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Wladimir I. Lenin 19180806 Brief an die Arbeiter von Jelez

Wladimir I. Lenin: Brief an die Arbeiter von Jelez

[Veröffentlicht am 11. August 1918 in der „Sowjetskaja Gaseta" Nr. 73. Nach Sämtliche Werke, Band 23, Moskau 1940, S. 217-219]

Mir ist ein Ausschnitt aus einer in Jelez erscheinenden Zeitung zugestellt worden mit einem Bericht über die am 27. Juli abgehaltene außerordentliche Versammlung der Jelezer Organisation der Partei der linken Sozialrevolutionäre. In diesem Bericht lese ich, dass Motschenow über die Saratower Konferenz der Sozialrevolutionäre berichtete, wo 8 Organisationen sich für Billigung der Taktik ihres Zentralkomitees, das von Herrn Kolegajew verteidigt wurde, 13 (dreizehn) Organisationen sich aber für die Reorganisation der Partei und eine Änderung der Taktik ausgesprochen hatten.

Unter anderem bestand Genosse Rudakow in der Jelezer Versammlung darauf, unsere Partei (die der linken Sozialrevolutionäre) müsse reorganisiert, ihr Name geändert, sie müsse gesäubert und ihr Zerfall und Untergang dürfe auf keinen Fall zugelassen werden. Sodann erzählte ein gewisser Krjukow, er habe in Moskau eine Unterredung mit Vertretern der zentralen Macht gehabt und die Genossen Awanessow, Swerdlow, Bontsch-Brujewitsch hätten ihm erklärt, das Bestehen der Partei der linken Sozialrevolutionäre sei der Sowjetmacht erwünscht; auch ich solle in einer Unterredung mit Krjukow das gleiche gesagt und darauf hingewiesen haben, dass auch die Kommunisten sich von der ganzen früheren Theorie, vom Buch, so weit entfernt hätten, dass sie gegenwärtig überhaupt kein Programm hätten und ihre Plattformen außerordentlich viele indirekte Entlehnungen aus der Theorie der „Volkstümler" enthielten usw. usw.

Ich halte es für meine Pflicht zu erklären, dass das alles Märchen sind, und dass ich mit keinem Krjukow eine Unterredung gehabt habe. Ich bitte die Genossen Arbeiter und Bauern des Kreises Jelez aufs eindringlichste, den linken Sozialrevolutionären gegenüber, die nur allzu oft die Unwahrheit sagen, außerordentliche Vorsicht zu üben.

Bei dieser Gelegenheit einige Worte darüber, was ich von ihnen halte. Solche Subjekte wie Kolegajew und Konsorten sind offenkundig einfache Schachfiguren in den Händen der Weißgardisten, der Monarchisten, der Sawinkow, die in Jaroslawl bewiesen haben, wer den Aufstand der linken Sozialrevolutionäre ,„ausgenutzt" hat. Hirnlosigkeit und Charakterlosigkeit haben die Herren Kolegajew so tief sinken lassen, und nun sind sie dort, wo sie auch hingehören. „Lakaien der Sawinkow" – so wird sie die Geschichte nennen. Doch die Tatsachen zeigen, dass es unter den linken Sozialrevolutionären Menschen gibt (und in Saratow sind sie in der Mehrheit), die sich dieser Hirnlosigkeit, dieser Charakterlosigkeit, dieser Rolle der Lakaien für den Monarchismus und für die Interessen der Gutsbesitzer schämen. Wenn diese Leute sogar den Namen ihrer Partei ändern wollen (ich habe gehört, dass sie sich „Dorfgemeinschafts-Kommunisten" oder „Volkstümler-Kommunisten" oder ähnlich nennen wollen), so kann man das nur begrüßen.

Nichtübereinstimmung mit dem Marxismus zum ersten, volle Übereinstimmung mit der Theorie der „ausgleichenden Bodennutzung" (und mit dem entsprechenden Gesetz) zum zweiten – das ist die rein ideologische Grundlage jener Richtung der Volkstümler, mit der die Kommunisten-Bolschewiki ein Bündnis niemals abgelehnt haben.

Wir sind für ein solches Bündnis, für eine Verständigung mit der Mittelbauernschaft, denn wir, die kommunistischen Arbeiter, dürfen,mit ihr nicht auseinandergehen, und wir sind bereit, ihr eine Reihe von Zugeständnissen zu machen. Wir haben das bewiesen, haben es nicht mit Worten, sondern mit Taten bewiesen, denn wir haben das Gesetz über die Sozialisierung des Grund und Bodens streng loyal durchgeführt und werden es durchführen, obwohl nicht alle mit ihm einverstanden sind. Überhaupt waren und sind wir für den schonungslosen Kampf gegen die Kulaken, jedoch für Verständigung mit der Mittelbauernschaft und für Verschmelzung mit der Dorfarmut. Man darf das aber nicht so auffassen, dass Verständigung mit den Mittelbauern unbedingt Verständigung mit den linken Sozialrevolutionären bedeute. Nichts dergleichen.

Wir haben das Gesetz über die Sozialisierung zu einer Zeit durchgeführt, als keinerlei Verständigung zwischen uns und den linken Sozialrevolutionären bestand. Dieses Gesetz bedeutet aber gerade unsere Verständigung mit den Mittelbauern, mit den Bauernmassen, nicht aber mit den links-sozialrevolutionären Intelligenzlern.

Genossen Arbeiter und Bauern! Seid nicht auf eine Verständigung mit den linken Sozialrevolutionären erpicht, denn wir haben ihre Unzuverlässigkeit schon gesehen und ausgekostet; verbreitet den Kommunismus unter den armen Bauern, die Mehrheit wird auf unserer Seite sein. Seid bestrebt, dem Mittelbauern Zugeständnisse zu machen; seid ihm gegenüber so vorsichtig und gerecht wie nur möglich; ihm können und müssen wir Zugeständnisse machen. Seid aber erbarmungslos gegen das winzige Häuflein der Ausbeuter, einschließlich der Kulaken-, der Getreidespekulanten, die sich an der Not des Volkes, am Hunger der Arbeitermasse bereichern – gegen das Häuflein der Kulaken, die den Werktätigen das Blut aussaugen.

W. Uljanow (N. Lenin)

Moskau, 6. August 1918.

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