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Wladimir I. Lenin 19051209 Sozialistische Partei und parteiloser Revolutionarismus

Wladimir I. Lenin: Sozialistische Partei und parteiloser Revolutionarismus

[Nowaja Schisn", Nr. 22 und 27, 26. November/9. Dezember und 2./15. Dezember 1905. Gezeichnet: N. Lenin.. Nach Sämtliche Werke, Band 8, S. 556-565]

I.

Die revolutionäre Bewegung in Russland, die rasch immer neue Schichten der Bevölkerung erfasst, lässt eine ganze Reihe parteiloser Organisationen entstehen. Das Bedürfnis nach Zusammenschluss kommt mit um so stärkerer Gewalt zum Durchbruch, je länger es niedergehalten und verfolgt wurde. Organisationen der einen oder anderen Art, oft formlos, entstehen unaufhörlich, wobei ihr Charakter außerordentlich originell ist. Es fehlt die scharfe Abgrenzung der europäischen Organisationen. Die gewerkschaftlichen Vereinigungen nehmen einen politischen Charakter an. Der politische Kampf verschmilzt mit dem ökonomischen – z. B. in Form des Streiks – und schafft ineinanderfließende Formen vorübergehender oder mehr oder minder beständiger Organisationen.

Was bedeutet diese Erscheinung? Wie muss die Sozialdemokratie sich zu ihr stellen?

Straffes Parteiwesen ist Begleiterscheinung und Resultat des hochentwickelten Klassenkampfes. Und umgekehrt, im Interesse eines offenen und ausgedehnten Klassenkampfes ist die Entwicklung eines straffen Parteiwesens vonnöten. Daher ist die Partei des klassenbewussten Proletariats, die Sozialdemokratie, durchaus im Recht, wenn sie stets die Parteilosigkeit bekämpft und unentwegt an der Schaffung einer in ihren Grundsätzen gefestigten, geschlossenen sozialistischen Arbeiterpartei arbeitet. Diese Arbeit ist in den Massen erfolgreich in dem Maße, wie die Entwicklung des Kapitalismus das ganze Volk immer tiefer in Klassen spaltet und die Gegensätze zwischen ihnen verschärft.

Es ist durchaus begreiflich, dass die gegenwärtige Revolution in Russland so viele parteilose Organisationen geschaffen hat und noch schafft. Diese Revolution ist eine demokratische Revolution, d. h. ihrem gesellschaftlich-ökonomischen Inhalt nach eine bürgerliche. Diese Revolution stürzt das absolutistisch-feudale Regime, legt die Bahn frei für die bürgerliche Ordnung und verwirklicht auf diese Weise die Forderungen aller Klassen der bürgerlichen Gesellschaft; in diesem Sinne ist sie eine allgemeine Volksrevolution. Das bedeutet natürlich nicht, dass unsere Revolution keine Klassenrevolution ist; gewiss nicht. Aber sie richtet sich gegen Klassen und Kasten, die vom Standpunkt der bürgerlichen Gesellschaft überlebt sind, die dieser Gesellschaft fremd sind, die ihre Entfaltung hemmen. Da aber das gesamte wirtschaftliche Leben des Landes bereits in allen seinen Grundzügen bürgerlich geworden ist, da die gewaltige Mehrheit der Bevölkerung in Wirklichkeit schon unter bürgerlichen Existenzbedingungen lebt, sind naturgemäß die antirevolutionären Elemente der Zahl nach verschwindend klein, bilden sie wahrhaft „eine Handvoll", verglichen mit dem „Volke". Der Klassencharakter der bürgerlichen Revolution äußert sich daher unvermeidlich in einem gesamtnationalen, auf den ersten Blick nicht klassenmäßigen Charakter des Kampfes aller Klassen der bürgerlichen Gesellschaft gegen den Absolutismus und Feudalismus.

Die Epoche der bürgerlichen Revolution ist in Russland genau wie in den anderen Ländern durch eine verhältnismäßige Unentwickeltheit der Klassenwidersprüche der kapitalistischen Gesellschaft gekennzeichnet. Freilich, in Russland steht der Kapitalismus jetzt auf einer bedeutend höheren Stufe der Entwicklung als in Deutschland 1848, geschweige denn in Frankreich 1789; aber es unterliegt keinem Zweifel, dass die rein kapitalistischen Widersprüche bei uns noch in sehr hohem Grade von den Widersprüchen zwischen „Kultur" und Asiatentum verdeckt werden, zwischen Europäertum und Tatarentum, Kapitalismus und Feudalismus; d. h. in den Vordergrund treten solche Forderungen, deren Erfüllung den Kapitalismus entwickeln, ihn von den Schlacken des Feudalismus reinigen, die Lebens- und Kampfbedingungen sowohl für das Proletariat als auch für die Bourgeoisie verbessern wird.

In der Tat, betrachtet man die Forderungen, Richtlinien, doleances näher, die in unzähliger Menge jetzt in Russland in jedem Betrieb, in jeder Kanzlei, in jedem Regiment, in jeder Polizeiwachtstube, in jeder Kirchengemeinde, in jeder Lehranstalt usw. usf. abgefasst werden, so werden wir sofort merken, dass sie in der überwiegenden Mehrheit reine „Kulturforderungen" darstellen, wenn man sich so ausdrücken darf. Ich will damit sagen, dass dies eigentlich keine spezifischen Klassenforderungen sind, sondern Forderungen elementar rechtlichen Charakters, solche, die den Kapitalismus nicht zerstören, sondern ihn im Gegenteil einfügen in den Rahmen des Europäertums, ihn erlösen von der Barbarei, Rohheit, Korruption und anderen „russischen" Überbleibseln der Leibeigenschaft. Im Grunde beschränken sich auch die proletarischen Forderungen in den meisten Fällen auf Reformen, die durchaus durchführbar sind im Rahmen des Kapitalismus. Was das Proletariat Russlands jetzt unverzüglich verlangt, ist nicht etwas, was den Kapitalismus untergräbt, sondern was ihn reinigt und seine Entwicklung beschleunigt und verstärkt.

Gewiss, die besondere Lage des Proletariats in der kapitalistischen Gesellschaft führt dazu, dass das Streben der Arbeiter zum Sozialismus hin, ihr Bündnis mit der sozialistischen Partei schon auf den frühesten Stufen der Bewegung mit Elementargewalt zum Durchbruch kommt. Aber die eigentlich sozialistischen Forderungen stehen noch bevor, auf der Tagesordnung stehen demokratische Forderungen der Arbeiter in der Politik, ökonomische Forderungen innerhalb der Grenzen des Kapitalismus in der Ökonomik. Selbst das Proletariat macht die Revolution sozusagen im Rahmen des Minimalprogramms und nicht des Maximalprogramms, ganz abgesehen von der Bauernschaft, dieser gigantischen, durch ihre zahlenmäßige Stärke alles erdrückenden Masse der Bevölkerung. Ihr „Maximalprogramm", ihre Endziele gehen nicht hinaus über die Grenzen des Kapitalismus, der sich noch breiter und üppiger entfalten würde bei dem Übergang des gesamten Grund und Bodens an die gesamte Bauernschaft und das gesamte Volk. Die Bauernrevolution ist heute eine bürgerliche Revolution – so sehr diese Worte das sentimentale Ohr der sentimentalen Ritter unseres kleinbürgerlichen Sozialismus auch „verletzen" mögen.

Bei dem geschilderten Charakter der vor sich gehenden Revolution ist das Entstehen parteiloser Organisationen ganz natürlich. Das Gepräge äußerlicher Parteilosigkeit, der Schein der Parteilosigkeit überträgt sich daher auf die Bewegung in ihrer Gesamtheit – aber natürlich nur der Schein. Das Bedürfnis nach einem „menschlichen", kulturellen Leben, nach Zusammenschluss, nach Wahrung der eigenen Würde, der Menschen- und Bürgerrechte erfasst alle und jedermann, vereinigt sämtliche Klassen, reicht weit hinaus über jede Parteizugehörigkeit, rüttelt Menschen auf, die sich noch lange nicht aufzuschwingen vermögen bis zu ihrer Eingliederung in den Parteirahmen. Die Unerlässlichkeit der nächsten, elementar notwendigen Rechte und Reformen drängt sozusagen weiterreichende Absichten und Erwägungen in den Hintergrund. Der Überschwang in der Einschätzung des vor sich gehenden Kampfes, ein notwendiger und berechtigter Überschwang, ohne den ein Erfolg des Kampfes unmöglich wäre, idealisiert unvermeidlich diese nächsten, elementaren Ziele, malt sie in rosigem Lichte, hüllt sie mitunter sogar in ein phantastisches Gewand; die einfache Demokratie, die bürgerliche Wald- und Wiesendemokratie, wird für Sozialismus gehalten und als solcher gebucht. Alle Welt ist gleichsam „parteilos", alle Welt ist in einer einzigen „befreienden" (in Wirklichkeit die ganze bürgerliche Gesellschaft befreienden) Bewegung umschlungen, alle Welt gewinnt einen leichten, ganz leichten Anstrich von „Sozialismus", besonders dank der leitenden Rolle des sozialistischen Proletariats im demokratischen Kampfe.

Die Idee der Parteilosigkeit muss unter solchen Umständen unvermeidlich gewisse vorübergehende Siege erringen. Parteilosigkeit wird zwangsläufig zur Modeparole, denn die Mode humpelt hilflos hinter dem Leben her, und die „landläufigste" Erscheinung der politischen Oberfläche scheint eben die parteilose Organisation zu sein: parteiloser Demokratismus, parteiloser Streikismus, parteiloser Revolutionarismus.

Es fragt sich nun, wie sich zu dieser Tatsache der Parteilosigkeit und zu dieser Idee der Parteilosigkeit die Anhänger und Vertreter der verschiedenen Klassen stellen müssen – müssen nicht im subjektiven, sondern im objektiven Sinne, d. h. nicht in dem Sinne, wie man sich dazu verhalten soll, sondern in dem Sinne, welches Verhältnis zu dieser Tatsache je nach den Interessen und dem Standpunkte der verschiedenen Klassen sich unvermeidlich ergeben muss.

II.

Die Parteilosigkeit ist, wie wir bereits gezeigt haben, Produkt, oder wenn man will, Ausdruck des bürgerlichen Charakters unserer Revolution. Die Bourgeoisie kann nicht anders als zur Parteilosigkeit hinneigen, denn das Fehlen von Parteien bei den um die Freiheit der bürgerlichen Gesellschaft Kämpfenden bedeutet Ausbleiben eines neuen Kampfes gegen dieselbe bürgerliche Gesellschaft. Wer einen „parteilosen" Kampf um die Freiheit führt, der erfasst entweder nicht den bürgerlichen Charakter der Freiheit, oder er heiligt diese bürgerliche Ordnung, oder er vertagt den Kampf gegen sie, vertagt ihre „Vervollkommnung" auf den Sanktnimmerleinstag. Und umgekehrt, wer bewusst oder unbewusst auf der Seite der bürgerlichen Ordnung steht, der muss sich zu der Idee der Parteilosigkeit hingezogen fühlen.

In einer Gesellschaft, die auf Klassenteilung beruht, muss der Kampf zwischen den feindlichen Klassen auf einer gewissen Stufe seiner Entwicklung unvermeidlich zum politischen Kampfe werden. Der vollendetste, geschlossenste und ausgeprägteste Ausdruck des politischen Kampfes der Klassen ist der Kampf der Parteien. Parteilosigkeit heißt Gleichgültigkeit in Bezug auf den Kampf der Parteien. Aber diese Gleichgültigkeit ist nicht gleichbedeutend mit Neutralität, Kampfenthaltung, denn im Klassenkampfe kann es keine Neutralen geben, man kann in der kapitalistischen Gesellschaft sich von der Beteiligung am Austausch von Produkten oder Arbeitskraft nicht „enthalten". Der Austausch erzeugt aber unvermeidlich ökonomischen Kampf und in der Folge auch den politischen Kampf. Gleichgültigkeit dem Kampf gegenüber heißt daher in Wirklichkeit keineswegs Fernbleiben vom Kampfe, Enthaltung oder Neutralität. Gleichgültigkeit ist stillschweigende Unterstützung desjenigen, der stark ist, desjenigen, der die Herrschaft hat. Wer in Russland gleichgültig war gegenüber dem Absolutismus vor seinem Sturz während der Oktoberrevolution, der unterstützte stillschweigend den Absolutismus. Wer im heutigen Europa gleichgültig ist gegenüber der Herrschaft der Bourgeoisie, der unterstützt stillschweigend die Bourgeoisie. Wer sich gleichgültig verhält gegenüber der Unterstreichung des bürgerlichen Charakters des Kampfes um die Freiheit, der unterstützt stillschweigend die Herrschaft der Bourgeoisie in diesem Kampfe, die Herrschaft der Bourgeoisie im entstehenden freien Russland. Politische Indifferenz ist politische Sattheit. „Gleichgültig", „indifferent" verhält sich gegenüber dem Stück Brot nur der Satte; der Hungrige wird aber in Fragen des Stückes Brot stets „Partei ergreifen". „Gleichgültigkeit und Indifferenz" dem Stück Brot gegenüber bedeutet nicht, dass der Betreffende kein Brot braucht, sondern dass dieser Mensch stets mit Brot versorgt ist, dass er nie Mangel an Brot empfindet, dass er in der „Partei" der Satten gut versorgt ist. Die Parteilosigkeit ist in der bürgerlichen Gesellschaft nur ein heuchlerischer, verhüllter passiver Ausdruck der Zugehörigkeit zur Partei der Satten, zur Partei der Herrschenden, zur Partei der Ausbeuter.

Parteilosigkeit ist eine bürgerliche Idee, Parteinahme ist eine sozialistische Idee. Dieser Grundsatz ist im Großen und Ganzen auf jede bürgerliche Gesellschaft anwendbar. Gewiss, man muss diese allgemeine Wahrheit auf spezielle Einzelfragen und Einzelfälle anzuwenden wissen. Aber diese Wahrheit vergessen zu einer Zeit, wo die bürgerliche Gesellschaft in ihrer Gesamtheit sich gegen den Feudalismus und Absolutismus erhebt, bedeutet in Wirklichkeit den vollkommenen Verzicht auf die sozialistische Kritik der bürgerlichen Gesellschaft …

Obgleich sich die russische Revolution noch am Anfang ihrer Entwicklung befindet, liefert sie doch schon recht viel Material zur Bestätigung der hier vorgebrachten allgemeinen Argumente. Das straffe Parteiwesen hat nur die Sozialdemokratie, die Partei des klassenbewussten Proletariats, immer verfochten, und sie tut es auch jetzt. Unsere Liberalen, die Vertreter der Ansichten der Bourgeoisie, können das sozialistische Parteiwesen nicht ausstehen und wollen vom Klassenkampf nichts wissen: erinnern wir uns nur an die jüngsten Reden des Herrn Roditschew, der zum hundertsten Mal wiederholt, was sowohl das „Oswoboschdjenije" im Auslande als auch die unzähligen Vasallenorgane des russischen Liberalismus unaufhörlich wiederkäuten. Schließlich hat die Ideologie der Zwischenklassen, des Kleinbürgertums, in den Auffassungen der russischen „Radikalen" verschiedener Schattierungen, von der „Nascha Schisn" über die „Radikaldemokraten" bis zu den „Sozialrevolutionären", einen prägnanten Ausdruck gefunden. Diese letzteren haben ihre Verwechslung von Sozialismus und Demokratismus am deutlichsten in der Agrarfrage niedergelegt, namentlich in der Losung der „Sozialisierung" (des Bodens ohne Sozialisierung des Kapitals). Bekannt ist auch, dass sie, die den bürgerlichen Radikalismus tolerieren, sich der Idee des sozialdemokratischen Parteiwesens gegenüber intolerant verhalten.

Es gehört nicht zu unserem Thema, zu untersuchen, in welcher Weise sich gerade die Interessen der verschiedenen Klassen in Programm und Taktik der russischen Liberalen und Radikalen aller Art widerspiegeln. Wir haben diese interessante Frage nur nebenbei gestreift und müssen nun zu den praktisch-politischen Schlussfolgerungen über das Verhältnis unserer Partei zu den parteilosen Organisationen übergehen.

Ist eine Teilnahme der Sozialisten an interparteilichen Organisationen zulässig? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Welche Taktik soll man in solchen Organisationen einschlagen?

Auf die erste Frage kann man nicht mit einem unbedingten, grundsätzlichen Nein antworten. Es wäre unrichtig, wollte man sagen, dass die Beteiligung von Sozialisten an parteilosen (d.h. mehr oder weniger bewusst oder unbewusst bürgerlichen) Organisationen in keinem Falle und unter keinen Bedingungen zulässig sei. In der Epoche der demokratischen Revolution würde ein Verzicht auf die Beteiligung an parteilosen Organisationen in bestimmten Fällen gleichbedeutend sein mit dem Verzicht auf die Beteiligung an der demokratischen Revolution. Aber es unterliegt keinem Zweifel, dass die Sozialisten diese „bestimmten Fälle" eng begrenzen müssen, dass sie eine solche Beteiligung nur unter ganz bestimmten einschränkenden Bedingungen zulassen dürfen. Denn da die parteilosen Organisationen, wie gesagt, sich aus der verhältnismäßigen Unentwickeltheit des Klassenkampfes ergeben, so ist anderseits die strenge Parteischeidung eine der Bedingungen, die den Klassenkampf zu einem bewussten, klaren, bestimmten, prinzipiellen Kampf machen.

Die Wahrung der ideologischen und politischen Selbständigkeit der Partei des Proletariats ist die ständige, unveränderliche und unbedingte Pflicht der Sozialisten. Wer diese Pflicht nicht erfüllt, der hört in Wirklichkeit auf, Sozialist zu sein, wie aufrichtig seine „sozialistischen" (in Worten sozialistischen) Überzeugungen auch sein mögen. Die Beteiligung an parteilosen Organisationen ist für den Sozialisten nur als Ausnahme zulässig. Die Ziele dieser Beteiligung selber wie ihr Charakter, ihre Bedingungen usw. müssen restlos der grundlegenden Aufgabe untergeordnet sein: der Vorbereitung und Organisierung des sozialistischen Proletariats für die bewusste Leitung der sozialistischen Revolution.

Die Verhältnisse können uns zwingen, an parteilosen Organisationen teilzunehmen, insbesondere in der Epoche der demokratischen Revolution, in der das Proletariat eine hervorragende Rolle spielt. Eine solche Teilnahme kann sich als notwendig erweisen z. B. im Interesse der Propaganda des Sozialismus vor einem unbestimmt-demokratischen Auditorium oder im Interesse des gemeinsamen Kampfes der Sozialisten und der revolutionären Demokraten gegen die Konterrevolution. Im ersten Falle würde eine solche Beteiligung ein Mittel sein, unseren eigenen Ansichten zum Sieg zu verhelfen; im zweiten Falle ein Kampfabkommen, um bestimmte revolutionäre Ziele zu erreichen. In beiden Fällen kann die Beteiligung lediglich eine vorübergehende sein. In beiden Fällen ist sie zulässig nur, wenn die Selbständigkeit der Arbeiterpartei vollkommen gewahrt wird und wenn die in die parteilosen Vereinigungen oder Sowjets „delegierten" Einzelmitglieder oder Gruppen der Partei der unbedingten Kontrolle und der Führung durch die Gesamtpartei unterstehen.

Solange unsere Partei sich im Geheimen betätigte, bot die Verwirklichung einer solchen Kontrolle und Führung ungeheuerliche, mitunter schier unüberwindliche Schwierigkeiten. Jetzt, wo die Tätigkeit der Partei immer öffentlicher wird, kann und soll man diese Kontrolle und Führung weitestgehend verwirklichen, und unbedingt nicht nur seitens der „Spitzen", sondern auch seitens der unteren Schichten der Partei, aller organisierten Arbeiter, die zur Partei gehören. Berichterstattung über das Auftreten von Sozialdemokraten in parteilosen Vereinigungen oder Sowjets, Referate über die Bedingungen und Aufgaben eines solchen Auftretens, Resolutionen von Parteiorganisationen jeden Typus aus Anlass solchen Auftretens müssen unbedingt in die Praxis der Arbeiterpartei Eingang finden. Nur eine solche reale Beteiligung der Partei in ihrer Gesamtheit, die Beteiligung an der Dirigierung jedes Auftretens dieser Art vermag in der Tat die wahrhaft sozialistische Arbeit gegenüberzustellen der allgemein-demokratischen Arbeit.

Welche Taktik sollen wir in den parteilosen Vereinigungen einschlagen? Erstens, jede Möglichkeit ausnutzen zur Anknüpfung selbständiger Verbindungen und zur Propaganda für unser ganzes sozialistisches Programm. Zweitens, die nächstliegenden politischen Aufgaben festlegen vom Standpunkt der vollständigen und entschlossenen Verwirklichung der demokratischen Umwälzung, politische Losungen in der demokratischen Revolution ausgeben, das „Programm" jener Reformen aufstellen, die die kämpfende revolutionäre Demokratie zu verwirklichen hat im Unterschied zu der schachernden liberalen Demokratie.

Nur wenn wir an die Sache in dieser Weise herangehen, kann die Beteiligung von Mitgliedern unserer Partei an parteilosen revolutionären Organisationen, die heute von Arbeitern, morgen von Bauern, übermorgen von Soldaten usw. geschaffen werden, zulässig und fruchtbar sein. Nur wenn wir so handeln, werden wir in der Lage sein, der doppelten Aufgabe der Arbeiterpartei in der bürgerlichen Revolution gerecht zu werden: die demokratische Umwälzung zu Ende zu führen und die Kader des sozialistischen Proletariats zu erweitern und zu festigen, jenes Proletariats, das die Freiheit benötigt zu seinem schonungslosen Kampf für den Sturz der Kapitalherrschaft.

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