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Wladimir I. Lenin 19070207 Die Wahlen in der Petersburger Arbeiterkurie

Wladimir I. Lenin: Die Wahlen in der Petersburger Arbeiterkurie1

[Proslyje Rjetschi" Nr. 3, 12. Februar (30. Januar) 1907, gez.: N. Lenin und „Proletarij" Nr. 12, 7. Februar (25. Januar) 1907. Nach Sämtliche Werke, Band 10, Wien-Berlin 1930, S. 437-446]

Die Wahlen der Bevollmächtigten der Arbeiter sind ein außerordentlich wichtiges Ereignis im politischen Leben Russlands und in der Geschichte unserer Arbeiterbewegung, das noch lange nicht genügend gewürdigt worden ist.

Zum ersten Mal sind alle Parteien, die irgendwelche Stützpunkte im Proletariat haben, vor die Masse der Arbeiter getreten, nicht mit allgemeinen Programmen oder Losungen, sondern mit einer bestimmten praktischen Frage: den Kandidaten welcher Partei vertraut die Arbeitermasse ihre Vertretung an? Das Wahlsystem in der Arbeiterkurie ist natürlich, wie allgemein bekannt ist, sehr, sehr weit von einer richtigen demokratischen Vertretung entfernt. Immerhin aber tritt die Arbeitermasse bei den Wahlen auf. Und der Kampf, den die Parteien, und zwar als bestimmte politische Parteien führen, findet zum ersten Mal in Russland vor der breiten Arbeitermasse statt.

Die Wahlen der Arbeiterbevollmächtigten haben bereits in vielen Ortschaften Russlands stattgefunden. Irgendwelche vollständige und genaue Angaben über den Kampf der Parteien bei diesen Wahlen liegen jedoch nicht vor. Die Zeitungen bringen nur ganz allgemeine Schlüsse, die man überdies annäherungsweise, „nach Augenmaß" gezogen hat. Wenn die Parteiarbeiter und insbesondere die fortgeschrittensten Arbeiter nicht das notwendige und äußerst wichtige Werk des Studiums des Verlaufs und der Ergebnisse der Wahlen in der Arbeiterkurie in Angriff nehmen, so kann man mit Sicherheit sagen, dass wir einen außerordentlich wertvollen und für die weitere Entwicklung der Parteiarbeit und der Parteiagitation notwendigen Stoff verlieren.

Alle Zeitungen formulieren ihren allgemeinen Eindruck von den Wahlen in der russischen Arbeiterkurie folgendermaßen: vollständiger Sieg der äußersten Linken, vor allem der Sozialdemokratie, dann auch der Sozialrevolutionäre.

Die Hauptthese der Sozialdemokratie ist durch die Wahlen glänzend bestätigt worden: das Proletariat ist revolutionär als Klasse. Die proletarische Masse ist sozialdemokratisch in ihren Bestrebungen und Neigungen. Das Proletariat ist die revolutionärste von allen Klassen Russlands.

Das Gerede, dass die Sozialdemokratische Partei in Russland keine Arbeiterpartei sei, ist durch die Wahlen praktisch widerlegt. Nur Liberale, die bewusst die Unwahrheit sprechen, oder Opportunisten, die leichtfertig in den Tag hinein reden, können jetzt bezweifeln, dass die russische Sozialdemokratie die Partei der proletarischen Massen ist.

Wenn man von dieser allgemeinen Folgerung zu einzelnen Teilfolgerungen übergeht, muss man zuerst den Vorbehalt machen, dass noch keine einigermaßen vollständigen Angaben vorliegen. Wir halten es jedoch nicht nur für zulässig, sondern auch für unbedingt notwendig, eine ganze Reihe von weiteren Schlüssen ins Auge zu fassen, und zwar durchaus nicht deswegen, weil wir auf eine Lösung der Frage Anspruch erheben, sondern weil wir eine Frage von ungeheurer Wichtigkeit vor allen Genossen zur Erörterung stellen und einen Gedankenaustausch, die Sammlung von Material usw. anregen wollen.

Nach den ersten Zeitungsmeldungen springt der Unterschied zwischen dem eigentlichen Russland und dem industriell, kulturell und politisch viel höher entwickelten Polen ins Auge. In Russland, zumindest in St. Petersburg und Moskau, gibt es keine ausgesprochen bürgerlichen Parteien, die sich auch nur zum Teil auf das Proletariat stützten. Die Sozialdemokraten haben ein erdrückendes Übergewicht, bedeutend geringeren Einfluss genießt die äußerste linke bürgerliche Demokratie, die sich für sozialistisch hält, die Partei der Sozialrevolutionäre. Kadetten gibt es unter den Arbeitern entweder überhaupt nicht oder nur eine ganz verschwindend geringe Anzahl.

In Polen gibt es eine ausgesprochen bürgerliche Partei, die bei den Wahlen fühlbar in Erscheinung getreten ist, nämlich die weiter rechts als die Kadetten stehende Partei der Narodowzy (Narodowy demokraty, N.-D. En-DeKi). Diese Tatsache lässt sich nicht aus der Heftigkeit der polizeilichen und militärischen Verfolgungen erklären. Die Bourgeoisie, die in Polen die nationale Unterdrückung aller Polen, die religiöse Unterdrückung aller Katholiken sehr geschickt ausnützt, sucht und findet eine gewisse Stütze in den Massen, von der polnischen Bauernschaft gar nicht zu reden.

Es versteht sich jedoch von selbst, dass es unsinnig wäre, aus diesem Unterschied besondere Vorzüge der russischen Rückständigkeit abzuleiten. Nein, die Sache ist einfacher. Die Erklärung liegt in den geschichtlichen und wirtschaftlichen und nicht in den nationalen Unterschieden. In Russland gibt es in den unteren Volksschichten, im Dorfe, in den ländlichen Besitzverhältnissen unvergleichlich mehr Überbleibsel des Feudalismus, infolgedessen viel mehr ursprünglichen, unmittelbaren Revolutionarismus in der Bauernschaft und der eng mit ihr verbundenen Arbeiterklasse. In diesem Revolutionarismus ist zweifellos weniger proletarisches Klassenbewusstsein und mehr allgemein-demokratische (und zwar bedeutet das: dem Inhalt nach – bürgerlich-demokratische) Auflehnung enthalten. Außerdem ist bei uns die Bourgeoisie weniger entwickelt, weniger bewusst, im politischen Kampf weniger erfahren. Sie vernachlässigt die Arbeit unter dem Proletariat nicht so sehr, weil sie keinen Teil des Proletariats von uns losreißen könnte, als weil sie sich überhaupt nicht auf das Volk zu stützen braucht (wie die europäische und die polnische); es genügt ihr einstweilen, sich auf ihre Vorrechte, auf Bestechungen, auf die rohe Gewalt zu stützen. Auch bei uns wird es noch Zeiten geben, wo alle möglichen Abkömmlinge der Bourgeoisie den Nationalismus und irgendeinen christlichen Demokratismus und Antisemitismus und sonstigen Unrat in die Arbeitermasse tragen werden.

Wenden wir uns dem eigentlichen Russland zu. Vor allem müssen wir einen bemerkenswerten Unterschied zwischen Petersburg und Moskau feststellen. In Moskau ist ein vollständiger Sieg der Sozialdemokraten über die Sozialrevolutionäre zu verzeichnen. Laut einigen Meldungen – die zwar noch nicht ganz bestätigt sind – zählt man dort ungefähr 200 sozialdemokratische Bevollmächtigte gegenüber etwa 20 Sozialrevolutionären!

In Petersburg ist es umgekehrt: jedermann ist erstaunt über den unerwartet hohen Prozentsatz von sozialrevolutionären Bevollmächtigten. Die Sozialdemokraten haben natürlich das Übergewicht über die Sozialrevolutionäre, aber es ist kein erdrückendes Übergewicht. Man zählt ungefähr 33 Prozent und sogar (obwohl es kaum richtig sein dürfte) ungefähr 40 Prozent Sozialrevolutionäre. Gleichviel, ob wir einstweilen, bis wir genaue Nachrichten erhalten, die eine oder die andere Zahl nehmen, – jedenfalls wird es verständlich, warum die Mitgliedschaft der Sozialdemokratie in Petersburg das Gefühl hat: in der Arbeiterkurie „sind wir geschlagen". Sogar ein Drittel sozialrevolutionärer Bevollmächtigter bedeutet in der Hauptstadt bereits eine wirkliche Niederlage der Sozialdemokratie, – eine Niederlage im Vergleich mit dem, was wir im übrigen Russland sehen, und im Vergleich mit dem, was uns Sozialdemokraten allen als normal und notwendig erscheint.

Es ist eine Tatsache von ungeheurer Wichtigkeit In Petersburg haben die Sozialisten in der Arbeiterkurie ihr erdrückendes Übergewicht an die äußerste linke bürgerliche Demokratie verloren! Es ist unsere nächste Aufgabe, dieser Tatsache die größte Aufmerksamkeit zu schenken. Alle Sozialdemokraten müssen sich bemühen, diese Erscheinung gründlich zu studieren und richtig zu erklären.

Der allgemeine Eindruck der Petersburger Sozialdemokraten, die von dem Ergebnis der Wahlen vom 20. (7.) und 27. (14.) Januar verblüfft sind, besteht in folgendem: 1. gerade in den größten Betrieben, den Hochburgen des klassenbewusstesten, revolutionärsten Teiles des Proletariats ist die Niederlage, die die „Sozialrevolutionäre" den Sozialdemokraten beigebracht haben, ganz besonders empfindlich; 2. die „Sozialrevolutionäre" haben vor allem und hauptsächlich menschewistische Sozialdemokraten besiegt. In den Fällen, in denen ein Kandidat der Sozialrevolutionäre und ein Kandidat der bolschewistischen Sozialdemokraten gegeneinander kämpften, ist der Sieg viel häufiger und sogar in der Mehrzahl der Fälle der Sozialdemokratie zugefallen.

Man kann leicht erkennen, dass beide Schlussfolgerungen die größte Bedeutung haben. Deswegen müssen wir unbedingt dafür Sorge tragen, dass es nicht bei einfachen Eindrücken bleibt. Wir müssen genaue, geprüfte Angaben, die nicht zwei Deutungen zulassen, sammeln, um wirkliche Schlüsse ziehen zu können. Es ist natürlich äußerst unwahrscheinlich, ja sogar fast unmöglich, dass die einheitliche Ansicht der sozialdemokratischen Parteiarbeiter der verschiedensten Petersburger Bezirke verkehrt ist. Es wäre natürlich lächerliche Pedanterie, von Revolutionären, die gerade jetzt mit einer geradezu erdrückenden Menge von Wahlarbeit überhäuft sind, genaue und ausführliche Zahlenangaben zu verlangen; das grundlegende Material jedoch, die wichtigsten Zahlen und Angaben können und müssen gesammelt werden, weil wir sie für eine lange Zeit für unsere ganze sozialdemokratische Arbeit benötigen.

Weiter unten werden wir diese Frage ausführlicher behandeln (siehe den Artikel „Der Kampf der Sozialdemokraten und Sozialrevolutionäre bei den Wahlen in der St. Petersburger Arbeiterkurie").2

Vor allem muss festgestellt werden, dass das Überwiegen der sozialdemokratischen Bevollmächtigten augenscheinlich darauf hinweist, dass eine überwiegende Anzahl von Betrieben vorhanden ist, in denen die Sozialdemokraten Organisationszellen haben. Ausführlichere Angaben werden daher sicherlich die Beobachtung bestätigen, die die Sozialdemokraten bereits in den Freiheitstagen vom Oktober gemacht haben, dass nämlich die Sozialrevolutionäre keine gründliche, ernste organisatorische Arbeit im Proletariat leisten, sondern, wenn man so sagen darf, mit dem Mittel der Überrumpelung arbeiten: sobald die Stimmung einer Versammlung sich hebt, sind sie flink mit einer Resolution zur Hand, sie nützen jede gehobene Stimmung dazu aus, mit schwungvollen und wirksamen „revolutionären" Phrasen und Reden Mandate zu „ergattern".

Diese Ursache des Sieges der Sozialrevolutionäre wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch durch jede gewissenhafte Untersuchung der Wahlen, die jetzt in der St. Petersburger Arbeiterkurie stattgefunden haben, festgestellt werden. Letzten Endes handelt es sich darum, dass eine „revolutionäre" kleinbürgerliche Partei zu solider und hartnäckiger proletarischer Arbeit nicht fähig ist, – bei dem geringsten Stimmungswechsel verschwindet sie spurlos aus dem Gesichtskreis der Arbeitervororte. Nur in einzelnen Augenblicken gelingt es ihr, die noch geringe politische Schulung der Massen auszubeuten, indem sie durch ihre angeblich großzügige Fragestellung (die in Wirklichkeit verschwommen und voll intelligenzlerischen Flitterkrams ist) „fesselt", auf die Unentwickeltheit des Klassenbewusstseins spekuliert, demagogisch die traditionelle „Liebe zur Scholle" ausnützt, wo noch Verbindungen mit dem Dorf vorhanden sind usw. usw.

Der bürgerliche Charakter der Revolution führt naturgemäß dazu, dass in den Arbeitervierteln von Zeit zu Zeit plötzlich wie eine Sturmwolke radikale und wahrhaft3 revolutionäre bürgerliche Jugend auftaucht, die keinen Klassenstützpunkt unter ihren Füßen fühlt und instinktiv zum Proletariat, als der einzigen ernstlich für die Freiheit kämpfenden Masse4 kommt, wenn ein neuer Aufschwung, ein neuer Ansturm der Revolution in der Luft liegt. Sozialrevolutionäre Redner in Arbeiterversammlungen sind eine Art von Sturmvögeln, die verkünden, dass im Proletariat die Stimmung steigt5, dass das Proletariat sich nach den Niederlagen, die es erlitten hat, schon ein wenig ausgeruht und Kräfte gesammelt hat, dass im Proletariat wieder eine breite und tiefe Gärung beginnt, die zu neuem Kampf gegen die alte Ordnung6 führt.

Wenn man den Oktober und die „Duma"-Periode mit den gegenwärtigen Wahlen vergleicht und eine einfache Aufstellung macht über die fest verankerten Organisationszellen der Sozialrevolutionäre, wird man zweifellos eine Bestätigung dieser Erklärung erhalten.

Es wäre aber natürlich der größte Leichtsinn, sich auf diese Erklärung zu beschränken und die Augen vor der Tatsache zu verschließen, dass die Sozialrevolutionäre gerade in den größten, bewusstesten und kampferprobtesten Betrieben die Sozialdemokraten besiegt haben. Zum Glück wissen wir jedoch jetzt schon, dass die äußerste linke bürgerliche Demokratie in Wirklichkeit durchaus nicht die Sozialdemokratie, sondern die opportunistische Vulgarisierung der Sozialdemokratie besiegt hat.

Die revolutionäre bürgerliche Demokratie hat vor der revolutionären Sozialdemokratie die Segel gestrichen und tatsächlich nur diejenigen besiegt, die im Schlepptau der nichtrevolutionären Bourgeois schwimmen, die für Blocks mit den Kadetten eintreten. Hiervon zeugen ganz unzweideutig sowohl die Berichte der sozialdemokratischen Funktionäre über den Charakter der Sozialrevolutionären Wahlreden als auch die Angaben über den Augenblick des sozialrevolutionären „Sieges" über die Menschewiki.

Die Wahlen fanden in Petersburg am 20. (7.) und 27. (14.) Januar statt. Am 20. (7.) Januar7 hatte das proletarische Petersburg gerade erfahren, dass sich die 31 Menschewiki von der sozialdemokratischen Konferenz abgespalten hatten, um mit den Kadetten Mandatsschacher zu treiben. Die ganze nächste8 Woche frohlockte und jubelte die gesamte bürgerliche Presse St. Petersburgs, gleichzeitig lobte sie die Menschewiki, wies ihnen fürsorglich einen Platz neben den Kadetten an, spornte sie an, sich von der Revolution loszusagen und zum „oppositionellen Block", ins Lager der „gemäßigt sozialistischen Parteien" überzugehen usw. usw.

Der Zusammenbruch der Menschewiki in den Großbetrieben ist die erste Warnung, die die proletarischen Massen an die schwankenden opportunistischen Intellektuellen9 gerichtet haben!

Die Menschewiki sind zu den Kadetten umgeschwenkt das Petersburger Proletariat ist von den Menschewiki abgeschwenkt.

Die Sozialrevolutionäre haben den Augenblick der Spaltung der Sozialdemokratie ausgenützt, haben die Empörung der Arbeiter über die kadettenähnlichen Menschewiki ausgenützt, sie haben das gewandt und bedenkenlos besorgt. In den Vororten zogen sie über die Sozialdemokraten wegen der Blocks mit den Kadetten her (wobei sie die Bolschewiki und das Petersburger Komitee der SDAPR unerwähnt ließen), in der Stadt aber feilschten sie selbst mit den Kadetten! Jetzt versteht man, warum sie sowohl ihre Ansichten als auch ihre Beschlüsse über Blocks mit den Kadetten und ihre Blocks mit den Volkssozialisten usw. usw. usw.* so eifrig geheim gehalten haben und geheim halten. Alle Sünden des Menschewismus begehen sie geheim, vor den Arbeitern aber ziehen sie über den Menschewismus her, heimsen dafür Beifall ein und ergattern Mandate!

Der Organisator10 des Semjannikowschen Unterbezirks der SDAPR, dessen Bericht wir weiter unten benützen, schreibt in diesem Bericht über die Wahlen in der riesigen Semjannikowschen Fabrik: trotz der Proteste der Bolschewiki stellten die Menschewiki die Kandidatur des Genossen X.11 auf.

In einer Wählerversammlung der Fabrik trat ein sozialrevolutionärer Intellektueller auf und unterzog die menschewistischen Argumente, mit denen Genosse X. die Notwendigkeit von Abkommen mit den Kadetten begründete, einer erbarmungslosen Kritik, und Genosse X. setzte sich, wie die Arbeiter sagten, in eine Pfütze."

Die Niederlage, die die Menschewiki bei der Masse erlitten, war vollständig.

Als die Masse erfuhr“ – lesen wir in demselben Bericht –, „dass die sozialdemokratischen Kandidaten für Abkommen mit den Kadetten eintreten, dass diese Kandidaten Menschewiki sind, erklärte man hier (in der Fabrik) gradeheraus, dass man nicht für die Menschewiki stimmen würde."

Hieraus erkennt man ganz klar, warum die Menschewiki bei den Wahlen zur sozialdemokratischen Konferenz dagegen waren, dass nach Plattformen abgestimmt wurde, d. h. dagegen waren, dass die Massen selbst unmittelbar zur Frage der Blocks mit den Kadetten Stellung nahmen!

… „In dem Fabriks-Unterbezirk der Menschewiki erklärte der Arbeiter N. M. in der Newski-Stearinfabrik, wo man ihn als Bevollmächtigten wählen wollte, offen heraus: ,Da ich erfahren habe, dass die Sozialdemokraten für Abkommen mit den Kadetten sind, gehe ich zu den Sozialrevolutionären über.' Er ging wirklich zu ihnen über und wurde als Bevollmächtigter gewählt!!"

Solche Schande haben diese traurigen Opportunisten, die es fertigbringen, sich am Vorabend der Wahlen von der Arbeiterpartei abzuspalten12, um mit den Kadetten Mandatsschacher zu betreiben, über die Sozialdemokratie gebracht.

Jeder Sozialdemokrat, dem die Ehre und der gute Name der proletarischen Partei teuer sind, kann daraus nur einen Schluss ziehen: erbarmungslosen Kampf gegen den Menschewismus in Petersburg. Wir müssen den Arbeitern die Augen öffnen über die Leute13, die die Arbeiter durch ihre Kadettenpolitik vom Sozialismus zur revolutionären Bourgeoisie treiben.

Die Sozialrevolutionäre haben den Menschewiki die größten Fabriken entrissen. Wir müssen sie von neuem den Sozialrevolutionären entreißen14. Wir müssen neue agitatorische Kräfte, neue revolutionäre sozialdemokratische Literatur gerade in die größten Betriebe schicken, um den Arbeitern15 klar zu machen, wie sie aus den Händen der kadettenfreundlichen Menschewiki in die Hände der kadettenfreundlichen Sozialrevolutionäre geraten sind!

Der ganze Gang der Wahlkampagne in Petersburg, alle Angaben über die endlosen Schwankungen der Menschewiki, über ihre Bemühungen (nach ihrer Abspaltung von der Arbeiterpartei), in den konterrevolutionären Kadettenblock einzutreten, über den Mandatsschacher, den sie im Verein mit den Sozialrevolutionären mit den Kadetten betrieben haben, – alles dies gibt uns reichlich Stoff für den Kampf, den wir in den Petersburger Großbetrieben sowohl gegen die Menschewiki als auch gegen die Sozialrevolutionäre führen müssen.

Die Sozialdemokratie muss und wird die Großbetriebe zu ihren festen Stützpunkten machen, die sowohl für die Opportunisten als auch für die revolutionären Kleinbürger uneinnehmbar sind.

1 Der Artikel „Die Wahlen zur Arbeiterkurie in Petersburg" erschien in Nr. 3 der Zeitung „Prostyje Rjetschi" („Einfache Reden") vom 12 Februar (30. Januar) 1907 und in Nr. 12 des „Proletarij" vom 7. Februar (25. Januar), wobei der Text des ersten Teiles des Artikels in den beiden Ausgaben nicht derselbe ist. Im vorliegenden Band ist der Artikel im vollständigen Text der „Prostyje Rjetschi" abgedruckt, mit einem Hinweis auf die abweichende Lesart im „Proletarij".

2 Im „Proletarij" lautet der Anfang des Artikels bis zu den Worten: „Vor allem" folgendermaßen:

Wir lenken die Aufmerksamkeit der Leser auf die vorzüglichen Angaben über die Wahlen in der St. Petersburger Arbeiterkurie, die in dem weiter unten zum Abdruck gebrachten .Bericht des Organisators des Semjannikowschen Unterbezirks enthalten sind. [Der Bericht der Unterbezirksorganisation des Newski-Stadtbezirks der SDAPR umfasst die Periode vom 28. (15.) November 1906 bis 28. (15.) Januar 1907 und ist in Nr. 12 des „Proletarij" vom 7. Februar (25. Januar) 1907 abgedruckt.]

Alle Orts-, Bezirks- und Unterbezirks-Funktionäre der St. Petersburger sozialdemokratischen Organisation müssen ähnliche Angaben über alle Fragen sammeln, um die Folgerungen, die sich für den Newski-Bezirk ergeben, auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen. Wir müssen von jedem Betrieb wissen, welche Kandidaten miteinander gekämpft haben (Bolschewiki, Menschewiki und Sozialrevolutionäre), wie viel Stimmen jeder einzelne Kandidat erhalten hat, wie viel Arbeiter es insgesamt gibt.

Alle diese Tatsachen müssen wir kennen, um zu prüfen, wie weit unsere gesamte sozialdemokratische Politik in der Arbeitermasse zur Stärkung unserer Partei beigetragen hat.

Die Angaben aus dem Ncwski-Bezirk bestätigen vollauf die Schlussfolgerung, von der jetzt ,das ganze sozialdemokratische Petersburg' spricht. Die Sozialrevolutionäre sind besonders in den großen Betrieben stärker geworden. Die Sozialrevolutionäre haben die Menschewiki besiegt. Die Bolschewiki haben die Sozialrevolutionäre besiegt.

In 12 von 23 Fabriken des Newski-Bezirks waren bolschewistische Kandidaten aufgestellt. Sie erhielten 11 Sitze, die Sozialrevolutionäre aber nur 2. In den übrigen 11 Fabriken waren menschewistische Kandidaten aufgestellt worden. Sie erhielten 6 Sitze, die Sozialrevolutionäre – 12!

Untersuchen wir die politische Bedeutung dieses Sieges der Sozialrevolutionäre über die Menschewiki." Die Red.

3Im „Proletarij": „lärmend". Die Red

4 Im „Proletarij": „Kraft". Die Red.

5 Im „Proletarij": „sich … zeigt". Die Red.

6 Im „Proletarij": „gegen den Absolutismus". Die Red.

7 Im „Proletarij" fehlt dies Datum. Die Red.

8 Im „Proletarij": „darauf folgende". Die Red.

9 Im „Proletarij": „Vertreter des Opportunismus". Die Red.

* Sie veröffentlichten die Resolution ihres Petersburger Komitees erst nach den Wahlen in der Arbeiterkurie.

10 Im „Proletarij": „Der obenerwähnte". Die Red.

11 X. – aller Wahrscheinlichkeit nach W. G. Tschirkin. Für die Menschewiki wurden in der Versammlung 400 Stimmen, für die Sozialrevolutionäre dagegen 1300–1400 Stimmen abgegeben.

12 Im „Proletarij": „Loszusagen". Die Red.

13 Im „Proletarij": „Wir müssen die Leute aus den Arbeitervororten vertreiben". Die Red.

14 Im „Proletarij": „Wir wären Verbrecher, wenn wir angesichts der lebenswichtigsten politischen Aufgaben mit formalistischen Rahmen und mit verknöcherten hierarchischen Erwägungen rechneten. Die Red.

15 Im „Proletarij": „ihnen". Die Red.

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