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Zentralkomitee der SDAPR 19050804 Zur Frage der Vereinigung der Partei

ZK der SDAPR: Zur Frage der Vereinigung der Partei

[„Flugschriften des ZK der SDAPR", Nr. 3, 22. Juli/4. August 1905. Nach Sämtliche Werke, Band 8, 1931, S. 585-588]

Das Zentralkomitee hält es für notwendig, das hier folgende Dokument zu veröffentlichen, in dem die Ergebnisse zweier Beratungen1 über die Frage der Vereinigung der Partei zusammengefasst werden:

An der Zusammenkunft………nahmen teil: der Vertreter der Organisationskommission, Genosse……und die Vertreter des ZK, die Genossen..……

Der Vertreter der Organisationskommission erklärte, dass die Resolution der ersten allrussischen Konferenz schon in einem bedeutenden Teil der mit der Organisationskommission verbundenen Organisationen verhandelt wurde und dass die Stimmung dieses Teils der Partei in der Frage der Parteivereinigung dabei genügend bestimmt zum Ausdruck gekommen ist und sich genügend einheitlich erwiesen hat, um daraus die ungefähren Ergebnisse zu ziehen. Das Wesen dieser Ergebnisse kann folgendermaßen zusammengefasst werden:

1. Zwischen den beiden Teilen der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands ist eine direkte und vollständige Vereinigung in viel höherem Maße wünschenswert als einzelne Vereinbarungen, deren praktische Durchführung durch die Tatsache des Bestehens gesonderter organisatorischer Apparate erheblich erschwert wird.

2. Diese Vereinigung kann in der nächsten Zukunft nicht auf dem Wege eines gemeinsamen Parteitages erreicht werden, da die Organisierung eines solchen Parteitages aus praktischen Gründen (prinzipiell aber wird natürlich die Möglichkeit der Entscheidung der Fragen des Parteilebens durch die Parteitage zugegeben) nicht möglich erscheint.

3. Infolgedessen soll die Vereinigung ohne Parteitag auf dem Wege genügender gegenseitiger Zugeständnisse beider Teile der Partei erreicht werden.

4. Das Minimum an Zugeständnissen, das nach der Meinung der Mehrheit der Organisationen, die sich äußern konnten, die Möglichkeit einer sofortigen Vereinigung bedingen würde, liegt hauptsächlich auf dem Gebiete der organisatorischen Beziehungen, so dass also die taktischen Resolutionen des „3. Parteitages", bei aller Verschiedenheit gegenüber den Beschlüssen der 1. Konferenz, in diesem Falle keinen Stein des Anstoßes bilden.

5. Dieses Minimum reduziert sich auf folgende unerlässliche Reformen:

a. Für die Verstärkung des Einflusses der Peripherie-Organisationen auf die Parteiangelegenheiten in allen örtlichen Organisationen soll den Rayonkomitees in den Fragen der allgemeinen Politik dieser örtlichen Organisationen eine beschließende Stimme gegeben werden.

b. Zu demselben Zwecke soll allen organisierten Arbeitern in allen Fällen von Massenaktionen das Recht einer beschließenden Stimme gegeben werden. In diesen Fällen ist der Beschluss der Mehrheit der organisierten Arbeiter für das Parteikomitee bindend.

c. Um den kollektiven Willen der Partei in der Zeit zwischen den Parteitagen in höherem Maße zur Geltung zu bringen, sollen „zentrale Konferenzen" organisiert werden, die aus den Vertretern der Gebietskomitees oder, soweit dies nicht durchführbar ist, aus den Vertretern der wichtigsten örtlichen Parteikomitees und der Komiteegruppen bestehen sollen. Das ZK ist im allgemeinen Plan der wichtigsten politischen Aktionen an die Direktiven dieser zentralen Konferenz gebunden.

d. Dem Zentralkomitee gehören Vertreter beider Teile der Partei an.

e. Im Falle der Vereinigung beider Teile der Partei sollen beide Zentralorgane, die „Iskra" und der „Proletarij", als offizielle Organe der Partei funktionieren, die in der Vertretung dieser oder jener taktischen Stellungnahme frei sind. Der Untertitel „Zentralorgan" soll entweder beiden Organen verbleiben oder bei beiden gestrichen werden.

Auf Grund dieser Minimalforderungen – erklärte der Vertreter der Organisationskommission – haben schon viele zur ersten Konferenz gehörende Organisationen die Organisationskommission ermächtigt, Vorverhandlungen über die Vereinigung zu führen, was einmalige Verhandlungen über konkrete taktische Vereinbarungen durchaus nicht ausschließt.

Nach Erörterung der Erklärung des Vertreters der Organisationskommission hat das Zentralkomitee beschlossen, dieselbe folgendermaßen zu beantworten:*

Kein einziger von den vier ersten Punkten der minimalen Vereinigungsbedingungen, die vom Vertreter der OK vorgelegt wurden, steht in prinzipiellem Widerspruch zu den Grundlagen des Organisationsstatuts, das vom 3. Parteitag ausgearbeitet worden ist; leider können nicht alle diese Bedingungen in dem gewünschten Ausmaße verwirklicht werden.

Die Erweiterung des Einflusses der Peripherie ist höchst wünschenswert, ebenso kann die Gewährung einer beschließenden Stimme an die Rayonkomitees und besonders an alle organisierten Arbeiter gemäß Punkt a und b nur wärmstens begrüßt werden in allen Fällen, wo dies auf Grund der örtlichen Verhältnisse ohne ernsten Nachteil praktisch verwirklicht werden kann. Leider erweist sich dies unter den heutigen politischen Verhältnissen in der Mehrzahl der Fälle als ein unerfüllbarer Wunsch. Das ZK hält sich außerdem nicht für berechtigt, diese Reformen jenen örtlichen Organisationen aufzuzwingen, die sie nicht einführen können, weil dies im Widerspruch stände mit der Autonomie, die die Parteitage den örtlichen Organisationen in ihren inneren Angelegenheiten und in ihrem inneren Aufbau gewährt haben.

Das ZK findet, dass seine Arbeit bedeutend erleichtert würde, wenn es von den im Punkte c angeführten zentralen Konferenzen taktische Direktiven bekommen könnte, aber es nimmt an, dass die Organisation der Vertretung der Partei auf diesen Konferenzen auf gewaltige Schwierigkeiten stoßen würde, im Wesentlichen auf die gleichen Schwierigkeiten, auf die die Organisation der Parteitage stößt. Wenn auch die technischen und konspirativen Schwierigkeiten in diesem Falle geringer sind, so bereitet dafür die Frage der richtigen Vertretung der verschiedenen Organisationen und Organisationsgruppen größere Schwierigkeiten: die Schwierigkeit der gemeinsamen Wahl eines Vertreters von mehreren selbständigen Organisationen, Meinungsverschiedenheiten darüber, welche Organisationen genügend Bedeutung besitzen, um einen besonderen Vertreter zu entsenden usw. Ohne es aus diesem Grunde für möglich zu halten, die Verpflichtung zur Einberufung solcher Konferenzen zu übernehmen, würde das ZK anderseits allen Versuchen der Parteiorganisationen in dieser Hinsicht die möglichste Unterstützung gewähren.

Was den Punkt d anbelangt, so ist er im Wesentlichen vollkommen annehmbar und es kommt nur auf die konkrete Übereinstimmung beider Seiten an.

Das ZK hofft, dass es schon in der nächsten Nummer der „Flugschriften" seine Antwort auf die Frage des Zentralorgans der Partei wird veröffentlichen können. Außer der Notwendigkeit, sich darüber mit der Redaktion des Zentralorgans ins Einvernehmen zu setzen, ist die Verzögerung auch durch den Umstand hervorgerufen, dass der Vertreter der Organisationskommission Punkt e seiner Erklärung nicht in der ersten, sondern in der zweiten Beratung vorgebracht hat.

Das ZK hält es für notwendig, zum sachlichen Inhalt seiner Antworten folgende Aufklärung zu geben: Aus dem Meinungsaustausch auf dem 3. Parteitage hat sich klar ergeben, dass die gewaltige Mehrheit der dort vertretenen Organisationen prinzipielle Anhänger eines möglichst weitgehenden Demokratismus der Organisationsformen ist, dabei aber die Ansicht vertritt, dass unter der bestehenden politischen Ordnung obligatorische Reformen in diesem Sinne ohne ernstlichen Schaden für die Sache praktisch nicht über bestimmte Grenzen, die im neuen Parteistatut festgelegt sind, hinausgehen dürfen. Die Autonomie der örtlichen Organisationen erlaubt ihnen unter günstigen Verhältnissen, die allerdings bis jetzt auf jeden Fall noch selten sind, auch weitere Reformen in ihren inneren Beziehungen in der Richtung des Demokratismus durchzuführen. Von den Auffassungen des 3. Parteitages hat sich das ZK in seiner Antwort auf die Punkte a und b leiten lassen.

Die im Punkte c angeschnittene Frage wurde auf dem Parteitage nicht direkt berührt. Darum ließ sich das ZK bei der Erklärung seiner prinzipiellen Übereinstimmung mit diesem Punkte einerseits leiten von den oben angeführten allgemeinen Erwägungen über den Demokratismus und anderseits von der Resolution des Parteitages über die wünschenswerte Veranstaltung aller möglichen Konferenzen über die Fragen der Taktik und der Organisation und schließlich von dem Gedanken an die reale Unterstützung, die solche „zentrale Konferenzen", wenn sie verwirklicht würden, dem ZK bei seiner schwierigen Arbeit gewähren würden. Da das ZK aber an die Möglichkeit ihrer baldigen Veranstaltung nicht glaubt, konnte es in dieser Frage sich nicht zu mehr verpflichten, als zur „möglichen Förderung" ihrer Verwirklichung, d. h„ wie in der Beratung erläutert wurde, zu einer Förderung, die mit keiner Schwächung oder Verzögerung der laufenden Arbeit des ZK verbunden ist.

Zugleich mit den Beratungen über die Frage der Vereinigung werden Verhandlungen über den allgemeinen Plan der Reichsdumakampagne geführt. Hier stößt eine Vereinbarung augenscheinlich auf keinerlei Hindernisse.

1 Die zweite Beratung fand am 12./25. Juli 1905 statt. D. Red.

* Der Punkt e wurde, um sich hierüber mit der Redaktion des Zentralorgans ins Einvernehmen zu setzen, bis zur nächsten Beratung vertagt.

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