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Р. P. Maslow 19030500 Entwurf zu einem Agrarprogramm

Iks (Р. P. Maslow): Entwurf zu einem Agrarprogramm

[Broschüre: „Das Agrarprogramm. lks. – Antwort auf die Kritik an unserm Programmentwurf. N. Lenin." Verlag der Liga der Russischen Revolutionären Sozialdemokratie. Genf. 1903. Nach Lenin, Sämtliche Werke, Band 5, 1930, S. 538-541]

Zum Schutze der kleinen Eigentümer (und nicht der Entwicklung des kleinen Eigentums) zur Beseitigung der Knechtschafts- und Hörigkeitsverhältnisse, die der freien Entwicklung der demokratischen Ordnung hindernd im Wege stehen, und zur Erleichterung des Klassenkampfes auf dem Lande wird die Partei kämpfen für:

1. Die Aufhebung aller ständischen Beschränkungen der Bauern und des bäuerlichen Eigentums*. Diese Forderung ergibt sich aus der allgemeinen Forderung der vollständigen Gleichberechtigung aller Bürger.

2. Die Aufhebung aller Zahlungsverpflichtungen, die mit der ständischen Sonderstellung der Bauern verbunden ist. Diese Forderung ergibt sich aus der allgemeinen Forderung der Aufhebung der bestehenden Steuern und ihrer Ablösung durch die progressive Einkommensteuer.

3. Die Beschlagnahme der Kirchen-, Klöster- und Apanagenländereien und ihre Übergabe in den Besitz des demokratischen Staates zur zweckmäßigsten Nutzung durch die Bevölkerung. Diese Forderung ergibt sich aus der Forderung, die Gesetzgebung in die Hände der Volksvertreter zu legen.

4. Die sozialdemokratische Partei kann nicht die Aufgabe übernehmen, im Voraus zu entscheiden, in welcher bestimmten Form die Volksvertretung den Bodenfonds, über den sie verfügen wird, auszunutzen hat. Das hängt von vielen Bedingungen ab. Die Aufgabe der sozialdemokratischen Partei unter dem kapitalistischen Regime, in welcher Form dieses auch besteht, bleibt die an die Verwaltungsorgane gestellte Forderung, die Interessen der werktätigen Massen, die keine Produktionsmittel besitzen, d. h. des Land- und Industrieproletariats, zu schützen.

5. Progressive Besteuerung der Grundrente der Großgrundbesitzer und Übergang dieses Einkommens in die Hände des demokratischen Staates, für die Nöte des Volkes.

Die Grundrente ist ein Einkommen, das auf der monopolistischen Nutzung des Bodens beruht, und kann nicht nur infolge der Entwicklung der Produktivkräfte der Bevölkerung, sondern auch infolge ihres Bedarfs an Boden anwachsen. Soweit der Bodenbesitzer Unternehmer ist, erhält er einen Gewinn von der Ausbeutung der Arbeit, nach deren produktivster Organisierung er strebt. Soweit er aber nur Eigentümer des Bodens ist, erhält er Einkünfte als Monopolist. Die sozialdemokratische Partei, die danach strebt, die sozialistische Produktion zu organisieren und die Produktionsmittel und Werkzeuge zu enteignen, kann in nächster Zukunft die kapitalistischen Verhältnisse, die auf dem Recht auf Privateigentum aufgebaut sind, nicht beseitigen, aber sie kann entweder den Boden enteignen oder das Einkommen, das das Ergebnis des Monopolbesitzes an Grund und Boden ist, weil dieser den Interessen aller Klassen, mit Ausnahme der Monopolbesitzer, widerspricht. Die progressive Besteuerung der Grundrente wird nur zur Organisierung einer produktiven Landwirtschaft führen, da auf die Rente der Bodenbesitzer nicht mehr zu rechnen sein wird.

6. Aufhebung der Schuldverpflichtungen, die einen versklavenden Charakter tragen.

7. Die sozialdemokratische Partei strebt danach, dass ein Teil der in Privatbesitz befindlichen Ländereien (der Großgrundbesitz), möglichst sogar sämtliche Ländereien in nächster Zeit in den Besitz der sich selbst verwaltenden großen gesellschaftlichen Organisationen (der Semstwos) übergehen.

Da aber die Organisierung der sozialistischen Gesellschaft ihr Endziel ist, so wird sie an dem Kampf zwischen den verschiedenen Ständen um die Erweiterung des Rechtes auf Eigentum am Boden nicht unmittelbar teilnehmen. Sie wird nur soweit an diesem Kampf teilnehmen, als die Erweiterung des gesellschaftlichen Eigentums auf Kosten des Privateigentums möglich ist. Wem im kapitalistischen Staat das Recht auf Eigentum am Boden auch gehört, das Land- und Industrieproletariat kann sich von der Ausbeutung nicht befreien, solange sich die Produktionsmittel in Privatbesitz befinden. Das Proletariat aber muss die Demokratisierung des Bodenbesitzes anstreben, da dadurch die Grundlage des Stände-Staates erschüttert wird. Die Ablösung des adligen Grundbesitzes durch den gesellschaftlichen wird an und für sich die Ausbeutung des Landproletariats nicht beseitigen, sondern nur den jetzt durch ständische Verhältnisse verdeckten Klassenkampf sichtbar machen. Dafür hat die sozialdemokratische Partei zwei Wege: entweder die Enteignung des Bodens, die im Augenblick der Revolution möglich ist, oder (Punkt 5) die Enteignung der Grundrente in der Form einer Steuer, d. h. nach und nach.

Die sozialdemokratische Partei, die sich die Ersetzung des Privateigentums an Produktionsmittel durch das gesellschaftliche Eigentum zur Aufgabe stellt, kann dieses Ziel nur dann erreichen, wenn sowohl Grund und Boden wie Kapital für die planmäßige gesellschaftliche Produktion enteignet sein werden. Eine Enteignung solcher Art kann weder vor noch während der Entstehung der demokratischen Ordnung vollzogen werden. Nur die für die Organisierung der gesellschaftlichen Produktion genügend vorbereitete Demokratie kann sich die Verwirklichung der sozialistischen Ordnung als nächstes Ziel setzen. Darum ist die Enteignung der Produktionsmittel gegenwärtig eine Höchstforderung, die in der nächsten Zeit nicht erfüllt werden kann, die aber der Ausgangspunkt des Programms der sozialdemokratischen Partei ist.

Schon ihren Aufgaben nach kann die sozialdemokratische Partei heute keinen solchen Erfolg in der wenig aufgeklärten Bauernschaft haben, wie die demokratische Partei, die neben demokratischen Forderungen die Hoffnung auf die Festigung des kleinen Eigentums durch die Aufteilung des großen Eigentums stärkt. Erst wenn den aufgeklärteren vorgeschritteneren Schichten der Bauernschaft ein sozialistisches Bewusstsein eingeflößt sein wird, werden die Kaders der sozialdemokratischen Partei durch Bauern vervollständigt werden können. Nach der Revolution, wenn die gegenwärtige ständische Ordnung gestürzt ist, wird es für die Mehrheit der Bauern viel klarer ersichtlich sein, dass die sozialdemokratische Partei die einzige Partei ist, die ihnen helfen wird, sich von allen Formen der Ausbeutung zu befreien. Als Partei, die sich die Aufgabe stellt, bis zuletzt gegen die Ausbeutung zu kämpfen, kann die Sozialdemokratie die demokratisch gesinnte Mehrheit der Bauernschaft als ihre Verbündeten bis zur Revolution betrachten, ohne von ihren sozialistischen Aufgaben abzuweichen. Die Mehrheit der demokratischen Bauern wird, wenn nicht vor, so nach der Revolution sozialdemokratisch werden. Das wird einerseits die wirtschaftliche Notwendigkeit und andererseits die sozialdemokratische Partei vollbringen, denn die Demokratisierung des Eigentums an Grund und Boden wird – nicht nur im demokratischen Staat, sondern auch auf dem Boden der örtlichen Selbstverwaltung den Klassenkampf nur verschärfen. Diesen Kampf wird die sozialdemokratische Partei mit um so größerem Erfolg durchführen, je zweckmäßiger sie ihre Aufgaben heute stellt.

* Der Gemeindebesitz ist eine Beschränkung des Eigentums am Boden, soweit er ständisch ist. Der städtische Bodenbesitz ist ebenfalls ein „Gemeindebesitz", aber er ist weniger beschränkt durch ständisch-bürokratische Fesseln. Darum gibt der zweite Punkt selbstverständlich das Recht, seinen Bodenanteil entweder an die Gemeinde oder an außenstehende Personen zu verkaufen.

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