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linke Sozialrevolutionäre

Die Partei der linken Sozialrevolutionäre (Internationalisten) wurde zur selbständigen Partei auf ihrem 1. Allrussischen Gründungskongress am 2.–11. Dez. (19.–28. November) 1917. Bis zu jener Zeit bestand die Organisation der linken Sozialrevolutionäre als linker Flügel innerhalb der Partei der Sozialrevolutionäre. Ein linker Flügel innerhalb dieser Partei bildete sich bereits während des Weltkrieges heraus und nahm bald nach der Februarrevolution feste Formen an. An der Spitze des linken Flügels der Partei standen M. Spiridonowa, B. Kamkow und M. Natanson-Bobrow. Bereits auf dem 3. Parteitag der Sozialrevolutionäre (7. –17. Juni 1917) trat der linke Flügel gegen die Koalition mit der Bourgeoisie und gegen die imperialistische Außenpolitik der Provisorischen Regierung auf. Ende Sommer 1917 bildeten die linken Sozialrevolutionäre eine Fraktion und traten in einer Reihe von Fragen selbständig auf, so z. B. bei den Wahlen zur Petrograder Stadtduma Anfang September, wo sie die Liste der Bolschewiki unterstützten; auf der Demokratischen Beratung stimmten sie gegen die Koalition mit der Bourgeoisie usw. Ende August ging das Petrograder Komitee der Sozialrevolutionäre samt dem Organ „Snamja Truda" in die Hände der linken Sozialrevolutionäre über, aber bis Ende Dezember 1917 arbeiteten sie noch in einer Organisation mit den Rechten zusammen und insbesondere bei den Wahlen zur Konstituante stellten sie gemeinsame Listen auf, an deren Spitze in den meisten Gouvernements rechte Sozialrevolutionäre standen. Auf dem II. Rätekongress bildeten die rechten und linken Sozialrevolutionäre eine Fraktion, die sich in der Frage des Verlassens des Kongresses spaltete. Die Linken, die die große Mehrheit in der Fraktion bildeten (169 von 193 Delegierten), blieben unter dem Einfluss der Bolschewiki auf dem Kongress, trotz der Aufforderung des Zentralkomitees der Sozialrevolutionäre, den Kongress zu verlassen. Die linken Sozialrevolutionäre entsandten auch ihre Vertreter in das Allrussische Zentralexekutivkomitee. Auf den Vorschlag der Bolschewiki an die linken Sozialrevolutionäre, ihre Vertreter in den Rat der Volkskommissare zu bestimmen, antworteten die linken Sozialrevolutionäre ablehnend und erklärten, dass der „Eintritt in ein bolschewistisches Ministerium einen Abgrund schaffen würde zwischen ihnen und den Abteilungen der revolutionären Armee, die den Kongress verlassen haben, einen Abgrund, der eine Vermittlung zwischen den Bolschewiki und diesen Gruppen unmöglich machen würde. Aber in einer solchen Vermittlung, in der Ausnutzung aller Mittel, um die Bolschewiki und die Parteien, die den Kongress verlassen haben, einander näher zu bringen, sehen die linken Sozialrevolutionäre im gegenwärtigen Augenblick ihre wichtigste Aufgabe".

Nachdem das ZK der Partei der Sozialrevolutionäre am 9. November (27. Oktober) den Beschluss fasste, „alle Teilnehmer am bolschewistischen Abenteuer und alle diejenigen, die den Rätekongress nicht verlassen haben", aus der Partei auszuschließen, begannen die linken Sozialrevolutionäre, gestützt auf die Petrograder Organisation, die am 15. (2.) durch das ZK aus der Partei ausgeschlossen worden war, den Kampf gegen das ZK der Partei der Sozialrevolutionäre. Das Petrograder Parteikomitee der Sozialrevolutionäre, das sich in den Händen der Linken befand, bildete zusammen mit dem Büro der Fraktion des Allrussischen Zentralexekutivkomitees ein provisorisches Zentralbüro der linken Sozialrevolutionäre aus 8 Mitgliedern (N. Natanson, M. Spiridonowa, B. Kamkow, W. Karelin, A. Kolegajew, W. Algassow, A. Ustinow und A. Schräder), das für den 2.–11. Dezember (11.–28. November) einen Allrussischen Kongress der linken Sozialrevolutionäre (Internationalisten) einberief. Noch im Laufe des Novembers unternahmen die linken Sozialrevolutionäre wiederholt Schritte zur Wiederherstellung der Einheit der Partei und gaben diese Versuche erst Anfang Dezember auf, nachdem der 4. Kongress der Partei der Sozialrevolutionäre am 9.–18. Dezember (26. November–5. Dezember) alle Teilnehmer am Oktoberaufstand aus der Partei ausschloss.

Die linken Sozialrevolutionäre, die nach langen Schwankungen den Weg der Zusammenarbeit mit den Bolschewiki betraten, waren in einer ganzen Reihe von Grundfragen anderer Auffassung als die Bolschewiki. Sie forderten die Bildung einer „einheitlichen sozialistischen Regierung aus Vertretern aller sozialistischen Parteien"; sie traten gegen das Dekret über die Presse auf und zogen ihre Vertreter aus dem Revolutionären Militärkomitee von allen verantwortlichen Posten zurück, nachdem das Allrussische Zentralexekutivkomitee das Dekret bestätigt hatte; sie waren gegen die Ergreifung von Repressivmaßnahmen gegen den konterrevolutionären Teil der Konstituante, für ein Abkommen mit der kleinbürgerlichen Ukrainischen Rada usw. Erst am 30. (17.) November wurde zwischen den Bolschewiki und den linken Sozialrevolutionären ein Abkommen über die Beteiligung der linken Sozialrevolutionäre an der Regierung getroffen, und zwar wurde vereinbart, das Kommissariat für Landwirtschaft einem Sozialrevolutionär zu übergeben und die linken Sozialrevolutionäre in alle Kollegien des Rates der Volkskommissare aufzunehmen.

Im Januar/Februar 1918 sprach sich das ZK der linken Sozialrevolutionäre in seiner Mehrheit gegen den Abschluss des Brester Friedens aus. Nach der Unterzeichnung des Brester Friedens und seiner Ratifikation durch den IV. Rätekongress am 16. März traten die linken Sozialrevolutionäre aus dem Rat der Volkskommissare aus. Der 2. Parteitag der linken Sozialrevolutionäre (17.–25. April 1918) billigte die Stellungnahme des ZK der Partei und den Austritt der linken Sozialrevolutionäre aus dem Rat der Volkskommissare, sprach sich aber für die Zusammenarbeit mit den Bolschewiki und für die Mitarbeit an den lokalen Behörden aus.

Nach dem Übergreifen der sozialistischen Revolution auf das Dorf und der Entwicklung des Klassenkampfes unter der Bauernschaft gleich nach der Schaffung der „Komitees der Dorfarmut" nahm das ZK der linken Sozialrevolutionäre, die die Interessen der Kulakenschichten des Dorfes vertraten im Sommer 1918 den Kampf gegen die Bolschewiki auf und organisierte den Juliaufstand in Moskau, mit dem es den Brester Frieden sprengen und Sowjetrussland zum Krieg gegen Deutschland hetzen wollte Nach der Unterdrückung des Aufstandes nahmen die linken Sozialrevolutionäre den schärfsten Kampf gegen die Sowjetmacht auf, gingen in die Illegalität über und vertraten den Standpunkt des bewaffneten Kampfes gegen die Diktatur des Proletariats. Ein Teil der linken Sozialrevolutionäre, der für die Zusammenarbeit mit den Bolschewiki eintrat, gründete die Parteien: „Narodniki-Kommunisten" und „Revolutionäre Kommunisten", die sich später mit der KPR(B) verschmolzen. [Band 22]

Bereits während des imperialistischen Krieges begann sich innerhalb der Partei der Sozialrevolutionäre, geführt von Spiridonowa, Kamkow und Natanson-Bobrow, ein linker Flügel herauszubilden. Nach der Februarrevolution wandte sich dieser linke Flügel gegen die Koalition mit der Bourgeoisie und gegen die imperialistische Außenpolitik der Provisorischen Regierung. Die linken Sozialrevolutionäre, die in der Partei der Sozialrevolutionäre blieben, bildeten eine besondere Fraktion, die in vielen Fragen eine selbständige Linie verfolgte. Die Linken konnten sich aber nicht entschließen, endgültig mit den rechten Sozialrevolutionären zu brechen. Bei den Wahlen zur Konstituierenden Versammlung stellten noch die linken Sozialrevolutionäre mit den rechten gemeinsame Wahllisten auf.

Zur Zeit der Machtergreifung durch die Räte nahmen die linken Sozialrevolutionäre an dem damals tagenden II. Rätekongress weiter teil und traten in das Allrussische Zentralexekutivkomitee ein. Sie weigerten sich jedoch damals, sich am Rat der Volkskommissare zu beteiligen, da sie immer noch den endgültigen Bruch mit den rechten Sozialrevolutionären fürchteten. Nicht genug damit, forderten sie von den Bolschewiki die Bildung einer „einheitlichen sozialistischen Regierung aus Vertretern sämtlicher sozialistischer Parteien“.

Erst nach langen Schwankungen brachen die linken Sozialrevolutionäre im Dezember 1917 endgültig organisatorisch mit den rechten Sozialrevolutionären und bildeten die selbständige „Partei der linken Sozialrevolutionäre (Internationalisten)“. Ende November erklärten sie sich bereit, in die Sowjetregierung einzutreten. Die Bolschewiki gingen damals auf einen Block mit den linken Sozialrevolutionären ein. weil diese in jener Periode die revolutionären Tendenzen der Bauernschaft und deren Bestrebungen zur Vollendung der bürgerlich, demokratischen Revolution mehr oder minder konsequent zum Ausdruck brachten, weil ferner damals noch ein Teil der Dorfarmut und der schwankenden Mittelbauern mit ihnen ging. Als Wortführer der Bauernschaft brachten die linken Sozialrevolutionäre gleichzeitig in ihrer ganzen Politik auch die dem Kleinbürgertum eigentümlichen Schwankungen zwischen Bourgeoisie und Proletariat zum Ausdruck und hatten auch zu der Zeit, als sie an der Sowjetregierung teilnahmen, mit den Bolschewiki ständig Konflikte.

Bereits im Januar und Februar 1918 brachen heftige Meinungsverschiedenheiten zwischen den linken Sozialrevolutionären und den Bolschewiki in der Frage des Brester Friedens aus. Die linken Sozialrevolutionäre wandten sich gegen den Friedensschluss und traten nach der Unterzeichnung des Brester Friedensvertrages aus dem Rat der Volkskommissare aus.

Im Sommer 1918 gesellten sich zu den Meinungsverschiedenheiten in außenpolitischen Fragen auch Meinungsverschiedenheiten in den Fragen des Wirtschaftsaufbaus (die linken Sozialrevolutionäre traten gegen den Wirtschaftsplan Lenins vom Frühjahr 1918 auf), in den Fragen des Getreidemonopols, der Politik der Getreidepreise, der Gründung von Komitees der Dorfarmut und der Entsendung von Lebensmittelkolonnen ins Dorf. Mit der fortschreitenden Entwicklung des Klassenkampfes auf dem Lande wurden die linken Sozialrevolutionäre zum Sprachrohr des Kulaken, sie wurden die Träger der kulakischen Konterrevolution gegen die Entfaltung der sozialistischen Revolution im Dorf, gegen die Diktatur des Proletariats und stellten sich schließlich im Juli 1918 an die Spitze der kulakischen Konterrevolution. Am 0. Juli 1918 erhoben sie sich in Moskau zu einem bewaffneten Aufstand gegen die Sowjetmacht. J. Bljumkin und N. Andrejew (linke Sozialrevolutionäre) fälschten unter Ausnützung des Umstandes, dass der linke Sozialrevolutionär Alexandrowitsch stellvertretender Vorsitzender der Tscheka war, Dokumente, durch die sie sich Einlass in die deutsche Botschaft verschafften, wo säe eine Bombe warfen, durch die der Botschafter Graf Mirbach getötet wurde. Nach dem Attentat setzte eine bewaffnete Aktion jener Truppenteile ein, die sich aus linken Sozialrevolutionären zusammensetzten. Nach Besetzung des Telegraphenamtes sandte das Zentralkomitee der Partei der linken Sozialrevolutionäre in der Nacht vom 6. auf den 7. Juli Telegramme über das ganze Land, in denen angeordnet wurde, „alle Depeschen mit der Unterschrift Lenins, Trotzkis und Swerdlows sowie alle Depeschen von Konterrevolutionären, rechten Sozialrevolutionären, Menschewiki und Anarchisten und allen, die die linken Sozialrevolutionäre zu provozieren versuchen, aufzuhalten“. In denselben Telegrammen rief sich die Partei der linken Sozialrevolutionäre zur Regierungspartei aus.

Der Aufstand der linken Sozialrevolutionäre war von vornherein zum Scheitern verurteilt, da er weder in der Roten Armee noch unter den Arbeitern und Werktätigen Moskaus und des Landes überhaupt einen Widerhall finden konnte. Bereits am 7. Juli war der Aufstand, dank der Anstrengungen der Rotarmisten und der Arbeitermassen, liquidiert. Nach dem Aufstand ging ein Teil der linken Sozialrevolutionäre in die Illegalität, von wo aus sie einen aktiven bewaffneten Kampf gegen die Sowjetregierung führten, während der andere Teil, der die Politik seines ZK verurteilte, sich für eine Zusammenarbeit mit den Bolschewiki erklärte und zwei selbständige Parteien – die Partei der „Narodniki-Kommunisten“ und die der „Revolutionären Kommunisten“ – bildete. Diese Parteien existierten nicht allzu lange; ein großer Teil ihrer Mitglieder trat in die KPdSU(B) ein.
[Lenin, Ausgewählte Werke, Band 7, Anm. 66]

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