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Wladimir I. Lenin 19170427 Gegen die Pogromhetzer

Wladimir I. Lenin: Gegen die Pogromhetzer1

An die Arbeiter, die Soldaten und die gesamte Bevölkerung Petrograds!

[Geschrieben am 27. (14.) April 1917. Veröffentlicht in der „Prawda" Nr. 33, 28. (15.) April 1917. Nach Sämtliche Werke, Band 20.1, Wien-Berlin 1928, S. 217-220]

Bürger! Die von dem Zarenminister Protopopow begründete und selbst von den Kadetten verachtete Zeitung „Russkaja Wolja" entfaltet eine Pogromagitation gegen unsere Partei, gegen die Zeitung „Prawda", gegen unsere Genossen Lenin und Sinowjew, gegen das Petersburger Komitee unserer Partei, das seinen Sitz im Kschessinski-Palais hat. Wir haben eine ganze Reihe nicht nur mündlicher, sondern auch schriftlicher Mitteilungen über Androhungen von Gewaltaktionen, Bombenattentaten u. dgl.

Seit den ersten Tagen der Revolution sind die als „Republikaner" verkleideten Kapitalisten bemüht, Feindschaft zwischen den Arbeitern und Soldaten zu säen. Zunächst log man, die Arbeiter wollten die Armee ohne Brot lassen, Jetzt versucht man, gegen die „Prawda" zu hetzen.

Wir appellieren an die Ehre der revolutionären Arbeiter und Soldaten Petrograds und erklären:

Nicht nur hat es von unserer Seite keine einzige direkte oder indirekte Gewaltandrohung gegen Einzelpersonen gegeben, im Gegenteil, wir haben immer und immer wieder erklärt, dass es unsere Aufgabe ist, das ganze Volk über unsere Ansichten aufzuklären, dass wir den Rat der Arbeiter- und Soldatendeputierten, der von allen Arbeitern und Soldaten gewählt ist, als die einzig mögliche Revolutionsregierung betrachten.

Die verschiedenen Parteien angehörenden Genossen, die durch Deutschland gereist sind, haben gleich am ersten Tage der Ankunft den Vertrauensleuten aller Arbeiter und Soldaten, dem Exekutivkomitee des Rate der Arbeiter- und Soldatendeputierten, Bericht erstattet. In diesem Exekutivkomitee waren Tschcheïdse, Zeretelli, Skobelew, Steklow u. a.

Genossen! Diese Führer des Arbeiter- und Soldatendeputiertenrates teilen in vielem unsere Ansichten über die Fragen der Staatsordnung nicht. Sie konnten nicht aus Freundschaft für uns handeln.

Und was tat das Exekutivkomitee?

Es veröffentlichte den vollständigen Bericht über die Durchfahrt durch Deutschland in Nr. 32, 5. April 1917, seiner „Iswestija“.

In diesem Bericht werden alle Tatsachen und die Namen der ausländischen Sozialisten zweier neutraler Länder, der Schweiz und Schwedens, genannt, die unsere Protokolle nachgeprüft haben.“

Was beschloss nun das Exekutivkomitee? Hat es die Durchfahrt Lenins und der übrigen durch Deutschland verurteilt oder hat es auch nur seiner Unzufriedenheit damit Ausdruck gegeben?

Nein. Die Redaktion der „Iswestija" hat in derselben Nummer den Beschluss des Exekutivkomitees folgendermaßen wiedergegeben.

Das Exekutivkomitee hat nach Entgegennahme der Berichte der Genossen Surabow und Sinowjew beschlossen, sich sofort an die Provisorische Regierung zu wenden und Maßnahmen zu treffen, die allen Emigranten die sofortige Rückreise nach Russland ermöglichen, unabhängig von ihren politischen Ansichten und ihrer Stellung zum Krieg. Über das Ergebnis der Verhandlungen mit der Regierung werden wir in den nächsten Tagen berichten. Die Red."

Jeder sieht, dass hier gegen Lenin und seine Genossen kein Wort gesagt ist. Die Warnung richtet hier sich gegen die Provisorische Regierung, es wird hier beschlossen, Maßnahmen zu treffen, damit sie die Rückreise nach Russland nicht erschwere.

Im weiteren Verlauf aber haben das Telegramm Martows und die Verhaftung Trotzkis in England bewiesen, dass Miljukow England und Frankreich gegenüber, die ihre Internationalistischen Sozialisten im Gefängnis halten, machtlos ist oder dass er keine ernsten Maßnahmen ergreifen will.

Ein Austausch von Russen und Deutschen fand während des Krieges Dutzende Male statt. Das Mitglied des Staatsrates Kowalewski ist gegen einen Österreicher ausgetauscht worden usw. Für reiche Leute hatten die Regierungen mehr als einmal den Austausch organisiert. Warum also will die jetzige Regierung für die Emigranten keinen Austausch organisieren? Weil sie es einer Anzahl von Kämpfern unmöglich machen will, am revolutionären Kampf teilzunehmen.

Was tun die „Russkaja Wolja" und die in ihren Fußstapfen schreitenden Zeitungen vom Schlage der „Rjetsch" und des „Jedinstwo"? Sie setzen ihren Feldzug, durch den sie die unaufgeklärten Leute zu Gewalttätigkeiten gegen einzelne Personen aufhetzen, fort und veröffentlichen weder den Bericht noch den Beschluss des Exekutivkomitees! …

Dem Exekutivkomitee des Arbeiter- und Soldatendeputiertenrates sind die Namen einer Reihe von Sozialisten mitgeteilt worden, die jeden Schritt der Emigranten, den diese im Zusammenhang mit ihrer Reise unternahmen, nachgeprüft und gebilligt haben. Das sind die französischen Sozialisten Loriot und Guilbeaux, der schweizerische Sozialist Platten, die schwedischen Sozialisten Lindhagen (der Bürgermeister von Stockholm), Karlson, Ström, Nerman, der deutsche Sozialist Hartstein aus der Gruppe Karl Liebknechts, der polnische Sozialist Bronski.

Ein solches Verhalten der „Russkaja Wolja", der „Rjetsch", des „Jedinstwo" unterstützt die dunklen Kräfte, die mit Gewalt, mit Pogromen, mit Bomben drohen.

Genossen Soldaten und Arbeiter!

Wir warnen euch vor den Herrschaften der „Russkaja Wolja", der „Rjetsch“, des „Jedinstwo" und erklären immer und immer wieder: wir wollen, dass dem ganzen Volke die Ansichten sämtlicher Parteien dargelegt werden, wir wollen, dass man den Arbeiter- und Soldatendeputiertenrat achtet.

Wenn die Provisorische Regierung, wenn die Zeitung „Rjetsch", wenn Herr Plechanow mit dem Verhalten des Exekutivkomitees des Arbeiter- und Soldatendeputiertenrates unzufrieden sind, warum erklären sie das nicht offen? Warum verlangen sie keine Revision? Warum fürchten sie nachzudrucken, was in den „Iswestija" des Arbeiter- und Soldatendeputiertenrates Nr. 32 gesagt ist? Warum? – Weil sie Verwirrung stiften wollen!

Wenn es zu Gewalttätigkeiten in dieser oder jener Form kommt, so machen wir dafür verantwortlich die Redakteure und die Mitarbeiter der „Russkaja Wolja", der „Rjetsch", des „Jedinstwo" usw., die es fertigbringen, den Bericht und den Beschluss des Exekutivkomitees nicht zu drucken und eine heimtückische Hetze zu inszenieren.

Die Zeitung „Djelo Naroda", deren enger Mitarbeiter der Minister A. F. Kerenski ist, hat schon darauf hingewiesen, dass die Methoden der genannten Zeitungen den Pogromhetzern Vorschub leisten („Djelo Naroda" Nr. 23).

Mögen die Miljukow, Amphiteatrow, Plechanow u. Co. wissen, dass, wenn es infolge ihrer Hetzkampagne zur Anwendung von Gewalt kommt, sich diese vor allem gegen sie kehren wird.

Nieder mit der Pogromagitation! Nieder mit den Helden der Hetzkampagne und des Betruges, die die Beschlüsse des Exekutivkomitees unterschlagen!

Genossen Soldaten und Arbeiter! Ihr werdet nicht dulden, dass die Freiheit des Volkes durch Pogrome befleckt wird! Ihr werdet die Achtung für die Beschlüsse eures Soldaten- und Arbeiterdeputiertenrates erzwingen!

Zentralkomitee der SDAPR

Petersburger Komitee der SDAPR

1 Der Aufruf „Gegen die Pogromhetzer" bildet eine Umarbeitung des Aufrufes „An die Soldaten und Matrosen", er wurde von Lenin am 27. (14.) April 1917 geschrieben und am gleichen Tage der Petrograder Stadtkonferenz vorgeschlagen, die ihn billigte. Am darauffolgenden Tage erschien der Aufruf mit den Unterschriften des Zentralkomitees und des Petrograder Komitees der Partei in der „Prawda".

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