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Karl Liebknecht: Das Deutsche Reich befreien von dem preußischen Joch

Karl Liebknecht: Das Deutsche Reich befreien von dem preußischen Joch

Rede im Deutschen Reichstag in der zweiten Lesung eines Gesetzentwurfs über eine Volksvertretung in den Bundesstaaten und in Elsass-Lothringen

[Nach Verhandlungen des Reichstags, XIII. Legislaturperiode, I. Session, Bd. 289, Berlin 1913, S. 3714-3721. Fehlt in den „Reden und Schriften“]

Dr. Liebknecht, Abgeordneter: Meine Herren, die gähnende Leere, die von Beginn unserer heutigen Beratungen an auf der Rechten und auch in der Mitte dieses Hauses geherrscht hat,

(Zuruf rechts: „Gerade bei Ihnen!“)

ist ein schlagender Beweis für die Notwendigkeit, diesen Antrag in diesem Hause zu beraten, und dafür, wie unfähig insbesondere die konservativen Parteien sind, die wichtigsten Aufgaben der Volkswohlfahrt zu erfüllen. Wir müssen deshalb die Angelegenheit der politischen Rechtslosigkeit des preußischen Volks vor ein Forum bringen, in dem diese Parteien nicht die Mehrheit haben. Das vollkommene Fernbleiben der Regierung bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs beweist, dass wir den guten Willen der Regierung, in dieser Lebensfrage des deutschen Volks Remedur zu schaffen, zu vermissen haben, und dass die Regierung im Gegenteil mit den Parteien der Rechten ein Herz und eine Seele ist in Bezug auf die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen schmachvollen politischen Zustände in Preußen.

(Rufe rechts: „Schmachvollen?!“ – Rufe von den Sozialdemokraten: „jawohl, schmachvollen!“)

Der schmachvollen Zustände!

Meine Herren, wir haben heute dasselbe Schauspiel erlebt – –

(Andauernde lebhafte Rufe rechts: „Schmachvollen?!“)

Jawohl, schmachvollen, schmachvollen!

(Andauernde Unruhe.)

Vizepräsident Dove: Meine Herren, Ich bitte, nicht weiter über die Zulässigkeit des Ausdrucks zu debattieren. Wenn der Ausdruck auf eine Person angewandt worden wäre, so wäre er zweifellos unzulässig; aber Zustände unterliegen der Beurteilung vom Standpunkt des Einzelnen.

(„Sehr gut!“ links.)

Dr. Liebknecht, Abgeordneter: Sehr richtig! Meine Herren, Wir haben heute dasselbe Schauspiel erlebt, das wir bereits in früheren Jahren bei der Beratung ähnlicher Anträge erlebt haben. Es treten die Wortführer der Parteien der Rechten, des Zentrums, selbst der Nationalliberalen auf den Plan, erheben Kompetenzbedenken und erklären so nebenher mehr oder weniger platonisch ihre freundliche Gesinnung für ober ihre leidenschaftliche Abneigung gegen einzelstaatliche Wahlrechtsreformen. Die Kompetenzbedenken, die auch heute wieder erhoben worden sind – und zwar bis zu den Nationalliberalen hin – sind von meinem Freunde Wels schon von Vornherein aus dem Wege geräumt worden; es gibt solche Bedenken nicht. Der Standpunkt, den insbesondere das Zentrum, Herr Dr. Spahn, eingenommen hat, ist schlechterdings unverständlich. Er sagt: In demselben Augenblick, wo ein Regierungsentwurf dem Reichstag vorgelegt sein wird, würde die Zentrumspartei bereit sein, einem solchen Entwurf ihre Zustimmung zu geben. Wie kann das Zentrum, wenn es diesen Standpunkt einnimmt, die Ablehnung eines Initiativentwurfes rechtfertigen, der von Parteien dieses Hauses eingebracht worden ist?

(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)

Wenn die Regierung die gesetzgeberische Initiative hat, so hat sie auch das Haus. Sie Initiative der Regierung geht nicht um ein Haar breit weiter als die Initiative des Reichstags.

(„Sehr richtig!“ bei den Sozialdemokraten.)

Das Zentrum und die Parteien der Rechten verwickeln sich mit diesen Deduktionen, die in sich selbst so widerspruchsvoll wie möglich sind, auch in einen krassen Widerspruch zu eklatanten Tatsachen, die sich in der letzten Zeit in der deutschen Staatengeschichte abgespielt haben. Denken Sie an das Schicksal von Schwarzburg-Rudolstadt; denken Sie daran, wie die Gutachten eingeholt worden sind, unter anderem von dem Staatsrechtslehrer Laband, den bereits mein Freund Wels vorhin in anderem Zusammenhang erwähnte. Laband hat erklärt, dass, wenn in Rudolstadt die Regierung nicht imstande fein würde, zusammen mit dem Landtag zu regieren, die Reichsexekution gegen Rudolstadt einsetzen könne,

(„hört! hört!“ bei den Sozialdemokraten)

über den Landtag hinaus der Regierung von Rudolstadt durch das Reich das Recht gegeben werden könne, ohne Budget zu regieren.

(„Hört! hört!“ bei den Sozialdemokraten.)

Dieses Gutachten des Professors Laband ist in der Presse wenigstens der konservativen und der freikonservativen Partei mit Begeisterung begrüßt und besprochen worden.

(„Hört! hört!“ bei den Sozialdemokraten.)

Diese Parteien, denen es natürlich aus etwas mehr ober weniger Logik nicht ankommt,

(Lachen rechts)

wenn Sie nur die Möglichkeit haben, ihre politischen Gewaltinstinkte der Bevölkerung gegenüber zum Ausdruck zu bringen,

(Lachen rechts)

diese Parteien sind natürlich bereit, von Reichs wegen verfassungswidrig einzugreifen in die Zustände der einzelnen Staaten. Wenn es sich aber darum handelt, durchaus mit dem Einklang der Reichsverfassung auf gesetzlichem Wege eine Umänderung einer einzelstaatlichen Verfassung herbeizuführen, dann schreien Sie Zeter und Mordio. Ich bin fest überzeugt: wenn es sich darum handeln würde, die Frage zu erörtern, ob von Reichs wegen gesetzgeberisch eingegriffen werden könne in Württemberg, in Baden, in Bayern, in Hessen, dann würden die Herren sich nicht so aufbäumen, wie sie es gegenwärtig tun.

(„Sehr wahr!“ bei den Sozialdemokraten.)

Nur um deswillen jetzt diese Empörung, weil es sich um Preußen handelt, um ihr geliebtes Preußen, um ihr geliebtes Mecklenburg mit den Ochsenköpfen im Wappen!

(Heiterkeit links.)

Die Tatsache, dass die Parteien der Rechten sich in der Schwarzburg-Rudolstädter Frage in dieser Weise gestellt haben, sich aber zu der preußischen Frage so ganz anders stellen, die Tatsache, dass das nicht aus juristischen Gründen geschieht, sondern aus rein politischen Gründen, ergibt sich ja auch aus dem, was mein Freund Wels angeführt hat, aus den Worten des Abgeordneten v. Oldenburg, der so weit ging, gewissermaßen eine militärische Reichsexekution gegen die süddeutschen Staaten zu empfehlen für den Fall, dass die Demokratisierung in ihnen allzu rasch fortschreiten würde. Sie (zur Rechten) haben sich ja ihr Leben lang, solange Sie erfrieren, so peinlich an das normale Recht gehalten.

(„Sehr richtig!“ bei den Sozialdemokraten)

In Wahrheit: es ist ihnen stets nur darauf angekommen, Ihren Willen durchziehen, und wenn es dabei mit etwas mehr oder weniger Gewalt abging, so war es ihnen gleichgültig.

(„Sehr richtig!“ rechts.)

Wir glauben Ihnen nicht, und auch dem Zentrum nicht, den Ernst, wenn Sie derartige Bedenken vorschieben.

Dem Zentrum nicht zu glauben in Bezug auf seine so feinfühlige Gesetzlichkeit, haben wir um so weniger Veranlassung, als wir in diesem hohen Hause Zeugen gewesen sind jener berühmten Worte des Herrn Abgeordneten Gröber, die geradezu dazu aufforderten und es als eine Selbstverständlichkeit bezeichneten, dass sich die katholische Bevölkerung an das Jesuitengesetz und seine gegenwärtige Auslegung nicht mehr kehren werde.

(„Hört! hört!“ bei den Sozialdemokraten.)

Es ist also die alte Erfahrung: die juristischen Bedenken werden vorgeschoben als Wandschirme, damit Sie dahinter Ihre politischen Intrigen unbemerkt spinnen können,

(„sehr richtig!“ bei den Sozialdemokraten)

damit Sie dahinter verbergen können ihre materielle Feindseligkeit gegen jede Erweiterung der Volksrechte.

Meine Herren, wenn die Bedenken, die Sie gegen unseren Gesetzentwurf haben, sich erschöpfen in Bedenken gegen einzelne Teile dieses Entwurfs, z. B. das Alter, das Wahlrecht der Frauen, wenn es Ihnen aber ernstlich darum zu tun wäre, jedenfalls doch materiell etwas zu erreichen, ei, dann stände es ja doch in Ihrer Hand, durch Amendements zu unserem Gesetzentwurf zu erreichen, dass er die Ihnen genehme Form erhielte. Sie denken aber nicht daran, dergleichen zu tun. Es ist also durchaus auch das nur Vorwand, wenn Sie sagen, dass unser Gesetzentwurf Ihnen zu weit ginge. Sie sind nicht genötigt, sich an seine Form zu halten; Sie haben es in der Hand, und Sie können versichert sein, mir werden in unserer Taktik gegenüber etwaigen Amendements so verfahren, wie das unsere Partei seit jeher in entsprechenden Fällen zu tun für ihre Pflicht gehalten hat. Sie wollen aber nicht; Sie fürchten, dass, wenn Sie derartige Anträge stellen würden, eine Mehrheit im Reichstag zustande kommen würde. Und so sehr sie, auch gerade die Herren vom Zentrum, bereit sind, in der Angelegenheit des Jesuitengesetzes mit allen möglichen Mitteln vorzugehen, den Mitteln der stärksten Demagogie, mit den Mitteln der Intrige,

(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten – Lachen im Zentrum)

der politischen Intrige –

(Glocke des Präsidenten.)

Vizepräsident Dove: Herr Abgeordneter, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass, sofern Sie Mitglieder dieses Hauses mit solchen Ausdrücken bezeichnen würden, ich einschreiten müsste.

Dr. Liebknecht, Abgeordneter: Nein, ich bemerke, dass ich damit nicht Mitglieder des Hauses gemeint habe.

(„Oh! oh!“ und Lachen im Zentrum und rechts.)

Ich habe damit gemeint die Oberen des Jesuitenordens, deren Werkzeuge Sie sind, meine Herren,

(„oho!“ und Lachen im Zentrum)

und einen Herrn, der jenseits der Alpen sitzt,

(Unruhe im Zentrum)

und dessen Werkzeuge Sie nur sind.

(Zurufe und Sachen im Zentrum.)

|m Übrigen, meine Herren, aber denken Sie doch nur daran, wie Sie es bei der Enteignungsfrage für angezeigt gehalten haben, sich an der Regierung zu reiben, der Regierung ein Bein zu Stetten. Da lag Ihnen daran, eine Mehrheit zu erreichen. Hier liegt Ihnen nicht daran, eine Mehrheit im Reichstag zu erreichen, einfach weil Sie das freie Wahlrecht für die Bundesstaaten, vor allem für Preußen nicht wollen, ernstlich nicht wollen. das ist das ganze Geheimnis ihrer Stellungnahme.

(„Sehr richtig!“ bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, wollen Sie bestreiten, dass wir dafür stringente, unwiderlegliche Beweise haben, dass auch Sie, die Herren im Zentrum, in Preußen das freie Wahlrecht nicht wollen, und dass aus diesem Gesichtspunkte heraus sich Ihre formalistisch begründete Abneigung gegen den vorliegenden Gesetzentwurf erklärt? Wollen Sie bestreiten, dass bei der Wahlrechtsverhandlung im Jahre 1910 keine Partei eine so klägliche Rolle im preußischen Abgeordnetenhause gespielt hat wie die Partei des Zentrums?

(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Wollen Sie bestreiten, meine Herren, dass das Zentrum in der damaligen Zeit, wo es sich darum handelte, im Kampf Brust an Brust gegen die konservative Fraktion eine Wahlrechtsreform durchzulesen – dass in dieser selbigen Zeit Sie sich mit den Konservativen in den Armen gelegen haben, Brüderschaft mit ihnen geschlossen haben,

(Heiterkeit)

mit ihnen gemeinsame Sache gemacht haben,

(„Sehr wahr!“ bei den Sozialdemokraten – Lachen rechts und im Zentrum)

um gemeinsam mit ihnen das Volk über den Löffel zu balbieren.

(Lebhafter Widerspruch im Zentrum und rechts. – „Sehr wahr!“ bei den Sozialdemokraten. – Glocke des Präsidenten.)

Vizepräsident Dove: Herr Abgeordneter, diese Ausdrücke können Sie nur auf Mitglieder des Hauses beziehen.

Dr. Liebknecht, Abgeordneter: – Nein, des Abgeordnetenhauses. –

(Große Heiterkeit. – Zurufe rechts: „Mehr Mut!“ – Glocke des Präsidenten.)

Vizepräsident Dove: Auch in diesem Fall sind sie parlamentarisch unzulässig. Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, sich an die Ordnung zu halten; sonst würde ich Sie Zur Ordnung rufen.

(Beifall rechts und im Zentrum.)

Dr. Liebknecht, Abgeordneter: Schön! Ich nehme an, das „Sehr gut!", das Sie mir zurufen, bezieht sich auf meine Charakteristik Ihrer Politik.

(Erneute Zurufe rechts: „Mehr Mut!“)

So? Das brauchen Sie mir wiederum gewiss nicht zuzurufen. –

Die Vorgänge im preußischen Abgeordnetenhause sind dokumentarisch niedergelegt. Diese Vorgänge sind auch in das Bewusstsein des preußischen Volkes übergegangen. Die Rolle, die Sie damals gespielt haben, ist Ihnen sehr unbequem geworden in der Agitation und auch bei den jüngsten Reichstagswahlen. – Sie mögen darüber die Köpfe so oft schütteln, wie der Kandidat Jobs

(Heiterkeit)

oder die Examinatoren des Kandidaten Jobses die Köpfe geschüttelt haben. Das nützt Ihnen alles nichts. Tatsache ist, dass unser großer Wahlerfolg im vergangenen Jahre zu einem guten Teile, abgesehen von allen Ihren übrigen Sünden, Ihren Sünden mit zu verdanken ist, die Sie in Bezug auf das preußische Wahlrecht im preußischen Abgeordnetenhause begangen haben,

(lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten)

insbesondere Ihren Sünden, die Sie bei der Beratung der sogenannten preußischen Wahlrechtsreformvorlage vom Jahre 1910 begangen haben. Das wird Ihnen unvergessen bleiben überall dort, wo man darauf hält, politische Rechnungen zu begleichen, dafür zu sorgen, dass gerechte Sühne den politischen Sünden Zuteil wird.

Ich weise weiter darauf hin, welche Taktik die Herren vom Zentrum im vergangenen Jahre getrieben haben, als jener berühmte freisinnige Wahlrechtsantrag im preußischen Abgeordnetenhause zur Debatte stand. Wollen Sie bestreiten, dass damals der Wahlrechtsantrag wenigstens in Bezug aus das geheime und direkte Wahlrecht im Abgeordnetenhause angenommen worden wäre, wenn Sie Ihre Pflicht und Schuldigkeit getan hätten?

(„Sehr richtig!“ bei den Sozialdemokraten.)

Haben Sie damals nicht mehrere Dutzende von Ihren Parteifreunden abkommandiert, auf dass dieser Antrag zu Fall gebracht werde?

(Lebhafte Rufe bei den Sozialdemokraten: „Sehr wahr!“)

Und haben Sie das nicht getan, um Ihren guten Freunden von der konservativen Seite und auf den preußischen Regierungsbänken damit einen Gefallen zu tun, ihnen wenigstens Verlegenheiten zu ersparen?

Sa komme ich nun hinüber zu den Herren Nationalliberalen,

(Lebhafte Rufe rechts und im Zentrum: „Aha!“ – Heiterkeit.)

Wenn im preußischen Abgeordnetenhause dieser freisinnige Wahlrechtsantrag zu Fall gekommen ist, So haben zwar die Herren vom Zentrum daran die entscheidende Schuld, aber die Herren von der nationalliberalen Partei haben sehr wenig viel besser gehandelt.

(Heiterkeit.)

Die Herren von der nationalliberalen Partei haben gleichfalls eine große Anzahl von ihren Mitgliedern abkommandiert

(lebhafter Widerspruch von den Nationalliberalen)

oder laufen lassen. Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass eine große Anzahl von Mitgliedern der nationalliberalen Partei, die bei der Abstimmung über die Wahlrechtsfrage im preußischen Abgeordnetenhause gefehlt haben, im Hause anwesend waren,

(„hört! hört!“ bei den Sozialdemokraten)

im Lesezimmer oder Speisezimmer gesessen haben. Sie wollten nicht hineinkommen,

(„hört! hört!“ bei den Sozialdemokraten)

weil sie keine Stellung nehmen wollten. Das ist ihre Haltung gegenüber diesem abgeschwächten, verdünnten Wahlrechtsreformantrag, diesem Eventualantrag ihrer eigenen fortschrittlichen Freunde. So haben Sie, meine Herren Nationalliberalen, bewiesen, dass Sie in Ihrer praktischen Politik, sobald es sich darum handelt, über Volksrechte zu entscheiden, viel mehr nach den Parteien rechts tendieren als nach der fortschrittlichen Volkspartei, nach der Linken hinüber.

Meine Herren, im übrigen muss auf das eine hingewiesen werden: dieser Wahlrechtsantrag, so wie er schließlich eventuell von der Fortschrittspartei formuliert worden ist, ist jetzt von der nationalliberalen Partei, wenn man den Zeitungsmeldungen glauben darf, zu einer Art Programmstück auserkoren worden. Wenigstens konnte man vor kurzem in der Presse lesen, dass die nationalliberalen Landtagsabgeordneten sich förmlich auf einen Antrag betreffend das geheime und direkte Wahlrecht hätten unterzeichnen müssen. Das würde wiederum beweisen, dass die Herren von der nationalliberalen Partei im Grunde ihrer Seele noch nicht einmal eine derartige Wahlrechtsverbesserung für selbstverständlich halten; denn wenn sie sie für selbstverständlich hielten, würde eine solche besondere feierliche Festlegung nicht erforderlich gewesen sein. Es ist also auch dadurch, obwohl es einigermaßen erfreulich ist, dass eine Festlegung in diesem Sinne stattgefunden hat, bewiesen, dass auch die Nationalliberalen eine ganze Zahl höchst unsicherer Kantonisten selbst in der Frage des direkten und geheimen Wahlrechts haben.

(„Sehr richtig!“ bei den Sozialdemokraten.)

Aber nun wieder das Zentrum! Wir haben vor kurzem im Abgeordnetenhause die viel erörterten Debatten mit den Reden der Herrn v. Kardorff usw. gehabt. Bei dieser Gelegenheit ist der Zentrumsabgeordnete Gronowski auf das Wahlrecht zu sprechen gekommen und hat dabei gesagt – ich kann es nicht ganz wörtlich zitieren –, das Zentrum sei für eine Wahlrechtsreform, „mindestens für Einführung des geheimen und direkten Wahlrechts". Das heißt also: Sie sind für nicht mehr als für das geheime und direkte Wahlrecht.

(Lachen und Widerspruch im Zentrum.)

Dieser Widerspruch wirft ja ein ganz eigentümliches Licht auf Ihre Sorte Politik.

(„Sehr richtig!“ bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, lässt man sich so feine „Grundsätze" über die wichtigsten Grundrechte des Volkes abhandeln, Wenn man sich eine Volkspartei nennt? Kennt man da ein Minimumprogramm und dergleichen? Wie können Sie Ihr Einverständnis zu einer Erledigung der preußischen Wahlrechtsfrage durch Einführung des direkten und geheimen Wahlrechts geben?

(Zuruf im Zentrum: „Mindestens!“)

Mindestens! – Die Sache war vollkommen klar; es handelte sich nicht darum, festzulegen, inwieweit etwa das Zentrum geneigt wäre, vorläufige Abschlagszahlungen entgegenzunehmen.

(Erneuter Zuruf aus dem Zentrum.)

Herr Erzberger, diese Deutung ist unmöglich, weil Sie bereits im Jahre 1910 mit Abschlagszahlungen einverstanden waren, die schlechter waren als nichts, die Verschlechterungen bedeutet hätten gegenüber dem gegenwärtigen Rechtszustande. Das brauchte niemand im Zentrum zu betonen, dass Sie eine solche Abschlagszahlung entgegennehmen würden; das wusste jeder im Voraus. Eine solche Art Erklärung kann nur komisch wirken. Es ist aber Tatsache, dass im Abgeordnetenhause ausschließlich zur Erörterung stand die Reform des Wahlrechts in ihrem Schlussresultat, und wenn man in dieser Frage erklärt: Wir fordern mindestens das geheime und direkte Wahlrecht –, dann gibt man ganz unmissverständlich zu erkennen, dass man darüber hinaus keine ernstlichen Forderungen mehr erhebt.

(„Sehr richtig!“ bei den Sozialdemokraten.)

Vielleicht war Herr Gronowski nicht beauftragt, diese Worte auszusprechen, aber er hat offenbar, wenn nicht aus dem Verstande des Zentrums, so doch aus dem Herzen des Zentrums heraus geredet.

(„Sehr richtig!“ bei den Sozialdemokraten.)

So sehen wir denn aus der rechten Seite des Hauses eine Feindschaft gegen jede Reform des preußischen Dreiklassenwahlrechts bis auf das Messer und in der Mitte des Hauses beim Zentrum und bei den Nationalliberalen eine unüberwindliche Abneigung gegen jede gründliche Reform des Dreiklassenwahlrechts, die Bereitwilligkeit, sich abspeisen zu lassen mit einem goldenen Nichtschen und einem silbernen Warteinweilchen, und jedenfalls die vollkommene Abneigung, mit irgendwelcher Vehemenz, mit irgendwelcher politischen Machtentfaltung und rücksichtsloser Energie vorzugehen zur Erzwingung der Reform des preußischen Wahlrechts.

(„Sehr richtig!“ bei den Sozialdemokraten.)

Wir haben den Herren vom Zentrum, als sie darauf hinwiesen: wir müssen in vorsichtigen parlamentarischen Formen versuchen, an eine Reform des preußischen Dreiklassenwahlrechts heranzugehen, wir dürfen uns nicht an einer agitatorischen Ausnutzung der Wahlrechtsfrage beteiligen, – damals bereits zugerufen: denkt an eure agitatorischen, an eure demagogischen Leistungen zur Zeit des Kulturkampfs; denkt daran, wie auch ihr damals Straßendemonstrationen vortrefflich zu machen gewusst habt, wie damals die Volksmassen aufgepeitscht worden sind, und wie groß das Verständnis für die direkte politische Agitation im Zentrum war! Aber da haben wir natürlich tauben Ohren gepredigt. Es waren zwar Argumente, die hätten verfangen müssen, wenn es den Herren vom Zentrum ernstlich darum zu tun gewesen wäre, eine Wahlreform unter Anwendung ihrer politischen Macht durchzulesen; es waren aber Argumente, die notwendig zur Erfolglosigkeit verdammt waren angesichts der inneren Abneigung gegen jeden ernsthaften Eingriff. Und dieselbe Erscheinung müssen wir bei der nationalliberalen Partei beobachten.

Die Herren von der freikonservativen bzw. Reichspartei befinden sich ja in einer etwas eigentümlichen Lage. Auch Sie haben einmal ihre Reformfreundlichkeit erklärt. Im vergangenen Jahre, als im preußischen Abgeordnetenhause die Etatdebatten stattfanden unmittelbar nach der Reichstagswahl, waren es der Herr Abgeordnete Freiherr v. Zedlitz – man sollte es nicht für möglich halten – und – das sollte man noch für unmöglicher halten – der Herr Abgeordnete v. Kardorff, die im Namen der freikonservativen Partei feierlich erklärten, Sie wären nicht unbelehrbar wie die Deutschkonservativen, Sie würden aus ihrer Niederlage bei der Reichstagswahl zu lernen wissen und sich modernisieren. Gerade diese Auseinandersetzung zwischen den freikonservativen und den Deutschkonservativen war so interessant und so charakteristisch, dass man in einem gewissen Sinne sagen kann: sie drückten den vorjährigen Etatdebatten im Abgeordnetenhause den Stempel auf.

Meine Herren, da ich das Wort „modernisieren" ausgesprochen habe und gerade Herrn v. Heydebrand vor mir sehe, muss ich allerdings daran erinnern, dass auch Herr b. Heydebrand einst von der deutschkonservativen Partei prophezeit hat, sie würde sich modernisieren.

(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, Sie haben sich modernisiert, das haben mir besonders in der letzten Zeit gemerkt. Nun, die freikonservative Partei, die seit je eine der rücksichtslosesten Vertreterinnen der mechanistischen Staatsauffassung und der daraus hervorgehenden Gewalt- und Unterdrückungspolitik gegen die Massen der Bevölkerung ist, hat 1910 in der preußischen Wahlrechtsreformbewegung eine sehr eigentümliche Rotte gespielt. Die Herren vom Zentrum und die deutschkonservative Partei hatten sich gefunden,– in den Armen lagen sich beide, wie ich vorhin erwähnte. Nun handelte es sich noch darum, die Nationalliberalen zu gewinnen, und da war der hell-dunkle Freiherr v. Zedlitz der gegebene Mittler, er war es, der, Herrn Schifferer an dem einen Arm und ich weiß nicht wen an dem anderen Arm, unausgesetzt in den Wandelhallen des Abgeordnetenhauses herum wandelte, um die nationalliberale Partei für irgendein freikonservatives Wahlrechtskompromiss zu gewinnen. Es ist damals nicht gelungen. Der Erfolg ist ausgeblieben, nicht etwa deshalb, weil die Herren von der nationalliberalen Partei allzu liberal gewesen wären. Das ist das Wesentlichste, was ich den Herren Nationalliberalen gegenwärtig noch sagen möchte. In allen Klagen der nationalliberalen Partei im Abgeordnetenhause über das gegenwärtige preußische Wahlrecht spielt keine einzige eine solche Rolle wie die Klage darüber, dass wir gegenwärtig die Bezirksdrittelung statt der Drittelung in den Wahlkreisen ober den Gemeinden haben.

(„Hört! hört!“ bei den Sozialdemokraten.)

Diese Bezirksdrittelung wurde vom Freiherrn v. Zedlitz ebenso wie von den Herren Abgeordneten Schifferer und Friedberg noch in der letzten Zeit als der Gipfel der Ungerechtigkeit im preußischen Dreiklassenwahlrecht bezeichnet – die einzige Bestimmung, die allerdings unlogisch innerhalb dieses Wahlrechts sein mag, aber die einzige Bestimmung, die es immerhin ermöglicht, dass in gewissen durchweg proletarischen Bezirken. die Masse der Bevölkerung sich Gehör beschaffen, einen Abgeordneten wählen kann. Diese Bestimmung ist es, gegen die von der nationalliberalen Seite und von der Reichspartei, der freikonservativen Partei mit besonderem Zorn Sturm gelaufen worden ist.

(„Hört! hört!“ bei den Sozialdemokraten.)

Diese Dinge müssen festgehalten werden, damit man überall auch im Lande draußen versteht, was hinter Ihren formellen Erklärungen steckt, mit denen Sie sich heute, vom Herrn Abgeordneten Grafen Kanitz bis zum Herrn Abgeordneten Bassermann, zu decken zu drücken versucht haben.

Wie es aber um die freikonservative Partei steht, die angeblich bereit ist, Reformen eintreten zu lassen und unser Staatswesen zu modernisieren, wie es um die Reichspartei steht, die im vergangenen Jahre, als sie die Prügel noch lebendig fühlte, die wir ihr bei den Wahlen erteilt hatten,

(Lachen bei der Reichspartei)

versprach, etwas zu lernen aus diesen Prügeln, was die freikonservative Partei in der Tat mit dem Wahlrecht will, das hat in den letzten Tagen der Abgeordnete Freiherr v. Zedlitz mit einer Deutlichkeit ausgesprochen, die in der Tat nichts mehr zu wünschen übrig lässt. Der Abgeordnete Freiherr von Zedlitz hat für die künftige Wahlrechtsreform, die vom preußischen Abgeordnetenhause erwartet wird, nichts anderes gefordert, als dass der nötige Einfluss für die sogenannte Bildung und den Besitz garantiert werde.

(„Hört! hört!“ bei den Sozialdemokraten.)

Er hat nicht ein einziges Wort dafür gefunden, dass die breite Masse der gegenwärtig entrechteten Bevölkerung nunmehr auch endlich Ihr ursprünglichstes, primitivstes Menschenrecht in diesem Preußen erhalte.

(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Das ist charakteristisch. Er hat dann allerdings vom Mittelstande gesprochen und da mit der Wurst nach der Speckseite geworfen. Gott um alles in der Welt! Mit dieser Redensart wird man natürlich keinen Menschen zu verwirren in der Lage sein. Aber wie weit die reaktionäre Gesinnung der sogenannten Reichspartei, der freikonservativen Partei, geht, das beweist die Äußerung des Abgeordneten Freiherrn b. Zedlitz, die er noch vor wenigen Tagen im Abgeordnetenhause gemacht hat. Da ist er so weit gegangen, neben dieser sogenannten Reform des preußischen Wahlrechts eine Reform der preußischen Kommunalwahlgesetze in denjenigen Distrikten zu fordern, in denen bisher kein Dreiklassenwahlrecht existiert, dahin, dass überall auch dort das „alte, bewährte preußische Dreiklassenwahlsystem" eingeführt werde.

(Lebhaftes „Hört! hört!“ bei den Sozialdemokraten.)

Also es wird geradezu systematisch von den Vertretern dieser Partei auf eine weitere Verschlechterung des preußischen Wahlrechts, auf eine wettere Entrechtung der preußischen Bevölkerung hingearbeitet; und diese Partei nennt sich Reichspartei.

(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, diese Partei nennt sich Reichspartei im Reiche, in Preußen aber freikonservative Partei. Meine Herren, Sie nennen sich Reichspartei im Reiche, und Ihre intimsten Freunde sind es, die Sie von Preußen aus gegen das Reich hetzen, gegen dasselbe Reich, von dem Sie sich den Namen gegeben haben. Herr v. Kardorff nennt sich, wenn er im Reiche redet, Reichsparteiler und Herr v. Zedlitz auch. Wer kann das unterscheiden? Im Grunde sind Sie ja gar keine Partei!

(Große Heiterkeit.)

Sie sind eine kleine Koterie, aber keine Partei.

(Große Heiterkeit und Zurufe rechts.)

Ich spreche nicht vom Reichstage, im Reichstage ist es ja selbstverständlich, dass Sie keine Partei mehr sind, – ich spreche von Ihrer gesamten Partei! –

(Zuruf rechts.)

Ich erwähne Sie mit besonderer Vorliebe, Herr Abgeordneter Schultz, weil Sie unsere besten Demonstrationsobjekte sind für die preußische Reaktion. Deshalb spießen wir Sie besonders gern auf und präparieren Sie vor dem ganzen Lande.

(Große Heiterkeit.)

Meine Herren, Ihre Bedeutungslosigkeit als selbständige Partei--

(Zuruf rechts.)

Es macht mir Spaß, darüber zu reden,

(große Heiterkeit)

gerade deshalb, Herr Mertin! Ich bin ja nicht zu Ihrem Spaße da, sondern zu meinem Spaße. –

(Große Heiterkeit und Zurufe.)

Wie es mit der freikonservativen Partei bestellt ist, beweist doch eine sehr amüsante Tatsache. Da hat vor wenig Wochen ein freikonservativer Herr sich bemüht, eine Definition von dem Wesen der freikonservativen Partei zu geben, Weil man es bis dahin noch nicht gewusst hat, was die freikonservative Partei eigentlich ist. Herr Professor Dr. Seifert in Breslau hat sich die Mühe gegeben zu beweisen, dass der freikonservative Standpunkt der „Standpunkt der unbedingten Toleranz“ ist, und dass sie frei ist in geistiger und kultureller Beziehung, konservativ in politischer Beziehung. Meine Herren, was Sie unter geistig und kulturell verstehen, das verstehe ich nicht. Ich möchte überhaupt wissen, wer es versteht. Sie verstehen es sicher auch nicht!

(Große Heiterkeit.)

Besonders interessant ist, wenn die Herren sich aufblähen zu einem großen Parteigebilde

(Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abgeordneter, ich bitte, sachlich zu bleiben und nicht in eine persönliche Diskussion einzutreten.

Dr. Liebknecht, Abgeordneter: Ich habe aber vom Abgeordnetenhaus gesprochen.

(Heiterkeit.)

Präsident: Ich habe Sie so verstanden, dass Sie von der freikonservativen Partei in diesem Hause gesprochen haben.

Dr. Liebknecht, Abgeordneter: Ich brauche nur auf die Tatsache hinzuweisen, dass sie organisatorisch, soweit sie überhaupt existieren, gegenüber den Deutschkonservativen gar keine Selbständigkeit besitzen, und dass jüngst von ihnen der Grundsatz ausgesprochen worden ist: man kann zugleich Mitglied der freikonservativen Partei und der deutschkonservativen Partei fein.

Aber damit genug! Wie die Mitglieder der Reichspartei im Abgeordnetenhaus Sturm gegen das Reich gelaufen haben, das ist ein Vorgang von historischer Bedeutung. Auf dem Gebiete der Wissenschaft und der Kunst macht die Wiederholung derselben Ereignisse ihre Bedeutung geringer, auf dem Gebiete der Politik wächst die Bedeutung der Ereignisse und der einzelnen Tatsachen mit ihrer Häufung. Und nun sehen wir, wie dieses Sturmlaufen gegen das Reich in Preußen immer mehr zunimmt, und wie sich daran sogar die Herren Minister beteiligen. Vor ein oder zwei Jahren war es der Herr Justizminister Beseler, der im preußischen Abgeordnetenhause die konservativen Parteien aufforderte, auf ihre Mitglieder und Freunde im Reiche einzuwirken im Sinne einer reaktionären Gestaltung unserer Justizgesetzgebung; und, meine Herren, im vergangenen Jahre war es der Minister des Innern, Herr v. Dallwitz, der sich gestatten zu dürfen glaubte, von der Tribüne des preußischen Abgeordnetenhauses herab gegen Äußerungen, die im Reichstag gefallen waren, zu polemisieren. Das Gleiche haben wir ja auch in diesem Jahre erlebt.

Meine Herren, man muss sich die Doppelgesichtigkeit der konservativen und freikonservativen Partei in ihrer ganzen grotesken Unmöglichkeit vergegenwärtigen. Sie erklären sich für berechtigt, von Preußen aus unausgesetzt ihre Angriffe, ihre Schrapnells gegen das Reich zu richten, und trumpfen auf der anderen Seite auf: das Reich hat uns nichts hineinzureden.

Von Preußens Einmischungsversuchen im Reiche ist bereits genug gesprochen worden. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang auf eine immer wiederholte Einmischung, deren sich auch das preußische Herrenhaus – diese „verdutzte und entmündigte Versammlung" nach Treitschkes Wort – schuldig gemacht hat, hinweisen, nämlich auf die wiederholten Versuche, von dort aus auf eine reaktionäre Umgestaltung, einen Umsturz des Reichstagswahlrechts hinzuwirken.

(„Hört! hört!“ bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, Sie wissen, wie da gehetzt worden ist, und wie auch die Beratung der preußischen Wahlrechtsvorlage im preußischen Abgeordnetenhaus immer wieder zu der Gegenfrage Anlass gegeben hat, wie es mit einer Verschlechterung des Wahlrechts im Reiche steht.

Meine Herren, so kümmert sich das preußische Abgeordnetenhaus um das Reichstagswahlrecht, und zwar mit der Pointe., auch dieses einzige ernsthafte politische Recht, das die deutschen Reichsbürger haben, zu kürzen ober ganz zu rauben. Und wenn sich das deutsche Reich und seine berufene Volksvertretung um das preußische Wahlrecht kümmert, dann wird gesagt: noli me tangere, ihr seid Inkompetent. Meine Herren, wenn jüngst im preußischen Abgeordnetenhause über die Beschlüsse zu der Enteignungsfrage Lärm geschlagen würde, so würde damals bereits angekündigt, dass der zweite Schlag vom Reich gegen Preußen In der Wahlrechtsfrage geführt werde. Es wird also von den konservativen Parteien im preußischen Abgeordnetenhaus – und wir hören das leider auch vom Zentrum, und selbst von den Nationalliberalen – als ein unbefugter Eingriff in ihre Rechte empfunden, wenn man sich hiermit dem preußischen Dreiklassenwahlrecht befasst, um das elendeste aller Wahlsysteme; nicht aber empfinden Sie es als einen Eingriff in die Interessen des Reichs, wenn sie MauIwurfsarbeit gegen das Reichstagswahlrecht treiben. Des Pudels Kern, meine Herren, ist einfach der: überall, wo es sich darum handelt, die Rechte der breiten Masse des Volks zu verkürzen oder zu verhindern, dass die Rechte des Volks weiter entwickelt werden, immer dann hält sich das preußische Abgeordnetenhaus für kompetent, einzugreifen.

(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)

Aber wenn es sich darum handelt, im Interesse des Volkes eine ernstliche politische Reform durchzuführen, dann ist Preußen stets unantastbar, dann werden Kompetenzbedenken vorgeschützt. Müssen wir doch sogar das Unglaubliche erleben, dass ein konservativer Abgeordneter im Reichstag unter dem Beifall seiner Freunde mit Rücksicht auf möglicherweise eintretende Schwierigkeiten wegen der freieren Wahlrechte in den süddeutschen Staaten mit preußischer Gewalt drohte; mussten wir doch sogar erleben, dass Sich ein Abgeordneter im preußischen Abgeordnetenhause erdreistet hat, dem Bundesstaat Baden, einem bundesstaatlichen Minister Vorhaltungen zu machen über seine Stellung zur Sozialdemokratie! Meine Herren, wenn diese Abgeordneten sich das herausgenommen haben, dann ist es doch geradezu ein Stück von unübertrefflichem – wie soll man sich ausdrücken – unübertrefflichem Mangel an Verschämtheit.

(Große Heiterkeit. – Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, sich in Ihren Ausdrücken zu mäßigen, auch gegenüber dem Abgeordnetenhause. Wenn Sie auch hier im Reichstag sprechen, so muss Ich Sie doch bitten, sich auch gegenüber dem Abgeordnetenhause in den Grenzen der parlamentarischen Kritik zu halten.

Dr. Liebknecht, Abgeordneter: Wenn dann dieselben Herren Sich hinstellen und verlangen, das Reich solle nicht in preußische Angelegenheiten hineinreden dürfen, das Reich solle sich wohl um Württemberg, Bayern und andere Staaten kümmern, nicht aber um Preußen, So werden wir es uns nicht nehmen lassen, über preußische Angelegenheiten zu sprechen, wo und wann es uns passt. Die preußischen Angelegenheiten berühren derart das Interesse des ganzen deutschen Volks, des deutschen Reichs, dass man sie geradezu als deutsche Angelegenheiten bezeichnen muss.

(„Sehr wahr!“ bei den Sozialdemokraten.)

Von der Regierung und von den Parteien der Rechten wird die Forderung erhoben, dass Preußen der führende Bundesstaat sein müsse, und wird der Anspruch vertreten, dass die preußische Politik maßgebend Sein solle auch für die Reichspolitik. Daraus ergibt sich die logische Konsequenz, dass sich das Reich auch um Preußen kümmern muss, dass alle preußischen Angelegenheiten auch Reichsangelegenheiten sind.

(„Sehr wahr!“ bei den Sozialdemokraten.)

Vor wenigen Tagen hat der Vorstand des Berliner deutschkonservativen Wahlvereins einen Beschluss gegen den Reichstag gefasst, in dem es heißt, dass es mit peinlicher Überraschung beobachtet worden sei, wie sich der Reichstag immer wiederholt verfassungswidrig in rein preußische Angelegenheiten eingemischt habe. Es wird da also von unbefugten Einmischungen des Reichs in Preußen geredet. Nun, meine Herren, wir lachen über diese törichten Redensarten und werden fortfahren, uns in preußische Angelegenheiten überall dort einzumischen, wo das Interesse des Deutschen Reichs es erfordert. Und wenn die Herren Konservativen Räuber und Mörder schreien, so wird das von uns nur als eine Quittung darüber angesehen, dass wir damit die richtige Politik treiben und die Herren ins Herz hinein treffen.

Die viel erörterten Vorgänge im preußischen Abgeordnetenhause verdienen noch eine kurze Beleuchtung. Es gebt nicht auf die Dauer, dass der führende deutsche Bundesstaat Preußen mit einer durchaus anders gearteten Verfassung derselben ist als das Deutsche Reich. Das muss notwendig dazu führen, dass der Reichswagen durch Pferde, die vorn und hinten angespannt sind, schließlich auseinandergerissen wird. Die Spannung, die sich zwischen dem Reich und Preußen ergeben hat, ist eine geradezu ungeheuerliche und wächst immer weiter. Wir haben im Reichstage etwa zwei Siebentel sozialdemokratische Abgeordnete, im Abgeordnetenhause aber nur ungefähr ein Dreiundsiebzigstel Wir haben im preußischen Abgeordnetenhause nicht einmal den zwanzigsten Teil an parlamentarischem Einfluss wie im Reichstage.

(Abgeordneter Mertin: Sie sitzen in jeder Kommission!)

Das ist ja doch nicht richtig, Herr Mertin! Wir sitzen längst nicht in jeder Kommission, sondern nur in jeder ich weiß nicht – vielleicht 47. oder 28. Kommission; das wissen Sie doch ganz genau! Sie wissen auch, dass Ihnen unsere Arbeitskraft drüben recht nützlich ist.

(Heiterkeit.)

Aber wir möchten drüben auch etwas Einfluss haben; darum handelt es sich gegenwärtig, und den haben wir gegenwärtig nicht, wenigstens nicht in der parlamentarischen Form. Der Gegensatz wird immer stärker, der Riss klafft immer tiefer; es geht auf die Dauer nicht, dass im Reich sozusagen regiert wird mit einem halbwegs demokratischen Wahlrecht und in Preußen mit einem Wahlrecht, das durchaus aus dem Geldsack und der vorsintflutlichen junkerlichen Rückständigkeit ausgebaut ist. Meine Herren, diese Tatsache ist vielleicht niemals so sehr vor alter Augen gerückt worden, über die deutschen Grenzen hinaus, wie gerade durch die Rede des Herrn v. Kardorff.

(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)

Das ist nämlich besonders wichtig und wertvoll für uns an der Rede des Herrn Abgeordneten v. Kardorff: seine brüske und arrogante Art, sich mit dem Reichstag abzufinden, ihm als Grandseigneur gnädigst gerade noch einen Bettelpfennig hinwerfen und den Rücken zu kehren – –

(Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, sich in Ihren Äußerungen zu mäßigen und nicht Beleidigungen auszusprechen.

Dr. Liebknecht, Abgeordneter: Also ich nehme die Bemerkung, dass Herr v. Kardorff als Grandseigneur aufgetreten sei, hiermit zurück.

(Sehr gut! und Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)

Die Tatsache, dass Herr Abgeordneter v. Kardorff gegen die süddeutschen Bundesstaaten in dieser rücksichtslosen Weise gehetzt hat, hat auch die süddeutschen Staaten, hat auch die außerpreußischen Staaten gegen Preußen mobilisiert.

(Lachen rechts.)

Das ist wertvoll, meine Herren! Wenn der Herr Minister v. Bodman oder die badische Regierung es bereits für erforderlich gehalten hat, in nicht misszuverstehender Weise auf die reichsdeutsche Gemeingefährlichkeit des preußischen Abgeordnetenhauses hinzuweisen, dann, glaube ich, wird das seinen Eindruck, seinen agitatorischen Eindruck nirgends verfehlen und weiter dazu beitragen, dass dem preußischen Abgeordnetenhause mit seinem jetzigen Wahlrecht das Grab gegraben wird.

Die Vorgänge der letzten Zeit haben eines ergeben: die absolute – das wiederhole ich hier –, die absolute Inkompatibilität des heutigen Junkerpreußens mit dem Deutschen Reich, so wie es heute ist.

(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten. – Sachen rechts.)

Diese Vorgänge, die sich immer weiter zuspitzenden Verhältnisse haben ergeben, dass es hier nicht mehr ein Sowohl-als-auch, sondern nur ein Entweder-oder gibt: entweder das Reich oder Preußen.

(Erneutes Sachen rechts.)

Ein Alternative kurzweg! Sie, meine Herren, stellen ihre ganze Politik darauf ein – das muss Ihnen gesagt werden –, das Reich zu schwächen. Sie möchten ihm seine Kompetenzen nach Möglichkeit verkürzen; Sie möchten dem deutschen Volk das Wahlrecht nehmen, das Zahlrecht freilich möchten Sie ihm lassen.

(„Sehr gut!“ bei den Sozialdemokraten.)

Das ist das einzige, was das Reich behalten soll. Sie möchten die preußischen Minister zu den Herren des Reichstags machen; Sie möchten die preußische Budget – wenn auch nicht ganz in den Formen wie im preußischen Abgeordnetenhaus – auch in den Reichstag hineinziehen lassen. Herr v. Dallwitz, der Polizeiminister, ist ja gegenwärtig gewissermaßen der heimliche Kaiser – Kronprätendent – der Reichsregierung und damit der Vertrauensmann und das Liebkind der Parteien der Rechten dieses hohen Hauses.

Diese Versuche, das Reich zu schwächen, greifen auch auf die finanzielle Seite hinüber. Sie wollen Preußen stärken. Betrachten Sie die sehr interessanten Vorgänge auf dem Finanzgebiet! Die preußischen Finanzen sollen gestärkt werden; es werden große Sparstrümpfe vollgestopft, es werden große Geldbeträge in der Eisenbahnverwaltung und auf allen möglichen anderen Gebieten angehäuft. Sie konsolidieren die preußischen Finanzen auf das Allerbeste, indem Sie sich die ertragreichsten Steuerquellen für Preußen vorbehalten. Neben dem Verlangen, dass die Steuerscheu der junkerlichen Kreise möglichst geschont werde, ist einer der Gründe für den Widerstand gegen die Reichserbschaftssteuer Ihr Bemühen, die Erbschaftssteuer zur Sicherung der finanziellen Selbständigkeit Preußens gegenüber dem Reich bei Preußen zu belassen. Meine Herren, das pfeifen die Spatzen von den Dächern.

Deshalb wollen Sie keine direkten Reichssteuern; deshalb soll das Reich immer Stipendiat der Einzelstaaten bleiben, soweit es nicht aus den Taschen der Ärmsten der Armen durch indirekte Steuern sein Geld herausholen kann. Deshalb auch der preußische Widerstand gegen die Reichseisenbahngemeinschaft. Aber wenn Sie, meine Herren (nach rechts), diese Politik treiben – auch die Reichspartei –, eine Politik, gerichtet auf Zertrümmerung des Reichs, – die Politik der Sozialdemokratie ist die entgegengesetzte, die Politik der Sozialdemokratie richtet sich dahin, das Junkerpreußen zu zertrümmern,

(„sehr richtig!“ bei den Sozialdemokraten – „ah! „rechts)

und ein freies Preußen zu schaffen,

(Unruhe rechts)

ein freies Preußen zu schaffen.

(Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abgeordneter, ich kann nicht zugeben, dass Sie einer Partei dieses Hauses vorwerfen, dass sie das Reich zertrümmern will.

(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)

Dr. Liebknecht, Abgeordneter: Meine Herren, unser Bestreben geht dahin, – selbstverständlich, meine Herren, – ich möchte das zur Sicherheit bemerken, – das ist bildlich gemeint –

(„ah!“ rechts)

unser Bestreben geht dahin, mit allen Mitteln, die uns zu Gebote stehen und die zweckmäßig erscheinen, das jetzige Junkerpreußen in seiner gegenwärtigen Verfassung zu zertrümmern,

(Unruhe rechts)

und damit gleichzeitig das Deutsche Reich zu befreien von dem preußischen Joch, unter dem wir seufzen.

(Bravo!)

Meine Herren, wir, die angeblichen Reichsfeinde, Schützer des Reichs gegen die Hauptschreier über unsere angebliche Reichsfeindschaft, diese Hauptschreier, die die wahren Reichsfeinde sind! Das ist das Fazit.

Meine Herren, Ihre Stellung zu unserem Antrag beweist uns nur dasselbe, was uns bereits bewiesen hat die jüngste Haltung der konservativen Parteien im preußischen Abgeordnetenhaus; sie beweist uns nur Ihre eigene Schwäche, den vollkommenen Verlust Ihres eigenen Selbstvertrauens.

(Lachen rechts.)

Sie wagen nicht, auf der Plattform des allgemeinen, gleichen, geheimen, direkten Wahlrechts mit uns die preußische Wahlrechtsfrage auch nur zu diskutieren.

(Zurufe rechts: „Wir wollen nicht; gehört nicht hierher!“)

In dem Dreiklassenhause wollen Sie das ausschließlich tun. Ja, meine Herren, Sie beweisen damit, wie wenig Zuversicht Sie mehr haben zu Ihrer Weltanschauung. Im Grunde genommen ist diese Abneigung, über das Wahlrecht in diesem Haus zu sprechen, und sind diese leidenschaftlichen Attacken

(Zurufe rechts)

gegen das der sozialdemokratischen Verseuchung verdächtige Deutsche Reich ebenso zu werten wie Ihr Geschrei nach einem Ausnahmegesetz. All das gehört zusammen.

Mein Freund Wels hat Ihnen dargelegt, wie das preußische Dreiklassenwahlsystem bereits einen ausnahmegesetzlichen Zustand schlimmster Art darstellt, gerichtet gegen die Masse der Bevölkerung. Sie wollen aber mit diesem Ausnahmegesetz und seinen vielen Geschwistern noch nicht zufrieden sein. Sie wollen weitere Ausnahmegesetze dazu häufen. Sie wollen statt eine innerpolitische PazifierungspoIitik gegenüber der Masse der Bevölkerung zu treiben, diese immer mehr aufpeitschen, eine ProvokationspoIitik treiben, um die Masse der Bevölkerung einmal brutale Gewalt gegen Gewalt sich gegenüber zu sehen – so lange Ihnen noch die Flinten gehören. Das sind Ihre durchsichtigen Pläne.

Meine Herren, es ist heute von meinem Freund Wels auf Elsass-Lothringen hingewiesen worden. Jedermann von uns, der eine Spur politischer Einsicht besaß, weiß und hat gewusst, wenn Elsass-Lothringen das freie Wahlrecht bekommen hat, so hat es das nicht einem liberalisierenden Zug in unserer heutigen Reichsregierung zu verdanken; das hat es zu verdanken ausschließlich den außenpolitischen Gefahren. Meine Herren, die Spannung zwischen Frankreich und Deutschland, die Zuspitzung der Kriegsgefahren ist es unzweifelhaft, die dazu geführt hat, dass die deutsche Reichsregierung es für eine große Gefahr für die Sicherheit des Deutschen Reichs gehalten hat, auf die Dauer an der Grenze eine Provinz zu haben, dessen Bevölkerung wegen ihrer politischen Entrechtung notwendig feindselig gegenüberstehen musste der preußischen Wirtschaft, die schließlich über ganz Deutschland dominiert.

(Zurufe rechts.)

Daraus hat man ersehen, wie schließlich außenpolitische Notwendigkeit auch zu innenpolitischen Notwendigkeiten führen.

(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.)

Ich habe bereits bei früheren Gelegenheiten auf die vollkommene organische Zusammenhörigkeit und Untrennbarkeit der inneren und der äußeren Politik hingewiesen. Das gilt nicht nur für Elsass-Lothringen, das gilt für das ganze Deutsche Reich.

(„Sehr richtig!“ bei den Sozialdemokraten.)

All Ihr patriotisches Geschrei in diesem Jahre und all die Titel- und Ordensregengüsse, die da herabregnen mögen, und die Fahnenbänder und die Vivatbänder, die ausgeteilt werden sollen – all das wird im deutschen und preußischen Volke nicht die Spur von Enthusiasmus hervorrufen! Das preußische Volk wird sich in diesem Jahre der bisher nicht eingelösten Schuld erinnern; es wird sich der Tatsache erinnern, dass es zwar im Jahre 19131 gut genug dazu war, sich seine Knochen auf den Schlachtfeldern zerschießen zu lassen, und dass es auch 1870/71 gut genug dazu war, dass man es aber in der inneren Politik nicht als gleichberechtigt anerkannt.

(„Sehr gut!“ bei den Sozialdemokraten.)

Unsere politischen Konsequenzen bedürfen keiner weiteren Auseinandersetzung.

(Rufe rechts: „Nein, nein!“)

Die Gefahren, die in dieser Richtung der künftigen Entwicklung des Deutschen Reichs drohen, sind durch Sie und Ihre Freunde heraufbeschworen, sie sind heraufbeschworen durch jene sogenannte preußische Regierung, die sich da zusammensetzt aus Herren- - -

Präsident: Herr Abgeordneter, der Ausdruck „sogenannte preußische Regierung" ist gegenüber der preußischen Regierung so herabsetzend, dass ich Sie dieserhalb zur Ordnung rufe!

Dr. Liebknecht, Abgeordneter: Ich habe damit nur sagen wollen, dass nach meiner Auffassung die wirklichen Regenten in Preußen die Herren von den konservativen Parteien sind,

(„Sehr wahr!“ bei den Sozialdemokraten)

Arm in Arm mit den Herren von der Mitte hier,

(Lachen im Zentrum)

und dass die Regierung im Grunde eben nur das ausführende Organ dieser Parteien ist.

Wir sind entschlossen, meine Herren, das preußische Wahlrecht zu erobern; und wir werden es erobern! Wir nehmen uns hierbei einen alten preußischen Kriegshelden, den Fürsten Blücher, zum Muster; wir sind entschlossen, unser Ziel zu erreichen. Und dieses Ziel werden wir erreichen – unter Umständen mit Hilfe des Reichstags, wenn der Reichstag gewillt sein wird, die Wege zu beschreiten, die wir weisen. Wir haben ein Reichsgesetz nötig, um in Preußen rein parlamentarisch-gesetzlich einen raschen Schritt voranzukommen. Wir werden allerdings auch ohne diese Reichshilfe in Preußen vorankommen. Im Landtage selbst freilich nur nach und nach. Aber unsere Aufklärungs- und Organisationsarbeit, unser Kampf wird unausgesetzt weitergeführt. Der Ansturm der Massen, aller vorwärts strebenden Mächte in Preußen und im Deutschen Reiche wird sich immer weiter verstärken. Und, meine Herren, allen Ihren Drohungen gegen uns in diesem Hause und im Abgeordnetenhause werden wir ein Lachen entgegensetzen; wir werden sagen, was ich im preußischen Abgeordnetenhause bereits gesagt habe: „dor lach ick öwer!“ Die deutsche und die preußische Sozialdemokratie – sie lassen sich nicht ins Bockshorn jagen durch solche blindwütigen Attacken, bei denen die Herren im Grunde genommen, wie ich dem Herrn Abgeordneten Freiherrn von Zedlitz gesagt habe, nur ihre eigenen Köpfe zerschlagen. Die Sozialdemokratie hat sich entschlossen, fertig zu werden mit einer ganzen Welt von Feinden; sie wird auch mit Ihnen fertig werden!

(Lebhaftes Bravo bei den Sozialdemokraten. – Lachen rechts.)

1Muss heißen: 1813

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