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Semstwo

Die Semstwos (Landschaften) waren lokale Selbstverwaltungsorgane, eine Art Provinziallandtage. Unter dem Druck der tiefgehenden revolutionären Gärung im Lande infolge der militärischen Niederlagen des Krimkrieges (1853–1856) sah sich die zaristische Regierung zu einer Reihe von Reformen gezwungen. Nach der Aufhebung der Leibeigenschaft im Jahre 1861 erfolgte 1864 in den 34 inneren Gouvernements die Errichtung der Semstwos (die Randgebiete und Sibirien blieben von dieser Reform ausgeschlossen). Die Regierung sorgte natürlich dafür, dass in diesen Selbstverwaltungskörperschaften dem Adel das Übergewicht gesichert blieb. Das Semstwo bestand aus der Kreis- bzw. Gouvernements-Semstwoversammlung, die ihrerseits ein Vollzugsorgan, das Semstwoamt (semskaja uprawa) wählte. Den Vorsitz in der Versammlung führte der Adelsmarschall. Die Wahlen zu den Semstwoversammlungen erfolgten nach einem Dreiklassenwahlsystem; die Bevölkerung des Kreises war in drei Kurien geteilt: Grundbesitzer, Städter und Bauern. Das Wahlrecht in den ersten zwei Gruppen war an einen erheblichen Vermögenszensus geknüpft. Jede Gruppe wählte aus ihrer Mitte eine im Gesetz festgelegte Zahl von Semstwoabgeordneten zu der Kreis-Semstwoversammlung. Für die Bauern waren obendrein noch indirekte Wahlen eingeführt: sie wählten in jeder Wolost in der Regel je einen Kandidaten und diese Kandidaten wählten dann die Abgeordneten. 1890 wurde den Bauern auch dieses Recht genommen: sie durften nur noch die Kandidaten wählen, aus denen dann der Gouverneur die Abgeordneten ernannte. Die Kreisversammlungen wählten ihrerseits die Abgeordneten zu den Gouvernements-Semstwoversammlungen. Die Semstwos hatten für die lokalen wirtschaftlichen Interessen und Bedürfnisse der Bevölkerung zu sorgen (Wegebau, Volksbildung, Heilwesen, Wohlfahrtseinrichtungen usw.). So sehr die Semstwos von dem grundbesitzenden Adel beherrscht waren, so trieb sie doch ihre nähere Berührung mit der Bevölkerung immer wieder in eine oppositionelle Stellung zu dem absolutistischen Regime. Die Semstwos wurden so zu Stützpunkten der bürgerlich-liberalen konstitutionellen Bewegung, gegen die die zaristische Regierung immer wieder mit rigorosen Mitteln vorging. [Lenin, Sämtliche Werke, Band 7, Anm. 1]

Die Semstwos (Landschaften) waren lokale Selbstverwaltungsorgane, eine Art Provinziallandtage. Sie wurden im Zuge der Reformen geschaffen, zu denen sich der Zarismus nach der Niederlage im Krimkriege (1853–1856) gezwungen sah und zu denen auch die sogen. Bauernbefreiung von 1861 gehört. Die Errichtung der Semstwos erfolgte 1864 in den 34 inneren Gouvernements (die Randgebiete und Sibirien blieben von der Reform ausgeschlossen). Das Semstwo bestand aus der Kreis- bzw. Gouvernement-Semstwoversammlung, die ein Vollzugsorgan, das Semstwoamt, wählte. Den Vorsitz führte der Adelsmarschall. Die Wahlen erfolgten nach einem Dreiklassen-Wahlsystem: Grundherren, Städter und Bauern. Die ersten beiden Gruppen waren durch einen hohen Steuersatz eng begrenzt, die Bauern wählten nur wenige Abgeordnete und diese auch nur indirekt. 1890 wurde das Wahlrecht der Bauern noch dadurch verschlechtert, dass sie nur Kandidaten wählen durften, aus deren Reihen der Gouverneur die Abgeordneten ernannte. Die Gouvernements-Semstwos wurden durch die Kreis-Semstwos gewählt. Obwohl die Semstwos vom grundbesitzenden Adel beherrscht waren, gerieten sie doch später in eine oppositionelle Stellung zum Absolutismus. Besonders später, gegen das Jahr 1904, wurden sie zu Stützpunkten der bürgerlich-liberalen konstitutionellen Bewegung.

Im Jahre 1901 wurde in Deutschland eine geheime Denkschrift des Finanzministers Witte „Absolutismus und Semstwo“ veröffentlicht. In dieser Denkschrift stellte Witte den Gegensatz zwischen Semstwo und Absolutismus sowie die Tatsache fest, dass die weitere Entwicklung dieser Selbstverwaltung zu einer Verstärkung der konstitutionellen Bewegung führen müsse. Witte sprach sich gegen eine Erweiterung der Semstwoverwaltung und für eine Verbesserung des staatlichen lokalen Verwaltungsapparates aus. Die Veröffentlichung der Denkschrift erfolgte mit einem Vorwort von Peter Struve (unter dem Pseudonym R. N. S.), das im liberalen Geiste gehalten war und schon den vollständigen Bruch Struves mit dem Marxismus und seine Verwandlung in einen den revolutionären Kampf gegen den Absolutismus ablehnenden Liberalen zeigte. In dem Artikel „Die Hetze gegen das Semstwo und die Hannibale des Liberalismus“, der in Nummer 2–3 der Zeitschrift „Sarja“ im Jahre 1901 veröffentlicht wurde, gab Lenin eine Kritik der Denkschrift Wittes und des Vorworts von Struve. In den ersten sechs Kapiteln beschäftigte sich Lenin mit dem ganzen Charakter, mit der Entstehung, der Geschichte und der Rolle der Semstwo-Verwaltung. Ihre Gewährung hatte den Zweck, die bürgerlichen Liberalen durch kleine Zugeständnisse zu kaufen, uni den Kampf gegen die Revolutionäre noch schärfer führen zu können. Sobald die revolutionäre Bewegung zurückgedrängt war, nahm die Regierung ihre Zugeständnisse schrittweise wieder zurück. Die Semstwo-Liberalen erhoben zwar Protest, aber ihr Protest war ohnmächtig, weil sie die revolutionäre Bewegung mehr fürchteten als den Absolutismus. Auf diese Weise hat die Semstwo-Verwaltung den Absolutismus nicht geschwächt, sondern gestärkt. […] Schon damals, 1901, entstanden wegen dieses Artikels unter den Redakteuren der „Sarja“ Meinungsverschiedenheiten. Plechanow war mit dem Artikel sehr unzufrieden und schrieb in einem Briefe an Lenin unter anderem: „Wir dürfen jetzt die Liberalen überhaupt nicht schmähen. Das ist nicht taktisch, wir müssen vom schlechten an den guten Liberalen appellieren, … wir müssen uns doch zu den Liberalen wie zu möglichen Bundesgenossen verhalten. Ihr Ton aber ist, das muss zugegeben werden, keineswegs ein bundesgenössischer … Sie sprechen wie ein Feind, aber man muss wie ein Bundesgenosse sprechen… Man darf den Liberalismus jetzt nicht gegen das Fell streicheln – das ist ein großer Fehler.“

Die Bezeichnung „Hannibale“ rührt davon her, dass damals von einem „Hannibalschwur“ der Liberalen, den Absolutismus zu bekämpfen, gesprochen wurde. Hannibal war der Feldherr der Karthager, der den Krieg gegen Rom führte und geschworen hatte, das Schwert nicht eher niederzulegen, bis Rom besiegt sein wird. [Ausgewählte Werke, Band 2]

Die Semstwos (Landschaften) waren lokale Selbstverwaltungsorgane. Sie wurden im Zuge der Reformen geschaffen, zu denen sich der Zarismus nach der Niederlage im Krimkriege (1853-1856) gezwungen sah und zu denen auch die sogenannte Bauernbefreiung von 1861 gehörte. Obwohl die Semstwos vom grundbesitzenden Adel beherrscht waren, gerieten sie doch in eine oppositionelle Stellung zum Absolutismus. Die ordentlichen Tagungen der Semstwos wurden von den Liberalen zur Aufstellung und Vertretung ihrer Forderungen benutzt. Später traten sie etwas lebhafter auf. Es kam zu einer Kampagne in den Semstwos, Überreichung von Petitionen, Adressen usw. mit konstitutionellen Forderungen. Diese liberale Kampagne hatte jedoch bei der absolutistischen Regierung keinen Erfolg. Die politische Ohnmacht der Liberalen wurde in dieser „Semstwo“-Kampagne vollständig enthüllt. Anstatt die politische Ohnmacht und die Feigheit der Semstwo-Liberalen zu enthüllen, waren die Menschewiki für die Unterstützung der Liberalen. Sie sahen die Hauptgefahr darin, dass das Proletariat die Liberalen weiter treiben könnte, als dies für sie annehmbar ist. [Lenin, Ausgewählte Werke Band 3, Anm. 44]

Die Semstwos (Landschaften) waren lokale Selbstverwaltungsorgane mit sehr beschränkten Befugnissen, eine Art Provinziallandtage mit überragendem Einfluss des gutsbesitzerischen Adels, unter welchem aber die verbürgerlichten Schichten die politisch aktivsten waren. Obwohl die Semstwos vom Adel beherrscht waren, gerieten sie doch in eine oppositionelle Stellung zum Absolutismus. Gegen das Jahr 1904 wurden sie zu Stützpunkten der bürgerlich-liberalen konstitutionellen Bewegung. Die Tagungen der Semstwos wurden von den Liberalen zur Aufstellung und Vertretung ihrer Forderungen benützt. Ilm November 1904 verschickte die menschewistische Redaktion der „Iskraeinen Brief an die Parteiorganisationen, in welchem die Entschiedenheit der Liberalen und ihre Fähigkeit, den Kampf für eine Verfassung zu führen, hervorgehoben wurde. Den Organisationen wurde angeraten, sich der Semstwokampagne in der Weise anzuschließen, dass den Semstwos die Forderungen der Arbeiter vorgelegt werden. Vor allem aber wurden die Sozialdemokraten in dem Briefe davor gewarnt, die Liberalen durch ein zu scharfes Vorgehen zu „erschrecken“. Die Menschewiki sahen also die Hauptgefahr darin, dass das Proletariat die Liberalen weiter treibe, als dies für sie annehmbar ist. Das Proletariat und seine Partei erschienen auf diese Weise natürlich nicht als Vorhut im Kampfe gegen den Absolutismus, sondern im Schlepptau der Bourgeoisie. Der Ausbruch der ersten russischen Revolution machte der menschewistischen Semstwokampagne ein Ende. [Lenin, Ausgewählte Werke, Band 4, Anm. 44]

Semstwo – Bezeichnung für die lokale, ständische Selbstverwaltung und ihre Körperschaften, die nach Aufhebung der Leibeigenschaft geschaffen wurden und für die sozialen und ökonomischen Interessen und Bedürfnisse ihres Bezirks zu sorgen hatten. Die Semstwoinstitutionen boten der liberalen kleinbürgerlichen Opposition die Möglichkeit, sich legal öffentlich zu betätigen, und lieferten, insbesondere in der ersten Zeit, als der Einfluss des Adels noch nicht vorherrschend war, eine Reihe wertvoller Arbeiten auf dem Gebiet der Beschreibung der wirtschaftlichen Zustände.

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