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Wladimir I. Lenin 19140500 Der Gesetzentwurf über die nationale Gleichberechtigung

Wladimir I. Lenin: Der Gesetzentwurf über die nationale Gleichberechtigung, eingebracht in der IV. Duma von der Sozialdemokratischen Arbeiterfraktion Russlands1

[Nach Sämtliche Werke Band 17, Moskau-Leningrad 1935, S. 360 f. Der Entwurf selber ist hier.]

Genossen!

Die Fraktion der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands hat beschlossen, in der IV. Reichsduma den unten beigefügten Gesetzentwurf über die Aufhebung der Beschränkungen der Rechte der Juden und der anderen „Fremdstämmigen" einzubringen

Der Gesetzentwurf bezweckt die Aufhebung aller nationalen Beschränkungen für alle Nationen: Juden, Polen usw. Besonders ausführlich verweilt er indessen bei den gegen die Juden gerichteten Beschränkungen. Der Grund ist verständlich: keine einzige Nationalität wird in Russland so sehr unterdrückt und verfolgt wie die jüdische. Der Antisemitismus schlägt unter den besitzenden Schichten immer tiefere Wurzeln. Die jüdischen Arbeiter stöhnen unter einem zweifachen Joch: sowohl als Arbeiter wie auch als Juden. Die Verfolgung der Juden hat in den letzten Jahren ein ganz unglaubliches Ausmaß erreicht. Es genügt, an die Judenpogrome und an den Fall Beilis zu erinnern.

Unter diesen Verhältnissen müssen die organisierten Marxisten der Judenfrage gebührende Aufmerksamkeit schenken.

Es versteht sich von selbst, dass die Judenfrage nur gemeinsam mit den in Russland auf der Tagesordnung stehenden Hauptfragen ernsthaft gelöst werden kann. Es leuchtet von selbst ein, dass wir von der nationalistischen IV. Duma der Purischkewitsch nicht erwarten, sie werde die Beschränkungen der Rechte der Juden und der anderen „ Fremdstämmigen" aufheben. Aber die Arbeiterklasse ist verpflichtet, ihre Stimme zu erheben. Und besonders laut muss die Stimme des russischen Arbeiters gegen die nationale Unterdrückung erschallen.

Wir veröffentlichen, unseren Gesetzentwurf und hoffen, dass die jüdischen, die polnischen Arbeiter und die Arbeiter der anderen unterdrücktem Nationalitäten ihre Meinung darüber äußern und ihre Zusatzanträge einbringen werden, falls sie solche als notwendig erachten.

Und wir hoffen gleichzeitig, dass die russischen Arbeiter unseren Gesetzentwurf durch Erklärungen u. dgl. besonders energisch unterstützten werden.

Dem Gesetzentwurf werden wir, gemäß Punkt 4, ein besonderes Verzeichnis der aufzuhebenden Vorschriften und Bestimmungen beifügen. Diese Beilage wird ungefähr hundert derartige Bestimmungen umfassen, die allein die Juden betreffen.

1 Der Gesetzentwurf über die nationale Gleichberechtigung wurde von Lenin ausgearbeitet und sollte, offensichtlich im Zusammenhang mit der Behandlung des Budgets des Innenministeriums, in der Duma eingebracht werden. Lenin schrieb auch den Entwurf einer Rede über die nationale Politik der Regierung, die der Abgeordnete Petrowski (siehe „Zur Frage der nationalen Politik") halten sollte.

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