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Wladimir I. Lenin 19200700 Aufnahmebedingungen der Kommunistischen Internationale

Wladimir I. Lenin: Aufnahmebedingungen der Kommunistischen Internationale

[Ausgewählte Werke, Band 10. Die Kommunistische Internationale. Moskau 1937, S. 193-199]

Der Gründungskongress der Kommunistischen Internationale hat keine genauen Bedingungen für die Aufnahme der einzelnen Parteien in die III. Internationale ausgearbeitet. Zur Zeit der Einberufung des 1. Kongresses bestanden in den meisten Ländern bloß kommunistische Richtungen und Gruppen.

Unter anderen Verhältnissen tritt der II. Weltkongress der Kommunistischen Internationale zusammen. Jetzt bestehen in den meisten Ländern nicht nur kommunistische Strömungen und Richtungen, sondern kommunistische Parteien und Organisationen.

An die Kommunistische Internationale wenden sich jetzt immer öfter Parteien und Gruppen, die noch unlängst zur II. Internationale gehörten, jetzt in die III. Internationale eintreten wollen, aber keine wirklich kommunistischen Organisationen geworden sind. Die II. Internationale ist endgültig zerschlagen. Die Zwischenparteien und Zwischengruppen des „Zentrums“, die die völlig hoffnungslose Lage der II. Internationale erkennen, versuchen, sich an die immer mehr erstarkende Kommunistische Internationale anzulehnen, wobei sie jedoch hoffen, eine „Autonomie“ zu behalten, die ihnen die Möglichkeit geben soll, ihre frühere opportunistische oder „zentristische“ Politik zu treiben. Die Kommunistische Internationale wird gewissermaßen zur Mode.

Das Verlangen einiger führender Gruppen des „Zentrums“, jetzt in die III. Internationale einzutreten, ist eine indirekte Bestätigung dafür, dass die Kommunistische Internationale die Sympathien der gewaltigen Mehrheil der klassenbewussten Arbeiter der ganzen Welt erobert hat und von Tag zu Tag zu einer immer größeren Macht wird.

Unter gewissen Umständen kann der Kommunistischen Internationale die Gefahr drohen, dass sie durch wankelmütige, eine Politik der Halbheiten treibende Gruppen verwässert wird, die sich von der Ideologie der II. Internationale noch nicht freigemacht haben.

Außerdem besteht in einigen großen Parteien (Italien, Schweden), deren Mehrheit auf dem Standpunkt des Kommunismus steht, immer noch ein bedeutender reformistischer und sozialpazifistischer Flügel, der nur auf den Augenblick wartet, um von neuem das Haupt zu erheben, eine aktive Sabotage der proletarischen Revolution zu beginnen und dadurch der Bourgeoisie und der II. Internationale zu helfen.

Kein Kommunist darf die Lehren der ungarischen Räterepublik vergessen. Die Vereinigung der ungarischen Kommunisten mit den Reformisten ist dem ungarischen Proletariat teuer zu stehen gekommen.

Deshalb erachtet es der II. Weltkongress für notwendig, ganz genaue Bedingungen für die Aufnahme von neuen Parteien festzusetzen und die Parteien, die bereits in die Kommunistische Internationale aufgenommen worden sind, auf ihre Pflichten hinzuweisen.

Der II. Kongress der Kommunistischen Internationale beschließt:

Für die Zugehörigkeit zur Kommunistischen Internationale gelten die folgenden Bedingungen:

    1. Die tagtägliche Propaganda und Agitation muss einen wirklich kommunistischen Charakter tragen. Alle Presseorgane, die sich in Händen der Partei befinden, müssen von zuverlässigen Kommunisten redigiert werden, die ihre Hingabe an die Sache der proletarischen Revolution bewiesen haben. Von der Diktatur des Proletariats darf man nicht einfach wie von einer landläufigen, eingepaukten Formel sprechen, sondern muss sie so propagieren, dass ihre Notwendigkeit sich für jeden einfachen Arbeiter, jede Arbeiterin, jeden Soldaten, jeden Bauern aus den Tatsachen des täglichen Lebens ergebe, die von unserer Presse systematisch, tagaus, tagein, verzeichnet werden müssen. In den Spalten der Presse, in den Volksversammlungen, den Gewerkschaften, den Genossenschaften – überall, wohin die Anhänger der III. Internationale Zutritt erlangen werden, muss man nicht nur die Bourgeoisie sondern auch ihre Helfershelfer, die Reformisten aller Schattierungen, systematisch und unbarmherzig brandmarken.

    2. Jede Organisation, die der Kommunistischen Internationale angehören will, muss planmäßig und systematisch von allen irgendwie verantwortlichen Posten innerhalb der Arbeiterbewegung (in den Parteiorganisationen, Redaktionen, Gewerkschaften, Parlamentsfraktionen, Genossenschaften, Kommunalverwaltungen usw.) die Reformisten und Anhänger des „Zentrums“ entfernen und an ihre Stelle bewährte Kommunisten setzen, ohne sich daran zu kehren, dass man mitunter in der ersten Zeit „erfahrene“ Führer durch einfache Arbeiter wird ersetzen müssen.

3. In allen Ländern, wo die Kommunisten infolge von Belagerungszustand oder Ausnahmegesetzen nicht die Möglichkeit haben, ihre gesamte Arbeit legal zu leisten, ist die Verknüpfung der legalen mit der illegalen Arbeit unbedingt notwendig. Der Klassenkampf in fast allen Ländern Europas und Amerikas tritt in die Phase des Bürgerkrieges ein. Unter solchen Verhältnissen können die Kommunisten kein Vertrauen zu der bürgerlichen Legalität haben. Sie sind verpflichtet, überall einen parallelen illegalen Apparat zu schaffen, der im entscheidenden Augenblick der Partei helfen soll, ihre Pflicht gegenüber der Revolution zu erfüllen.

4. Man muss hartnäckig, systematisch Propaganda und Agitation in der Armee treiben und in jedem Truppenteil kommunistische Zellen bilden. Die Kommunisten werden diese Arbeit meistens illegal durchführen müssen, die Ablehnung einer solchen Arbeit aber wäre gleichbedeutend mit einem Verrat an der revolutionären Pflicht und unvereinbar mit der Zugehörigkeit zur III. Internationale.

5. Notwendig ist eine systematische und planmäßige Agitation auf dem Lande. Die Arbeiterklasse kann ihren Sieg nicht verankern, wenn sie nicht wenigstens einen Teil der Landarbeiter und armen Bauern für sich gewinnt und nicht einen Teil der übrigen Dorfbevölkerung durch ihre Politik neutralisiert hat Die Arbeit der Kommunisten auf dem Lande erlangt in der gegenwärtigen Epoche die allergrößte Bedeutung. Diese Arbeit muss man hauptsächlich durch die revolutionären kommunistischen Arbeiter leisten, die Verbindungen mit dem Dorf haben. Der Verzicht auf diese Arbeit oder ihre Übergabe in unzuverlässige halb reformistische Hände ist gleichbedeutend mit einem Verzicht auf die proletarische Revolution.

6. Jede Partei, die der III. Internationale angehören will, ist verpflichtet, nicht nur den offenen Sozialpatriotismus sondern auch die Verlogenheit und Heuchelei des Sozialpazifismus zu entlarven: den Arbeitern systematisch vor Augen zu führen, dass ohne revolutionären Sturz des Kapitalismus keinerlei internationalen Schiedsgerichte, keinerlei Gerede von der Einschränkung der Rüstungen, keinerlei „demokratische“ Reorganisation des Völkerbundes imstande sein wird, die Menschheit vor neuen imperialistischen Kriegen zu bewahren.

7. Die Parteien, die der Kommunistischen Internationale angehören wollen, müssen die Notwendigkeit des vollständigen und absoluten Bruches mit dem Reformismus und der Politik des „Zentrums“ anerkennen und diesen Bruch in den weitesten Kreisen der Parteimitgliedschaft propagieren. Sonst ist eine konsequente kommunistische Politik nicht möglich.

Die Kommunistische Internationale fordert unbedingt und ultimativ die Vollziehung dieses Bruches in kürzester Frist. Die Kommunistische Internationale kann sich nicht damit abfinden, dass notorische Reformisten, wie z. B. Turati, Modigliani u. a., das Recht haben sollen, für Angehörige der III. Internationale zu gelten. Das würde dazu führen, dass die III. Internationale in hohem Grade der zugrunde gegangenen II. Internationale ähnlich werden würde.

8. In der Frage der Kolonien und der unterdrückten Nationalitäten müssen die Parteien jener Länder, deren Bourgeoisie Kolonien besitzt und andere Nationen unterdrückt, eine besonders eindeutige und klare Stellung einnehmen. Jede Partei, die der III. Internationale anzugehören wünscht, ist verpflichtet, die Machinationen „ihrer“ Imperialisten in den Kolonien rücksichtslos zu entlarven, jede Freiheitsbewegung in den Kolonien nicht durch Worte, sondern durch Taten zu unterstützen, die Verjagung ihrer eigenen Imperialisten aus diesen Kolonien zu fordern, in den Herzen der Arbeiter ihres Landes wirklich brüderliche Gefühle für die werktätige Bevölkerung der Kolonien und der unterdrückten Nationalitäten zu wecken und unter den Truppen ihres Landes eine systematische Agitation gegen jegliche Unterdrückung der Kolonialvölker zu treiben.

9. Jede Partei, die der Kommunistischen Internationale angehören will, ist verpflichtet, systematisch und beharrlich innerhalb der Gewerkschaften, Genossenschaften und anderen proletarischen Massenorganisationen kommunistische Arbeit zu leisten. In diesen Verbänden muss man kommunistische Zellen bilden, die durch langwierige und hartnäckige Arbeit die Gewerkschaften für die Sache des Kommunismus erobern sollen. Diese Zellen sind verpflichtet, in ihrer tagtäglichen Arbeit auf Schritt und Tritt den Verrat der Sozialpatrioten und den Wankelmut des „Zentrums“ zu entlarven. Diese kommunistischen Zellen müssen vollkommen der Gesamtpartei untergeordnet sein.

10. Eine Partei, die der Kommunistischen Internationale angehört, ist verpflichtet, einen hartnäckigen Kampf gegen die Amsterdamer „Internationale“ der gelben Gewerkschaften zu führen. Sie muss unter den gewerkschaftlich organisierten Arbeitern beharrlich die Notwendigkeit des Bruches mit der gelben Amsterdamer Internationale propagieren. Sie muss die in Entstehung begriffene internationale Vereinigung der roten Gewerkschaften, die sich der Kommunistischen Internationale anschließen, mit allen Mitteln unterstützen.

11. Die Parteien, die der III. Internationale angehören wollen, sind verpflichtet, die Zusammensetzung ihrer Parlamentsfraktionen einer Prüfung zu unterziehen, die unzuverlässigen Elemente aus ihnen zu entfernen, diese Fraktionen nicht nur formell sondern in der Tat den Zentralkomitees der Parteien unterzuordnen, von jedem einzelnen kommunistischen Parlamentsmitglied zu fordern, dass es seine gesamte Tätigkeit den Interessen einer wirklich revolutionären Propaganda und Agitation unterordne.

12. Genau so müssen die periodische und die nichtperiodische Presse und alle Verlage vollkommen dem Zentralkomitee der Partei unterstellt werden, ganz gleich, ob die Partei in ihrer Gesamtheit in dem betreffenden Moment legal oder illegal ist. Es ist unzulässig, dass die Verlage, unter Missbrauch ihrer Autonomie, eine Politik treiben, die nicht ganz der Politik der Partei entspricht.

13. Die der Kommunistischen Internationale angehörenden Parteien müssen nach dem Prinzip des demokratischen Zentralismus aufgebaut sein. In der gegenwärtigen Zeit des verschärften Bürgerkrieges wird die Kommunistische Partei nur dann ihre Pflicht erfüllen können, wenn sie möglichst zentralistisch organisiert sein, wenn in ihr eine eiserne, an militärische Disziplin grenzende Disziplin herrschen und wenn ihr Parteizentrum ein starkes, autoritatives Organ mit weitgehenden Vollmachten sein wird, das das allgemeine Vertrauen der Parteimitgliedschaft genießt.

14. Die kommunistischen Parteien derjenigen Länder, in denen die Kommunisten legal arbeiten, müssen periodisch Reinigungen (Umregistrierungen) des Mitgliederbestandes der Parteiorganisationen vornehmen, um die Partei systematisch von den kleinbürgerlichen Elementen zu säubern, die sich unvermeidlich in sie einschleichen.

15. Jede Partei, die der Kommunistischen Internationale angehören will, ist verpflichtet, jede Sowjetrepublik in ihrem Kampf gegen die konterrevolutionären Kräfte rückhaltlos zu unterstützen. Die kommunistischen Parteien müssen eine unentwegte Propaganda unter den Arbeitern treiben, damit sie es ablehnen, Kriegsmaterial für die Feinde der Sowjetrepubliken zu transportieren, müssen legal oder illegal unter den Truppen Propaganda treiben, die zur Erdrosselung der Arbeiterrepubliken gesandt werden usw.

16. Die Parteien, die bisher noch bei ihren alten sozialdemokratischen Programmen geblieben sind, sind verpflichtet, in möglichst kurzer Zeit diese Programme zu revidieren und entsprechend den besonderen Verhältnissen ihres Landes ein neues, kommunistisches Programm im Geiste der Beschlüsse der Kommunistischen Internationale auszuarbeiten. In der Regel muss das Programm einer jeden zur Kommunistischen Internationale gehörenden Partei von dem nächsten Kongress der Kommunistischen Internationale oder ihrem Exekutivkomitee bestätigt werden. Wird das Programm dieser oder jener Partei vom Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale nicht bestätigt, so hat die betreffende Partei das Recht, an den Kongress der Kommunistischen Internationale zu appellieren.

17. Alle Beschlüsse der Kongresse der Kommunistischen Internationale wie auch die Beschlüsse ihres Exekutivkomitees sind für alle der Kommunistischen Internationale angehörenden Parteien bindend. Die Kommunistische Internationale, die in einer Situation des schärfsten Bürgerkrieges tätig ist, muss viel zentralisierter aufgebaut sein, als es die II. Internationale war. Dabei müssen selbstverständlich die Kommunistische Internationale und ihr Exekutivkomitee in ihrer gesamten Tätigkeit all den verschiedenartigen Verhältnissen Rechnung tragen, unter denen die verschiedenen Parteien kämpfen und arbeiten, und dürfen allgemeinverbindliche Beschlüsse nur in solchen Fragen fassen, wo solche Beschlüsse möglich sind.

18. Im Zusammenhang mit all dem müssen alle Parteien, die der Kommunistischen Internationale beitreten wollen, ihren Namen ändern. Jede Partei, die der Kommunistischen Internationale beitreten will, muss den Namen führen: Kommunistische Partei dieses oder jenes Landes (Sektion der III. Kommunistischen Internationale). Die Frage der Benennung ist keine (bloß formale Angelegenheit, sondern eine politische Frage von großer Bedeutung. Die Kommunistische Internationale hat der ganzen bürgerlichen Welt und allen gelben sozialdemokratischen Parteien entschiedenen Kampf angesagt. Es ist notwendig, dass jedem einfachen Werktätigen der Unterschied zwischen den kommunistischen Parteien und den allen offiziellen „sozialdemokratischen“ oder „sozialistischen“ Parteien, die das Banner der Arbeiterklasse verraten haben, vollkommen klar sei.

19. Nach der Beendigung der Arbeiten des II. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale müssen alle Parteien, die der Kommunistischen Internationale angehören wollen, in kürzester Frist einen außerordentlichen Parteitag einberufen, um auf diesem im Namen der gesamten Partei die oben dargelegten Verpflichtungen offiziell zu bestätigen.

Juli 1920

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