde (man kann annehmen, dass sie von Lenin verfasst worden ist): „Der Rat der Volkskommissare begrüßt die Bildung einer wirklichen Sowjetregierung in der Ukraine, sieht in dieser Arbeiter- und Bauernrada die wirkliche Regierung der Ukrainischen Volksrepublik und verspricht der neuen Regierung der Bruderrepublik völlige und allseitige Unterstützung im Kampfe für den Frieden und bei der Übergabe des gesamten Bodens, aller Fabriken, Werke und Banken an das werktätige Volk der Ukraine. Es lebe die Macht der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte. Es lebe der Bruderbund der Arbeiter, Soldaten und Bauern der Ukraine und Russlands. Der Rat der Volkskommissare." („Iswestija" vom 30 (17) XII. 1917.)

Der Rat der Volkskommissare beschloss deshalb nach dem Referat P. Proschjans: „Der Genosse Stalin wird beauftragt, mit dem Allukrainischen Zentralexekutivkomitee über den gefassten Beschluss telegraphisch zu verhandeln. Der Entwurf der Resolution ist bis zur Klärung der Ergebnisse der Verhandlungen Stalins und bis zu dessen endgültiger Bestätigung durch den Rat der Volkskommissare nicht zu veröffentlichen." Das Volkssekretariat der Ukraine hatte nichts gegen diese Resolution einzuwenden; sie wurde am 2. Januar 1918 (20. Dezember 1917) der Rada mitgeteilt und am 3. Januar (21. Dezember) veröffentlicht.

Auf den Vorschlag des Rates der Volkskommissare, Friedensverhandlungen aufzunehmen, antwortete die Rada ablehnend. Der Rat der Volkskommissare beriet die Antwortnote der Rada am 12. Januar 1918 (30. Dezember 1917) im Zusammenhang mit der „Anfrage Trotzkis aus Brest-Litowsk über die Anerkennung oder Nichtanerkennung der Kiewer Rada als offizielle Regierung der Ukraine und im Zusammenhang mit der Tendenz Kühlmanns, die Rada anzuerkennen". Der Rat der Volkskommissare nahm eine Resolution an, in der die ganze Verantwortung für die Fortsetzung des Bürgerkrieges der Rada auferlegt wurde.

In dem Bürgerkrieg, der in der Ukraine begann, wurde die Rada von den aufständischen ukrainischen Arbeitern und Bauern mit Unterstützung der Roten Garde gestürzt. Am 8. Februar 1918 wurde Kiew von Sowjettruppen besetzt, am 12. Februar siedelte das Zentralexekutivkomitee der Ukraine nach Kiew über. [Band 22]

Die Entstehung der Zentralrada fällt auf Mitte April 1917. Ihre Zusammensetzung stellte sich als eine ziemlich bunte Verbindung von ukrainischen Sozialrevolutionären, Menschewiki und anderen kleinbürgerlichen nationalistischen Gruppen dar. Die Absonderung von Russland, die Schaffung eines unabhängigen Nationalstaats und das Ziehen der mittleren Bauern in ihren Einflussbereich und der verräterische Betrug der ukrainischen Arbeiter um die Aussicht auf Revolution – das war die Aufgabe der Zentralrada. Die Rada begann ihre verräterische Rolle, indem sie die bolschewistischen Militäreinheiten entwaffnete, ukrainische Abteilungen nach Kiew zog, diplomatische Beziehungen aufnahm – offen mit der Entente und heimlich mit den Deutschen und Österreichern. Die gleiche Rolle spielten die Rada während des Bürgerkrieges und erlaubte Kaledin, Kosakeneinheiten von der Front an den Don zu schicken und ließ die Sowjettruppen nicht gegen Kaledin passieren. So stellte der Rat der Volkskommissare am 3. Dezember 1917 ein Ultimatum und erklärte der Rada den Krieg. Anfang Januar 1918 wurde Kiew von Sowjettruppen eingenommen. Die Rada floh und kehrte erst unter dem Schutz der deutschen Bajonette zurück, die die Ukraine besetzten. Ebendiese Bajonette wurden auseinander gejagt, als General Skoropadski ans Ruder der Macht gestellt wurde. [Trotzki, Sotschinenija 3.2]

Kommentare