Karl Liebknecht‎ > ‎1912‎ > ‎

Karl Liebknecht 19120514 Der Antimilitarist Liebknecht – Interessenvertreter der Spandauer Rüstungsarbeiter

Karl Liebknecht: Der Antimilitarist Liebknecht – Interessenvertreter der Spandauer Rüstungsarbeiter

Rede im Deutschen Reichstag zur Begründung eines sozialdemokratischen Antrages1 in der zweiten Lesung des Etats für die Verwaltung des Reichsheeres

[Nach Verhandlungen des Reichstags, XIII. Legislaturperiode, I. Session 1912, Bd. 285, Berlin 1912, S. 1961-1971 und nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 5, S. 345-383]

Meine Herren, wie alljährlich, so sind auch – –

(Glocke des Präsidenten.)

Präsident Dr. Kaempf: Meine Herren, ich bitte um Ruhe!

Liebknecht: – – auch in diesem Jahre dem Reichstage eine große Zahl von Petitionen aller möglichen Angestelltenkategorien der Militärwerkstätten zugegangen. Diese Petitionen verdienen zu einem großen Teil durchaus freundliche Beachtung. Das gilt auch von den Petitionen der Bürohilfsarbeiter auf den Werften, der Kanzlei-, Betriebs-, Maschinen- und Verwaltungsschreiber, der Maschinisten, der Waffenrevisionsdiätare, der Marinehilfswerkführer und vor allen Dingen von den Petitionen der Techniker. Es liegt insbesondere eine gemeinsame Petition des Deutschen Technikerverbandes und des Bundes der technisch-industriellen Beamten vor, die da wünscht die Einführung von Beamtenausschüssen, die Sicherung des Koalitionsrechts und die Anerkennung der Organisation dieser Angestellten in dem Staatsbetriebe. Diese Forderungen sind durchaus zu unterstützen. Wir haben seit jeher den Forderungen dieser Angestelltenkategorien gegenüber einen solchen Standpunkt eingenommen. Es ist mir bekannt, dass die Techniker der Spandauer Werkstätten in der letzten Zeit eine Eingabe um Aufbesserung ihrer Verhältnisse an die zuständigen Instanzen gerichtet haben; insbesondere handelt es sich dabei um Aufbesserung der Gehälter. Diese Eingabe ist dahin beantwortet worden, dass die Gehälter, die nach zwölf Jahren gezahlt werden, um einiges erhöht worden sind, während der Wunsch um Aufbesserung der Gehälter für die früheren Jahre schlechthin abgelehnt worden ist, ebenso wie die übrigen von den Technikern ausgesprochenen Wünsche. Es wird von den Technikern ganz besonders beklagt, dass die Werkverwaltung den Technikern auch die nunmehr zugestandenen Verbesserungen geringfügiger Art nur unter der Voraussetzung gewähren will, dass sie die neuen Annahmebedingungen unterschreiben. Es wird für den Fall, dass die Annahmebedingungen nicht unterschrieben werden, Entlassung befürchtet. Ein solches Vorgehen der Behörde kann ihnen bei der Gestaltung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse ein Mitbestimmungsrecht und die Befugnis, die Forderungen der Arbeiter den höheren Dienststellen unmittelbar vorzutragen, gegeben wird, nicht gebilligt werden, und ich hoffe, dass uns jetzt eine Auskunft darüber gegeben wird, ob dieses Verfahren der Spandauer Verwaltung im Einklang mit der Feldzeugmeisterei eingeschlagen worden ist.

Selbstverständlich sind es vor allen Dingen die Unterbeamten und die Arbeiter, für die der Vater Staat nur ein Stiefvater Staat ist, und die in unseren Schutz zu nehmen unsere wichtigste Aufgabe ist. Von den Arbeitern sind schon seit Menschengedenken immer wiederholte Eingaben an die vorgesetzten Instanzen gerichtet worden, sind immer erneute Petitionen eingereicht worden, ohne dass diese zahlreichen Anträge und Wünsche bisher nennenswerte Beachtung gefunden hätten. Von den Arbeitern wird die Auffassung gehegt, dass, wenn sie in die Lage kämen, ihre Wünsche den höheren Instanzen unmittelbar durch die Arbeiterausschüsse vorzutragen, sie dann vielleicht doch ein geneigteres Ohr finden würden. Es wird geklagt, dass alle Eingaben, die sie jetzt machen, von den unteren Instanzen bereits mit gutachtlichen Äußerungen, gewöhnlich abfälliger Art, versehen in die höheren Instanzen laufen, und dass damit von vornherein ihre Hoffnungen im Keim geknickt sind. Die Leute haben einmal den Glauben, der hoffentlich kein absoluter Köhlerglaube ist, dass die höheren Instanzen den Beschwerden öfter mehr Verständnis und größere Hilfsbereitschaft entgegenbringen als die unteren, unmittelbar mit dem Betriebe verbundenen Instanzen, und deshalb richtet sich ihr Auge immer und immer wieder auf die Verhandlungen des Reichstags über diesen Punkt des Militäretats. Die früheren Petitionen, die auf Schiedsgerichte, auf Arbeitskammern, auf Alters-, Witwen-, Waisenversorgung, Kindererziehungsbeihilfen, auf Urlaub, auf Bezahlung der Wochenfeiertage und dergleichen Dinge gerichtet waren, sind bisher gänzlich erfolglos geblieben. Auch die Anträge, die bei den vorgesetzten Instanzen eingereicht sind und die der Regel nach dieselben Wünsche zum Inhalt hatten, sind ohne Erfolg geblieben.

Das gilt auch von den neuesten Anträgen, insbesondere von denen, die von den Arbeitern des Feuerwerkslaboratoriums im vergangenen Jahr an die Verwaltung gestellt worden sind um Lohnaufbesserung, Erweiterung des Sommerurlaubs, Gewährung von freiem Arzt und freier Medizin für Invaliden und deren Ehefrauen, auf Zahlung von Sterbegeldern für dieselben und Änderung der Satzungen für die Arbeiterausschüsse. Das sind die immer wiederholten, wichtigsten Punkte, die ja in den jetzt vorliegenden Petitionen des Militärarbeiter- und Handwerkerverbandes München vom März dieses Jahres und ebenso in der spezielleren Petition der Arbeiterausschussmitglieder der Spandauer Institute vom Mai dieses Jahres präzisiert worden sind. Das ist der Leidensweg, den bisher die Arbeiter beschritten haben. Ich glaube, dass es am zweckmäßigsten ist, wenn ich jetzt kurz die speziellen Missstände in den einzelnen Betrieben erwähne, um dann die allgemeinen Missstände, die in allen Betrieben gerügt werden, kurz zu erörtern.

Ich möchte zunächst in Bezug auf die Pulverfabrik darauf hinweisen, dass die Arbeiter dieses Instituts besonders um deswillen ungünstig gestellt sind, weil bei der Schwierigkeit und Gefährlichkeit der Arbeit Akkordarbeit überhaupt nicht zugelassen ist, und die Löhne so ungünstig gestellt sind, dass diese mit so gefährlicher Arbeit beschäftigten Leute schlechter dastehen als die Arbeiter in anderen Betrieben. Gerade die Pulverarbeiter haben ein Martyrium hinter sich. Es ist Ihnen bekannt, dass sie die Beamtenqualität beanspruchen; ein Arbeiter namens Voß hat darüber einen langwierigen Prozess geführt, in welchem ihm schließlich vom Reichsgericht endgültig die Beamtenqualität abgesprochen worden ist. Das Schicksal dieses Mannes, der voriges Jahr gestorben ist, nachdem er 30 Jahre dem Staate treu gedient hat, hat sich den Pulverarbeitern fest in die Erinnerung geprägt und das Bewusstsein in ihnen gefestigt, dass ihnen vom Staate schweres Unrecht geschehen ist. Unter diesen Umständen sollte in Bezug auf die Regelung der Verhältnisse dieser Arbeiter wahrlich nicht kleinlich verfahren werden.

In der Pulverfabrik wird weiter geklagt über das Kantinenwesen. Es besteht dort eine Kantinenkommission, die aber nur das Recht hat, sich um die Güte und Billigkeit der Nahrung zu kümmern, aber keineswegs das Recht der Mitbestimmung über die Erträge der Kantine besitzt. Was mit diesen Überschüssen, die zu wohltätigen Zwecken verwendet werden sollen, geschieht, das liegt in den Händen anderer Instanzen. Der Arbeiterausschuss wird gutachtlich gehört; aber schließlich entscheidet ausschließlich der Betriebsdirektor. Nun empfinden die Leute folgendes als einen üblen Zustand: Wenn irgendein Unterstützungsgesuch eingereicht wird, so wird das zunächst einmal an die Direktion gegeben, und die legt es dem Arbeiterausschuss vor, damit er sich über eine vorläufige Unterstützung aus dem Kantinenfonds äußert. Der Arbeiterausschuss beschließt nun häufig genug eine Unterstützung von 100, 125, 150 Mark, aber er hat nicht zu entscheiden; der Betriebsdirektor gibt oft nur eine Unterstützung von drei, vier und fünf Mark, und wenn dann die Sache an die Feldzeugmeisterei geht, wird dem Bericht gleich hinzugefügt, „dass bereits der größten Notlage aus dem Kantinenfonds abgeholfen sei" – mit jenen drei oder vier Mark! Die Arbeiter wünschen ganz allgemein, dass die Kantinenkommission auch über diese Unterstützungen selbst zu beschließen habe und nicht der Oberstleutnant, allein schon damit verhindert wird, dass durch die Gewährung solch lächerlich kleiner Unterstützungen die Feldzeugmeisterei getäuscht wird über den Grad des wirklich bestehenden Notstandes.

Ich will das gleich hier mit erwähnen, um mich nachher nicht wiederholen zu müssen.

Im Zusammenhange mit der Pulverfabrik möchte ich die sanitären Zustände der Betriebe erörtern. Im Allgemeinen sagt man, dass die sanitären Zustände in den Staatswerkstätten nicht ungünstig liegen. Aber anders steht es mit den Betrieben, in denen viel Metall- und anderer Staub entwickelt wird, in denen Blei verwendet wird, Säure, Beize und Äther. Früher gab es für derartige Arbeit eine sogenannte Gesundheitszulage, eine Säurezulage, eine Staubzulage, eine Giftzulage usw. Sie betrug zwar nur zehn Pfennig für den Arbeitstag, aber sie wurde immerhin als eine kleine Anerkennung für die besonders gefährliche Arbeit aufgefasst und als eine Erleichterung der Abwendung der Gesundheitsgefahren. Diese Gesundheitszulage ist zum Beispiel in den Säure- und Ätherbetrieben der Pulverfabrik seit dem Jahre 1905 abgeschafft worden. Aufrechterhalten geblieben ist sie nur für diejenigen, die im Jahre 1904 300 Arbeitsstunden in diesen Betrieben geleistet haben. In dem Augenblick aber, wo einer von diesen Arbeitern, die mit der Zulage bedacht sind, in einen anderen Betrieb versetzt wird, wo nicht Säure und Äther verarbeitet werden, verliert er seine Zulage. Ich meine, die Abschaffung dieser Zulage könnte nur dann gerechtfertigt sein, wenn wirklich keine Gesundheitsgefahr mehr in dem Betriebe besteht. So liegen aber die Verhältnisse durchaus nicht. In diesen Äther- und Säurebetrieben sind allerhand Gesundheitsschutzvorrichtungen angebracht. Es sind Ventilatoren angebracht, und es werden den Arbeitern auch Respiratoren gegeben, die sie während der ganzen Arbeitszeit tragen müssen. Diese Respiratoren, die mit dicken Wattepfropfen versehen sind, sind allerdings vielleicht geeignet, die gefährlichen Dünste von den Respirationsorganen fernzuhalten. Es wird aber vollkommen verkannt, dass das stundenlange Tragen dieser Respiratoren andere Gesundheitsgefahren im Gefolge hat. Die Luft kann nicht frisch zirkulieren, die Leute müssen vielmehr dieselbe Luft einatmen, die sie ausgeatmet haben. Das Arbeiten unter solchen Umständen strengt so erheblich an, dass schon dadurch die Arbeit beträchtlich erschwert wird und die Arbeiter einen Anspruch auf eine besondere Vergütung haben. Dass die Arbeit keineswegs weniger gesundheitsschädlich ist als früher, das zeigen alle die Sicherungsmaßnahmen, die von der Verwaltung ergriffen werden, die aber gleichzeitig eine große Erschwerung und Belästigung der Arbeiter bedeuten. Bei der Arbeit an dem Sternpulver zum Beispiel müssen die Leute besondere Kleider anziehen, die stets im Betriebe bleiben; es werden ihnen besondere Handschuhe gegeben; sie müssen sich einer besonderen Zahnpflege unterziehen, ganz bestimmte Reinlichkeitsvorschriften bestehen. Daraus geht hervor, dass man dieses Sternpulver für gesundheitsgefährlich hält. So ist es wohl ganz selbstverständlich, dass man diesen Leuten eine Zulage für diese gefährliche Arbeit gibt. Ehe diese Vorsichtsmaßregeln ergriffen waren, bekamen die Leute, die an diesem Sternpulver arbeiteten, Pickel am ganzen Körper; erst in der Abteilung C 1 10 Mann, dann in der Abteilung C 3 10 bis 18 Mann. Daraufhin bekamen sie zehn Pfennig Gesundheitszulage. Dann erschien eine Gesundheitskommission, die feststellte, dass von jetzt ab eine Gesundheitsgefahr nicht mehr vorliege, und nun wurde die Gesundheitszulage wieder entzogen. Ich meine, dass auch heute eine Gesundheitsgefahr nicht geleugnet werden kann und dass eine Gesundheitszulage noch immer am Platze ist. Als im Jahre 1910 der Ausschuss gegen die Entziehung der Gesundheitszulage protestierte und eine Gesundheitskommission vom Reichsgesundheitsamt erbat, bekam er von dem jetzt in den Ruhestand versetzten damaligen Betriebsinspektor Schirmer die Antwort, er solle seinen Mund zügeln.

Besonders muss gerügt werden, dass in der Pulverfabrik in den Säure- und Ätherbetrieben mit Vorliebe junge Leute von 18 bis 22 Jahren beschäftigt werden, ungefähr in der Zahl von 40 und mehr. Dass diese jungen Leute durch die Gesundheitsgefahren doppelt bedroht werden, steht außer Zweifel. Aber diese Maßregel erklärt sich aus dem Bedürfnis zu sparen. Man schiebt die älteren Arbeiter, die seit 1904 die Gesundheitszulage bekamen, in andere Betriebe ab, wo sie die Gesundheitszulage nicht bekommen. Dadurch wird man gleichzeitig die unbequemen älteren Arbeiter los; denn die älteren Arbeiter sind nicht so leicht anzutreiben wie die jüngeren und werden sich leichter ihrer Haut wehren gegen das Hetz- und Treibsystem, das in weitem Umfange besteht und den Selbstschutz gegen die Gesundheitsgefahren erschwert. Es müsste verhindert werden, dass junge Leute in diese Betriebe hineingesetzt werden.

Klage wird weiter geführt über die Art, wie bei der Bearbeitung des Petrin, dieses neuen Sprengstoffs, verfahren wird. Auch für diese sehr gefährliche Arbeit wird den Arbeitern keine Giftzulage gegeben.

Dass die Arbeitszeit für die gesundheitsgefährlichen Arbeiten genau ebenso lang ist wie bei anderen, gewöhnlichen Arbeiten, kann sicherlich nicht als gerechtfertigt angesehen werden. Die Arbeitszeit müsste hier verkürzt und die Gesundheitszulage zur körperlichen Stärkung gewährt werden. Auch müsste eine häufigere ärztliche Kontrolle eingeführt werden. Jetzt wird meist nur alle Vierteljahr einmal kontrolliert, entgegen den allgemeinen Vorschriften, die kürzere Intervalle bestimmen. Und schließlich wird es selbstverständlich notwendig sein, dass auf Reinlichkeit und allerhand andere Sicherheits- und Gesundheitsschutzvorrichtungen gehalten wird. Sparsamkeit am unrechten Ort darf hier nicht obwalten. Was die Reinlichkeit anbelangt, darf ich hervorheben, dass nach der Darstellung, die mir gegeben worden ist, die Arbeiter vielfach so angetrieben und gehetzt werden, gerade auch in diesen gefährlichen Betrieben, dass sie nicht einmal die Zeit haben, die nötigen Reinigungsarbeiten im Betrieb vorzunehmen, wodurch die Staubentwicklung wieder vermehrt und die Gesundheitsgefahren wesentlich verstärkt werden.

In Bezug auf die sanitären Verhältnisse der Bleiarbeiter wird geklagt, dass die sogenannte Farbenmilch, die in der Artilleriewerkstatt noch geliefert wird, in der Geschützgießerei nicht mehr gegeben wird. Hier sollte schleunigst Remedur eintreten. Es wird mir auch ein Fall von Messingvergiftung berichtet. Als ein Arzt Messingvergiftung feststellte, wurde er sofort zur Verantwortung gezogen, bis er schließlich sein Gutachten veränderte und bestätigte, dass keine Messingvergiftung vorgelegen habe. Aber wenn sich auch dieser Fall nicht so zugetragen haben sollte, wie er mir berichtet ist: Schon die Tatsache, dass unter den Arbeitern die Auffassung vorhanden ist, dass man versuchen könnte, auf diese Weise wirklich vorhandene Gefahren zu vertuschen, müsste der Verwaltung zu Bedenken Anlass geben. Es geht aus einer solchen Auffassung jedenfalls hervor, dass die Arbeiter ein sicherlich nicht ganz ungerechtfertigtes Misstrauen gegen die notwendige sanitäre Fürsorge seitens der Verwaltung hegen.

Meine Herren, in Bezug auf die Gewehrfabrik möchte ich mich nur mit drei Herren befassen, die ich namhaft machen möchte: mit dem Meister Karl, dem Inspektor Triebel und dem Major Weißhaupt, dem Direktor. Es wird von dem Meister Karl behauptet, dass er in der Gewehrfabrik eine Günstlingswirtschaft sehr bedenklicher Art eingerichtet habe. Ich habe darüber viele Einzelheiten in Händen, will aber, um nicht zu ausführlich zu werden, diese Einzelheiten nicht vortragen. Gegen den Major Weißhaupt werden recht ernste Beschuldigungen erhoben. Es wird behauptet, dass sich bei ihm in einem gewissen Sinne der Fall des Oberbüchsenmachers Schwieger wiederhole, der ja vor einigen Jahren hat versetzt werden müssen, weil allerhand ungehörige Dinge vorgekommen waren. Ich möchte nicht tiefer darauf eingehen, um diesen Herrn nicht ohne Not vor der Öffentlichkeit bloßzustellen. Ich habe aber allerhand Einzelheiten hier in den Händen und bin bereit, wenn ich herausgefordert werden sollte, alle diese Einzelheiten sofort vorzutragen.

Meine Herren, dem Inspektor Triebel wird, ebenso wie dem Major Weißhaupt, vorgeworfen, dass er die Arbeiter nicht in gehöriger Weise behandelt. Der Major Weißhaupt soll sehr bereit sein, mit Entlassung zu drohen, und es sind mir eine Anzahl von Redensarten wiedergegeben, die er den Arbeitern gegenüber gebraucht hat, die zu unanständig sind, als dass ich sie in diesem Hause aussprechen möchte. Der Herr möge sich wohl überlegen, ob solche Redensarten auch nur auf den Kasernenhof gehörten, – sie dürften auch dahin nicht einmal gehören; sie gehören aber gewiss nicht in eine Fabrik.

Meine Herren, der Inspektor Triebel hat nun wiederholt Anlass zu Beschwerden gegeben über die Härte, Rauheit und Ungehörigkeit, mit der er die Arbeiter behandelt. Es wird mir unter anderem berichtet, dass vor kurzem ein Arbeiter ihn um Unterstützung anging, und zwar durchaus begründeterweise, wie mir die Mitarbeiter versicherten. Die Arbeiterausschussmitglieder haben, soviel ich hörte, auch seinen Antrag unterstützt; und da hat ihn der Herr angefahren, „ob er denn Unterstützung wolle für Biertrinken oder Bockerei“ – meine Herren, doch sicherlich eine ganz ungehörige Art des Auftretens, Es wird auch darüber geklagt, dass in diesem Betriebe Arbeiter schon Jahr und Tag probeweise beschäftigt werden, obwohl eine solche Beschäftigung höchstens ungefähr ein Vierteljahr lang stattfinden dürfte.

Meine Herren, gegen das Feuerwerkslaboratorium liegt viel gewichtiges Material vor. Es heißt allgemein, dass seit den Zeiten des Herrn Direktors Konisch, der im Jahre 1908 fortgekommen ist, die Verhältnisse sich dort sehr erheblich verschlechtert haben und insbesondere eine Protektionswirtschaft schlimmster Art auf dem Eiswerder2 eingerissen ist. Meine Herren, diejenigen, die hier besonders angeklagt werden, will ich zunächst einmal nicht namhaft machen. Erwähnen will ich nur den Meister Schilling, der auch in politischer Beziehung einen sehr bedauerlichen Einfluss geltend macht und der unter anderem, als jetzt nach der Wahl Arbeiter petitionierend zu ihm kamen, ihnen antwortete: Scheren Sie sich doch zu Herrn Liebknecht, der kann Ihnen helfen; wir sind nicht dazu da. Ich meine, das ist eine ganz grobe Ungebühr, die dem Herrn angestrichen werden sollte.

Ebenso findet sich gerade dort der bedauerliche Zustand, dass dann und wann die Arbeiter zu Privatarbeiten benutzt werden. Speziell soll der Meister Schilling dergleichen getan haben. Er soll allerdings später die Arbeiter gefragt haben, wie viel sie für diese Arbeiten haben wollen. Als sich dann aber ein paar meldeten, um wirklich etwas dafür zu nehmen, soll er sie nachher deutlich haben fühlen lassen, dass er sehr unzufrieden damit sei, dass sie ihm nicht pour le roi de Prusse gearbeitet haben.

Meine Herren, in der Arbeitsordnung ist ausdrücklich gesagt, dass der Akkord nur nach Besprechung, nach Fühlung mit den Arbeitern festgesetzt wird. Dieser Meister Schilling aber erklärt den Arbeitern immer und immer wieder: „Die Akkorde mache ich, da habt ihr gar nichts mitzureden!“ Meine Herren, es ist unbedingt notwendig, dass hier eingegriffen wird und dass dieser Paschawirtschaft des Herrn Schilling ein Ende bereitet werde.

Was die Betriebssicherheit in den Königlichen Werkstätten anbelangt, so sind der Regel nach darüber vollkommen falsche Vorstellungen verbreitet. Es dringt allzu wenig in die Öffentlichkeit über die Unfälle speziell in den Spandauer Werkstätten. Es würde sehr verdienstlich sein, wenn unsere Militärverwaltung bei Gelegenheit einmal eine statistische Nachweisung der großen und auch kleinen Unfälle vorlegen würde.

Als vor zwölf Jahren einmal in dem Raketenladegewerk – es war am 25. August 1900 – jene größere Explosion stattfand, bei der zwei Arbeiter um das Leben kamen, wurde, so bin ich unterrichtet, die Akkordarbeit in diesen Betrieben abgeschafft und die Zeitlohnarbeit eingeführt. Aber diese Zeitlohnarbeit wurde alsbald auch zu einer solchen Hetzarbeit gestaltet, dass der vernünftige Zweck, den man mit der Beseitigung der Akkordarbeit angestrebt hatte, vollkommen illusorisch gemacht wurde. Meine Herren, im Jahre 1910 ist wiederum eine größere Explosion erfolgt, bei der drei Arbeiter schwer verletzt wurden; ein Geschoss, das als abgeschossen vom Schießplatz kam, war explodiert.

Meine Herren, wiederholt sind auch in der letzten Zeit Explosionen erfolgt, und zwar nicht ganz ungefährlicher Art. In dem Raketenladegewerk kommen sie besonders häufig vor; so erst um Weihnachten oder Neujahr, wobei Fenster und Türen herausgeschleudert, etwa 70 Fensterscheiben auch in anderen Gebäuden zerstört worden sind; ein Arbeiter wurde leicht verletzt durch Splitter, sonst war ein Schaden an menschlicher Gesundheit glücklicherweise nicht zu verzeichnen, abgesehen davon, dass einige Arbeiter eine Zeitlang betäubt waren. Wenn aber nicht ein günstiger Zufall obgewaltet hätte, wäre ein Arbeiter ums Leben gekommen, dem ein schweres Maschinenteil dicht vor die Füße geschleudert wurde, ungefähr einen Meter entfernt; hätte es ihn getroffen, hätte es ihn zerschmettert.

Diese Vorgänge stehen, wie bemerkt, nicht vereinzelt. Auch im Sprengkapselladegewerk und in dem Zündhütchenladegewerk C I und C III – in dem letzteren sind besonders Frauen beschäftigt – sollen Explosionen recht häufig vorkommen; an einem Tage zuweilen mehrere, zwei bis drei, wie mir gesagt wird. Allerdings sind diese Explosionen der Regel nach nicht sehr schwer; aber Explosionen, bei denen Finger verletzt werden, und andere körperliche Schäden, wenn auch geringeren Grades, entstehen, sind recht häufig. Es wäre empfehlenswert, wenn die Sicherheitsvorrichtungen einmal sorgfältig nachgeprüft würden und wenn insbesondere darauf Rücksicht genommen würde, dass diese Explosionen der Regel nach ihre Ursache haben in dem Antreibersystem, in dieser Hetzarbeit, die verhindert, dass die Arbeiter mit der erforderlichen Ruhe, Besonnenheit und Vorsicht ihre Arbeit verrichten können. Übrigens soll ein ganzer Teil dieser Explosionen, dieser Unfälle, auch dadurch hervorgerufen werden, dass Vorgesetzte in diese Gewerke hineingesetzt werden, die in den technischen Dingen keine hinreichende Erfahrung haben. Wenn ein Unglück passiert ist, dann wird ja gewöhnlich eine Zeitlang etwas langsamer und vorsichtiger gearbeitet; nach kurzer Zeit, so wird überall berichtet, geht das Gehetze wieder los. Man nennt unter anderem – das ist sehr kennzeichnend – die Arbeit an der Presse die Rennbahn, ein unter den Arbeitern allgemein gebräuchlicher Ausdruck, der kennzeichnet, wie gehetzt diese Arbeiter hin und her laufen müssen. Bei solch gefährlicher Arbeit müsste das vermieden werden. Gerade hier wird mir aber berichtet, dass die Hetze oft so groß sei, dass selbst das Aufwischen unmöglich sei, dass die Arbeiter statt zweimal, wie es vorgeschrieben ist, sich nur einmal baden können. Dass durch eine solche Art von Arbeit die Gesundheit der Arbeiter mitgenommen wird, kann gar nicht in Zweifel gezogen werden. Fortgesetzt wird während dieser Antreibereien noch hinein reglementiert, stellen sich noch die Meistergehilfen hin mit der Uhr in der Hand, um die Arbeiter zu kontrollieren und sie voran zu jagen. Das ist sicherlich durchaus zu missbilligen. Ich meine, den Arbeitern bessere Löhne zahlen, ihnen in einem erhöhten Lohn eine Risikoprämie für die Gefährlichkeit der Arbeit gewähren und ihnen Zeit lassen zu ruhiger Arbeit, das ist die allerbeste Sicherheitsvorrichtung. Alle die anderen Sicherheitsvorrichtungen werden niemals imstande sein, die Gefahren wegzuräumen, solange nicht diese beste Sicherheitsvorrichtung von der Verwaltung angewandt wird.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Es kommt noch hinzu, dass, wenn Verletzungen erfolgen, mit großer Vorliebe nach kurzer Zeit Gewöhnung konstruiert wird und dem Betroffenen die Rente entzogen wird, ganz wie es ja jetzt leider auch die Praxis des Reichsversicherungsamtes ist. Darüber klagen die Leute sehr, und ich mache mich zum Mundstück ihrer Klagen.

Aus der Armeekonservenfabrik habe ich eine Kleinigkeit vorzutragen, die aber sehr charakteristisch ist. Da ist vor kurzer Zeit ein Arbeiter entlassen worden, weil er einen Dritten beauftragt hatte, ihn für den nächsten Tag zu entschuldigen. Er hatte plötzlich die Nachricht vom Tode seines Vaters erhalten und war weggereist, um ans Sterbebett seines Vater zu eilen. Nun lautet die Vorschrift, dass um Urlaub persönlich nachzusuchen ist; und weil dieser Mann sich nicht persönlich, sondern durch einen Beauftragten entschuldigt hatte, wurde er zur Verantwortung gezogen. Es kam zu einer Auseinandersetzung, bei der ihm nach kurzem Wortwechsel einfach der Stuhl vor die Tür gesetzt wurde. Es ist darüber ja in der „Militärarbeiterzeitung" geschrieben worden; bisher hat sich die Militärverwaltung, soweit ich unterrichtet bin, gegenüber diesem Angriffe noch nicht gerechtfertigt.

Ein besonderes Kapitel ist das jener „Amphibien", die einen Teil des Jahres bei der Landesaufnahme3 beschäftigt sind und den anderen Teil in den Staatswerkstätten. Es ist Ihnen vielleicht aus den vergangenen Jahren erinnerlich, dass wir schon Petitionen dieser bei der Landesaufnahme beschäftigten Arbeiter gehabt haben, die unter anderem im Jahre 1910 vom Reichstag, wenigstens in Bezug auf die Gewährung der Lohnzulage und der Einführung einer Arbeitsordnung, dem Reichskanzler zur Erwägung überwiesen wurden, während der Punkt 3 der damaligen Petition: Gewährung eines Urlaubs, durch Übergang zur Tagesordnung erledigt wurde. Diesen Arbeitern bei der Landesaufnahme, die in so intensiver Weise beim Militär und unter den Staatsarbeitern aller Institute geworben werden, verspricht man goldene Berge; man sagt ihnen, nach zehn Jahren hätten sie dann eine Lebensstellung. De facto lauten die Vorschriften dahin – ich habe sie hier in der Hand –, dass sich die Arbeiter bereits beim Eintritt in die Landesaufnahme in den Arbeitsnachweis bei den Staatswerkstätten einzeichnen und dass sie dann die Aussicht haben, nach zehnjähriger Beschäftigung bei der Landesaufnahme „dran" zu sein, also die Anwartschaft auf Eintritt in die Staatswerkstätten zu haben. Das ist ja an sich sehr schön und gut; aber es ist diesen Arbeitern nicht die geringste Festigkeit in ihrer Stellung gewährt. Sie werden auf zehn Jahre für die Landesaufnahme verpflichtet. Die letztere aber behält sich das Recht vor, sie jederzeit zu entlassen, und zwar in sehr kurzem Prozess. Ich habe hier so ein Entlassungsschreiben in der Hand. Da heißt es nur:

Infolge Herabsetzung der Geldmittel für die topographischen Feldarbeiten sieht sich die Abteilung genötigt, die Verwendung von Hilfsarbeitern erheblich einzuschränken. Sie werden deshalb hierdurch benachrichtigt, dass von Ihrer Weiterbeschäftigung bei den topographischen Feldarbeiten Abstand genommen wird."

Also ganz kurzer Prozess! Nun nehmen wir den entgegengesetzten Fall, dass ein Arbeiter etwa aus Familienursachen nicht mehr imstande oder geneigt ist, die Arbeit bei der Landesaufnahme zu verrichten; wenn er sich dann weigert oder bittet, ihn von der Arbeit zu entbinden, dann wird er – und das ist ganz allgemein so – nicht nur sofort von jeder Weiterbeschäftigung bei der Landesaufnahme ausgeschlossen, sondern er wird auch aus der Beschäftigung bei den Staatswerkstätten sofort entlassen.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Mir sind drei Fälle dieser Art, die sich erst Anfang dieses Monats abgespielt haben, mitgeteilt worden. Ich habe die Namen der Arbeiter vor mir, will sie aber nicht nennen. Da ist den Arbeitern, als sie sich darüber beklagten, dass sie auch aus den Werkstätten entlassen wurden, gesagt worden: Wir können nicht gegen die Landesaufnahme arbeiten. Das ist wirklich ein Verhältnis, das man fast als unsittlich bezeichnen möchte, wo die Verwaltung das Recht für sich in Anspruch nimmt, über den Arbeiter zehn Jahre lang zu verfügen und ihn nach Belieben zu entlassen, während der Arbeiter kein Recht haben soll, Arbeit aufzugeben, auf die Gefahr hin, dass er auch aus den Militärwerkstätten ausgeschlossen wird.

Zu verurteilen ist auch, dass diesen Leuten 50 Pfennig pro Tag von ihrem Lohn als sogenannte Dienstprämie einbehalten werden. Ganz klug bin ich, offen gestanden, aus dieser Dienstprämie nicht geworden. Es liegen mir verschiedene behördliche Schreiben vor, aus denen hervorgeht, dass es sich in der Tat um nichts anderes handelt als um einen Abzug vom Lohn, der den Leuten nachher ausbezahlt wird, wenn ihre Stellung ein Ende erreicht. Das ist doch auch bloß ein Mittel, um die Arbeiter möglichst an die Landesaufnahme zu fesseln, ein durchaus bedenkliches Mittel.

Meine Herren, die Arbeitsordnung für diese Landesaufnahmearbeiter enthält einen Passus, wonach diese eine ganz unbegrenzte Arbeitszeit haben; sie können jederzeit, auch sogar sonntags, von der vorgesetzten Behörde zur Arbeit heran gefordert werden.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Das ist doch wahrhaftig schon der Gipfel! Es ist doch etwas ganz einziges, glaube ich – selbst bei den staatlichen Arbeitern –, dass in dieser Weise über die Sonntagsruhe, über die Pflichten zur Begrenzung der Arbeitszeit hinweggegangen wird und die Leute Tag und Nacht und ohne jede Grenze ad nutum ihrer Vorgesetzten zu stehen haben.

Die Forderungen dieser Arbeiter gehen nun außer dem, was ich bereits bei der Erwähnung der früheren Petition bemerkt habe, dahin, dass ihre Arbeitszeit begrenzt wird, dass sie eine Teuerungszulage bekommen und dass ihnen überhaupt eine erhebliche Lohnbesserung zuteil werde, weil sie einen doppelten Haushalt führen müssen. Die Leute müssen so viel unterwegs sein, dass sie in der Tat im dienstlichen Interesse einen doppelten Haushalt führen. Das müsste in irgendeiner Weise anerkannt werden. Da genügen die paar Pfennig Eisenbahnkilometergelder, die paar Pfennig Reisekosten nicht, um diese Mehrkosten aufzubringen. Statt dass nun eine Besserung eingetreten wäre, ist vor einiger Zeit eine Verschlechterung eingetreten. Die Vergütung für Reisen in und außer dem Vermessungsgebiet wurde gegenüber den Vorjahren von fünf auf vier Pfennig pro Eisenbahnkilometer herabgesetzt und der Zu- und Abgang von einer Mark in Abzug gebracht. Das ist eine sonderbare Art der sozialen Fürsorge in unseren teuren Lebensverhältnissen bei dieser Arbeiterkategorie, die so schon ungünstig genug dasteht, nun noch mit der Herabsetzung der Gebührnisse vorzugehen!

Tatsache ist, dass eine jüngste Eingabe dieser. Zivilhilfsarbeiter bei der Landesaufnahme nicht gänzlich abgewiesen worden ist. Es ist die erste Lohnstufe von 3,60 Mark aufgehoben; erst vor wenigen Tagen ist das geschehen. Der Anfangslohn ist auf 3,90 Mark festgesetzt worden und damit auf die Höhe, bei der die vierte Lohnklasse in den Staatswerkstätten beginnt. In Bezug auf die Reisekosten ist auch eine kleine Verbesserung erfolgt; Fuhrkosten auf Landwegen werden gegenwärtig anstatt nach zehn Kilometern schon nach zwei Kilometern gewährt. Aber dass diese kleinen Zugeständnisse, die jetzt unmittelbar vor Verhandlung der Dinge im Reichstag gemacht worden sind, nicht hinreichen können, um die berechtigten Ansprüche dieser Arbeiter zu erledigen, bedarf meiner Ansicht nach keiner weiteren Ausführung. Hier muss Abhilfe geschaffen werden.

Nun, meine Herren, einige allgemeinere Dinge! Es wird darüber geklagt, dass innerhalb der Staatswerkstätten eine echte Vetternwirtschaft immer mehr einreißt.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Schon wenn sich jemand zum Eintritt in die Werkstätten meldet, wird er charakteristischerweise zunächst einmal gefragt: Haben Sie schon jemand im Institut arbeiten? Und wer noch niemand im Institut arbeiten hat, der kann schon fast Gift drauf nehmen, dass er nicht hineinkommt, abgesehen davon, dass er vielleicht irgendeinen jener gewaltigen Protektoren, den Meister usw., an seiner Seite hat, die dann allerdings sehr viel machen können. Gerade auch in Bezug auf die Protektionswirtschaft von Seiten der Meister, Meistergehilfen usw. sind mir zahlreiche Klagen zu Ohren gekommen.

In Bezug auf die Lohnverhältnisse kann man wahrhaftig kein Loblied auf die Verwaltung singen. Die vierte Lohnklasse beginnt mit 3,90 Mark, und wenn man beinahe ein Menschenalter hindurch in den Staatswerkstätten gearbeitet hat, kann man in dieser Klasse schließlich bis auf 4,80 Mark steigen. Das sind doch Löhne, die eines Staatsbetriebes unwürdig sind,

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

zumal die Stadt Spandau, von der ich hier im Speziellen spreche, eine sehr teure Stadt ist, in der manche kommunale Maßregeln, die anderwärts zur Verbilligung der Nahrungsmittel getroffen sind, vorläufig noch nicht getroffen sind. Die Stadt Spandau zahlt ihren eigenen ungelernten Arbeitern, den Straßenreinigern usw. einen Anfangslohn von 4,00 Mark, und die Königlichen Werkstätten in Spandau zahlen den Arbeitern, die sich dann mit Stolz Königliche Arbeiter nennen sollen, ein Anfangsgehalt von 3,90 Mark,

(Zuruf von den Sozialdemokraten.)

und auch dieser Lohn – ich komme darauf gleich zurück – ist ja noch nicht lange Zeit gewährt.

Im Jahre 1907 ist jene bekannte Aufbesserung der Löhne erfolgt. Diese kleine Lohnaufbesserung, von der die Militärverwaltung heute nach fünf Jahren, nachdem wir die Reichsfinanzreform, die gewaltige Verteuerung aller Lebensbedürfnisse gehabt haben, noch zehrt, ist damals, wie hier bereits zur Sprache gebracht wurde, sofort durch die Erhöhung der Wohnungsmieten in Spandau eskamotiert worden. Das ist ein Punkt, der wohl verdient, noch einmal erwähnt zu werden, wie die Hauseigentümer, die Vermieter in Spandau aus der Tatsache, dass eine Lohnerhöhung der Staatsarbeiter eintrat, alsbald das Recht entnahmen, diese Arbeiter durch Mietzinserhöhung zu schröpfen.

Dass die Gesamtlage der Königlichen Arbeiter sich seit den letzten Jahren nicht verbessert, sondern direkt verschlechtert hat, das ist die Auffassung, die mir von allen Seiten zugetragen worden ist – natürlich nicht in Bezug auf den nominellen Geldlohn. Von diesem Nominallohn zu sprechen ist ja vollkommen irreführend, und eine solche Argumentation sollte ein ernsthafter Mensch überhaupt nicht mehr versuchen. Es handelt sich um den Standard of life, um die Möglichkeit, mit dem gegebenen Lohn seine Existenz zu fristen. Da ist das Fazit, das die Arbeiter überall ziehen: Die Gesamtlage hat sich in den letzten Jahren direkt verschlechtert, und zwar – so wird mir gesagt – erheblich. Das ist die Auffassung der Arbeiter.

Es gibt keine Teuerungszulagen für diese Arbeiter. Alle Versuche, dergleichen zu erzielen, sind vergeblich gewesen. Aber wenn darüber, dass diese Arbeiter erhöhte Löhne haben müssten, gar kein Zweifel obwaltet, wenn gar kein Bedenken dagegen aufkommen kann, dass das Verlangen nach Abschaffung der vierten Lohnklasse durchaus gerechtfertigt ist, so existieren doch in Bezug auf die Lohnverhältnisse noch einige andere Punkte, die den Arbeitern auch sehr am Herzen liegen.

Die Arbeiter in den Spandauer Betrieben und anderwärts in Staatswerkstätten sind in der glücklichen Lage, Lohnskalen zu haben, nach denen sich je nach der Dienstdauer ihre Löhne erhöhen; also eine Art Alterszulage. Aber sie haben gar kein Recht, in einer bestimmten Lohnklasse beschäftigt zu werden. Es sind die Arbeiten qualifiziert und in die verschiedenen Lohnklassen rubriziert, nicht aber die Arbeiter. Wenn nun ein Arbeiter, mag er noch so lange im Dienst sein, eine bestimmte Arbeit nicht weiter verrichten kann oder soll – vielleicht nur infolge einer Unfreundlichkeit des Vorgesetzten – und mit einer Arbeit beschäftigt wird, für die eine niedrigere Lohnklasse vorgesehen ist, dann verliert er sofort seinen bisherigen Lohn und rutscht am Ende um ein paar Mark herunter, obwohl er bei seinem höheren Lebensalter das Bedürfnis hätte, nun gerade die Vorsorge des Staates zu genießen.

Dass die Leute, wenn sie alt und klapprig geworden sind, in die unteren Lohnklassen abgeschoben werden, dass das geradezu ein System geworden ist, diese vollkommene Unsicherheit der Leute in Bezug auf ihre Lohnverhältnisse, das empfinden die Arbeiter in diesen Staatsbetrieben auf das Allerpeinlichste. Ich meine, es ist eine der wichtigsten Forderungen, dass hier endlich Abhilfe geschaffen wird.

Wir fordern infolgedessen in unserem Antrag, dass die Lohnklassen überhaupt abgeschafft werden, dass die Arbeiter nach der Dauer ihrer Dienstzeit besoldet werden und dass sie in ähnlicher Weise, wie das ja bei den Beamten ganz allgemein der Fall ist und da als selbstverständlich gilt, mit zunehmendem Alter einen höheren Lohn bekommen. Dass solche Stabilität notwendig ist, bedarf wahrlich keiner Ausführung. Es wird niemals möglich sein, den Arbeitern plausibel zu machen, dass dasjenige, was bei jedem Beamten selbstverständlich ist – und dessen Versagung jeder Beamte, auch derjenige, der die Militärverwaltung gegen die Forderung der Arbeiter vertritt, als etwas geradezu Unerhörtes empfinden würde –, bei den Arbeitern nicht der Fall sein soll, nämlich, dass sie mit höherem Lebensalter höhere Bezüge erhalten.

Diese Unsicherheit der Lohnverhältnisse hat auch die Wirkung, dass die Arbeiter bei den Gnadenpensionen in das Ungewisse gestellt werden, weil auch diese Gnadenpensionen nach dem Grade der Erwerbsfähigkeit und nach der Lohnklasse bemessen werden, in der sich der betreffende Arbeiter befindet. Da bekommt der betreffende Arbeiter schließlich, wenn er ins Alter hineinkommt, die schlechteste Arbeit. Er bekommt keine Gnadenpension oder eine ganz geringfügige. Zur Invalidenrente reicht es in der Regel noch nicht aus, denn bis zu einem Drittel erwerbsfähig wird man der Regel nach angesehen. So befinden sich die alten Arbeiter häufig in einer außerordentlich bedauernswerten Notlage, und es sind Selbstmordfälle unter diesen Arbeitern nicht ganz selten, gerade auch in Spandau.

Es mag noch erwähnt werden, dass sich in Spandau in der letzten Zeit auch die direkten Kommunalsteuern beträchtlich erhöht haben durch den sogenannten Beamtenzuschuss, einen Steueraufschlag von 15 Prozent, der recht drückend empfunden wird. Auch daraus rechtfertigt sich die Forderung nach einer Revision der Lohnsätze.

Meine Herren, dass die Maschinenarbeiter das Bedürfnis haben, mit den Handwerkern im Lohnsatz gleichgestellt zu werden, will ich nur in aller Kürze erwähnen. Es scheint mir das ein ganz gerechtfertigtes Verlangen zu sein, weil die Maschinenarbeiter eine sehr qualifizierte Arbeit leisten.

Nun eine Kleinigkeit, die sich in der letzten Zeit abgespielt hat und die zeigt, von welch engen Gesichtspunkten aus die Lohn- und Arbeitsverhältnisse in den Staatswerkstätten seitens der Verwaltung betrachtet werden! Da ist jetzt in der Arbeitsordnung eine Umänderung erfolgt dahin, dass künftig Betriebsschreiber, Laboratoriumsgehilfen und Kesselheizer in besonderer Stellung in eine höhere Lohnklasse genommen werden. Nur Kesselheizer „in besonderer Stellung"! Es gibt insgesamt zirka 200 Kesselheizer, von denen nur zirka zehn sich in gehobener Stellung befinden. Die Leute lachen und sagen: Was ist das für eine unsägliche Kleinigkeit! Dann gebt doch allen Kesselheizern die Lohnaufbesserung. Also um solche Kleinigkeiten muss man sich mit dem preußischen und dem Reichsfiskus herumschlagen!

Nun die Akkordarbeit! Da besteht immer noch das Bestreben, die Akkorde herabzudrücken. Immer wieder werden Fälle gemeldet, wo die Meister und Meistergehilfen mit der Uhr in der Hand die Arbeiter vorantreiben, um die Akkorde zu drücken. Unter Umständen wird die Verwaltung von diesen Meistern und Meistergehilfen geradezu getäuscht. So in dem Gewerk C 1, wo Sprengkapseln hergestellt werden. Da wurden die früher dort beschäftigten Arbeiter entlassen oder in einen anderen Betrieb genommen, weil sie angaben, sie könnten mit dem Akkord nicht das Nötige verdienen. Andere Arbeiter wurden dorthin gestellt, und es wurde nun von den Meistergehilfen behauptet, dass diese neuen Arbeiter mit dem Akkord auskämen. Das war eine unrichtige Meldung, wie mir bestimmt versichert worden ist. Tatsache ist vielmehr, dass die erste Kolonne, die da eingestellt wurde, so wenig auskam, dass bald ein neuer Wechsel vorgenommen werden musste und dass auch die zweite Kolonne nicht ausgekommen ist. Vielmehr haben sich die Leute noch mit fünf bis acht Mark pro Woche überhoben. Das heißt, sie haben bei Akkordarbeit das Recht auf einen Abschlag von acht Mark in der Woche. Wenn sie in dem Akkord den Abschlag nicht verdient haben, so bekommen sie ihn zunächst doch bezahlt; aber wenn sie zu viel abgehoben haben, also mehr, als sie nach dem Akkord verdient haben, dann wird das beim späteren Abschlag in Abzug gebracht. Es ist sehr zu beklagen, dass durch diese Hetzereien solche Wirkungen erzielt werden.

Nun, meine Herren, in der Lohnordnung, Teil 4, Allgemeines, Ziffer 12,13 befindet sich die Vorschrift, wonach ein Akkord, wenn er zweimal überschritten worden ist, herabgesetzt werden kann, wenn er viermal überschritten worden ist, herabgesetzt werden muss. Nun hat sich das in der Praxis anders gestaltet, und zwar wird speziell den Meistergehilfen hierbei die Schuld zugeschrieben. Die Praxis hat sich so gestaltet, dass schon bei zweimaligem Überschreiten des Akkords stets herabgesetzt wird, oft sogar schon beim ersten Mal, obwohl das an sich nach der Arbeitsordnung gar nicht zulässig ist. Boshafte Zungen behaupten nun, dass die Meistergehilfen zu diesem Vorgehen mit bestimmt werden, weil sie gern Überstunden herbeiführen möchten, an denen sie dann ihrerseits besonders verdienen. Es würde also durch ein solches Vorgehen unter Umständen eine sehr bedenkliche Wirkung erzielt werden; es würde die Wirkung erzielt werden, dass Überstunden gemacht werden, die doch sicherlich auch nicht empfehlenswert sind. Derartige Klagen über Treiberei auf der einen Seite und über Herabsetzung der Akkorde auf der anderen Seite finden sich in den verschiedensten Betrieben.

Die Arbeiter haben den lebhaften Wunsch wiederholt auch in Petitionen an dieses hohe Haus zum Ausdruck gebracht, dass ihnen die Wochenfeiertage bezahlt werden. Die Bezahlung der Wochenfeiertage ist eine der einfachsten Forderungen der Billigkeit. Die Leute müssen doch mit einer bestimmten Einnahme rechnen können, sie müssen wissen, was sie im Monat, was sie in der Woche haben. So ein Feiertag bedeutet für sie den Verlust von einem Sechstel des Wochenverdienstes. Eine Bezahlung der Wochenfeiertage entspricht ja auch der Praxis, die bei Beamten ganz selbstverständlich ist. Welcher Beamte würde erst noch lange fragen, ob er die Wochenfeiertage bezahlt bekommt, und welcher Beamte – es sind ja viele Beamte unter Ihnen hier – würde es nicht geradezu als unerhört betrachten, wenn ihm für einen Wochenfeiertag von seinem Gehalt etwas abgezogen werden würde? Was aber den Beamten recht ist, muss den Arbeitern billig sein. Ich zweifle ja nicht, dass eine dahin zielende Resolution wiederum die Annahme des Reichstags finden wird. Eine entsprechende Resolution der Staatsarbeiter hat ja, wie ich eingangs erwähnte, schon einmal die Zustimmung des Reichstags gefunden, und wir haben ja jetzt bei Beratung des Eisenbahnetats genau dieselbe Forderung zum Beschluss des Reichstags erhoben. Es ist also zu erwarten, dass hier diesem Wunsche der Arbeiter von Neuem durch einen möglichst einmütig gefassten Beschluss des Reichstags ein starkes Gewicht gegeben wird, so dass sich endlich die Verwaltung veranlasst sieht, diesen Wünschen nachzukommen.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

In Bezug auf die dritten Feiertage liegt es ganz eigentümlich. Da wird unter den Arbeitern abgestimmt, ob sie an diesem Tage arbeiten wollen oder nicht. Die Meister wünschen, dass nicht gearbeitet wird, weil sie ja an diesem Tage sowieso bezahlt bekommen. Die Arbeiter möchten in der Regel arbeiten, weil sie das Geld nicht entbehren können. Aber es gelingt gewöhnlich den Meistern, gegen den Wunsch der Arbeiter, die Arbeitsruhe für den dritten Feiertag durchzusetzen.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

In Bezug auf die Arbeitszeit, die ja bei den Unterbeamten und gewissen Arbeiterkategorien auch noch über neun Stunden hinausgeht und besonders bei den Zivilhilfsarbeitern der Landesaufnahme gänzlich unbegrenzt ist, ist im Augenblick nichts Besonderes zu bemerken, außer dass die Arbeiter eine durchgehende Arbeitszeit wünschen, um früher am Abend fertig zu werden. Diese englische Tischzeit, diese durchgehende Arbeitszeit ohne Pause, die in einem Teil der Betriebe vielleicht schon durchgeführt sein mag, würde sich wahrscheinlich leicht in noch größerem Umfange durchführen lassen, als es gegenwärtig der Fall ist.

Die Arbeiter haben auch den Wunsch, dass ihnen ein Urlaub in erhöhtem Umfange gewährt werde. Gegenwärtig bekommen sie bereits Urlaub, aber erst, wenn sie längere Zeit in dem Betriebe beschäftigt sind, und dann ist dieser Urlaub auch noch nicht hinreichend. Es wird also gewünscht, dass auch den jüngeren Arbeitern bereits ein Urlaub gewährt werde und dass die älteren Arbeiter einen erweiterten Urlaub erhalten. Diese Forderung kann meiner Ansicht nach nur unterstützt werden; die Arbeiter sind in dieser Beziehung nur allzu bescheiden.

Ich möchte mich nun kurz befassen mit der Altersversorgung. Da ist es sehr schlecht bestellt. Die alten Arbeiter, die aus dem Dienst entlassen sind, haben gar keinen Anspruch auf irgend etwas. Eine Altersversorgung einzuführen, eine Witwen- und Waisenversorgung, das ist das Ziel, das seit langer Zeit bereits angestrebt wird, auch durch Petitionen. Das ist auch im Reichstag bereits befürwortet. Dass eine Pensionskasse für die in der Militärverwaltung beschäftigten Arbeiter eingerichtet werde, ist der lebhafte Wunsch der Staatsarbeiter. Die Herren vom Zentrum haben eine speziell dahin gerichtete Resolution eingebracht, der wir selbstverständlich unsere Zustimmung geben werden; nur ist diese Resolution etwas allzu sanftmütig. Sie will den Pelz waschen, ohne ihn nass zu machen. Die Herren wünschen zunächst nur versicherungstechnische Erwägungen darüber, wie man eine solche Kasse einrichten könne. Meiner Ansicht nach bedarf es solcher Erwägungen gar nicht, sondern es ist die Einrichtung einer solchen Pensionskasse ein nobile officium des Staats, und es sollte so rasch wie möglich damit vorgegangen werden.

Nun gibt es aber noch ein paar unmittelbare Gegenwartsforderungen in Bezug auf die Altersversorgung, die wir in unserer Resolution besonders mit eingefügt haben und die meiner Ansicht nach sofort bewilligt werden könnten: die Forderung, den Invaliden freien Arzt, freie Arznei und Sterbegeld zu bewilligen. Das sind Dinge, die sich wirklich in so bescheidenen Grenzen bewegen, dass auch der allerängstlichste fiskalischste Staatsmann nicht Veranlassung hat, noch lange Erwägungen anzustellen. Da möge man mit der Bewilligung dieser Forderung sofort vorgehen.

Meine Herren, unmittelbar mit in dieses Gebiet der wirtschaftlichen Lage der Arbeiter hinein gehört die Wohnungsfrage. Vielfach fordern die Arbeiter in ihren Anträgen Errichtung von Arbeiterwohnhäusern. Die Arbeiterwohnhäuser sind eine zweischneidige Sache, weil die Arbeiter in diesen Betriebswohnhäusern auch einer sehr starken Bindung und Fesselung unterworfen werden. Deshalb stehen wir im Allgemeinen mit Rücksicht auf die Engherzigkeit unserer Verwaltung derartigen speziellen Betriebsarbeiterwohnhäusern nicht sympathisch gegenüber. Wir wissen eben, dass die Bewegungsfreiheit der Arbeiter ihr wichtigstes Gut ist, durch das sie sich erst die Macht erwerben, gegenüber den Arbeitgebern ihre Forderungen durchzudrücken. Aber es hat sich in Bezug auf die Regelung der Wohnungsfrage in Spandau eine ganz neue Situation ergeben insofern, als die Arbeiter eine Baugenossenschaft gegründet haben. Um diese Baugenossenschaft zu fundieren, haben sich die Arbeiter an die Staatsverwaltung gewandt wegen einer Beihilfe. Nach langen Mühen haben sie auch eine freilich unzureichende Beihilfe bekommen. Interessant ist, dass die Arbeiter, die diese Anträge bei der Zentralinstanz gestellt haben, nach einem bestimmten Gerücht zur Verantwortung gezogen sein sollen, und zwar um deswillen, weil sie nicht den Instanzenzug innegehalten hätten. Meine Herren, diese Baugenossenschaft hat organisatorisch gar nichts mit den Betrieben zu tun. Für sie gibt es keinen Instanzenzug. Aber die Betriebsverwaltung hat sich offenbar gesagt: Du musst diese Genossenschaft in scharfer, straffer Disziplin halten, sonst werden die Arbeiter allzu unabhängig von dir. So wurden denn nach dem alten Prinzip: dreimal heilig sei der Instanzenzug, den Leuten die Leviten gelesen. Es ist ja bekannt, dass die Ehrfurcht vor dem Instanzenzug zu den wichtigsten Ingredienzen einer staatstreuen Gesinnung gehört. Ich bin der Meinung, man sollte die Baugenossenschaft der Arbeiter in weitherzigster Weise staatlich unterstützen, sollte es aber aufs äußerste vermeiden, für diese Unterstützung nunmehr zu fordern, dass sich die Genossenschaft in Abhängigkeit von der Betriebsverwaltung begibt.

In Bezug auf die Behandlung der Arbeiter hat sich vieles gebessert. Die Arbeiterausschüsse sollen da manches bewirkt haben. Selbst der Meister Jäger, über den früher so viele Klagen vorgebracht werden mussten, hat sich sehr gebessert, wie man sagt.

Aber darüber, dass die Meistergehilfen die Arbeiter oftmals in einer Weise behandeln, die jeder Beschreibung spottet, sind sich die Arbeiter alle einig, ebenso auch darüber, dass das Strafensystem sehr beklagenswert ist. In verschiedenen Betrieben, besonders im Feuerwerkslaboratorium, sind die Strafen sehr hoch, in der Regel in der Höhe eines ganzen Tagelohnes, im Gegensatz zu früher, wo Geldstrafen von 10 Pfennig, 20 und 30 Pfennig verhängt wurden. Das ist dem am 1. Mai gegangenen Direktor Kahler zu danken, der stets zu sagen pflegte: er bedaure auf das lebhafteste, bestrafen zu müssen, dann aber stets mit den härtesten Strafen vorging.

In Bezug auf die Art der Entlassung bedarf es auch einiger Bemerkungen. Nach der Arbeitsordnung besteht an sich vierzehntägige Kündigung. Die sofortige Entlassung ist nur als eine Art Disziplinarstrafe unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Diese Voraussetzungen sind nun freilich so kautschukmäßig gefasst, dass auch die geringsten Kleinigkeiten darunter gebracht werden können. Aber zwei Bestimmungen gibt es doch, die unbedingt innegehalten werden müssen, nämlich, dass der zu entlassende Arbeiter zu seiner Rechtfertigung anzuhören ist, und sodann, dass die Gründe der Entlassung anzugeben sind. Immer und immer wieder müssen sich die Arbeiter darüber beklagen, dass sie nicht zur Rechtfertigung zugelassen werden und dass ihnen auch die Gründe für die Entlassung direkt verweigert werden.

Ein besonders ernstes und wichtiges Kapitel ist das Kapitel des Arbeiterausschusses. Der Arbeiterausschuss in den Staatswerkstätten wird als eine Attrappe bezeichnet. Die Arbeiter haben mir gesagt, der Arbeiterausschuss ist tot, ist ohne alle Macht, es wird Fangball mit ihm gespielt, besonders wird er von der Meisterschaft drangsaliert. Man meint, dass die Arbeiterausschüsse nur den Zweck verfolgen, die Behörde zu decken, also dass sie ein Feigenblatt für den Verwaltungsabsolutismus der Behörden seien. Wie sehr diese Arbeiterausschüsse eingeschränkt sind, das ergibt sich unter anderem aus der Bestimmung, dass ein Gesuch innerhalb eines Jahres nicht erneuert werden darf, ferner aus der Bestimmung, die auch in schärfster Weise missbilligt werden muss, dass gemeinsame Sitzungen der Arbeiterausschüsse geradezu verboten sind. 4Gerade durch solche gemeinsamen Sitzungen könnte sehr segensreich gewirkt werden, unter Umständen gerade auch im Sinne der Herbeiführung eines friedlichen Einvernehmens zwischen den Arbeitern und der Verwaltung. Mit der bürokratischen Kleinlichkeit und Ängstlichkeit gegenüber der Selbständigkeit der Arbeiterausschüsse schneidet man sich eben auch ins eigene Fleisch. Weiter wird darüber geklagt, dass die Befugnisse der Arbeiterausschüsse unzureichend sind. Im Statut steht, dass sie bei Lohnfragen gehört werden sollen. Aber die Arbeiterausschüsse reden tatsächlich in den Wind; was sie tun und sagen, erscheint überflüssig und bedeutungslos, weil die Verwaltung schließlich doch überall macht, was sie will. In dieser Beziehung kann man die Arbeiterausschüsse der Staatsbetriebe mit den berühmten Sicherheitsmännern der preußischen Bergverwaltung vergleichen.

Von den Bestimmungen des Statuts der Arbeiterausschüsse möchte ich folgende hervorheben. Die Wiederwahl ausscheidender Mitglieder ist erst nach Ablauf dreier Jahre nach der Amtsniederlegung oder der Auflösung des Arbeiterausschusses zugelassen. Die Arbeiter fordern aber, dass diese Wiederwahl jederzeit zulässig sei, weil sonst jeder Maßregelung Tür und Tor geöffnet wäre.

In Ziffer 21 dieses Statuts befinden sich Bestimmungen, die die Wirksamkeit des Arbeiterausschusses sehr stark einengen insofern, als die Arbeiterausschüsse nur auf Anordnung der Behörde die dort bezeichneten Angelegenheiten der Arbeiter zur Sprache bringen können. Wir fordern, dass die Arbeiterausschüsse jederzeit alle einschlägigen Angelegenheiten der Arbeiter zur Sprache bringen können und sind weiter der Ansicht, dass die Arbeiterausschüsse im Gegensatz zu Ziffer 22 auch das Recht haben sollten, im Interesse der Arbeiterschaft außerhalb des Instituts ihre Tätigkeit zu entfalten, Zusammenkünfte abzuhalten, Bekanntmachungen zu veröffentlichen usw., übrigens ein Wunsch, den auch die Arbeiterausschüsse in der Petition vom Mai dieses Jahres zur Sprache bringen.

In Ziffer 3 ist bestimmt:

Auf Antrag des Vorstandes der Behörde kann der Arbeiterausschuss durch die vorgesetzte Behörde aufgelöst und eine Neuwahl angeordnet oder die Tätigkeit des Arbeiterausschusses zeitweilig ausgesetzt werden."

Das ist doch wirklich ein starkes Stück! Wozu sind denn solche Ausschüsse überhaupt da! Diese Ziffer 30 muss selbstverständlich gestrichen werden. In Ziffer 26 befindet sich eine Bestimmung, die von den Arbeiterausschussmitgliedern sehr kränkend empfunden wird. Da wird für den Fall vorgesorgt, dass die Arbeiterausschussmitglieder in ihrem Benehmen und ihren Äußerungen gegen die guten Sitten verstoßen; und es werden ihnen dafür Nachteile angedroht. Nun sind bereits wiederholt Fälle vorgekommen, in denen es sich um etwas derbe Auseinandersetzungen unter den Mitgliedern des Arbeiterausschusses gehandelt hat, die dann zum sofortigen scharfen, beleidigenden Einschreiten der Ausschussinstanz geführt haben. Ich habe einen derartigen Ukas in Abschrift bei mir, will ihn aber nicht vortragen, um mich möglichst kurz zu fassen.

Wie man die Forderungen der Arbeiter im Allgemeinen bei der Behörde behandelt, darüber ist die Arbeiterschaft nur einer einzigen Meinung. Die Arbeiter klagen, sie schreiben sich die Finger wund und haben doch keinerlei Erfolg dabei.

Meine Herren, sehr interessant und kennzeichnend für das Verständnis, mit dem man den Arbeiterforderungen in der Verwaltung begegnet, ist jene bekannte Sedanrede5 des Direktors des Feuerwerkslaboratoriums, des Herrn Kahler, der jetzt für würdig befunden worden ist, zum Inspekteur befördert zu werden, so dass er eine größere Anzahl von Staatsbetrieben unter seiner Fuchtel hat. Dieser Herr hat im vorigen Sommer den Arbeitern folgendes ins Gesicht gesagt:

Die Arbeiter frönen immer noch etwas zu reichlich der Vergnügungssucht. Sie treiben Luxus in der Wohnungseinrichtung, und die Arbeiterfrauen äußern protzenhaft, dass sie ihren Männern nur frisches Gemüse und erstklassiges Fleisch vorsetzen dürfen.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Wohl gönne er herzlich gern dem Arbeiter im Frühjahr das erste Gemüse, auch ein saftiges Stück Fleisch, wenn sein Portemonnaie das zulasse. Aber der Beamte arbeite auch, könne sich das weniger leisten, und somit wäre größtmögliche Einschränkung besser als dergleichen protzenhafte Äußerungen. Die Löhne seien von der Heeresverwaltung so geregelt und festgestellt, wie man es vor den übrigen Steuerzahlern verantworten könne. Jedenfalls könne jeder ehrlich zugeben, dass seine Eltern solche guten Tage nicht gesehen haben, wie sie die Spandauer Arbeiter gegenwärtig hätten.“

(„Sehr richtig!" rechts.)

Die Herren von der Rechten rufen: „Sehr richtig!" – und nach kurzer Zeit wird der Herr Abgeordnete Pauli6 auftreten und wird das Gegenteil von diesem „Sehr richtig!" behaupten,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten)

weil er sich ja nach all den früheren Vorgängen wenigstens scheinbar zum Mundstück der Arbeiterforderungen machen muss. Wir werden sehen, wie Sie sich dann miteinander abfinden werden.

Meine Herren, es ist geradezu unglaublich und eine Verständnislosigkeit, die man nicht einmal in Ostelbien finden sollte, die aus diesen Worten des Herrn Direktors Kahler von dem besten Fleisch und dem besten Gemüse der Arbeiter hervorgeht. Ei, warum legt denn der Herr Direktor Kahler nicht seine Inspekteurstelle nieder und tritt als einfacher Arbeiter in die Staatswerkstätten ein?

(Heiterkeit rechts.)

Dann kann er sich das beste Fleisch und das beste Gemüse leisten.

Meine Herren, der Grad des Verständnisses für die Arbeiterbedürfnisse ist um Weihnachten 1911 zutage getreten, als die Arbeiter die Forderung nach einer Teuerungszulage aussprachen. Da wurde den Arbeitern eröffnet, dass ihnen eine Teuerungszulage nicht gewährt werden könne, wohl aber, dass ihnen das Recht gegeben werde, Überstunden zu machen und sich auf diese Weise etwas mehr Geld zu schaffen. Meine Herren, das verdient festgenagelt zu werden. Aber selbst das Recht, Überstunden zu machen, ist nicht überall gegeben. Die Überstunden sind, wie mir berichtet wird, wenigstens in der Geschossfabrik nur in den besser bezahlten Betrieben eingeführt.

Meine Herren, ich habe hier eine Bekanntmachung, die auf einen Antrag des Arbeiterausschusses des Feuerwerkslaboratoriums ergangen ist. Sie ist erst vor einigen Wochen ergangen. Das Gesuch betraf Punkte, die ich vorhin bereits zur Sprache gebracht habe. Da wird nun von der Verwaltung geantwortet: Eine Erhöhung der Löhne könne nicht eintreten, weil die Löhne in den Spandauer Betrieben durchschnittlich hinter denen der Privatbetriebe in Spandau nicht zurückblieben. Meine Herren, zu diesem Ergebnis ist die Verwaltung nur auf Grund einer sehr oberflächlichen statistischen Berechnung gekommen. Sie hat die verschiedenen Lohnklassen einfach zusammengeworfen und wohl außerdem die Akkordlöhne mit hineingezogen; nur so kann ich mir das Fazit erklären, während es sich hier darum handeln müsste, die dritte und vierte Lohnklasse allein zu betrachten und dann zu prüfen, ob es zutrifft, dass in den Privatbetrieben keine höheren Löhne gezahlt werden. Tatsächlich werden dort höhere Löhne gezahlt; selbst die Stadt Spandau tut dies ja, wie erwähnt.

Sehr verständnislos ist auch die Haltung der Verwaltung gegenüber der Forderung auf Bezahlung der Wochenfeiertage und nach Gewährung von weiterem Urlaub. Da wird den Arbeitern vorgerechnet, dass durch derartige Vergünstigungen sehr hohe Kosten entstehen würden. Ja, meine Herren, hat denn die Verwaltung noch nicht so viel Einsicht, dass sie weiß, dass durch die Gewährung solchen Urlaubs und solcher bezahlten Feiertage die Arbeiter in ihrer Dienstfreudigkeit, in ihrer Arbeitsleistung gestärkt werden und dass schließlich die Verwaltung dies nur im Sinne einer vernünftigen sozialen Fürsorge durchführen sollte, in ihrem eigenen Interesse, um die Dienstfreudigkeit und Leistungsfähigkeit der Arbeiter zu bessern. Ich möchte diejenigen Herren, die die Gewährung des Erholungsurlaubs an die Arbeiter unter diesem finanziellen Gesichtspunkt betrachten, einmal fragen, wie sie selbst über ihren eigenen Urlaub denken, zu dem sie der Regel nach als Beamte ja berechtigt sind. Werden die Herren sagen: Gott, wie viel kostet dem Staat der Urlaub? Oder wird nicht jeder von ihnen sagen: Ei, der Urlaub ist ja nötig, sonst halte ich es einfach nicht aus; ein solches Ausruhen ist selbstverständlich! Die Verständnislosigkeit gegenüber den Arbeitern nach dem Rezept: Ja, Bauer, das ist ganz was anderes! müssen wir aufs Äußerste beklagen. Und wenn es in dieser Bekanntmachung heißt: „Die Arbeiter müssen sich der weitgehenden Fürsorge bewusst sein, die die Heeresverwaltung ihnen zuteil werden lässt" – so müssen die Arbeiter das durchaus nicht. Sie sind vielmehr der Ansicht, dass die Heeresverwaltung ihnen gar kein Wohlwollen zuteil werden lässt.

Einen Umstand möchte ich noch erwähnen. Vielfach werden die Arbeiten in den Werkstätten eingeschränkt. Jedenfalls sehen wir die erstaunliche Tatsache, dass diese Betriebe, die den Bedürfnissen des Militarismus dienen, sich keineswegs mit der Geschwindigkeit entwickeln, wie der Militarismus sich entwickelt. Meine Herren, das erklärt sich daraus, dass die Heeresverwaltung es als ihre besondere Aufgabe betrachtet, dafür zu sorgen, dass die Privatindustrie floriert, weil sie, so sagt man, für den Kriegsfall auf die Privatindustrie angewiesen sei. So werden denn vielfach selbst Arbeiten aus den Spandauer Werkstätten heraus an die Privatindustrie abgegeben, obwohl es noch möglich wäre, andere Arbeiter dort einzustellen, nur damit die Privatindustrie gefüttert wird, um dem Moloch Militarismus gegebenenfalls im Kriegsfall die erforderlichen Dienste leisten zu können. Über die Motive, die diese Vergebungen zu Privatarbeit veranlassen, werden allerdings unter den Arbeitern mancherlei Ansichten gehegt, die nicht sehr schmeichelhaft für die Militärverwaltung sind. Ich will diese Ansichten aber nicht zu den meinigen machen.

Meine Herren, die Verwaltung sperrt die Betriebe hermetisch vor Besichtigung ab. Ich weiß, dass wiederholt Wünsche nach Besichtigung dieser Betriebe abgelehnt worden sind. Ich möchte unsere Heeresverwaltung auf das Beispiel Amerikas verweisen. Ich als Sozialdemokrat hatte nicht die geringsten Schwierigkeiten, in Amerika in alle möglichen staatlichen Waffenfabriken, United States Armories, hineinzukommen, und zwar ohne dass eine höhere Instanz anzurufen war. Ich wurde vorgestellt, und man ließ mich hinein, ließ mich darin herumlaufen, wie ich wollte, ließ mich all die Maschinen betrachten usw. Das ist sicherlich kein Zeichen von Schwäche. Vielmehr könnte man es als ein Zeichen von Schwäche und eines nicht ganz sicheren Gewissens betrachten, dass man bei uns die militärischen Institute so hermetisch von der Öffentlichkeit abzusperren sucht.

Ja, wenn wir so sehen, wie die Arbeiter behandelt werden und wie wenig Verständnis sich für sie findet, und wenn wir dagegenhalten, wie es den höheren Angestellten der Militärverwaltung geht, die dann in die Privatindustrie überspringen, dann wird man allerdings zu einem gewissen Gefühl der Bitterkeit und der Entrüstung gedrängt. Immer wieder muss zur Sprache gebracht werden, auch bei dieser Gelegenheit, wie die Inspekteure der Königlichen Institute und andere Beamte in die Privatindustrie hinüber springen, dort hohe Gehälter beziehen, ihre Pension zu einem gut Teil weiter beziehen und dann die Beziehungen, die sie zum Beispiel zu den Militärwerkstätten der Militärverwaltung haben, ausnützen, um den von ihnen vertretenen Privatbetrieben Vorteile zu verschaffen. Es werden mir da einige Namen genannt, die ich im Augenblick verschweigen will, es sind fünf bis sechs Namen, die ich hier habe. Besonders wird mir ein Fall berichtet, wo der betreffende frühere Beamte, der einstens die Vertreter der Privatfirmen als Judenbengel bezeichnete, jetzt selber als solch ein Reisender und Vertreter der Firmen zu den Staatswerkstätten kommt und in den Betrieben herumschnüffelt, gerade als ob er noch seine frühere dienstliche Stellung hätte. Von der Verwaltung wird er auch noch behandelt, als würde er noch im Betrieb beschäftigt. Es scheint mir wohl an der Zeit zu sein, dass die Heeresverwaltung sich diese Gegensätze vor Augen hält und sich darüber klar wird, welche Erbitterung unter den Arbeitern hervorgerufen werden muss, wenn sie sich diese so verschiedenartige Fürsorge, dieses verschiedene Wohlwollen gegenüber den Arbeitern und gegenüber diesen höheren Beamten vergegenwärtigen.

Nun ein besonderes, allerdings kurzes Kapitel, das aber sehr bezeichnend ist, das Kapitel der Jugendpflege in den Königlichen Fabriken. Seit ungefähr einem Jahr wird mit Hochdruck Jugendpflege betrieben. Da werden sogar in die Lehrverträge besondere Bestimmungen aufgenommen, die am 14. März 1911 im Feuerwerkslaboratorium angeschlagen waren. Danach heißt es in diesem Vertrage von jetzt ab:

Hiergegen ist es zur Erhaltung und Hebung der körperlichen und sittlichen Gesundheit des Lehrlings sehr erwünscht, dass er der bei dem Institut etwa bestehenden Turn- oder Spielvereinigung oder, wenn diese noch nicht vorhanden ist, einer anderen geeigneten Turnvereinigung als Mitglied beitritt und die Übungen regelmäßig besucht."

Unter die Pflichten des Vaters ist noch gesetzt:

Binnen vier Wochen nach dem Eintritt erhält auch das Institut die Mitteilung, welcher Turnvereinigung der Lehrling beigetreten ist oder aus welchen Gründen hiervon abgesehen ist. Sie wollen bis spätestens … uns mündlich oder schriftlich mitteilen, ob Ihr Sohn in einen Turnverein und in welchen eingetreten ist, oder aus welchen Gründen hiervon abgesehen ist."

Dass es sich hier um einen geradezu unglaublichen Eingriff in das Privat- und Familienleben handelt, darüber brauche ich kein Wort zu verlieren. Wir wissen ja, welchen Zweck diese Jugendpflege verfolgt. Sie ist nichts weiter als eine Methode der Sozialistenbekämpfung, und es sind hurrapatriotische Zwecke, die damit verfolgt werden. Meine Herren, bis zum 21. Jahre sollen die jungen Leute diesen Vereinen angehören. Wer den Vereinen nicht beitritt, wird natürlich scheel angesehen. Das ist dann sehr peinlich. Der Unterricht wird unter anderem in der Artilleriewerkstatt von einem Oberverwaltungsschreiber erteilt. Ob dieser Herr einen Unterrichtserlaubnisschein hat, will mir sehr zweifelhaft sein. Wahrscheinlich wird die Regierung hier ein Auge zudrücken, denn die Forderung nach dem Unterrichtserlaubnisschein kennt man nur der Sozialdemokratie gegenüber.

In der Arbeitsordnung findet sich jene bekannte Bestimmung, Deckblatt 42, die folgendermaßen lautet:

Von der Einstellung sind Personen ausgeschlossen, die sozialdemokratischen oder sonst staatsfeindlichen Bestrebungen Vorschub leisten, oder von denen vorauszusetzen ist, dass sie den Frieden zwischen der Behörde und den Arbeitern oder den Arbeitern untereinander stören wollen."

Diese Bestimmung, die der ganzen Einstellung der Verwaltung den Stempel aufdrückt, muss beseitigt werden, und es muss der Verwaltung klargemacht werden, dass sie sich politisch absolut neutral zu verhalten hat, dass sie nach dem politischen Bekenntnis der bei ihr beschäftigten Arbeiter überhaupt nicht zu fragen hat. Wie die Verwaltung politisch wirkt, das erkennt man besonders zur Zeit der Wahlen.

Meine Herren, eine sehr charakteristische Eigentümlichkeit aller Werkstätten ist die ungeheure Überfüllung mit Beamten und höheren Angestellten. Das ist geradezu eine Hypertrophie! So sind auf dem Eiswerder unter 2400 beschäftigten Personen an die 400 höhere Angestellte, Schreiber usw. tätig. Diese ungeheure Verschwendung findet ihren Grund einmal darin, dass die Günstlingswirtschaft auf die Schaffung neuer Stellen hin drängt, und sodann in den Zwecken der politischen Beeinflussung, von denen ich eben spreche. In einem Gewerk des Feuerwerkslaboratoriums sollen sich bei etwa 20 Arbeitern ein Meister, ein Meistergehilfe und drei Vorarbeiter finden. Die Meister und Meistergehilfen werden von den Arbeitern nicht nur als die Antreiber und Kontrolleure betrachtet – und zwar ganz besonders die Meistergehilfen, während es unter den Meistern natürlich sehr viele brave, tüchtige, beliebte Leute gibt, ich will das gar nicht generalisieren –, sondern sie werden von der Verwaltung auch zu politischen Zwecken benutzt. Das kommt besonders in Wahlzeiten in Betracht. In den Instituten wird geradezu systematisch in politischer Beziehung dahin gearbeitet, Heuchler zu erziehen. Es ist in den Betrieben gestattet, für den Reichsverband7 und für den neuen Wehrverein8, für die konservativen Organisationen zu werben; aber die Agitation zum Beispiel für den Militärarbeiterverband9, der durchaus nicht staatsfeindlich ist, oder wie man das sonst nennen will, ist in einem Falle bereits mit einem Verweise bestraft worden. Selbstverständlich werden auch die Kriegervereine gefördert.

Besonders ist bei den letzten Wahlen während des Dienstes in den Werkstätten für konservative Versammlungen agitiert worden, während selbstverständlich jede geringste Andeutung einer sozialdemokratischen oder überhaupt politisch oppositionellen Agitation mit Feuer und Schwert geahndet wird.

Wie man aber mit politisch etwas oppositionell gesinnten Leuten umgeht, das mögen ein paar Vorkommnisse aus der Zeit der letzten Wahlen beweisen. Unter anderem ist da von der Gewehrfabrik ein Mann entlassen worden, namens Karl Nirnbach, der in angetrunkenem Zustande in der Kantine gerufen haben sollte: „Hoch Liebknecht!" Erinnern Sie sich vielleicht des Schutzmanns in Dessau, der auf der Straße meinem Freunde Heine die Hand drückte und ihm zu der Wahl gratulierte? Der Staatsarbeiter braucht doch wirklich nicht staatstreuer zu sein als ein Schutzmann! Dieser Schutzmann wurde zwar zur Verantwortung gezogen, aber schließlich doch nicht bestraft. Das Vorgehen gegen den Mann in der Gewehrfabrik beweist, wie rigoros und kleinlich man dort in politischen Dingen handelt!

Noch schlimmer liegt der Fall Kohlschmidt. Dieser Mann war nominell der Inhaber einer Gastwirtskonzession; er hatte aber sein Geschäft schon längst an seinen Sohn veräußert, der seinerseits um die Konzession nachgesucht hat, während der Vater mit dem Geschäftsbetriebe gar nichts mehr zu tun hatte. In dieser Gastwirtschaft seines Sohnes, auf den er gar keinen Einfluss hat, wurden auf Wunsch der Sozialdemokratie die Wählerlisten ausgelegt. Diese Auslegung hat gar keine agitatorische Bedeutung; ob die Wählerliste von uns abgeschrieben worden ist oder von jemand anders: es ist die amtliche Wählerliste, und die Einsicht in die Wählerliste ist doch keine sozialdemokratische Aktion. Dennoch ist dieser Mann, der seit zweiundzwanzig Jahren in den Werkstätten beschäftigt ist, um deswillen, weil sein Sohn diese Wählerliste ausgelegt hat, von den Werkstätten entlassen worden. Das ist ein geradezu unerhörter, skandalöser Fall, der die allerschärfste Missbilligung verdient.

Übrigens ist dieser Fall nicht vereinzelt, denn im Jahre 1903 wurde den Gastwirten, die die Wählerlisten auslegten, von der Militärbehörde der Militärboykott angedroht für den Fall, dass sie nicht sofort diese Wählerlisten aus ihren Lokalen beseitigen würden.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Das sind so ein paar Fälle, die zeigen, wie ungemein beschränkt und engherzig die Heeresverwaltung in diesen politischen Dingen ist, die sie gar nichts angehen. Sie hat kein Recht zu dieser politischen Gesinnungsreglementierung. Es ist etwas geradezu Unsittliches, wenn sie einen derartigen politischen Gewissenszwang auf die Arbeiter ausübt.

Meine Herren, nun noch etwas Weiteres! Jedes Mal vor den Wahlen werden geflissentlich, speziell in Spandau, Gerüchte kolportiert, dass für den Fall der Wahl eines Sozialdemokraten die Werkstätten geschlossen und die Arbeiter entlassen werden würden. Auch dieses Mal ist das geschehen, und die Arbeiter waren eingeschüchtert. Ich weiß, dass sie eingeschüchtert waren; die Militärverwaltung weiß auch, dass sie eingeschüchtert waren. Gar mancher hat gedacht: Es ist vielleicht doch wahr – obwohl es an und für sich der größte Blödsinn ist.

Ich hatte nun erwartet, dass die Militärverwaltung einmal Anlass nehmen würde, diesen Gerüchten, die böswillig in Umlauf gesetzt sind, entgegenzutreten. Das hat sie nicht getan. Auf ein Telegramm, das ich an den Herrn Kriegsminister richtete, hat er einfach geantwortet: Um Gerüchte kümmere ich mich nicht. Es ist ja richtig, um alle möglichen Gerüchte braucht er sich nicht zu kümmern; aber wenn ihm solche Gerüchte zur Kenntnis kommen, die von den Arbeitern ernst genommen werden und sie beunruhigen, dann ist es allerdings die Pflicht der Verwaltung, eine Aufklärung zu geben und zur Beruhigung beizutragen. Das ist leider nicht geschehen.

Die Wahl des Sozialdemokraten in Spandau ist ja in den Instituten von den Beamten recht wenig vergnügt aufgenommen worden. Die Arbeiter wurden scharf kontrolliert, ob vielleicht einer etwas angeheitert sei, und zwar mit der erkennbaren Drohung, dass man jede Anheiterung als ein Anzeichen dafür betrachten würde, dass der Betreffende den sozialdemokratischen Sieg gefeiert habe, und dass er deswegen hinausgeworfen werde. Der Oberst Kahler hat sich sehr resigniert nach den Wahlen ausgedrückt, derselbe Herr, der von dem „erstklassigen Fleisch" sprach. Er meinte: Dass bei den Reichstagswahlen ein Sozialdemokrat durchgekommen sei, obwohl die sechs Fabriken in Spandau seien, das sei aufs Tiefste zu beklagen: aber er hoffe, dass in den Herzen der Arbeiter sich eine Umkehr vollziehen werde.

Nun, meine Herren, an dieser Umkehr der Arbeiter arbeitet man ja in Spandau sehr intensiv, und speziell der Herr Abgeordnete Pauli ist sehr eifrig drauf und dran, an dieser Umkehr mitzuwirken. So wurde vor kurzem in einer Versammlung, die unter den Auspizien des gelben Bundes der Handwerker der Königlichen Institute stattfand, bekanntgegeben, dass die Arbeiter ihre Beschwerden nicht dem Reichstagsabgeordneten für Potsdam-Spandau-Osthavelland, nämlich mir, sondern dem Reichstagsabgeordneten Pauli zu übergeben hätten; letzterer sei Mitglied des Förderungsausschusses nationaler Arbeiterverbände. Nun, meine Herren, die Arbeiter haben natürlich nicht lange gefragt und haben mir ihr Material in so großen Mengen zugetragen, dass Sie diese Fülle wahrscheinlich schon beklagt haben.

(„Sehr richtig!" rechts.)

Ja, ja, das weiß ich! Ich rede ja auch nicht zu Ihrem Vergnügen, absolut nicht, Herr Kollege! Aber der Liebe Müh' wird umsonst sein, weil die Arbeiter schon in den vergangenen Jahren gesehen haben, wie sie schließlich rückhaltlose Fürsprecher nur in der Sozialdemokratie gefunden haben und wie sogar zu einer Zeit ehe Potsdam-Spandau-Osthavelland sozialdemokratisch war, ein Parteifreund von mir sich der Klagen dieser in bedauerlicher Lage befindlichen Arbeiter angenommen hat.

(Ruf rechts: „Aber wie!")

Dass die Arbeiter da verstehen, diese Partei tut es nicht aus Wahlrücksichten, nicht um des Stimmenfangs willen, sondern um der Sache selbst willen, weil sie ihre Pflicht erkennt, die ja auch programmatisch festgelegt ist, überall für die Interessen der Arbeiter und Unterbeamten einzutreten, das ist natürlich, und daraus ergibt sich das Vertrauen, das sie in immer größerem Umfange gerade für die Sozialdemokratie haben.

Es hebt ja immer ein großes Wettlaufen an um die Gunst der Staatsarbeiter wie um die Gunst der Unterbeamten. Wenn wir uns an diesem Wettlaufen beteiligen, so nicht um deswillen, weil ein solcher Wettlauf veranstaltet wird, sondern weil wir unserem Programm folgen, und weil wir es aus unserer allgemeinen politischen sozialen Auffassung heraus als unsere elementarste Pflicht ansehen, gleichviel, ob wir politischen Vorteil davon haben oder nicht, uns dieser Arbeiterkategorien anzunehmen.

Die Arbeiter sind aber schon jetzt so weit geschult, auch die Arbeiter der Königlichen Werkstätten, dass sie den gesamten politischen Zusammenhang erkennen, dass sie einsehen, wie ihre Notlage eng zusammenhängt mit der allgemeinen Politik, mit der allgemeinen Steuerpolitik, mit der Verteuerungspolitik, die hier so ausgiebig getrieben worden ist; und sie haben sicherlich mit um deswillen der Konservativen Partei diesen fühlbaren Denkzettel bei den letzten Wahlen gegeben. Die Staatsarbeiter wissen auch, dass die Art, wie ihre Wünsche behandelt werden, ein Ausfluss ist der allgemeinen bürokratischen Engherzigkeit, des Kastengeistes, des Klassengeistes, der unseren Staat, unsere Gesellschaft beherrscht, des mangelnden Verständnisses und der Eigensucht der Regierung und der herrschenden Klassen und Parteien für die Lage der Arbeiterklasse, und sie sehen ein, dass ihre politische Rechtlosigkeit in dem Dreiklassenwahl-Preußen und in den Dreiklassenwahl-Kommunen die Hauptwurzel des Übels ist. Deshalb werden sie mehr und mehr veranlasst, sich mit der allgemeinen Politik zu befassen. Sie erkennen auch an der Wohnungsfrage, die für sie in Spandau so brennend ist, wie sie zusammenhängt mit der allgemeinen Politik, und sie werden deshalb auf die Dauer nicht dem ihr Vertrauen zuwenden, der ihnen nach dem Munde redet, sondern demjenigen, der programmatisch und in seiner ganzen politischen Tätigkeit eine Richtung einnimmt, die zu größerer politischer Freiheit und zu größerer sozialer Gerechtigkeit in Deutschland führen muss.

(„Bravo!" bei den Sozialdemokraten.)

1 Der höchstwahrscheinlich von Karl Liebknecht formulierte Antrag (siehe Vorwort. S. *16) lautete: „Resolution 442. Der Reichstag wolle beschließen: den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, dass die Lage der in den Militärbetrieben beschäftigten Handwerker, Arbeiter und Arbeiterinnen gebessert wird, insbesondere dahin:

I. dass die Lohnklassen abgeschafft und die Löhne nach der Dienstzeit abgestuft sowie einschließlich der Akkordlöhne erhöht werden,

II. dass fester Wochenlohn ohne Abzug für Wochenfeiertage sowie bei gesundheitsgefährlicher Arbeit eine Gesundheitszulage gewährt wird,

III. dass der Sommerurlaub erweitert wird,

IV. dass freie ärztliche Behandlung und freie Arznei sowie Sterbegeld für Invaliden und deren Ehefrauen gewährt werden,

V. dass die Satzungen der Arbeiterausschüsse dahin geändert werden,

1. dass die Ausschüsse in ihrem Bestand und in ihrer Zusammensetzung vor behördlichen Eingriffen gesichert werden,

2. dass die Mitglieder der Ausschüsse in ihrem Arbeitsverhältnis sichergestellt werden,

3. dass die Befugnisse der Ausschüsse erweitert werden, insbesondere, dass

VI. dass die Arbeiter ohne Rücksicht auf ihre politische Gesinnung oder Betätigung eingestellt und beschäftigt werden."

Die Punkte II, III, V und VI wurden angenommen, I und IV abgelehnt. Die Red.

2 Eiswerder, östlich der damaligen Stadt Spandau gelegen, Havelinsel, auf der sich das Feuerwerkslaboratorium befand. Um Eiswerder und die Zitadelle, den Standort des Reichskriegsschatzes, gruppierten sich auch die Pulverfabrik, die Gewehrfabrik und die Armeekonservenfabrik. Die Red.

3 Institution zur Herstellung von militär-karthographischem Material. Die Red.

4Der Rest des Absatzes fehlt in den „Reden und Schriften“

5Der Sedantag oder Sedanstag, der Jahrestag der Schlacht von Sedan (2. September 1870) war im deutschen Kaiserreich Nationalfeiertag

6 Vor Karl Liebknecht vertrat der konservative Abgeordnete Pauli den Wahlkreis Potsdam-Osthavelland. In den Wahlen 1903 und 1907 errang Pauli jeweils nur noch eine geringfügige Mehrheit über Karl Liebknecht. Die Red,

7 Reichsverband gegen die Sozialdemokratie, eine nach dem sozialdemokratischen Wahlerfolg bei den Reichstagswahlen im Jahre 1903 im Mai 1904 gegründete Spezialorganisation des deutschen Monopolkapitals für den Kampf gegen die Sozialdemokratische Partei. Nach dem Wortlaut des Gründungsaufrufs stellte sich diese von den Arbeitern „Reichslügenverband" genannte Organisation die Aufgabe, „alle nicht sozialdemokratisch gesinnten Staatsbürger in Stadt und Land ohne Unterschied der Partei und Religion zum Kampfe gegen die Sozialdemokratie zusammenzuschließen'' Finanziert wurde er vornehmlich durch die Monopolkapitalisten an Rhein und Ruhr. An der Spitze dieser militaristischen, chauvinistischen und antidemokratischen Propagandaorganisation stand General von Liebert, der gleichzeitig Mitglied der Hauptleitung des Alldeutschen Verbandes und Vorstandsmitglied der Deutschen Kolonialgesellschaft war und auch im Deutschen Flottenverein eine erhebliche Rolle spielte. Der Reichsverband bestand bis 1914.

8 Deutscher Wehrverein, eine im Januar 1912 gegründete militaristische und chauvinistische Propagandaorganisation des deutschen Monopolkapitals. Es handelt sich wie beim Deutschen Flottenverein um eine Tochterorganisation des Alldeutschen Verbandes, der Haupt- und Dachorganisation des deutschen Imperialismus zur systematischen ideologischen Kriegsvorbereitung. Sein besonderes Ziel war es, für die Verstärkung des Landheeres und dessen Erfüllung mit aggressivem Geiste einzutreten. Die beiden Heeresvorlagen der Jahre 1912 und 1913 sind unmittelbar mit d.. Entstehung und der Tätigkeit des Deutschen Wehrvereins verknüpft. Die Leitung hatte der Militarist General Keim, der sich bereits als Propagandist und langjähriger Vorsitzender des Deutschen Flottenvereins und als führendes Mitglied im Alldeutschen Verband hervorgetan hatte. Weitere führende Mitglieder des Wehrvereins waren General Lietzmann, Otto Fürst zu Salm, General Liebert, der gleichzeitig Leiter des „Reichsverbandes gegen die Sozialdemokratie" war, der Historiker der Alldeutschen Schule Dietrich Schäfer, der 1912 zweiter Vorsitzender des Wehrvereins wurde, der sogenannte Kathedersozialist Prof. Dr. Adolf Wagner, der reaktionäre Germanist an der Berliner Universität Prof. Rötke, der Historiker Friedrich Meinecke, der Massenschreiber bei den Alldeutschen Prof. Schiemann, der Historiker Georg von Below und Graf von der Goltz, Generalmajor a. D. und Vorsitzender der Vereinigten Vaterländischen Verbände (denen sowohl der Alldeutsche Verband, der Ostmarken-Verein, der Flottenverein, der Wehrverein und zahlreiche andere Organisationen dieser Art angehörten).

9 Militärarbeiterverband – Allgemeiner Verband der Militärarbeiter. Gewerkschaftliche Organisation der in den staatlichen Rüstungsbetrieben beschäftigten Arbeiter. Es handelt sich um eine sogenannte gelbe Gewerkschaft, eine Gegenorganisation gegen die sozialdemokratischen Gewerkschaften, in der die Arbeiter mit Hilfe opportunistischer Kräfte im Interesse des Staates organisiert und geleitet wurden.

Kommentare