XI. Die Viehzucht im Klein- und Großbetrieb

XI. Die Viehzucht im Klein- und Großbetrieb

Die Kritiker“ oder Bernsteinianer in der Agrarfrage berufen sich bei der Verteidigung des Kleinbetriebs besonders häufig auf folgenden Umstand. Die kleinen Landwirte halten auf einer gegebenen Einheit Bodenfläche unvergleichlich mehr Vieh als die großen Landwirte. Folglich, sagt man, düngen die kleinen Landwirte den Boden besser. Ihre Wirtschaft steht in technischer Beziehung höher, da die Düngung in der modernen Landwirtschaft eine entscheidende Rolle spielt, und der Dünger vom Vieh, das in der Wirtschaft gehalten wird, allen und jeden künstlichen Düngemitteln um ein Vielfaches überlegen ist.

Diesem Argument misst Ed. David in seinem Buche „Sozialismus und Landwirtschaft“ entscheidende Bedeutung bei (S. 425, 674-675). Er schreibt in hervorgehobener Schrift: „Der Mist ist die Seele der Landwirtschaft“ (S. 402) und macht aus dieser Wahrheit die Hauptgrundlage seiner Verteidigung des landwirtschaftlichen Kleinbetriebs. Er führt die deutsche Statistik an, die zeigt, dass in den Kleinbetrieben auf eine Einheit Bodenfläche bedeutend mehr Vieh gehalten wird als in den Großbetrieben. David ist überzeugt, dass diese Angaben die Frage der Vorzüge des Groß- oder Kleinbetriebs in der Landwirtschaft endgültig zu seinen Gunsten entscheiden.

Betrachten wir uns diese Theorie und die Mistseele der Landwirtschaft ein wenig näher.

Das Hauptargument Davids und seiner zahlreichen Anhänger unter den bürgerlichen Ökonomen ist ein statistisches. Es wird die Menge des Viehs (pro Einheit Bodenfläche) in Betrieben verschiedenen Umfangs verglichen. Hierbei wird stillschweigend vorausgesetzt, dass gleichartige Größen verglichen werden, d. h. dass eine gleiche Menge Vieh einer bestimmten Gattung sowohl in den Großbetrieben wie in den Kleinbetrieben einen sozusagen gleichen landwirtschaftlichen Wert darstellt. Es wird vorausgesetzt, dass eine gleiche Menge Vieh eine gleiche Menge Mist ergibt, dass das Vieh sich in den Groß- und Kleinbetrieben durch mehr oder minder gleiche Qualitäten auszeichnet usw.

Es ist augenscheinlich, dass von der Richtigkeit dieser üblichen stillschweigenden Voraussetzung voll und ganz die Beweiskraft des zu untersuchenden Arguments abhängt. Ist diese These richtig? Wenn man von der nackten und groben summarischen Statistik zur Analyse der sozial-ökonomischen Bedingungen der landwirtschaftlichen Klein- und Großproduktion als Ganzes übergeht, so sieht man sofort, dass gerade das zu Beweisende durch diese These als bewiesen angenommen wird. Der Marxismus behauptet, dass im Kleinbetrieb die Bedingungen der Viehhaltung (und, wie wir sahen, auch die Bedingungen der Bodenpflege und des Unterhalts des selbst arbeitenden Landwirts) schlechter sind als im Großbetrieb. Die bürgerliche politische Ökonomie und nach ihr die Bernsteinianer behaupten das Gegenteil: in Anbetracht des Fleißes des kleinen Landwirts seien die Bedingungen der Viehhaltung im Kleinbetrieb beträchtlich besser als im Großbetrieb. Um statistische Angaben zu finden, die Licht auf diese Frage werfen, ist eine ganz andere Statistik nötig als die, mit der David operiert. Nötig ist eine statistische Untersuchung nicht über die Menge des Viehs in Wirtschaften verschiedenen Umfangs, sondern über seine Qualität. In der deutschen Wirtschaftsliteratur gibt es eine solche Untersuchung, vielleicht nicht nur eine. Und es ist im höchsten Grade kennzeichnend, dass David, der sein Buch mit einer Unmasse allen möglichen agronomischen Werken entnommener Zitate, die mit der Sache nichts zu tun haben, gefüllt hat, gerade die in der Literatur vorliegenden Versuche, die inneren Bedingungen des Klein- und Großbetriebs auf Grund detaillierter Untersuchungen aufzudecken, mit vollkommenem Stillschweigen übergangen hat. Mit einer dieser von David unverdient übergangenen Arbeiten wollen wir den Leser denn auch bekannt machen.

Ein bekannter deutscher Schriftsteller in Fragen der Landwirtschaft, Drechsler, hat die Ergebnisse einer monographischen „landwirtschaftlichen statistischen Untersuchung“ veröffentlicht, über die er mit Recht sagte, dass „sie in Bezug auf die Genauigkeit der Ergebnisse kaum ihresgleichen hat“. In der Provinz Hannover wurden 25 Ansiedlungen (22 Dörfer und 3 Gutsgehöfte) untersucht, wobei über jede einzelne Wirtschaft Angaben nicht nur über die Bodenmenge und die Viehmenge, sondern auch über die Qualität des Viehs gesammelt wurden. Zur Bestimmung der Qualität des Viehs wurde eine besonders genaue Methode angewandt: es wurde das LebendgewichtA eines jeden Stück Vieh in Kilogramm „auf Grund einer möglichst genauen Schätzung der einzelnen Stücke Vieh–einer Schätzung, die von Fachleuten vorgenommen wurde“ festgestellt. So wurden Angaben über das Lebendgewicht jeder Viehgattung in Wirtschaften verschiedenen Umfangs gesammelt. Dabei wurde die Untersuchung wiederholt: die erste fand im Jahre 1875, die zweite im Jahre 1884 statt. Die Angaben wurden von Drechsler unbearbeitet herausgegebenB, und zwar über jedes dieser drei Güter und über drei Gruppen von Dörfern, wobei die bäuerlichen Wirtschaften in den Dörfern in sieben Gruppen nach der Bodenmenge (ungeteilt wurden (über 50 ha, 2550, 12,525, 7,512,5, 2,5– 7,5, 1,25–2,5 und unter 1,25 ha). Berücksichtigt man, dass die Angaben Drechslers 11 verschiedene Viehgattungen betreffen, so wird dem Leser die Kompliziertheit aller dieser Tabellen klar. Uni zusammenfassende Angaben zu erhalten, die es erlauben, allgemeine und grundlegende Schlussfolgerungen zu ziehen, werden wir alle Wirtschaften in fünf Hauptgruppen einteilen: a) große. Güter; h) bäuerliche Wirtschaften mit über 25 ha Land; c) mit 7,5-25 ha; d) mit 2,5-7,5 ha und e) mit weniger als 2,5 ha.

Die Zahl der Wirtschaften in diesen Gruppen und die Bodenmenge, über die sie verfügten, betrug in den Jahren 1875 und 1884:


Im Jahre 1875

Im Jahre 1884

Zahl der Wirt­schaf­ten

Boden­menge

Boden pro Wirt­schaft

Zahl der Wirt­schaf­ten

Boden­menge

Boden pro Wirt­schaft


(in Hektar)

a) Güter

3

589

229

3

766

255

Wirtschaften mit

b) 25 und mehr ha

51

1949

38

58

2.449

42

c) 7,525 ha

274

3.540

13

248

3.135

12

d) 2,5–7,5 ha

442

1.895

4,3

407

1.774

4,3

e) unter 2,5 ha

1.449

1.279

0,88

1.109

1.027

0,92

Insgesamt

2.219

9.352

4,2

1.815

9.151

5

Um diese Zahlen zu erläutern, wollen wir uns vor allem mit dem wirtschaftlichen Typus der Wirtschaften der verschiedenen Größenklassen befassen. Drechsler ist der Ansicht, dass keine Wirtschaft mit 7,5 und mehr ha Boden ohne Lohnarbeit auskommt. Es ergeben sich (im Jahre 1875) 325 Bauernwirtschaften, die Arbeiter dingen. Alle Landwirte mit weniger als 2,5 ha müssen sich selbst verdingen. Von den Wirtschaften mit 2,57,5 ha (Durchschnittsgröße = 4,3 ha) kommt nach der Berechnung Drechslers die Hälfte ohne Lohnarbeit aus, während die andere Hälfte Lohnarbeiter abgeben muss. Folglich sind unter den bäuerlichen Wirtschaften insgesamt 325 kapitalistische, 221 kleine „Werktätige“ (wie unsere Narodniki sagen würden), die keine Arbeiter dingen und sich selbst nicht verdingen, und 1670 halb proletarische, die sich verdingen.

Leider differiert die Einteilung Drechslers mit der Einteilung der allgemeinen deutschen Statistik, die als Mittelbauern die Besitzer mit 5–20 ha rechnet. Trotzdem aber bleibt es eine unbezweifelbare Tatsache, dass die Mehrzahl dieser Mittelbauern nicht ohne Lohnarbeit auskommen. Die „mittleren“ Bauern in Deutschland sind kleine Kapitalisten. Die Bauern aber, die keine Lohnarbeiter dingen und sich selbst nicht verdingen, bilden eine unbedeutende Minderheit: 221 von 2216, d. h. den zehnten Teil.

Somit werden die von uns gewählten Wirtschaftsgruppen ihrem ökonomischen Typus nach folgendermaßen charakterisiert: a) kapitalistische Großbetriebe, b) kapitalistische Mittelbetriebe (Großbauern) ; c) kapitalistische Kleinbetriebe; d) kleinbäuerliche und e) halb proletarische.

Die Gesamtzahl der Betriebe und die Gesamtmenge des sich in ihrem Besitz befindlichen Bodens hat sich von 1875 bis 1884 verringert. Diese Verringerung entfällt hauptsächlich auf die Kleinbetriebe: die Betriebe mit weniger als 2,5 ha haben sich von 1449 auf 1109, d. h. um 340 Betriebe oder um fast ein Viertel verringert. Umgekehrt ist die Zahl der größten Betriebe (über 25 ha) von 54 auf 61 und die Bodenmenge, die sich in ihrem Besitz befindet, von 2638 ha auf 3215 ha, d. h. um 577 ha gestiegen. Folglich bedeutet die von Drechsler mit Begeisterung festgestellte allgemeine Verbesserung der Wirtschaft und Steigerung des Kulturniveaus in dieser Gegend eine Konzentrierung der Landwirtschaft in den Händen einer sich verringernden Anzahl von Eigentümern. Der „Fortschritt“ hat aus der Landwirtschaft fast 400 Besitzer von 2219 (im Jahre 1884 waren 1825 übriggeblieben) ausgestoßen, und bei den übriggebliebenen die durchschnittliche Bodenmenge pro Wirtschaft von 4,2 auf 5 ha erhöht. In der einen Gegend konzentriert der Kapitalismus einen gegebenen Zweig der Landwirtschaft und stößt eine Reihe von Kleinbesitzern ins Proletariat hinab. In der anderen Gegend schafft das Wachstum der für den Markt produzierenden Landwirtschaft eine Reihe neuer Kleinbetriebe (z. B. die Milchwirtschaft in den Vorstadtdörfern und in ganzen Ländern, die wie Dänemark Produkte ins Ausland liefern). In anderen Gegenden erhöht die Zersplitterung der Mittelbetriebe die Zahl der Kleinbetriebe. Die summarische Statistik verhüllt alle diese Prozesse, für deren, Studium Detailuntersuchungen notwendig sind.

Der Fortschritt der Landwirtschaft in der beschriebenen Gegend kam besonders in der Verbesserung der Viehzucht zum Ausdruck. Dabei hat sich die Gesamtzahl des Viehbestandes verringert. Im Jahre 1875 gab es 7208 Stück Vieh (in Großvieh ungerechnet), im Jahre 1884 6993. Für eine summarische Statistik würde diese Verringerung der Kopfzahl des Viehs als Anzeichen eines Niedergangs der Viehzucht dienen. In Wirklichkeit hat sich die Qualität des Viehs verbessert, so dass, wenn man nicht die Kopfzahl des Viehs, sondern ihr Gesamtlebendgewicht nimmt, man 2.556.872 kg im Jahre 1875 und 2.696.107 kg im Jahre 1884 erhält.

Der kapitalistische Fortschritt der Viehzucht zeigt sich nicht nur, manchmal sogar nicht so sehr in der Erhöhung der Zahl als in der Verbesserung der Qualität, in der Ersetzung schlechteren Viehs durch besseres, in der Vermehrung der Fütterung usw.

Die durchschnittliche Kopfzahl des Viehs pro Wirtschaft betrug:


Im Jahre 1875

Im Jahre 1881


Großvieh

Kleinvieh

Insgesamt

Großvieh

Kleinvieh

Insgesamt


(In Großvieh umgerechnet)

a) Güter

105

69

174

110

41

151

Wirtschaften mit

b) 25 und mehr ha . .

13,2

11

24,2

13,7

10,5

24,2

c} 7,5 – 25 ha … .

5,4

3,8

9,2

4,9

4,2

9,1

d) 2,5 – 7,5 „ .…

2,8

1,4

3,6

2,2

1,8

4,0

e) unter 2,5

0,3

0,6

0,9

0,4

0,7

1,1

Insgesamt

1,7

1,5

3,2

2

1,8

3,8

In den größten Wirtschaften hat sich die Zahl des Viehs verringert. In den kleinsten Wirtschaften ist sie gestiegen, und zwar um so rascher, je kleiner die Wirtschaft ist. Also etwa ein Fortschritt des Kleinbetriebs und ein Rückschritt des Großbetriebs, d. h. eine Bestätigung der Theorie Davids?

Man braucht jedoch nur die Angaben über das Durchschnittsgewicht des Viehs zu nehmen und die Illusion zerflattert.

Die erste Folgerung aus diesen Angaben besteht darin, dass die Qualität des Viehs um so besser ist, je größer der Umfang der Wirtschaft. Der Unterschied, der in dieser Beziehung zwischen den kapitalistischen und den kleinbäuerlichen oder halb proletarischen Wirtschaften besteht, erweist sich als gewaltig. Im Jahre 1884 z. B. überschreitet dieser Unterschied zwischen Wirtschaften mit größtem und kleinstem Umfang hundert Prozent: das Durchschnittsgewicht eines durchschnittlichen Stücks Vieh in den großkapitalistischen Wirtschaften beträgt 619 kg, in den halb proletarischen dagegen 301, d. h. weniger als die Hälfte! Danach kann man beurteilen, wie oberflächlich David und seine Gesinnungsgenossen urteilen, wenn sie die Gleichartigkeit der Qualität des Viehs im Groß- und Kleinbetrieb voraussetzen.


Durchschnittsgewicht eines Stücks Vieh in kg

Im Jahre 1875

Im Jahre 1881

Großvieh

KleinviehC

Insgesamt

Großvieh

Kleinvieh

Insgesamt

a) Güter

562

499

537

617

624

619

Wirtschaften mit

b) 25 und mehr ha . .

439

300

376

486

349

427

c) 7,5 25 ha …

409

281

356

432

322

382

d) 2,5 7,5

379

270

337

404

287

352

e) unter 2,5

350

243

280

373

261

301

Im Durchschnitt

412

256

354

446

316

385

Oben wiesen wir bereits darauf hin, dass der Unterhalt des Viehs im Kleinbetrieb überhaupt schlechter ist. Jetzt haben wir eine durch Tatsachen bekräftigte Bestätigung hierfür. Die Angaben über das Lebendgewicht des Viehs geben die genaueste Vorstellung von allen Bedingungen der Viehhaltung: Futter, Ställe, Arbeit, Pflege –- dies alles summiert sich sozusagen in den Resultaten, die in der Monographie Drechslers einen statistischen Ausdruck erhalten haben. Es zeigt sich, dass aller „Fleiß“ des Kleinbauern bei der Pflege des Viehs ein Fleiß, den unser Herr W. W. und der deutsche David besingen nicht imstande ist, auch nur annähernd die Vorteile des Großbetriebs, der ein Produkt doppelt so guter Qualität liefert, aufzuwiegen. Der Kapitalismus verdammt den Kleinbauer zu ewiger Schinderei, zu nutzloser Arbeitsvergeudung, denn die sorgfältigste Pflege des Viehs ist bei einem Mangel an Mitteln, bei einem Mangel an Futter, bei schlechter Qualität des Viehs, bei schlechten Ställen usw. einer nutzlosen Arbeitsvergeudung gleichbedeutend. Die bürgerliche politische Ökonomie stellt in ihrem Urteil nicht diese Zugrunderichtung und Unterdrückung des Bauern durch den Kapitalismus in den Vordergrund, sondern den „Fleiß“ des Werktätigen (des für das Kapital unter den schlechtesten Bedingungen der Ausbeutung arbeitenden Werktätigen).

Die zweite Folgerung aus den angeführten Angaben besteht darin„ dass die Qualität des Viehs in dem erwähnten Jahrzehnt sich im Durchschnitt verbessert hat, und zwar in allen Wirtschaftsgruppen. Als Folge dieser allgemeinen Verbesserung ist aber der Unterschied der Bedingungen der Viehzucht im Groß- und Kleinbetrieb nicht kleiner, sondern größer geworden. Die allgemeine Verbesserung hat keinen Ausgleich zwischen den Groß- und Kleinbetrieben herbeigeführt, sondern die Kluft zwischen ihnen vertieft, da der Großbetrieb den Kleinbetrieb in diesem Verbesserungsprozess überholt. Nachstehend ein Vergleich 'des Durchschnittsgewichts eines mittleren Stücks Vieh nach Gruppen in den Jahren 1875 und 1884:


Durchschnittsgewicht eines mittleren Stücks Vieh in kg

Zunahme um

Zunahme in % um


1875

1881



a) Güter

537

619

+ 82

+ 15,2

Wirtschaften mit

b) 25 und mehr ha

376

427

+ 61

+ 13,6

c) 7,5 – 25 ha

356

382

+ 26

+ 7,3

d) 2,5- 7,5

337

352

+ 15

+ 4,4

e) unter 2,5 „

280

301

21

+ 7,5

Im Durchschnitt

354

385

+ 29

+ 8,2

Die Verbesserung ist am größten in den großkapitalistischen, dann in den mittelkapitalistischen Wirtschaften, ganz gering in den kleinbäuerlichen und sehr unbedeutend in den übrigen Wirtschaften. Drechsler, wie auch die überwiegende Mehrheit der Agronomen, die über Fragen der landwirtschaftlichen Ökonomie schreiben, hat lediglich die technische Seite der Angelegenheit bemerkt. In seiner fünften Schlussfolgerung; die er aus dem Vergleich der Jahre 1875 und 1884 zieht, sagt er: „Es ist ein ganz bedeutender Fortschritt in der Viehzucht festzustellenD: eine Verringerung der Kopfzahl des Viehs und eine Verbesserung der Qualität; das durchschnittliche Lebendgewicht eines Stücks Vieh hat sich in jeder dieser drei Gruppen von Dörfern bedeutend erhöht.E Das bedeutet, dass ziemlich allgemein eine wesentliche Verbesserung in der Aufzucht, Fütterung und Pflege des Viehs, stattgefunden hat.“

Die von uns hervorgehobenen Worte „ziemlich1 allgemein“ bezeugen gerade, dass der Verfasser die sozial-ökonomische Seile der Frage ignoriert; „mehr“ bezieht sich auf die Großbetriebe, „minder“ auf die Kleinbetriebe. Drechsler hat dies nicht bemerkt, da er nur auf die Angaben über die Gruppen der Dörfer, nicht aber über die Gruppen der Wirtschaften verschiedenen Typus geachtet hat.

Wir wollen jetzt zu den Angaben über das Nutzvieh übergehen, die Licht auf die Bedingungen der im engen Sinne des Wortes landwirtschaftlichen Betriebe werfen. In Bezug auf die Zahl des Nutzviehs werden die von uns untersuchten Wirtschaften, durch folgende Zahlen gekennzeichnet:


Stück Nutzvieh im Durchschnitt auf 1 Wirtschaft


1875

1884

a) Güter

27

44

Wirtschaften mit

b) 25 und mehr ha

4,7

5,5

c) 7,5 – 25 ha

2,1

2,4

d) 2,5 – 7,5 „

1,3

1,5

e) unter 2,5

0,07

0,16

Im Durchschnitt

0,7

1,0

Hieraus folgt, dass die halb proletarischen Wirtschaften (unter 2,5 ha solche Wirtschaften gab es im Jahre 1884 1109 von 1825) in ihrer gewaltigen Mehrzahl vollständig des Nutzviehs beraubt sind. Diese Wirtschaften dürfen deshalb auch nicht als landwirtschaftliche Betriebe im wahren Sinne des Wortes betrachtet werden. Jedenfalls dürfen, was die Bedingungen der Verwendung von Nutzvieh anbetrifft, solche Wirtschaften, die zu 93 Prozent oder zu 84 Prozent überhaupt kein Nutzvieh verwenden, nicht mit Großbetrieben verglichen werden. Wenn wir dagegen in dieser Beziehung die kapitalistischen Großbetriebe und die kleinbäuerlichen Betriebe vergleichen, so sehen wir, dass in den ersteren (Gruppe a) 132 Stück Nutzvieh auf 766 ha Land kommen, in den letzteren (Gruppe d) 632 Stück auf 1744 ha (1884), d. h. in den ersteren kommt 1 Stück Nutzvieh auf etwa sechs Hektar, in den letzteren auf etwa drei Hektar. Es ist klar, dass die Kleinbetriebe die doppelte Ausgabe für den Unterhalt des Nutzviehs haben. Der Kleinbetrieb bedeutet Zersplitterung der technischen Mittel der Wirtschaft und Arbeitsvergeudung infolge dieser Zersplitterung.

Eine Ursache dieser Zersplitterung ist teilweise der Umstand, dass die Kleinbetriebe zur Verwendung von Nutzvieh schlechterer Qualität, nämlich zur Verwendung von Kühen als Nutzvieh greifen müssen. Unter der Gesamtzahl des Nutzviehs gab es folgenden Prozentsatz an Kühen:


1875

1884


in %

a) Güter

Wirtschaften mit

b) 26 und mehr ha

2,5

c) 7,5 – 25 ha

6,3

11,4

d) 2,5– 7,5

60,7

64,9

e) unter 2,5 „

67,7

77,9

Im Durchschnitt

27,0

33,4

Hieraus ist klar ersichtlich, dass die Verwendung von Kühen für Feldarbeiten anwächst und dass die Kühe in den halb proletarischen und kleinbäuerlichen Wirtschaften das hauptsächliche Nutzvieh sind. David ist geneigt, dies als Fortschritt anzusehen – genau so wie der ganz und gar auf bürgerlichem Standpunkt stehende Drechsler, der in seinen Schlussfolgerungen schreibt: „Eine große Zahl von Kleinbetrieben ist zu der für sie zweckmäßigeren Verwendung von Kühen als Nutzvieh übergegangen.“ „Zweckmäßiger“ ist dies für die kleinen Landwirte deshalb, weil es billiger ist. Billiger aber ist es deshalb, weil das bessere Nutzvieh durch schlechteres ersetzt wird. Der die Drechsler und David in Entzücken versetzende Fortschritt der Kleinbauern gleicht voll und ganz dem Fortschritt der verschwindenden Handweber, die zu immer schlechteren Materialien, zu den Abfällen der Fabrikproduktion übergehen.

Das Durchschnittsgewicht der Arbeitskühe betrug im Jahre 1884 381 kgF, während das der Arbeitspferde 482 kg und das der Zugochsen 553 kg betrug. Diese letztere Art Nutzvieh, das stärkste, bildete im Jahre 1884 mehr als die Hälfte im Gesamtbestand des Nutzviehs der großen kapitalistischen Besitzer, etwa ein Viertel bei den mittleren und kleineren Kapitalisten, weniger als ein Fünftel bei den Kleinbauern und weniger als ein Zehntel bei den halb proletarischen Wirtschaften. Folglich ist die Qualität des Nutzviehs um so höher, je größer die Wirtschaft ist. Das Durchschnittsgewicht eines mittleren Stücks Nutzvieh ist folgendes:


1875

1884

a) Güter

554

598

Wirtschaften mit

b) 25 und mehr ha

542

537

c) 7,5-25 ha

488

482

d) 2,5-7,5 „

404 .

409

e) unter 2,5 „

377

378

Im Durchschnitt

464

460

Hieraus folgt, dass sich das Nutzvieh im Großen und Ganzen verschlechtert hat. Tatsächlich sehen wir in den kapitalistischen Großbetrieben eine bedeutende Verbesserung, in allen übrigen Betrieben einen Stillstand oder eine Verschlechterung. In Bezug auf Qualität des Nutzviehs hat sich der Unterschied zwischen dem Groß-und Kleinbetrieb von 1875 bis 1884 ebenfalls vergrößert. Der Übergang der Kleinbetriebe zur Verwendung von Kühen als Nutzvieh ist eine allgemeine Erscheinung in Deutschland.G Und unsere Angaben beweisen mit dokumentarischer Genauigkeit, dass dieser Übergang eine Verschlechterung der Bedingungen der landwirtschaftlichen Produktion und eine Vergrößerung der Not der Bauernschaft bedeutet.

Um den Überblick über die Angaben der Monographie Drechslers abzuschließen, wollen wir noch eine Berechnung der Menge und des Gewichts des gesamten Viehs pro Einheit Bodenfläche, d. h. jene Berechnung anführen, die David an Hand der Daten der deutschen landwirtschaftlichen Statistik überhaupt anstellt:


Auf 1 ha Boden:


Stückzahl des gesamten Viehs

(in Großvieh umgerechnet)

Gewicht des Gesamtviehs in kg


1875

1884

1875

a) Güter .

0,77

0,59

408

Wirtschaften mit

b) 25 und mehr ha

0,63

0,57

238

c) 7,5–25 ha

0,71

0,72

254

d) 2,5– 7,5 „

0,85

0,94

288

e) unter 2,5 „

1,02

1,18

286

Im Durchschnitt

0,77

0,76

273

Die Angaben über die Stückzahl des Viehs pro Hektar Boden, das sind die Angaben, auf die sich David beschränkt. In unserem Beispiel, wie auch in der deutschen Landwirtschaft in ihrer Gesamtheit, zeigen diese Angaben eine Verringerung der Zahl des Viehs pro Einheit Bodenfläche in den Großbetrieben. Im Jahre 1884 z. B. entfällt in den halb proletarischen Wirtschaften genau doppelt so viel Vieh auf 1 ha wie in den großkapitalistischen Wirtschaften (1,18 gegen 0,59). Doch wissen wir jetzt bereits, dass in einer solchen Berechnung unvergleichbare Dinge verglichen werden. Die Angaben über das Gewicht des Viehs zeigen das tatsächliche .Verhältnis der Wirtschaften zueinander: der Großbetrieb erweist sich auch in dieser Beziehung als besser gestellt, da er das meiste Vieh nach Gewicht pro Einheit Bodenfläche und folglich auch den meisten Dünger hat. Somit ist die Schlussfolgerung Davids, dass die Kleinwirtschaften im Großen und Ganzen mit Dünger besser versehen sind, der Wirklichkeit diametral entgegengesetzt. Und hierbei muss man berücksichtigen, dass unsere Angaben erstens den Kunstdünger nicht betreffen, den nur die wohlhabenden Besitzer zu kaufen in der Lage sind, und zweitens, dass der Vergleich der Kopfzahl des Viehs nach Gewicht Groß- und Kleinvieh gleichsetzt, z. B. 45.625 kg das Gewicht von 68 Stück Vieh im Großbetrieb und 45.097 kg das Gewicht von 1786 Ziegen in Kleinbetrieben (1884). In Wirklichkeit ist das Übergewicht der Großbetriebe in Bezug auf die Versorgung mit Stalldünger bedeutender als unsere Zahlen zeigen.H

Die Schlussfolgerung ist: durch die Phrase „der Mist ist die Seele der Landwirtschaft“ hat David die sozial-ökonomischen Verhältnisse in einer besonders auf Viehzucht eingerichteten Wirtschaft übergangen und die Sache in völlig verzerrter Weise dargestellt.

Der Großbetrieb im der kapitalistischen Landwirtschaft hat ein gewaltiges Übergewicht über den Kleinbetrieb hinsichtlich der Qualität des Viehs überhaupt, der Qualität des Nutzviehs im Besonderen, hinsichtlich der Bedingungen der Haltung von Vieh, seiner Verbesserung und Nutzbarmachung für die Düngung.

A David kennt diese Methode der Agronomen, das Lebendgewicht der einzelnen Stücke Vieh zu bestimmen, sehr gut. Auf Seite 479 erzählt er ausführlich, welches Lebendgewicht die verschiedenen Arten des Mast-, Milch-, Arbeitsviehs usw. haben. Er schreibt diese Angaben bei den Agronomen ab. Es kommt ihm nicht einmal in den Kopf, dass es einem Ökonomen überhaupt und einem Sozialisten im Besonderen nicht auf den Unterschied der Viehgattungen, sondern auf den Unterschied der Bedingungen der Viehhaltung im Klein- und Großbetrieb, in der „bäuerlichen“ und der kapitalistischen Wirtschaft ankommt,

B Für das Jahr 1875 in den „Schriften des Vereins für Sozialpolitik“, Bd. XXIV, S. 112 („Bäuerliche Zustände“, Bd. III), und für das Jahr 1884 in „Thiels landwirtschaftlichen Jahrbüchern“, Bd. XV (1886).

C Verschiedenes Kleinvieh ist nach den üblichen Normen in Großvieh umgerechnet. Für ein Jahr ist für eine der elf Viehgattungen die Stückzahl annähernd bestimmt: die Angaben betreffen nur das Gewicht, nicht aber die Stückzahl.

D Drechsler spricht hier von allem Vieh außer dem Nutzvieh. Wir werden untenstehend Angaben über das Nutzvieh gesondert anführen. Die allgemeine Schlussfolgerung bleibt die gleiche, welche Viehgattungen oder welche Gruppen von Viehgattungen wir auch nehmen.

E Drechsler teilt die 22 Dörfer in drei Gruppen nach der geographischen Lage und nach anderen Wirtschaftsbedingungen. Wir nahmen nur die zusammenfassenden Angaben, um den Aufsatz nicht mit Zahlen zu überfüllen. Die Schlussfolgerungen ändern sich nicht, welche Gruppen von Dörfern wir auch nehmen.

1 „Ziemlich“ ist hier als „mehr oder minder“ ins Russische übersetzt, daher der folgende polemische Satz. D. Red.

F Das Durchschnittsgewicht der nicht für Feldarbeiten verwendeten Kühe beträgt 421 kg.

H Wir erinnern an die oben (Kapitel VI) angeführten Bemerkungen Klawkis: „Die Düngerproduktion ist bei den Kleinbesitzern schlechter: das Stroh ihres Getreides ist kürzer, ein großer Teil davon wird verfüttert (also wiederum eine Verschlechterung der Qualität des Futters) und zur Streu wird weniger Stroh verwendet.“

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