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Wladimir I. Lenin 19210207 Über die Arbeit des Volkskommissariats für das Bildungswesen

Wladimir I. Lenin: Über die Arbeit des Volkskommissariats für das Bildungswesen

[„Prawda“ Nr. 28, 9. Februar 1921. Gezeichnet: N. Lenin. Nach Sämtliche Werke, Band 26, Moskau 1940, S. 195-205]

In der Nr. 25 der „Prawda“ vom 5. Februar sind die „Direktiven des Zentralkomitees der KPR an die kommunistischen Mitarbeiter des Volkskommissariats für das Bildungswesen (im Zusammenhang mit der Reorganisation des Kommissariats)“ veröffentlicht worden.

Leider hat sich im ersten Punkt ein dreimal wiederkehrender sinnentstellender Druckfehler eingeschlichen: anstatt „polytechnische“ steht: politische Bildung!!

Ich möchte die Aufmerksamkeit der Genossen auf diese Direktiven lenken und einen Meinungsaustausch über einige besonders wichtige Punkte anregen.

Im Dezember 1920 fand eine Parteiberatung über Volksbildungsfragen statt, an der 134 Delegierte mit beschließender und 29 mit beratender Stimme teilnahmen. Sie dauerte fünf Tage. Den Bericht über diese Beratung finden wir in der „Beilage des Bulletins des VIII. Sowjetkongresses über die Parteiberatung der Volksbildungsfragen“ (herausgegeben vom Allrussischen Zentralexekutivkomitee am 10. Januar 1921). Aus den Resolutionen der Beratung, aus dem Bericht über die Beratung, aus allen Aufsätzen in der erwähnten „Beilage des Bulletins“ – ausgenommen den Leitartikel des Genossen Lunatscharski und den Artikel des Genossen Grinko – ist zu ersehen, dass die Frage der polytechnischen Bildung falsch gestellt wird, erkennt man jenen Mangel, auf dessen Bekämpfung die Direktiven des Zentralkomitees die „Hauptaufmerksamkeit“ des Volkskommissars und des Kollegiums lenken, nämlich die „Passion“ für allgemeine Betrachtungen und abstrakte Parolen.

Die Frage ist also im Parteiprogramm ganz klar gestellt. Betrachtungen über „polytechnische oder monotechnische Bildung“ (gerade diese in Anführungszeichen gesetzten, von mir hervorgehobenen Worte, in ihrer ganzen ungeheuerlichen Unsinnigkeit, finden wir auf Seite 4 der erwähnten „Beilage des Bulletins“!) – diese Betrachtungen sind grundfalsch und für einen Kommunisten direkt unzulässig. Sie zeigen sowohl die Unkenntnis des Programms als auch die eitle „Passion“ für abstrakte Parolen. Wenn wir gezwungen sind, vorübergehend das Alter (des Überganges von der allgemeinen polytechnischen zur beruflichen polytechnischen Ausbildung) von 17 auf 15 Jahre herabzusetzen, so „muss die Partei“ diese Herabsetzung des Alters „ausschließlich“ (Punkt 1 der Direktiven des ZK) als praktische Notwendigkeit, als vorübergehende Maßnahme „betrachten“, die durch die „Armut und Verelendung des Landes“ hervorgerufen ist.

Allgemeine Betrachtungen, die krampfhaft eine solche Herabsetzung „begründen“ wollen, sind glatter Unsinn. Genug des Spiels mit allgemeinen Betrachtungen und mit angeblichem Theoretisieren! Der ganze Schwerpunkt der Arbeit muss auf „die Berücksichtigung und Überprüfung der praktischen Erfahrung“, auf die „systematische Ausnutzung der Lehren dieser Erfahrung“ verlegt werden.

Wie wenig tüchtige, kenntnisreiche, erfahrene Menschen mit pädagogischer Praxis wir auch haben, so sind sie doch zweifellos vorhanden. Wir leiden darunter, dass wir es nicht verstehen, sie herauszufinden, sie an die ihnen gebührende leitende Stelle zu bringen, dass wir es nicht verstehen, gemeinsam mit ihnen die praktische Erfahrung des Sowjetaufbaus zu studieren. Gerade das ist auf der Parteiberatung vom Dezember 1920 nicht zu sehen, und wenn das auf einer Beratung von sage und schreibe 163 Repräsentanten der Volksbildung nicht zu sehen ist, so ist nicht mehr daran zu zweifeln, dass da ein bestimmter allgemeiner, grundlegender Mangel in der Behandlung der Sache vorhanden ist, ein Mangel, der eine besondere Direktive des ZK der Partei notwendig machte.

Im Kommissariat für das Bildungswesen gibt es zwei, nur zwei Genossen mit spezifischen Aufgaben. Das sind der Volkskommissar, Genosse Lunatscharski, der die allgemeine Leitung hat, und sein Vertreter, der Genosse Pokrowski, der die Leitung ausübt erstens als Stellvertreter des Volkskommissars, zweitens als ständiger Berater (und Leiter) in wissenschaftlichen Fragen, in Fragen des Marxismus überhaupt. Die ganze Partei, die sowohl den Genossen Lunatscharski als auch den Genossen Pokrowski gut kennt, zweifelt natürlich nicht daran, dass sie beide in den erwähnten Fragen gewissermaßen „Fachleute“ im Volkskommissariat für das Bildungswesen sind. Für alle anderen Mitarbeiter kann es ein solches „Fach“ nicht geben. Das „Fach“ aller übrigen Mitarbeiter muss es sein, die Heranziehung der Berufspädagogen in die Wege zu leiten, deren Arbeit richtig zu organisieren und systematisch die Lehren der Praxis auszuwerten. Davon ist die Rede sowohl im § 2 als auch im § 3 und § 5 der Direktiven des Zentralkomitees.

Auf der Beratung der Parteifunktionäre hätten Berufspädagogen angehört werden müssen, die ein Jahrzehnt praktisch tätig sind und uns allen sagen können, was auf irgendeinem Gebiet getan worden ist und getan wird, zum Beispiel auf dem Gebiet der Berufsausbildung, und wie man beim Sowjetaufbau damit fertig wird, was Gutes erzielt worden ist, welche Vorbilder dieses Guten vorhanden sind (solche Vorbilder sind sicher vorhanden, und sei es auch in ganz geringer Zahl), welche konkreten Hinweise auf die Hauptmängel sich ergeben haben und welche Maßnahmen zu ihrer Beseitigung zu ergreifen sind.

Auf der Beratung der Parteifunktionäre sehen wir nicht diese Berücksichtigung der praktischen Erfahrung, hören wir keine Urteile von Pädagogen, die diese Erfahrungen in dieser oder jener Weise anwandten, sondern beobachten misslungene Versuche, „allgemeine Betrachtungen“ anzustellen und „abstrakte Losungen“ zu werten. Die ganze Partei, alle Mitarbeiter des Volkskommissariats für das Bildungswesen müssen diesen Mangel einsehen, und wir müssen uns mit vereinten Kräften daranmachen, ihn auszumerzen. Die örtlichen Mitarbeiter müssen ihre Erfahrungen in dieser Hinsicht austauschen und der Partei helfen, vorbildliche Gouvernements oder Kreise oder Rayons oder Lehranstalten oder vorbildliche Pädagogen hervorzuheben, die gute Resultate im verhältnismäßig engen Rahmen eines Ortes oder eines Spezialgebiets erreicht haben. Gestützt auf diese durch die Praxis bereits erprobten Errungenschaften müssen wir die Sache vorwärtsbringen, indem wir nach gründlicher Prüfung die örtlichen Erfahrungen auf das ganze Land anwenden, talentierte oder einfach begabte Pädagogen auf verantwortlichere Posten mit einem größeren Wirkungskreis befördern usw.

Der Erfolg der Tätigkeit eines Kommunisten, der auf dem Gebiet (und in den Institutionen) der Volksbildung arbeitet, ist in erster Linie daran zu messen, wie es um die Heranziehung der Fachleute bestellt ist, wie man es versteht, sie ausfindig zu machen, sie auszunutzen, die Zusammenarbeit des Berufspädagogen und des kommunistischen Leiters zu verwirklichen, wie man es zu prüfen versteht, was und inwieweit etwas verwirklicht wird, wie man es versteht vorwärtszukommen, wenn auch sehr, sehr langsam, im allerbescheidensten Umfange, aber nur auf sachlicher Basis, auf der Basis der praktischen Erfahrung. Wenn wir aber auch künftig im Volkskommissariat für das Bildungswesen eine Unmenge von Leuten haben, die auf „kommunistische Führung“ Anspruch erheben, während auf praktischem Gebiet die Leere gähnt, wenn ein Mangel an erfahrenen Fachleuten besteht oder diese gänzlich fehlen, wenn wir es nicht verstehen, sie zu befördern, sie anzuhören und ihre Erfahrung zu berücksichtigen, dann wird die Sache sich nicht vom Fleck rühren. Der Kommunist als Leiter muss dadurch und nur dadurch sein Recht auf die Leitung beweisen, dass er viele, immer mehr und mehr Helfer unter den Berufspädagogen findet, dass er es versteht, ihnen in ihrer Arbeit zu helfen, sie zu befördern, ihre Erfahrung zu demonstrieren und auszuwerten.

In diesem Sinne muss unsere Parole unbedingt lauten: weniger „leiten“, mehr praktische Arbeit, d. h. weniger allgemeine Betrachtungen, mehr Tatsachen, geprüfte Tatsachen, die uns zeigen, worin, unter welchen Bedingungen und inwieweit wir vorwärtskommen oder auf einem Fleck stehenbleiben oder zurückgehen. Der Kommunist als Leiter, der die Unterrichtsprogramme der Berufspädagogen korrigiert, ein gelungenes Lehrbuch zusammengestellt, der eine, sei es auch geringe, aber doch in der Praxis sich auswirkende Verbesserung des Inhalts der Arbeit, der Bedingungen der Arbeit von zehn, hundert, tausend Fachpädagogen erreicht hat, das ist ein wirklicher Leiter. Ein Kommunist dagegen, der über „Leitung“ räsoniert, es aber nicht versteht, die Fachleute auf die praktische Arbeit einzustellen, der es nicht durchzusetzen versteht, dass sie Erfolge in der praktischen Arbeit erlangen, der es nicht versteht, die praktischen Erfahrungen von hunderten und aber hunderten Lehrern auszunutzen, ein solcher Kommunist ist nichts wert.

Es genügt, das vorzüglich zusammengestellte Büchlein „Das Volkskommissariat für das Bildungswesen. Oktober 1917 bis Oktober 1920. Kurzer Bericht“ zu durchfliegen, um zu sehen, wie sehr die ganze Arbeit des Volkskommissariats für das Bildungswesen vor allem an dem erwähnten Mangel leidet. Genosse Lunatscharski ist sich dessen bewusst, wenn er im Vorwort (S. 5) von dem „zweifellos unpraktischen Geist“ spricht. Es bedarf aber noch einer nicht geringen beharrlichen Arbeit, damit alle Kommunisten im Volkskommissariat für das Bildungswesen das erkennen und damit sie wirklich die erkannten Wahrheiten in die Tat umsetzen. Das erwähnte Büchlein zeigt, dass wir wenig, unglaublich wenig Tatsachen kennen, sie nicht zu sammeln verstehen und kein Gefühl dafür haben, wie viel Fragen gestellt werden müssen und auf welche Fragen man (bei dem gegenwärtigen Niveau unserer Kultur, bei unseren Sitten, bei unseren Verkehrsmitteln) eine Antwort erwarten kann; dass wir es nicht verstehen, die Lehren der Praxis zusammenzufassen und sie zu verallgemeinern; dass wir uns mit hohlen „allgemeinen Betrachtungen und abstrakten Losungen“ abgeben, aber es nicht verstehen, tüchtige Lehrer überhaupt und tüchtige Ingenieure und Agronomen im Besonderen für die technische Ausbildung auszunutzen, Fabriken, Sowjetwirtschaften, einigermaßen gut organisierte Wirtschaften und Kraftwerke für Zwecke der polytechnischen Bildung auszunutzen.

Trotz dieser Mängel schreitet die Sowjetrepublik in Sachen der Volksbildung unzweifelhaft voran. „Von unten“, d. h. von den Massen der Werktätigen, die der Kapitalismus sowohl offen, mit Gewalt, wie durch Heuchelei und Betrug von der Bildung fernhielt, geht ein mächtiger Aufstieg zum Licht, zum Wissen. Wir können mit Recht darauf stolz sein, dass wir diesen Aufstieg fördern und ihm dienen. Aber die Augen verschließen vor den Mängeln unserer Arbeit, davor, dass wir noch nicht gelernt haben, den staatlichen Bildungsapparat richtig zu organisieren, wäre geradezu ein Verbrechen.

Nehmen wir noch die Frage des Bücher- und Zeitungsvertriebs, eine Frage, mit der sich der letzte Punkt, Punkt 7 der Direktiven des Zentralkomitees beschäftigt.

Am 3. November 1920 wurde das Dekret des Rates der Volkskommissare erlassen: „Über die Zentralisierung des Bibliothekswesens“ (Art. 439 der Gesetzsammlung von 1920, Nr. 87), über die Schaffung eines einheitlichen Netzes von Bibliotheken in der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik.

Nachstehende Daten zu dieser Frage habe ich vom Genossen Malkin aus dem „Zentropetschatj“ (Zentralstelle für Buch- und Zeitungsvertrieb) und vom Genossen Modestow aus der Bibliothekssektion der Moskauer Abteilung für Volksbildung erhalten. In 38 Gouvernements und 305 Landkreisen des zentralen Sowjetrussland (ohne Sibirien und Nordkaukasus) bestanden:

Zentrale Bibliotheken

Städtische Bezirksbibliotheken

Bibliotheken in Landbezirken

Wanderbibliotheken

Lesehütten

Verschiedene (Dorf- und Kinderbibliotheken, Bibliotheks-Auskunftsstellen, Bibliotheken verschiedener Institutionen und Organisationen)

342

521

4474

1661

14.739

12.203

Insgesamt

33.940

Genosse Modestow nimmt auf Grund seiner Erfahrungen an, dass ungefähr drei Viertel dieser Bibliotheken in Wirklichkeit und der Rest nur auf dem Papier bestehen. Für das Moskauer Gouvernement gibt „Zentropetschatj“ 1223 Bibliotheken an, Genosse Modestow 1018, darunter 204 in der Stadt und 814 außerhalb, die Bibliotheken der Gewerkschaften (wahrscheinlich ungefähr 16) und die militärischen Bibliotheken (etwa 125) nicht mitgerechnet.

Soweit man sich ein Urteil durch Vergleichen der Zahlen nach Gouvernements bilden kann, scheinen diese Zahlen nicht sehr zuverlässig zu sein, wir befürchten, dass 75 Prozent zu hoch gegriffen sind! Im Gouvernement Wjatka z. B. gibt es 1703 Lesehütten, im Gouvernement Wladimir 37, im Petrograder Gouvernement 98, im Gouvernement Iwanowo-Wosnessensk 75 usw. Und von den Bibliotheken, die unter die Rubrik „Verschiedene“ fallen, im Gouvernement Petrograd 36, Woronesch 825, Ufa 525, Pskow 31 usw.

Offenbar beweisen diese Zahlen gerade, dass der Wissensdrang der Arbeiter und Bauernmassen gewaltig ist, dass das Streben nach Bildung und nach Schaffung von Bibliotheken eine mächtige „Volksbewegung“ im wahren Sinne des Wortes ist. Aber an der Fähigkeit, dieses Streben des Volkes zu organisieren, in eine bestimmte Bahn zu lenken, ihm die richtige Form zu geben, es richtig zu befriedigen, mangelt es uns noch sehr. An der Schaffung eines tatsächlich einheitlichen Bibliotheksnetzes werden wir noch sehr viel und beharrlich arbeiten müssen.

Wie steht es mit unserem Bücher- und Zeitungsvertrieb? Nach den Angaben des „Zentropetschatj“ sind im Jahr 1920 401 Million Zeitungsexemplare und 14 Millionen Bücher (in 11 Monaten) vertrieben worden. Nachstehende Tabelle betrifft den Vertrieb von drei Zeitungen (am 12. 1. 1921) nach dem Plan der Sektion für periodische Presseerscheinungen in der Zentralverwaltung für Büchervertrieb. (Die Zahlen bedeuten je tausend Exemplare.)


Iswestija“

Prawda“

Bjednota“

Vertriebsstellen des „Zentropetschatj“

Militärisches Büro für Literaturvertrieb an Divisionen

Eisenbahnerorganis., Eisenbahnabtlg. des „Zentropetschatj“, Agitationsstellen

Institutionen und Organisationen der Stadt Moskau

Militärkommissariat der Stadt Moskau

Komplekte für Passagierzüge

Aushängeexemplare und Komplekte

191

50


30

65

8

1

5

139

40


25

35

7

1

3

183

85


16

8

6

1

1

Insgesamt

350

250

300

Auffallend gering ist die Zahl der Aushängeexemplare, d. h. der für die breite Masse bestimmten Exemplare. Auffallend hoch ist die Zahl der für die „amtlichen Stellen“ in den Hauptstädten bestimmten Exemplare, offenbar zur Verschleuderung und bürokratischen Verwendung durch die militärischen und zivilen „Sowjetbürokraten“.

Noch einige Zahlen aus den Berichten der örtlichen Unterabteilungen des „Zentropetschatj“. Der Vertriebsstelle des „Zentropetschatj“ im Gouvernement Woronesch wurden im September 1920 12mal Zeitungen zugestellt (d. h. im September wurden an 18 Tagen von 30 keine Zeitungen zugestellt). Die eingetroffenen Zeitungen wurden wie folgt verteilt: an die Vertriebsstellen des „Zentropetschatj“ in den Kreisen 4986 Exemplare der „Iswestija“ (4020, 4310*), in den Bezirken 7216 (5860, 10.064), in den Landbezirken 3370 (3200, 4285); an die Parteiorganisationen 447 (569, 3880); an Sowjetbehörden 1765 (1641, 509). Bemerkenswert ist, dass die Sowjetbehörden fast dreimal mehr Exemplare der „Prawda“ erhielten als die Parteiorganisationen! Ferner erhielten die Agitations- und Bildungseinrichtungen des Militärkommissariats 5532 (5793, 12.332), die Agitationsstellen 352 (400, 593), die Lesehütten Null Exemplare, die Abonnenten 7167 (3080, 764). Die „Abonnenten“ sind also sehr reichlich bedacht worden, d. h. natürlich die „Sowjetbürokraten“. Zum Aushängen wurden 460 Exemplare (508, 500) geliefert. Gesamtvertrieb 32.517 (25.104, 37.237).

Im Gouvernement Ufa: Belieferung im November 1920 an 25 Tagen, d. h. nur an 5 Tagen trafen keine Zeitungen ein. Es wurden beliefert: die Parteiorganisationen mit 113 (1572, 153), die Sowjetinstitutionen mit 2763 (1296, 1267) Exemplaren; die Agitations- und Bildungsstellen des Militärkommissariats mit 687 (470, 6500), die Landbezirks-Exekutivkomitees mit 903 (308, 3511), die Lesehütten mit 36 (8 – „Prawda“, 8 Exemplare! –, 2538), die Abonnenten mit Null, die „verschiedenen Kreisorganisationen“ mit 1044 (219, 991) Exemplaren. Gesamtvertrieb 5841 (4069, 15 429).

Laut Bericht der Vertriebsstelle sind endlich im Landbezirk Pustoschensk, Kreis Sudogda, Gouvernement Wladimir, im Dezember 1920 beliefert worden: Parteiorganisationen 1 (1, 2), Sowjetinstitutionen 2 (1, 3), Agitations- und Bildungsstellen des Militärkommissariats 2 (1, 2), Landbezirks-Exekutivkomitees 2 (1,3), Post und Telegraph 1 (1, 1), der Betriebsrat in Uroschewsk 1 (1,2), der Bezirksrat für Sozialversicherung 1 (0, 3). Gesamtvertrieb 10 (6, 16).

Was ist das Ergebnis dieser herausgegriffenen Angaben? Meines Erachtens dasjenige, das unser Parteiprogramm mit den Worten ausdrückt: „Gegenwärtig … werden nur die ersten Schritte zum Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus gemacht.“

Der Kapitalismus machte aus den Zeitungen kapitalistische Unternehmen, Werkzeuge der Profitmacherei für die Reichen, der Information und des Zeitvertreibs für sie, Mittel zum Betrug und zur Irreführung der werktätigen Massen. Wir haben die Instrumente der Bereicherung und des Betrugs zerschlagen. Wir haben begonnen, aus der Zeitung ein Instrument zur Aufklärung und Belehrung der Massen zu machen, wie sie ohne Gutsbesitzer und Kapitalisten leben und ihre Wirtschaft aufbauen können. Aber wir haben eben erst damit begonnen. In etwas mehr als drei Jahren ist wenig getan. Es muss noch sehr viel getan werden, ein noch sehr weiter Weg zurückgelegt werden. Weniger politisches Wortgeprassel, weniger allgemeine Betrachtungen und abstrakte Losungen, an denen sich unerfahrene, ihre Aufgaben missverstehende Kommunisten erquicken, mehr Produktionspropaganda und vor allem sachliche, geschickte, dem Entwicklungsniveau der Massen entsprechende Auswertung der praktischen Erfahrungen.

Im Zeitungsvertrieb (über den Stand des Büchervertriebs habe ich keine Zahlen; wahrscheinlich liegen dort die Dinge noch schlimmer) haben wir das Abonnement aufgehoben. Das ist ein Schritt vorwärts vom Kapitalismus zum Kommunismus. Den Kapitalismus kann man aber nicht mit einem Schlage niederstrecken. Er lebt wieder auf in Gestalt der „Sowbürs“, der Sowjetbürokratie, die unter den verschiedensten Vorwänden sich der Zeitungen bemächtigt. Wie viel Zeitungsexemplare sie an sich reißen, lässt sich nicht genau feststellen, offenbar viele. Wir müssen beharrlich und systematisch daran arbeiten, um den Bürokraten „auf die Finger zu klopfen“, um zu verhindern, dass sie sich der Bücher und Zeitungen bemächtigen, um ihren Anteil zu verringern, um die Zahl der „Sowjetbürokraten“ selbst unaufhörlich zu verringern. Wir sind leider nicht in der Lage, diese Zahl sofort auf ein Zehntel oder gar ein Hundertstel herabzusetzen – das bei unserem augenblicklichen Kulturniveau zu versprechen, wäre Scharlatanerie –, aber wir können und müssen sie ständig, unaufhörlich verringern. Ein Kommunist, der das nicht tut, ist nur in Worten Kommunist.

Wir müssen immer wieder und wieder danach streben, dass die Bücher und Zeitungen in der Regel nur an Bibliotheken und Lesehallen unentgeltlich geliefert und auf ihr gesamtes Netz verteilt werden, durch das das ganze Land, die ganze Masse der Arbeiter, Soldaten und Bauern, regelmäßig versorgt wird. Dann wird das Volk hundertmal stärker, schneller und erfolgreicher der Bildung, dem Lichte und Wissen zustreben. Dann wird die Sache der Bildung mit Siebenmeilenschritten vorwärtsschreiten.

Nun zur Illustration ein kleines Rechenexempel. Als Beispiel nehmen wir die 350.000 Exemplare der „Iswestija“ und die 250.000 Exemplare der „Prawda“ für ganz Russland Wir sind bettelarm, haben kein Papier. Die Arbeiter hungern und frieren, haben weder Kleidung noch Schuhzeug. Die Maschinen sind abgenutzt. Die Bauten verfallen. Stellen wir uns vor, dass wir im ganzen Lande, in den mehr als 10.000 Landbezirken, nicht auf dem Papier, sondern in Wirklichkeit 50.000 Bibliotheken und Lesehallen haben. Nicht weniger als drei in jedem Landbezirk und unbedingt je eine in jeder Fabrik, in jedem Werk, jedem Truppenteil. Stellen wir uns vor, dass wir gelernt haben, nicht nur „den ersten Schritt vom Kapitalismus zum Kommunismus“ zu machen, sondern auch den zweiten und dritten Schritt. Stellen wir uns vor, dass wir es gelernt haben, die Bibliotheken und Lesehallen regelmäßig mit je drei Zeitungsexemplaren zu beliefern, davon zwei, sagen wir, „zum Aushängen“ (vorausgesetzt, dass wir den vierten Schritt vom Kapitalismus zum Kommunismus getan haben, nehme ich an, wage ich es anzunehmen, dass wir die Zeitungen, anstatt sie in barbarischer Weise „aufzukleben“, wobei sie beschädigt werden, mit Holznägeln an ein glattes Brett heften – eiserne Nägel gibt es nicht, an Eisen wird es bei uns auch beim „vierten Schritt“ mangeln! –, um ein bequemes Lesen zu ermöglichen und um die Zeitung gut zu erhalten) . Also, je 2 Exemplare für die 50.000 Bibliotheken und Lesehallen zum „Aushängen“ und je ein Reserveexemplar. Stellen wir uns weiter vor, dass wir es gelernt haben, den Sowjetbürokraten nur eine mäßige Anzahl von Zeitungen herzugeben, sagen wir, nicht mehr als einige tausend Exemplare für die verwöhnten „Würdenträger“ der gesamten Sowjetrepublik.

Bei einer so kühnen Annahme wird man im Lande mit 160.000 bis 175.000 Exemplaren fünfmal besser auskommen, als es augenblicklich der Fall ist. Alle werden die Möglichkeit haben, sich durch die Zeitungen zu informieren (bei einer richtigen Organisation der „Wanderbibliotheken“, die meines Erachtens Genossin F. Dobler vor einigen Tagen in der „Prawda“ mit solchem Erfolg verteidigte). Das wären insgesamt 350.000 Exemplare der beiden Zeitungen. Heute sind es 600.000, die die „Sowjetbürokraten“ einfach aus kapitalistischer Gewohnheit verschleudern, vergeuden, für „Zigarettendrehen“ und ähnliche Dinge verwenden. Wir würden also 250.000 Exemplare ersparen. Mit anderen Worten, wir würden ungeachtet unserer Armut uns zwei Tageszeitungen mit einer Auflage von je 125.000 ersparen. Und in jeder dieser Zeitungen könnten wir jeden Tag dem Volke ernstes, wertvolles literarisches Material, beste und klassische Belletristik, Lehrbücher für allgemeine Bildung sowie Lehrbücher über Landwirtschaft und Industrie bieten. Wenn die französischen Bourgeois schon vor dem Kriege, um Geld zu verdienen, es fertigbrachten, Romane für das Volk herauszubringen, nicht zu 3,50 Francs in Form eines vornehmen Buches, sondern zu 10 Centimes (d. h. 35mal billiger, zu 4 Kopeken nach dem Vorkriegskurs), in Form einer proletarischen Zeitung, warum sollten wir es nicht lernen, beim zweiten Schritt vom Kapitalismus zum Kommunismus, das gleiche zu tun? Warum sollten wir es nicht lernen, indem wir das gleiche tun, in einem Jahr – selbst bei unserer heutigen Armut – dem Volke für jede der 50.000 Bibliotheken und Lesehallen je zwei Exemplare aller notwendigen Lehrbücher und aller notwendigen Klassiker der Weltliteratur, der modernen Wissenschaft, der modernen Technik zu liefern?

Wir werden es lernen.

7. Februar 1921.

* Die erste Zahl in der Klammer betrifft die „Prawda“, die zweite die „Bjednota“ („Arme Bauernschaft“).

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