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Karl Liebknecht 19130418 Die Internationale des Rüstungskapitals

Karl Liebknecht: Die Internationale des Rüstungskapitals

Reden im Deutschen Reichstag in der zweiten und dritten Lesung des Reichsheeresetats

[Nach Verhandlungen des Reichstags, XIII. Legislaturperiode, I. Session, Bd. 289, Berlin 1913, S. 4910-4913, 4923-4926, 4929, 5187-5192, 5195 f. und nach Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften, Band 6, S. 258-296]

I

18. April 1913

Der Feind im eigenen Land

Meine Herren, ein paar einleitende Bemerkungen! Diejenigen, die sich vielleicht für die schönen Verse interessieren, die gestern oder vorgestern einer der Abgeordneten in diesem Hause verlesen hat und die angeblich zur Kennzeichnung der sozialdemokratischen Jugendpflege dienen sollen, möchte ich aufmerksam machen auf den stenographischen Bericht des Abgeordnetenhauses vom 11. April 1913, wo die Märchen, die man uns erzählt hat, bereits als Märchen gekennzeichnet worden sind. im Übrigen ist es wohl nicht erforderlich, auf durchaus haltlose Unterstellungen, die sich auf Reichsverbandsflugblätter aufbauen, einzugehen.

(Zuruf rechts: „Keineswegs!")

Meine Herren, in der Duellfrage hat der Herr Abgeordnete Erzberger einen Gegensatz zwischen meinem Freunde Ledebour und mir konstruieren wollen. Ein solcher Gegensatz besteht nicht. Wir haben uns gegen den auf eine Verschärfung des Strafgesetzes hinauslaufenden Antrag der Zentrumsfraktion um deswillen erklärt, einmal, weil in diesem Antrag der Kautschukbegriff der „schweren Beleidigung" vorkommt, sodann, weil er eine fixierte Strafe fordert und wir prinzipielle Gegner fixierter Strafen sind, und schließlich, weil durch seine Formulierung implizite die strafrechtliche Exemtion, die Privilegierung des Duells gebilligt, aufrechterhalten wird.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Wir wünschen eine gemeinrechtliche Regelung der Duellfrage in dem Sinne, dass das Duell einfach wie jede andere Schlägerei, oder die Duelltötung wie jede andere gemeine Tötung behandelt wird. Wir haben das durch unseren Antrag zum Ausdruck zu bringen gesucht. Inwieweit unser Antrag, der schlechthin die Streichung eines Abschnitts des Strafgesetzbuchs fordert, etwa weiterer Ergänzungen bedarf, damit keine Lücken entstehen, das wird eine Sorge der Kommissionsverhandlungen sein, an denen wir uns natürlich beteiligen werden.

Meine Herren, dieses vorausgeschickt, komme ich zu meinem eigentlichen Thema! In einer Zeit, in der in der „Kreuz-Zeitung" ein Regierungsrat schreiben konnte: „Herr, gib uns wieder Krieg!", in der die „Konservative Korrespondenz" schreiben konnte: „Ein Krieg käme uns gerade recht!", in der Herr von der Goltz sagen konnte: „Wenn es doch endlich einmal losginge!", in einer Zeit, die den gefährlichen Gedanken des Präventivkrieges durch die fortgesetzten Rüstungen geradezu provoziert, in einer Zeit, in der Herr General von der Goltz in Potsdam bei einer Yorck-Feier öffentlich erklärt hat: „Wir brauchen keine Tugendbolde!" – meine Herren, in einer solchen Zeit ist es außerordentlich interessant, ein Gebiet zu beleuchten, das bisher noch kaum jemals recht beleuchtet worden ist, und damit bloßzulegen eine der Wurzeln der Kriegsgefahren, die den europäischen Völkern und speziell auch dem deutschen Volk drohen. Ich will mich beschäftigen mit den Praktiken und Schleichwegen unserer Militärlieferanten.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Wir haben allerdings mit den Militärlieferanten schon öfter zu tun gehabt. Es ist bekannt, dass das Deutsche Reich von einer der größten Militärlieferungsfirmen in Bezug auf die Panzerplatten systematisch geprellt wurde; es ist bekannt, dass ein heftiger Kampf, der dereinst zwischen zwei großen rheinischen Firmen tobte, schließlich beigelegt worden ist, indem die beiden sich in die Beute teilten. Der „Vorwärts" war am vergangenen Montag in der Lage, zur Illustration dieses gemeinsamen Wirkens der Kriegsinteressen zum Nutzen des deutschen Volks – sie betrachten dabei natürlich sich allein als das deutsche Volk – einige Aktenstücke zu veröffentlichen, die ergeben, dass es in Deutschland einen Marineverständigungskonzern gibt

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

zwischen den verschiedenen Marinelieferanten, die sich gegenseitig in einer scharfen Kontrolle halten und sich gegenseitig gewissermaßen den Profit garantieren. Es sind Formulare – die Meldezettel, die in dem Geschäftsverkehr dieser sauberen Gesellschaft in Anwendung sind – im „Vorwärts" abgedruckt worden. Der dokumentarische Beweis dafür, dass man hier einen Vampir am Leibe des deutschen Volkes sitzen hat, ist im „Vorwärts" erbracht.

Meine Herren, das ist die eine Seite der Sache. Nun zum Patriotismus. Die Vaterlandslosigkeit des Kapitals ist für die Sozialdemokratie eine altbekannte Tatsache.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Wir haben niemals daran gezweifelt, dass das Kapital vaterlandslos ist, und zwar um so vaterlandsloser, je patriotischer es sich gebärdet.

(Zurufe von den Sozialdemokraten.)

Beweise dafür bedarf es nicht. Es hängt im allgemeinen ja mit der internationalen Personalunion des Kapitals zusammen. Es hängt auch mit der absoluten Skrupellosigkeit des Profitbedürfnisses des Kapitals zusammen, das die Profite nimmt, wo es sie bekommen kann.

Ich habe über diese Vaterlandslosigkeit der Rüstungsindustrie ja vielleicht nicht zu viel Neues zu sagen, denn das schlimmste an dieser Vaterlandslosigkeit, diesem vollkommenen Apatriotismus, ist ja doch die Tatsache, dass diese Rüstungslieferanten ganz systematisch ihre Lieferungen nach dem Auslande geben, überall hin, gleichviel, wo nur am besten bezahlt wird, gleichviel, ob späterhin die Waffen, die dorthin geliefert werden, gegen die deutsche Armee benutzt werden.

Meine Herren, einen besonders interessanten Beleg für diese Vaterlandslosigkeit dieses „patriotischen" Kapitals hatte mein Freund Südekum neulich hier vorgetragen. Aus der Schrift des Herrn Martin hat er über die Verhältnisse auf den Dillinger Werken Tatsachen beigebracht, die bisher, soviel ich weiß, nirgends widerlegt worden sind. Das Dillinger Werk ist im Besitze der Stummschen Erben, das heißt also wohl in erster Linie des Herrn Generalleutnants von Schubert, eines Herrn aus dem preußischen Abgeordnetenhaus. Dieses Werk ist zu einem großen Teil mit französischem Kapital gefüttert, wie jetzt feststeht, und es ist auch insofern sehr stark französiert, als die französische Sprache in den Generalversammlungen dieses Werks sehr viel angewendet wird.

(Zurufe von den Sozialdemokraten.)

Das ist ungemein lehrreich! Man denke: „Der Erbfeind!" Man denke der „großen Gefahr", dass ein Krieg zwischen Deutschland und Frankreich ausbricht – und nun sitzen französische Kapitalisten in dieser deutschen Gesellschaft, werden in alle Geheimnisse der deutschen Rüstungen eingeweiht und sorgen im Verein mit allen Kapitalisten deutscher Nationalität dafür, dass dem deutschen Volke und dem Deutschen Reich recht viel Geld für die Rüstungen abgenommen wird. Meine Herren, das ist ein Beweis von einer rührenden internationalen Solidarität des Kapitals.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Über alle Schranken der Nationalität hinaus geht diese Solidarität des Kapitals.

Aber nun etwas Weiteres. Vielleicht lässt sich der Herr Kriegsminister einmal die Akten gegen einen gewissen Herrn Schopp geben. Ich kann ihm das Aktenzeichen angeben: Landgericht III, Berlin, B 5, J. 675/10. In diesen Akten wird er allerhand interessantes Material über eine der größten deutschen Waffenfabriken finden, nämlich die Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Es befindet sich unter anderem in diesen Akten in Abschrift ein Brief, der an einen Agenten dieser Gesellschaft nach Paris gerichtet ist

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

nach Paris! – mit dem Geheimzeichen 8236. Dieser Brief lautet folgendermaßen:

Wir drahteten Ihnen soeben: ,Bitten unseren heutigen Brief in Paris abwarten.' Grund dieser Depesche war, dass wir die Aufnahme eines Artikels in einer der gelesensten französischen Zeitungen, möglichst im ,Figaro', durchsetzen möchten, welcher folgendermaßen lautet: ,Die französische Heeresverwaltung hat sich entschlossen, die Neubewaffnung der Armee mit Maschinengewehren erheblich zu beschleunigen und die doppelte Anzahl, als zuerst beabsichtigt, zu bestellen.'"

So soll der Artikel im „Figaro" lauten, in einer der gelesensten französischen Zeitungen – dieser Artikel, inspiriert von den Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Der Brief schließt damit: „Wir bitten Sie, alles aufzubieten, um die Aufnahme eines derartigen Artikels zu erreichen."

Unterzeichnet ist der Brief: „Deutsche Munitions- und Waffenfabrik, von Gontard, Kosegarten."

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Dieser Brief beweist, dass unsere deutschen Rüstungsinteressenten, dass unsere großen deutschen Waffenfabriken, mindestens diese eine – sie ist ja vielleicht, ein weißer Rabe kann ich nicht sagen, ein schwarzer Schimmel in diesem Falle –

(Heiterkeit.)

dass mindestens diese eine Fabrik sich nicht scheut, in französische Zeitungen falsche Nachrichten zu lancieren, die dahin deuten sollen, dass französische Heeresvermehrungen geplant waren. Zu welchem Zweck? Um das Vaterland zu retten? Meine Herren, zu welchem Zweck? Um damit in Deutschland Stimmung machen zu können, damit sie Aufträge bekommt und gut Geld verdienen kann,

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

damit das Geld im Kasten klingen kann.

(Rufe von den Sozialdemokraten: „So wird's gemacht!")

Meine Herren, das ist doch ungemein bedeutsam!

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Ich glaube, ein solcher Beleg für den Patriotismus des deutschen Rüstungskapitals ist bisher noch nicht dagewesen.

Aber wir dürfen doch wohl hoffen, dass die Waffen- und Munitionsfabrik ein schwarzer Schimmel ist? Meine Herren, Hoffen und Harren macht manchen zum Narren. Ich bin leider genötigt, solche Hoffnungen bei Ihnen zu zerstören, indem ich Ihnen ein schlüssiges Beweismaterial dafür vorlege, dass die größte deutsche Waffenfabrik mit Manipulationen arbeitet,

(Zwischenrufe rechts.)

die sich auch nicht einmal mit einer derartigen Art Moral vereinbaren lassen, die sonst vielleicht, wie ich eben aus Zwischenrufen entnehmen zu müssen glaubte, bei gewissen Parteien dieses Hauses noch Beifall finden könnte. Meine Herren, ich bin begierig, ob Sie dem Beifall spenden werden, was ich Ihnen jetzt sagen werde.

Der Vorstand der Gussstahlfabrik Friedrich Krupp, Essen an der Ruhr, unterhielt – darf ich jetzt sagen – in Berlin bis vor wenigen Wochen einen Agenten namens Brandt, einen früheren Feuerwerker, der die Aufgabe hatte, sich an die Kanzleibeamten der Behörden der Armee und der Marine heranzumachen und sie zu bestechen, um auf diese Weise Kenntnis von geheimen Schriftstücken zu erhalten, deren Inhalt die Firma interessiert.

(Lebhafte Rufe: „Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Was sie interessiert, sind besonders Absichten der Behörden in Bewaffnungsfragen, Angaben über Konstruktionen der Behörden sowie der Konkurrenz,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Ergebnisse von Versuchen, namentlich aber die Preise, welche andere Werke fordern oder die ihnen bewilligt werden. Herrn Brandt sind zu diesem Zwecke große Mittel zur Verfügung gestellt.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Die berühmte Firma nutzt ihre Geldmacht systematisch dazu aus, um höhere und niedere preußische Beamte zum Verrat militärischer Geheimnisse zu verleiten.

(Stürmische Rufe bei den Sozialdemokraten: „Hört! Hört!")

Dieser Zustand besteht seit Jahren. In den Geheimschränken eines Herrn von Dewitz in Essen, eines hohen Beamten der Firma Krupp, liegen – oder lagen! – diese Geheimberichte säuberlich aufgestapelt.

Das, was ich Ihnen eben hier gesagt habe, beruht nicht auf einer bloßen Mitteilung, die mir von irgendeiner Seite gemacht worden ist. Ich darf Ihnen sagen, dass ich selbstverständlich von dem, was mir mitgeteilt wurde, dem Herrn Kriegsminister Kenntnis gegeben habe.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Ich bin besonders darauf aufmerksam gemacht worden, dass eine Bekanntgabe dieser Dinge zu einem frühen Zeitpunkt leicht dazu führen könnte, dass die Firma bei ihrer ungeheuren Geldmacht in der Lage sein würde, alle Beweisstücke und auch unbequeme Personen irgendwohin aus der Welt zu schaffen.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Der Herr Kriegsminister hat in dieser Angelegenheit seine volle Schuldigkeit getan. Der Herr Kriegsminister hat eingegriffen, und zwar nicht nur gegen Militärpersonen, sondern auch gegen Zivilpersonen. Gegen sechs oder sieben Personen – ich kann es im Moment nicht sagen, ich will die Namen im Moment nicht preisgeben – schwebt die Voruntersuchung, wenn sie nicht bereits geschlossen ist.

Es ist mit anerkennenswerter Energie eingegriffen worden. Die Betreffenden sind in Untersuchungshaft genommen worden. Hochgestellte Leute! Es ist also kein Vorwurf gegen die Militärverwaltung zu erheben. Die Untersuchung ist im Wesentlichen abgeschlossen und hat bis auf das Tüpfelchen über dem i dasjenige bestätigt, was ich Ihnen hier vorgetragen habe.

(Lebhafte Rufe bei den Sozialdemokraten: „Hört! Hört!")

Der Untersuchungszweck kann nicht mehr gefährdet werden, infolgedessen halte ich es für meine Pflicht und Schuldigkeit, im Interesse des deutschen Volks und im Interesse des europäischen Friedens diese Dinge hier vorzubringen.

(„Bravo!" und Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Denn so liegt doch die Sache – gestatten Sie mir eine kleine Abschweifung –: Wenn wir bei der Waffen- und Munitionsfabrik sehen, dass sie dergleichen Praktiken wie mit dem Brief nach Frankreich, den ich vorgelesen habe, unternimmt, dann wird man ihr doch sicherlich auch zutrauen, dass sie sich nicht scheut, dasjenige zu tun, was die Firma Krupp tut. Und wenn die Firma Krupp dasjenige tut, was wir hier als nachgewiesen bezeichnen können, dann können wir doch sicher sein, dass sie sich nicht genieren wird, auch dasselbe zu tun, was die Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken machen.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Das liegt doch deutlich auf der Hand. Von Unternehmungen, deren Moral und Gewissenhaftigkeit auf diesen – „Nullpunkt" kann man nicht sagen – Minuspunkt gesunken ist, wie das hier, sei es bei der Waffen- und Munitionsfabrik, sei es bei Krupp, erwiesenermaßen der Fall ist, muss man sich auf alles gefasst machen.

(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Jetzt will ich einmal auf Dillingen zurückgreifen. Das ist die Ergänzung. Dillingen heißt: Herr von Schubert. Herr von Schubert ist gleich Stumm. Stumm ist gleich „Post".

(Heiterkeit.)

Das ist wichtig zu wissen.

(Heiterkeit und Zurufe.)

Die Zeitung „Post"! Die Zeitung „Post" ist doch bekannt. Die „Postesel" kennt doch jedermann.

(Heiterkeit.)

Nun, meine Herren, also: Dillingen gleich „Post", das ist wichtig. War es nicht „Die Post", die 1911 jenen Artikel bei der Marokkoaffäre brachte, um die deutsche Regierung zu einer „aktiveren Politik" aufzuputschen?

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

War es nicht „Die Post", die den Artikel schrieb: „Guillaume le timide, le valeureux poltron"?! Das war „Die Post", das bitte ich festzuhalten! Und es war „Die Post", von anderen Dingen vorläufig zu schweigen, die zuerst das Mundstück der, wie soll ich mich ausdrücken, Generalstabsclique war, zu deren Füßen der Herr Kriegsminister heute liegt.

(Große Heiterkeit.)

Meine Herren, war es nicht auch „Die Post", die, als der Friede auf dem Balkan „drohte" – darf man für die Rüstungsinteressenten sagen –, plötzlich entdeckte, es war Ende Februar in einem sehr prononcierten Artikel, dass, nachdem jetzt im Osten der Friede nahe bevorstehe, im Westen ein neues und gefährlicheres Gefahrenzentrum sich entwickle.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Und ist es nicht „Die Post", die aus den Vorgängen von Nancy1 besonders starkes Kapital geschlagen hat, indem sie mit ihrem patriotischen Degen auf ihren patriotischen Schild geschlagen hat, wie es die alten Germanen taten!

Parteigenossen, in der Tat – –

(Andauernde stürmische Heiterkeit und Zurufe.)

Ich habe „Parteigenossen“ gesagt. Ich entnehme aus Ihrem Lachen, wie Sie anerkennen, dass, Sozialdemokraten zu nennen, den Ehrennamen „Parteigenossen“ zu gebrauchen in demselben Atemzuge mit derartigen Leuten auch Ihnen als ein Ding der Unmöglichkeit erscheint. Aber ich will nach diesem lapsus lingue fortfahren: 2die „Post" hat diese Hetzartikel über das „neue und gefährliche Gefahrenzentrum", über die Vorgänge in Nancy, gebracht und hat, wie ich eben schilderte, so heftig mit ihrem patriotischen Schild gerasselt, wie auf irgendeiner Theaterbühne nur gerasselt werden kann. Sie schlug aber – eine solche Täuschung! – in Wahrheit nur auf den Geldbeutel, und das hat so ähnlich geklungen, als ob sich Patriotismus produziere.

Wer will uns den Zusammenhang zwischen diesem Geschrei in dieser Presse über die Vorgänge in Nancy und den Profitinteressen des Rüstungskapitals etwa bestreiten wollen, diesem Geschrei über Vorgänge, wie sie sich auch früher gelegentlich einmal ereignet haben, Vorgänge, die selbstverständlich überall, auch in Frankreich, bedauert worden sind! Diese Vorgänge werden von einer gewissen Presse systematisch ausgenutzt, um den Gegensatz zwischen Deutschland und Frankreich immer weiter zu schärfen, um dadurch den guten Wind künstlich zu schaffen, der auszugehen droht für die Riesenheeresvorlagen und die ungeheuerlichen Gewinne, die die Rüstungsindustriellen machen wollen – die Rüstungsinteressenten – bei Gelegenheit der jetzigen Wehrvorlage.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, das sind Dinge, die klar auf der Hand liegen. Der Fall Nancy und Besançon, und was dazu gehört, ist dieser Presse gerade recht gekommen, als wieder eine friedliche Entwicklung drohte, drohte – nämlich dem Geldbeutel der Herren Rüstungsinteressenten.

Was ich gesagt habe, meine Herren, betrifft „Die Post". Wir kennen aber auch den engen Zusammenhang zwischen anderen Abteilungen des Rüstungskapitals und anderen Zeitungen in Deutschland, die von jeher als die größten Rufer im Streit für eine kriegerische Auseinandersetzung und gegen eine friedliche Lösung der europäischen Schwierigkeiten eingetreten sind. Ich brauche nur die „Rheinisch-Westfälische Zeitung" zu nennen, ein Organ, das an der Stirne den Stempel des Profitwillens der Rüstungsinteressenten trägt. Und was das bedeutet, das habe ich Ihnen an einigen Beispielen klargemacht. Meine Herren, man kann ja Schlussfolgerungen ziehen. Jedermann weiß ja, wie zum Beispiel Kolonialpolitik gemacht wird. Eine der bekanntesten Methoden ist, kolonialpolitisch aufzuputschen durch Geheimagenten und allerlei Spitzel in dem Lande, das man dann kolonialpolitisch erobern möchte. Ich will nicht so weit gehen. Ich denke nicht daran, etwa den Verdacht zu formulieren, dass bei gewissen unliebsamen Vorgängen in Frankreich direkt auch Agenten deutschen Kapitals mitgewirkt haben, ich gehe nicht so weit; ich sage Ihnen nur das eine: Man darf keinen Zweifel daran lassen, die Skrupellosigkeit der Ausnutzung dieser Vorgänge gibt uns das Recht dazu. Wir trauen diesen Oberpatrioten, diesen Oberpatriotarden, darf man wohl sagen, alles zu, auch dieses.

Meine Herren, erwägen Sie nur das eine: Das sind dieselben Kreise, die die Zwietracht der Völker zu Gold münzen.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Ob sie in Deutschland oder in Frankreich sind, sie haben die gleichen Interessen. Die Steigerung der Rüstungen in Frankreich wirkt nicht so auf die deutschen Konkurrenten, wie die Steigerung einer anderen Konkurrenzindustrie sonst zu wirken pflegt; diese „Konkurrenten" arbeiten Hand in Hand. Unsere Krupp, Stumm und Genossen, Waffen- und Munitionsfabriken können nichts Besseres wünschen, als dass in Frankreich tüchtig gerüstet wird, weil auch sie dann tüchtig Arbeit bekommen und viel Geld verdienen. Das sind dieselben Leute, für die Zwietracht zwischen den Völkern säen und schüren, gleichviel aus welchem Grunde, Geld verdienen heißt. Das sind dieselben Leute, deren Profit völlig unbeeinflusst ist von dem Anlass eines Zwistes zwischen den Völkern und seinem Erfolge, bei denen die Höhe des Profits schlechthin proportional ist dem Grade der Zwietracht, des Hasses zwischen den verschiedenen Völkern.

Meine Herren, das ist das Wesentliche, um die Psychologie dieser Art des Kapitals zu verstehen, und das ist notwendig, um zu verstehen, wie dieses Kapital hetzerisch arbeiten kann in Frankreich und in Deutschland, gleichviel, ob es in Frankreich oder in Deutschland angewandt wird. Stets werden ihre gemeinsamen Interessen dabei gefördert, unter allen Umständen wird Profit gemacht.

Ich bin sicher, dass die französischen Firmen, etwa Schneider-Creusot, nicht anständiger sind als die deutschen Firmen, und es ist durchaus wahrscheinlich, dass die französische Hetzpresse, die der unsrigen in der Tat keineswegs an Gefährlichkeit überlegen ist, von diesen Rüstungsinteressenten ebenso abhängig ist wie unsere schlimmste Hetzpresse in Deutschland.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, all diese Tatsachen, diese Erwägungen werden festzuhalten sein für die weiteren wichtigen Verhandlungen, die wir in diesem Hause zu führen haben.

Meine Herren, die Reichsregierung steht bisher mit diesen Unternehmungen in Beziehung. Sie war allerdings wohl bisher nicht über diese Dinge unterrichtet, sie war sicherlich – darf ich wohl sagen – nicht unterrichtet. Aber der Herr Kriegsminister hat uns gesagt, dass die Zeitungen im Kriegsministerium genau gelesen werden. Trifft das zu, so hätte der Brief der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken dem Kriegsminister, wenn er seine Schuldigkeit getan hat, nicht entgehen können; denn er ist bereits im „Vorwärts" veröffentlicht und unbegreiflicherweise damals übersehen worden. Ich erwarte darüber Aufklärung.

Meine Herren, die Militärverwaltung hat nicht nur bisher diesen Privatindustriellen die fetten Aufträge gegeben, die die Riesenprofite für diese Millioneninstitute ermöglichen, sondern sie ist, wie ich im vergangenen Jahre feststellen konnte, sogar so weit gegangen, die staatlichen Anstalten, die staatlichen Waffenfabriken, in ihrer Tätigkeit einzuschränken, damit gewisse Aufträge der Privatindustrie gegeben werden konnten, weil deren Unterhaltung im Interesse der Kriegsverwaltung für erforderlich angesehen wird. Das ist eine echte staatliche Subvention, um die der Reichstag nicht gefragt ist.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Ich habe das damals vorgebracht, habe aber daraus einen direkten Vorwurf gegen den Herrn Kriegsminister nicht hergeleitet, weil die Zwangslage, solange diese Industrie zu einem großen Teile privat ist, in der Tat in einem gewissen Umfange besteht. Ich will diese Frage hier nicht weiter verfolgen; aber das eine liegt auf der Hand: Mit diesem System muss ein Ende gemacht werden!

(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Es ist eine zwingende Notwendigkeit, dass die Hände des Deutschen Reichs – wenn ich mich einmal bildlich ausdrücken darf – rein bleiben. Es ist erforderlich, dass die Regierung mit Firmen, denen derartige Praktiken nachgewiesen sind, keinerlei Beziehungen mehr hält.

(Erneute Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Der Herr Kriegsminister hat vor zwei Tagen, wenn ich nicht irre, in der Budgetkommission, als ich ihn wegen ein paar armen Schachern der Unredlichkeit unter den Militärlieferanten interpellierte, die er natürlich preisgegeben hat – in dieser Richtung kann ich ihm nicht den geringsten Vorwurf machen –, erklärt, dass es seit langem Praxis der Militärverwaltung sei und strikte durchgeführt werde, dass die Militärverwaltung jede Verbindung mit einer Firma ablehne, der auch nur ein einziges Mal derartige Praktiken nachgewiesen worden seien. Meine Herren, daraus ergibt sich, dass die Firma Krupp und die Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken zum mindesten – wer weiß, wer sonst vielleicht noch? – keinerlei Aufträge aus der künftigen Wehrvorlage haben dürfen. Das ist die Pflicht des Deutschen Reichstags, wenn er auf Reinlichkeit hält, dafür zu sorgen, und das ist die Pflicht der deutschen Militärverwaltung, wenn sie auf Reinlichkeit hält.

(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, aber nicht nur aus Gründen der pekuniären Anständigkeit und Reinlichkeit drängen wir auf eine grundstürzende Änderung des Systems. Die Verstaatlichung der gesamten Rüstungsindustrie muss auch um deswillen in aller Eile durchgeführt werden, koste es, was es wolle, weil es nur damit möglich ist, eine Interessentenklasse auszumerzen, deren Existenz eine ständige Kriegsgefahr für die ganze Welt bedeutet, und damit eine Wurzel des Rüstungswahnsinns und eine Wurzel des Völkerzwistes zu vernichten.

(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)

II.

19. April 1913

Neue Heeresvorlagen – Gefahr für den Frieden in Europa

Meine Herren, der Herr Kriegsminister hat mir gestern zunächst mit einem nationalökonomischen Galimathias geantwortet, auf den näher einzugehen ich keine Veranlassung habe. Er hat dann gemeint, es seien Geheimnisse irgendwelcher Art in dem hier fraglichen Falle Krupp nicht verraten worden. Meine Herren, es sind Geheimnisse verraten worden.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Das müsste dem Herrn Kriegsminister bekannt sein.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Auch müsste er wissen und unterscheiden, ob es sich handelt um den Verrat militärischer Geheimnisse an einen fremden Staat oder um den Verrat militärischer Geheimnisse an eine Privatperson.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Verrat letzterer Art ist unzweifelhaft geschehen auf Anstiftung, auf Bestechung durch Kruppsche Angestellte. Meine Herren, das ist bereits nachgewiesen. Die Firma Krupp hat eine große Anzahl von Geheimberichten über allerhand Dinge, die sich zum Teil nur auf die Konkurrenz beziehen, zum Teil aber auch auf Konstruktionen

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

neue Konstruktionen, die die Militärverwaltung und die Konkurrenz einführen wollen –, eine große Zahl solcher Geheimberichte in ihren Geheimfächern in Essen gehabt.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Diese Geheimberichte sind zu einem großen Teil auch beschlagnahmt worden.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, ich habe eine Anzahl von Abschriften dieser Geheimberichte in meinen Händen. Ich will sie dem Hause in diesem Stadium nicht zur Verfügung stellen. Ich habe dem Herrn Kriegsminister das höchste Maß von Loyalität bewiesen, indem ich ihm von diesen mir zugegangenen Papieren einige in der Form, in der sie mir zugegangen sind, überantwortet habe.

Meine Herren, es sind keine Geheimnisse, die verraten worden sind – sagt der Herr Kriegsminister. Die ganze Angelegenheit ist aber von der Firma Krupp als das Geheimste, Intimste behandelt worden.

(Lebhafte Rufe: „Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Von der Firma Krupp sind die Geheimberichte einer ganz besonderen Person überantwortet worden, die die besondere Aufgabe hatte, sie als Geheimnisse geheim zu bewahren.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Der Herr Kriegsminister sagt, es sei nicht erwiesen, dass höhere Kruppsche Beamte mit bei der Angelegenheit tätig seien. Meine Herren, wir sind daran gewöhnt, dass die Methode befolgt wird, die Kleinen preiszugeben, die kleinen Diebe zu hängen und die großen laufen zu lassen – eine sehr ritterliche Methode! Gehört aber etwa der Herr von Dewitz in Essen zu den Kleinen der Firma Krupp?

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Der ist der Verwahrer dieser ganzen Dinge gewesen; in seinem Schrank sind vom Berliner Untersuchungsrichter die Geheimberichte beschlagnahmt worden.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Aber es sind die Kleinen, auf die man alles abwälzen möchte, damit die Firma Krupp rein dastehe, damit man ihr weiterhin Aufträge von Reichs wegen zuwenden kann, damit die Ehre des Deutschen Reichs, die mit der Ehre der Firma Krupp merkwürdig versippt zu sein scheint („Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.), gerettet werde!

Meine Herren, ich habe selbstverständlich vom Herrn Kriegsminister keinen Dank erwartet. Aber dass der Herr Kriegsminister in seinen Ausführungen glaubte, der Firma Krupp noch Dank abstatten zu müssen für ihre großen patriotischen Leistungen, das mutete doch ein wenig eigenartig an.

(Zustimmung und lebhafte Zurufe bei den Sozialdemokraten. – Unruhe.)

Vielleicht ist der Herr Kriegsminister, der ja jetzt gar oft an patriotischen Zentenarfeiern teilzunehmen hat, dabei durch die Gewohnheit hingerissen worden. Ohne Krupp kann man ja alle die patriotischen Ruhmeslieder auf Deutschland gar nicht singen, wie sie in den Kriegervereinen, im Jungdeutschlandbund, in allen Militärvereinen usw. gesungen werden. Wenn Krupps Ruhm zusammenstürzt, dann hat unser deutscher Patentpatriotismus einen schweren Schlag erlitten.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Man braucht nur zu betrachten, wie sich die Presse heute zum Teil stellt. Die „Deutsche Tageszeitung" registriert die gestrigen Vorgänge mit der Bemerkung: „Eine schwere Beleidigung" – ich weiß nicht, vielleicht sogar: eine Verleumdung – „der Firma Krupp."

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Das ist die Art, wie –

(Abgeordneter Dr. Oertel erhebt sich von seinem Platze. – Große anhaltende Heiterkeit.)

Lassen Sie es sich nur einmal geben!

(Abgeordneter Dr. Oertel: „Das steht nicht darin!")

Ich werde es Ihnen gleich zeigen. (Zurufe. Glocke des Präsidenten.)

Vizepräsident Dr. Paasche: Ich bitte, Herr Abgeordneter, nicht Privatgespräche zu führen!

Liebknecht: Meine Herren, die „Tägliche Rundschau" reagiert zum Beispiel in einer höchst verwerflichen Weise auf die gestrigen Vorgänge, indem sie dasjenige, was ich hier vorgebracht habe, in einem Entrefilet in einer geradezu schnodderigen Weise verhöhnt, während sie die Kruppschen Entschuldigungsmeldungen breit und auffällig wiedergibt. Das ist auch so ein Organ, das sich nicht genug tun kann in patriotischem Geschrei, ein Organ, von dem man so sicher, wie zweimal zwei vier ist, sagen kann, dass, auch ohne dass es vielleicht die Betreffenden wissen, die geheimen Kanäle jener Rüstungsinteressenten hinein leiten.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, der Herr Kriegsminister hat die Frage aufgeworfen, wie viel wir doch der Firma Krupp in Deutschland verdanken. Ich werfe die Gegenfrage auf; Was verdankt die Firma Krupp dem deutschen Volke?!

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Der Herr Kriegsminister hätte sich doch einmal die Frage vorlegen sollen, ob die Leistungen der Firma Krupp nicht recht gut bezahlt worden sind,

(Lebhaftes „Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

und ob die Hunderte von Millionen, die jetzt in den Händen dieser Firma sind, nicht aus den Taschen der Ärmsten der Armen des deutschen Volks entnommen worden sind.

(Lebhaftes „Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten. – Unruhe rechts.)

Die Firma Krupp sollte dem deutschen Volke danken, dass es diese Firma so hat blühen, wachsen und gedeihen lassen, wenn auch zu einem großen Teil recht widerwillig.

Die Firma Krupp als patriotische Firma! Ist Ihnen vielleicht erinnerlich, Herr Kriegsminister, dass am 29. April 1868 Herr Friedrich Krupp, Gussstahlfabrikant zu Essen im Kreise Duisburg, an einen gewissen Napoleon III. von Frankreich einen Brief gerichtet hat, der in den bekannten „Briefen deutscher Bettelpatrioten" abgedruckt ist,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

in dem es heißt:

Ermutigt durch das Interesse, welches Eure erhabene Majestät für einen einfachen Industriellen und die glücklichen Ergebnisse seiner Bemühungen und seiner unerhörten Opfer bewiesen haben, wage ich von neuem, mich Allerhöchstderselben mit der Bitte zu nahen, geruhen zu wollen, beifolgenden Atlas anzunehmen."

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Er enthält eine Sammlung von Zeichnungen verschiedener in meinen Werkstätten eingeführter Gegenstände."

(Lebhaftes „Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Ich gebe mich der Hoffnung hin, dass besonders die vier letzten Seiten, welche die Gussstahlkanonen darstellen",

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

die ich für verschiedene hohe Regierungen Europas angefertigt habe, einen Augenblick die Aufmerksamkeit Eurer Majestät auf sich lenken dürften und meine Kühnheit entschuldigen werden.

.Mit dem tiefsten Respekt, mit der größten Bewunderung"

man könnte hinzufügen: und mit der Hoffnung auf recht zahlreiche Bestellungen –

(„Sehr gut!" und Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)

bin ich Eurer Majestät untertänigster und ergebenster Diener."

(Heiterkeit und Zurufe bei den Sozialdemokraten.)

Und damit Sie auch wissen, meine Herren, unter wessen Segen die Firma Krupp sich so glänzend entwickelt hat, will ich Ihnen die Antwort Napoleons III. verlesen. Sie lautet:

Der Kaiser hat mit vielem Interesse den Atlas empfangen, und Seine Majestät haben den Befehl gegeben, Ihnen für diese Mitteilung zu danken und Ihnen zu wissen zu tun, dass Seine Majestät lebhaft den Erfolg und die Ausdehnung einer Industrie wünschen, welche die Bestimmung hat, der Menschheit beträchtliche Dienste zu erweisen."

(Zurufe und Lachen bei den Sozialdemokraten.)

Es ist nur noch notwendig, dass in das Kruppsche Wappen ein Heiligenschein aufgenommen wird, in den der Name Napoleon III. einzuschreiben wäre.

(Heiterkeit und „Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, der Herr Kriegsminister hat nicht nur der Firma Krupp den besonderen patriotischen Dank auszusprechen sich für verpflichtet gehalten, sondern er ist sogar so weit gegangen, mir einen kleinen Vorwurf zu machen, dass ich die Sache vorgebracht habe; es würde das nicht dienlich sein für die Untersuchung, meinte er. Meine Herren, wenn etwas bewiesen hat, dass es notwendig war, die Sache jetzt vorzubringen, dann ist es die Art, wie der Herr Kriegsminister mir gestern geantwortet hat,

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

und die Tatsache, dass der Herr Kriegsminister gestern zugegeben hat, dass ihm jener unerhörte Brief der Deutschen Munitions- und Waffenfabriken bereits seit zwei Jahren bekannt war und dass er dennoch gegen diese Firma nichts unternommen hat,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

obwohl dieser Brief doch in der Tat ein mindestens sehr starkes Stück auch für die stärksten Nerven der stärksten Geschäftspatrioten darstellt.

Wie nötig es war, dieses Material hier vorzubringen, beweist aber weiter eine andere Tatsache: Die Untersuchung, die in der Hauptsache abgeschlossen ist, ist nunmehr auch gekehrt worden gegen denjenigen, gegen den man den Verdacht hat, dass er mir die Mitteilungen gemacht hat.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, das ist eine altbewährte Methode in Preußen:

(Zurufe von den Sozialdemokraten.)

Wenn ein Missstand aufgedeckt wird, dann wird vor allem auch eingeschritten gegen den, der ihn aufgedeckt hat.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Nachdem ich als Zeuge vernommen worden bin in einem Verfahren, das dienen soll der Ermittlung, der Feststellung, ob irgendeine Person als Überlieferer dieses Materials in Frage kommen kann, sehe ich mich allerdings verpflichtet, auch meinerseits mit aller Rücksichtslosigkeit vorzugehen. im Übrigen muss ich darauf hinweisen: Der Untersuchungszweck kann nicht mehr gefährdet werden, denn alles Material ist bereits in den Händen der Richter,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

alles ist beschlagnahmt; es kann sich jetzt nur noch darum handeln, die rechtliche Qualifikation für die Handlungen zu finden; das Tatsächliche liegt bereits fest in den Akten.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Aber etwa mit diesen Mitteilungen so lange zu warten, bis die Heeresvorlage unter Dach und Fach sein würde, das konnte mir natürlich nicht beikommen,

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

um so weniger, als ich und alle meine Freunde und jeder Einsichtige vielleicht nach diesen Enthüllungen noch mehr als bisher wissen, dass es in der Tat gegenwärtig keine größere Gefahr für den europäischen Frieden gibt – das muss immer wiederholt werden – als die französische und die deutsche Heeresvorlage. Und die deutsche Heeresvorlage ist unzweifelhaft genau wie die französische Heeresvorlage zu einem sehr wesentlichen Teil das Produkt der „patriotischen" Wühlarbeit jener Sorte verächtlicher Geschäftspatrioten, von denen ich gesprochen habe.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, das Gemeinwohl hat mein Vorgehen gefordert, hat mir zur Pflicht gemacht, die gemeingefährlichen Praktiken der Rüstungsinteressenten aufzudecken!

Ich habe gestern gesprochen von den Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken, von den Dillinger Werken, von Krupp. Der Herr Kriegsminister hat Krupp halb oder dreiviertel in Schutz genommen und noch dazu verherrlicht; er hat in Bezug auf die Waffen- und Munitionsfabrik zugegeben, dass er nichts getan hat, und auch nicht gesagt, dass er etwas zu tun gedenke,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

und über Dillingen hat er gänzlich geschwiegen. Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich daraus die Schlussfolgerung herleite, dass die erforderliche Energie zum Eingreifen beim Herrn Kriegsminister noch nicht vorhanden ist, dass er denjenigen Standpunkt, über den meiner Ansicht nach gar nicht diskutiert werden kann, weder in einer Verwaltung, die auf Reinlichkeit hält, noch in einem Parlament, das auf Reinlichkeit hält, bisher noch nicht mit der wünschenswerten Sicherheit eingenommen hat.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Dabei ist die Sache von einer viel größeren Bedeutung, als nur durch den Namen Krupp angedeutet wird, oder durch die Namen Krupp, Waffen- und Munitionsfabrik, Dillingen. Ich habe zu Beginn meiner gestrigen Ausführungen auf den Panzerplattenkonzern hingewiesen. Es ist Ihnen bekannt – das pfeifen ja die Spatzen von den Dächern; hier sitzen ja viele Herren, die über diese Dinge besser Bescheid wissen als wir –,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

dass die Rüstungsinteressenten untereinander allgemein kartelliert sind. Es ist weiterhin bekannt, dass Krupp der führende Name, die führende Macht in der Rüstungsindustrie ist. Wenn nun dasjenige, was ich hier vorgetragen habe, bei der Firma Krupp, der angesehensten aller dieser Fabriken, vorkommt und nicht mehr bestritten werden kann, was für ein Licht wirft das dann auf die gesamte deutsche Rüstungsindustrie? Wessen haben wir uns zu versehen bei den übrigen Unternehmungen, die auf demselben Gebiete liegen? Die allergrößte Vorsicht ist geboten, das allergrenzenloseste Misstrauen.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Der Kriegsminister müsste eine allgemeine Enquete einleiten, die in der rücksichtslosesten Weise allen Firmen gegenüber durchgeführt würde.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Denn wenn das bei Krupp und bei den Waffen- und Munitionsfabriken passiert ist, dann garantiert uns niemand dafür, dann spricht vielmehr eine gewisse Wahrscheinlichkeit, möchte ich fast sagen, dafür, dass die anderen Firmen in ihren Geschäftspraktiken nicht wesentlich anders, anständiger als diese beiden großen Firmen sein werden.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Ich habe von dem Herrn Kriegsminister vermisst, dass er diese allgemeine Konsequenz gezogen hat. Dass der Konzern der Rüstungsinteressenten nicht nur ein deutscher Konzern, sondern ein internationaler ist, darauf weist ja bereits der Vorgang Dillingen hin. Ich darf auch darauf hinweisen, dass die Firma Krupp mit ihrer vollen Firma, vollkommen unverschleiert, in Österreich-Ungarn an einem größeren Konzern teilnimmt, also über die Grenzen Deutschlands hinaus.

Dass es sich um eine Sache von prinzipalster Bedeutung für das Wohl des Vaterlandes handelt, das dürfte doch wohl außer Zweifel stehen.

Was habe ich nachgewiesen? Ich habe dargetan, dass die Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken in der ausländischen Presse falsche Nachrichten verbreiten, um auf diese Weise in Deutschland Stimmung für eine neue Heeresvorlage zu machen. Ich habe nachgewiesen, dass die Firma Krupp in Essen mit Bestechung, mit dem Mittel des Verrats militärischer Geheimnisse arbeitet, dass sie damit bereits seit Jahren arbeitet, und zwar mindestens unter Kenntnis und auf Betreiben sehr hoher Angestellter dieser Firma. Das sind Dinge von allergrößter Bedeutung, die dazu führen müssen, dass die Stellung des Reichstages zu der Frage unserer Rüstungen und der Art, wie die erforderlichen Materialien aufgebracht werden, sich gegenüber der Vergangenheit wesentlich verändert.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Die Bestechlichkeit – darauf möchte ich hinweisen – der unteren oder oberen Beamten der Militärverwaltung fördern, wie es die Firma Krupp getan hat, das ist wahrlich keine Kleinigkeit. Das heißt diese Beamtenschaft korrumpieren,

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

das heißt diese Beamten doppelt zugänglich machen etwaigen Bestechungen auch aus dem Auslande.

(Erneute Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Das ist wohl kaum eine „hochherzige Betätigung patriotischer Gesinnung", für die ein solcher Dank hätte abgestattet werden müssen, wie ihn gestern der Herr Kriegsminister abgestattet hat.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

Diese Leute, wie sie in der Firma Krupp, wie sie in der Waffen- und Munitionsfabrik, wie sie in dem Werke Dillingen das große Wort führen und diese Geschäftspraktiken ausüben, das sind dieselben Leute, denen der größte Teil der jetzt neu geforderten Milliarden aus den Taschen des Volkes gezahlt werden soll, das sind dieselben Leute, in deren Taschen jährlich ungezählte Millionen geflossen sind, das sind dieselben Leute, die gleichzeitig den Hauptprofit aus unserer heutigen Militärverfassung, aus den heutigen kapitalistischen Zuständen ziehen,

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

und die als die schlimmsten Scharfmacher die Massen der Bevölkerung gewalttätig niederhalten, das sind die Rufer zum Streit in der Unterdrückung der Bevölkerung, die Hauptschreier nach Zuchthaus- und Ausnahmegesetzen.

(Wiederholte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Das sind dieselben Leute, die der Sozialdemokratie den Vorwurf der Vaterlandslosigkeit zu machen sich erdreisten. Diese Musterpatrioten dürften gerichtet sein mit ihrem Gebaren, das an Hoch- und Landesverrat mindestens grenzt.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, ich habe, indem ich mein Material hier vorgebracht habe, meine Schuldigkeit getan; der Herr Kriegsminister wird seine Schuldigkeit zu einem großen Teil noch zu tun haben.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Es darf nichts verschleiert und nichts vertuscht werden. Es handelt sich hier um ein „Panama", schlimmer als „Panama"3.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Wir wollen abwarten, ob die Regierung die nötige Energie finden wird, um auch der allmächtigen Firma Krupp gegenüber und dieser ganz allmächtigen Kapitalsclique gegenüber mit der nötigen Wirkung einzugreifen, und wir wollen abwarten, ob auch die Mehrheit dieses Reichstages die erforderlichen Schlussfolgerungen ziehen wird, die im Interesse des deutschen Volkes, im Interesse des europäischen Friedens gezogen werden müssen.

(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)

III

19. April 1913

Meine Herren, Dr. Oertel hat darauf hingewiesen, dass der Inhalt der Notiz der „Deutschen Tageszeitung" allerdings eine scharfe Verurteilung der Kruppschen Firma, beziehungsweise der behaupteten Vorgänge enthält. Das ist – wie ich mich überzeugt habe – richtig. Ich kann insoweit meine Vorwürfe zurücknehmen. Aber ich betone, dass die Art der Etikettierung dieses Artikels, die ja so stark in die Augen fällt, zweifelsohne in hohem Maße zur Irreführung geeignet ist.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.

Man sieht sich heute sehr leicht einmal genötigt, einen Artikel nicht in aller Ausführlichkeit durchzulesen, sondern ist oftmals auf Stichworte angewiesen, und wenn solche Stichworte dann irreführend sind, dann ist schließlich die Zeitung verantwortlich für die Missverständnisse, die daraus entstehen.

Der Herr Abgeordnete Braband und auch ein anderer der Herren haben mir zum Vorwurf gemacht, dass ich mich nicht begnügt hätte, einzelne Tatsachen anzuführen, sondern dass ich auch Schlussfolgerungen daraus gezogen hätte. Nun, meine Herren, das ist meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit gewesen.

(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Diese Vorgänge sind symptomatisch, das ist das Wesentliche daran;

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

und weil sie symptomatisch sind, sind sie so ungeheuer gefährlich, und deshalb ist es so ungemein wichtig, dass hier mit eisernem Besen ausgefegt wird. Wir erwarten, dass das geschehen wird.

(„Bravo!" bei den Sozialdemokraten.)

IV

26. April 1913

Rüstungskapital international versippt und konzerniert"

Mit Rücksicht auf meine neulichen Ausführungen in diesem hohen Hause sind von gewissen Seiten gegen mich die heftigsten Angriffe gerichtet worden. Wenn die guten Leute nur wüssten, wie gleichgültig mir alle ihre Beschimpfungen sind, so würden sie sich vielleicht die Mühe gespart haben, sie zu Papier zu bringen. Ich quittiere über all diese Angriffe nur mit Behagen als über das Wehgeschrei der Getroffenen, welches beweist, dass der Hieb gesessen hat.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Um einen homerischen Vergleich zu ziehen: Meine Worte haben gewirkt wie ein Schuss in eine Schar schmausender Krähen, die nun mit misstönendem Gekrächz auseinander stieben

Noch nicht einmal das Schlimmste an diesen Vorwürfen war, dass ich ein Agent des Auslandes sei. Es ist nur nötig, das niedriger zu hängen; eines Kommentars bedarf es nicht.

Auch die Firma Krupp hat sich der Mühe unterzogen, sich zu verteidigen. Sie hat es nötig. Was in der Presse gesagt worden ist, insbesondere von Herrn Hugenberg, ist ebenso wortreich wie nichtssagend. Was hat man da alles angeführt! Man sagt, die Summen, die angeblich – mit der Wahrheit wird man natürlich in diesem Moment nicht herausrücken – zu Bestechungen verwendet seien, seien lächerlich gering; infolgedessen könnten höhere Beamte nicht in Frage kommen und es könne sich bloß um Übergriffe unterer Angestellter handeln. Ich will mich auf das Tatsächliche nicht einlassen und nur auf die Praktiken unserer Geheimpolizei hinweisen. Der einzelne Spitzel in Preußen wird auch nicht glänzend bezahlt, und doch figuriert im preußischen Etat unter der Verantwortung des Ministers ein recht erheblicher Betrag als Geheimfonds für Polizeispitzeleien.

Herr Hugenberg hat gesagt, wenn man schon seiner Ehrlichkeit nicht traue, dann solle man doch wenigstens seiner Klugheit trauen. Das ist eine Bemerkung, die man häufig genug von Angeklagten auf der Anklagebank hört und die gewöhnlich bald hinter dem berühmten großen Unbekannten kommt. Tatsache ist, dass ich den Herren allerdings zutraue, dass sie nicht so dumm sind, sich allzu leicht erwischen zu lassen, und in diesem Sinne werden nun ja wahrscheinlich die Maßregeln getroffen sein. Meine Herren, wenn man wirklich nicht in jedem einzelnen Falle dokumentarisch sollte nachweisen können, dass die Spitze der Werksverwaltung die bewusste Schuld, die bewusste Verantwortlichkeit für die Taten der Untergebenen trifft, so würde das die Firma Krupp wiederum gemeinsam haben mit der preußischen Geheimpolizei und auch, wie ich wohl sagen darf, mit der militärischen Spionage. Die wird auch so eingerichtet, dass man schließlich die Spitze nicht finden, nicht unmittelbar verantwortlich machen kann. Schon Bismarck hat ja die Taktik verfolgt, die Wege zu verwischen, die die verantwortliche Stelle mit dem ausführenden Organ verbinden. Aber es ist in diesem Falle trotz alledem möglich gewesen, diese Wege aufzudecken. Natürlich begegnen Untersuchungen solcher Art auch dann großen Schwierigkeiten, weil die erwischten Angestellten, wenn ihnen ein Betriebsunfall passiert, ganz genau wissen, dass ihnen für die Zukunft ein gutes Schweigegeld sicher ist, wenn sie nur alles auf sich nehmen und die weiteren Verbindungen nicht verraten.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Ich will diesen Gesichtspunkt nicht weiter ausspinnen. Es soll in Deutschland gar mancher sitzen, der von Schweigegeld lebt.

Meine Herren, der Herr Dr. Hugenberg muss ein sehr böses Gewissen haben; denn er hat bereits prophezeit, dass noch eine Stinkbombe fliegen wird, er muss also wissen, dass noch manches stinkt,

(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)

um das schöne Wort aufzugreifen –, nämlich in der Firma Krupp.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Denn ich kann doch wohl das eine als übereinstimmende Meinung des Reichstags feststellen, dass, wenn die Bombe – um das geschmackvolle Wort zu gebrauchen –, die ich neulich geschleudert haben soll, üblen Duft verbreitet hat, dies nicht von der Bombe hergerührt hat, sondern von dem Unrat, in den die Bombe hinein geflogen ist.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, die Äußerungen der Firma Krupp beweisen deutlich, dass der selige Riccaut de la Marlinière4 überholt ist. In der Tat, das Wort: „Deutsch Sprak, arm Sprak, plump Sprak", kann man also nicht wohl anwenden. Die Firma Krupp versteht es beinahe so meisterlich wie die Diplomaten, Worte zu gebrauchen, um Gedanken zu verbergen, um die Wahrheit zu verschleiern. Meine Herren, es ist allerdings sehr amüsant, wie dieser patriotischen Firma zur Bezeichnung dessen, was sie nicht bestreiten kann, Fremdwörter vorzüglich geeignet erscheinen. Da wird von „Repräsentationsgeldern" gesprochen. Sie haben einen sehr üblen Klang international, diese Repräsentationsgelder! Da wird vor allen Dingen gesprochen von Indiskretionen und eingeräumt, dass Indiskretionen allerdings zum täglichen Brot der Firma Krupp und aller Militärlieferanten gehören.

(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)

Ja, meine Herren, Indiskretion heißt auf deutsch die Aufdeckung eines Geheimnisses, nicht wahr?, einer diskreten Angelegenheit; Indiskretionen heißt also Verrat von Geheimnissen. Der Ausdruck ist etwas sanfter, diplomatischer.

Aber einmal wirkt ein Fremdwort einigermaßen aufreizend; Herr Dr. Hugenberg findet, dass das, was er zugeben müsse, Lappalien seien. Ich muss lebhaft bedauern, dass dieser Herr die öffentliche Meinung so niedrig einschätzt, als könne sie etwa auf eine solche Perversion der allgemeinen Moral eingehen. Im Zusammenhange mit unzweifelhaften Bestechungen von Bagatellen oder Lappalien zu sprechen, mutet geradezu frivol an.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Dann aber kommt noch eine ganz besonders schöne Bemerkung, auf die sich die Firma Krupp ein Patent geben lassen sollte. Es heißt, dass Brandt „die Mitteilsamkeit seiner Bekannten in strafbarer Weise zu erhöhen gesucht haben soll". Das ist ein schönes Wort; vielleicht wird es einmal die Legaldefinition einer bestimmten Art der Bestechung.

Meine Herren, alles beweist, dass die Firma Krupp den Ernst der Situation bisher noch nicht recht eingesehen hat, und beweist in viel höherem Grade, als ich bisher zu beweisen imstande war, dass die geschäftliche Moral – allerdings nun hier nachweislich der Zentrale dieses Werks – außerordentlich bedenklich zu wünschen übrig lässt.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Hat sich doch sogar Herr Dr. Hugenberg nicht gescheut, mir politische Heuchelei vorzuwerfen! Höher geht es wahrhaftig nicht! Und schließlich erdreistet sich der Herr zu sagen, dass es im Grunde genommen überhaupt keinen Fall Krupp gäbe, sondern einen Fall Liebknecht,

(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)

ein Maß an Selbsttäuschung, das, wie mir scheint, nur tiefster Verlegenheit entspringen kann.

Meine Herren, die Firma Krupp hätte alle Veranlassung, die Öffentlichkeit nicht durch weitere derartige Verteidigungsversuche noch mehr aufzuregen.

Ich habe heute keinen Grund, mich weiter mit ihr zu befassen. Was ich gesagt habe, bleibt Wort für Wort aufrechterhalten. Durch die Ableugnungen der Firma Krupp ist im Wesentlichen nur alles bestätigt. Noch darüber hinaus: Es liegt das Geständnis einer tief bedenklichen geschäftlichen Moral vor.

(„Sehr wahr!" bei den Sozialdemokraten.)

Und damit hat mich die Firma Krupp selbst aller weiteren Mühe vorläufig enthoben.

Meine Herren, ich habe infolgedessen nur noch nötig, vielleicht mit einer kurzen Bemerkung – –

(Unruhe rechts.)

Nun, meine Herren, ich hoffe, Sie kommen schon noch zu der gewünschten Sensation, aber an einer anderen Stelle.

(Zuruf rechts.)

Meine Herren, ich will mich nicht mit Einzelheiten befassen, deren Erwähnung angesichts der Lobeshymnen auf die Firma Krupp nahe genug liegen würde. Ich will nicht darauf eingehen, dass der berühmte Friedrich Krupp Ritter der französischen Ehrenlegion war, ernannt durch Napoleon III. Ich will nicht davon sprechen, dass es die deutschen Soldaten 1870/71 nicht etwa Krupp, dem großen Patrioten, sondern Napoleon III. und seinen Räten zu verdanken hatten, wenn ihre Knochen nicht von deutsch-völkischen Kruppschen Kanonen zerschmettert worden sind. Ich will auch das Thema der Kruppschen „Gesandtschaften" in allen möglichen europäischen und außereuropäischen Hauptstädten nicht erörtern. Meine Herren, ich will nur noch an die Bemerkung eines Fachmanns, des Herrn von Perbandt, erinnern, nämlich, dass „unter allen wettstreitenden Kanonenfirmen keine so umfangreich und so systematisch mit anderen als technischen Mitteln arbeitet wie die Firma Krupp".

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Das ist auch diplomatisch ausgedrückt, aber wir verstehen es, denke ich, doch wohl alle.

(Heiterkeit und Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Nun, lassen wir die Firma Krupp beiseite. Ich will mich auch nicht mit einigen anderen großen Firmen und ihren Praktiken beschäftigen; dazu wird anderen Orts Gelegenheit sein.

Meine Herren, im Zusammenhang mit den Erörterungen, die an meine Ausführungen anknüpften, wurde, wie bereits mein Freund Stücklen andeutete, das Gerücht kolportiert, dass der Herr Kriegsminister nächstens das Zeitliche segnen werde.

(Zurufe.)

Aber das meine ich doch natürlich; wir sprechen doch hier nur vom Politischen. Also: als Kriegsminister das Zeitliche segnen! Es war der „Lokal-Anzeiger", den wir als das offiziöse Organ der Offizierskamarilla bezeichnen dürfen, der diese Nachricht zunächst brachte. Meine Herren, der Herr Kriegsminister würde sich, glaube ich, in der gesamten anständigen öffentlichen Meinung, in der großen Masse der deutschen Bevölkerung einen ausgezeichneten Rückhalt sichern können, wenn er die Enquete, die jetzt über die Rüstungslieferanten veranstaltet werden soll, mit aller Rücksichtslosigkeit durchführt, soweit ihm irgend die Macht dazu gegeben ist. Wenngleich ja die Formen, unter denen diese Enquete stattfinden soll, außerordentlich wenig erfreuliche, wenig erfolgversprechende sind und die Besorgnis, dass Vertuschung versucht werde, ziemlich naheliegt, so kann doch gerade darum hier der Herr Kriegsminister Gutes, Bedeutendes leisten.

Ich möchte hierbei darauf aufmerksam machen, dass die Aufgabe des Reichstags sich nicht auf eine Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verwendung von Etatmitteln beschränkt, sondern dass wir, da das Budgetvotum auch ein politisches Votum ist, uns über den gesamten Umfang der Amtsführung des Ministers und über alle Vorgänge in seinem Ressort nach allen Richtungen hin zu unterrichten haben, um über die Gehaltsbewilligung, als die politische Decharge, schlüssig werden zu können. Aus diesem politischen Charakter des Votums zum Etat geht vor allem unser Recht hervor, umgehend in alle Einzelheiten dieser Angelegenheit hineinzuleuchten.

Der Herr Kriegsminister wird allerdings großen Schwierigkeiten begegnen; die Widerstände, die sich einer Aufdeckung der Machenschaften der Rüstungsinteressenten entgegenstellen, werden kolossale sein. Es sind gewaltige Kapitalcliquen, die die Rüstungsproduktion in der Hand haben, und es sind mit diesen Kapitalcliquen aufs Engste versippt andere großkapitalistische Unternehmungen zum Teil industrieller Art, zum Teil Banken von größtem Einfluss. Außerdem hat man zu gewärtigen, dass ein gewisser Afterpatriotismus sich breitmachen wird mit dem Ziele zu verhindern, dass allzu viel aufgedeckt werde, damit nicht Deutschland, wie man meint, in der Welt bloßgestellt werde.

Meine Herren, das Auswärtige Amt hat eine Erhebung veranstaltet, um einen Überblick zu gewinnen, in welchem Umfange ausländisches Kapital bei in Deutschland betriebenen gewerblichen Unternehmungen beteiligt ist. Diese Enquete kann leicht nahezu erfolglos verlaufen; denn einmal ist ungemein schwer festzustellen, in was für Händen jeweils die anonymen Kapitalanteile sich befinden, und dann dürfen wir eines nicht vergessen, worauf gerade die künftige Untersuchungskommission das intensivste Augenmerk zu lenken hat: Mag nämlich das Eigentum an den einzelnen Unternehmungen, juristisch betrachtet, in Händen sein, in welchen es will – durch die Tatsache, dass großkapitalistische Unternehmungen in Konzernen, in Kartellen vereinigt sind und dass dadurch enge, engste Verbindungen zwischen deutschen kapitalistischen Unternehmungen und ausländischen hergestellt sind, wird ein Moment, das die Aufhellung außerordentlich erschwert, gerade auch in die Untersuchung über das Rüstungskapital hineingetragen.

Die Kartellierung des Kapitals im Inlande und diejenige zwischen dem inländischen und ausländischen Kapital schließt natürlich nicht etwa die gegenseitige Begaunerung der einzelnen kapitalistischen Unternehmungen aus. Man darf also nicht meinen, dass mehrere Unternehmer der Rüstungsindustrie, die einander hinters Licht zu führen suchen, folglich nicht im Kartell sein können; das wäre ein Trugschluss.

Meine Herren, ich will es bei diesen allgemeinen Bemerkungen bewenden lassen. Der Herr Kriegsminister wird bei der bevorstehenden Untersuchung schwere Anfechtungen erfahren, gegen die vielleicht die Versuchungen des heiligen Antonius ein Kinderspiel sein werden,

(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)

und der Herr Kriegsminister wird als ein Herkules am Scheidewege sich wohl entscheiden müssen, ob er die Sympathien mächtigster kapitalistischer Gruppen verscherzen und dafür die Sympathie der großen Masse der Bevölkerung eintauschen will. Es wird ihm möglicherweise diese Alternative gestellt sein.

Meine Herren, besondere Schwierigkeiten für die Untersuchung ergeben sich auch daraus, dass gewisse Beamtenposten besonders in der Militärverwaltung geradezu systematisch als Durchgangsposten für gute Pfründen in der Privatindustrie betrachtet werden.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Die persönliche Versippung der militärischen Bürokratie und der hohen Angestellten des privaten Rüstungskapitals ist eine ganz besonders starke; es wird Gelegenheit gegeben sein, das im Einzelnen darzutun. Ich will jetzt nur ein paar Namen nennen: die früheren Inspekteure Exzellenzen Fromm und Könne; die früheren Direktoren Hirschberg, Kummer, Etscheid, Exzellenz Brandt, Passauer und andere, die früher in der Militärverwaltung tätig waren, heute in der Privatrüstungsindustrie eine große Rolle spielen und noch heute – ich habe das im vergangenen Jahre bereits erwähnt – in den staatlichen Werkstätten ein- und ausgehen, als ob sie dort zu Hause seien.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Dass die gekennzeichneten Machenschaften der Rüstungsinteressenten nicht nur in Deutschland vorkommen, sondern international sind und dass sich meine Angriffe infolgedessen gegen das internationale Rüstungskapital wandten, habe ich, glaube ich, deutlich genug zum Ausdruck gebracht. Ich will aber für die Herren, die das Bedürfnis haben, sich darüber weiter zu orientieren, nur kurz hinweisen auf die Schrift Delais' „La Démocratie et les Financiers", auf die kleine instruktive Schrift von de Souza Dantas „La Paix et les Armements", wo speziell über französische Verhältnisse geschrieben ist; dann auf die Schrift von Eugene Turpin „La spoliation, persécution et haute trahison pour la patrie", weiter auf die Broschüre der Friedensliga über Rüstungskartelle, schließlich auf die Schriften von Ludwig Pfeiffer, die zwar nicht überall nur nackte Tatsachen enthalten, deren interessanten Kombinationen man aber die Zustimmung vielfach nicht wird versagen können.

Es ist bereits angedeutet, dass speziell in Bezug auf das englische Rüstungskapital wiederholt dergleichen Dinge aufgedeckt worden sind. Es handelt sich dabei insbesondere um Vickers Limited, John Brown and Company Limited, Armstrong, Withworth and Company Limited, Maxim usw., die einen Konzern gegründet haben, der auch politisch in höchstem Maße gefährlich ist und dem man ganz klar nachgewiesen hat, dass er der wesentliche Urheber des Transvaalkrieges, des „Jameson Raid" gewesen ist.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

An den Namen Jameson knüpfen sich in dieser Beziehung die allerbedenklichsten Erinnerungen.

In Frankreich haben wir ja dasselbe. Im selben Augenblick, wo wir uns in Deutschland bemühen, im Interesse des internationalen Friedens die Machenschaften der deutschen Rüstungsinteressenten aufzudecken, haben unsere Freunde in Frankreich das gleiche insbesondere gegen die Firma Schneider-Creusot unternommen. Die Veröffentlichungen in der „Humanité" sind schlagend. Sie beweisen auf das deutlichste, wie diese Rüstungsinteressenten im Bunde mit den Banken internationale Politik gemacht haben,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

vor allem auf dem Balkan in Bezug auf Bulgarien und Serbien, wie von diesen Firmen geradezu erpresserisch verfahren und wie von ihnen ein unmittelbares Interesse an dem Balkankriege betätigt worden ist.

Der Herr Kriegsminister hat neulich gemeint, ob ich denn behaupten wollte, dass der Balkankrieg durch Rüstungsinteressenten hervorgerufen sei. Auch bei dem Ausbruch des Balkankrieges haben sicher sehr unsaubere Hände mitgewirkt. Dass gerade das französische Rüstungskapital hier eine recht erhebliche Rolle nachweislich gespielt hat, kann nach den Veröffentlichungen der „Humanité" nicht bezweifelt werden.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Aber ich möchte mich mit Deutschland befassen und zunächst eine kurze Bemerkung vorausschicken, bevor ich auf das Wesentlichste eingehe, was ich zu sagen habe.

(Lachen rechts und im Zentrum.)

Wenn Ihnen das, was ich jetzt gesagt habe, bereits so wichtig erschien,

(Rufe rechts und im Zentrum: „Nein!")

dann können Sie daraus ermessen, wie wichtig das sein wird, was ich Ihnen noch sagen werde.

(Große Heiterkeit.)

Also bitte! Es interessiert mich außerordentlich, in einem sehr wohlgesinnten Organ, nämlich der „Deutschen Tageszeitung", zu lesen, dass die Solinger Waffenindustrie ganz besonders beglückt sei durch die großen Aufträge, die ihr aus dem Auslande zuteil geworden sind, insbesondere Aufträge aus Russland.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Wenn es einen Staat gibt, in Bezug auf den vielleicht eine Kriegsgefahr besteht, dann ist das doch, wie mir scheint, am ehesten noch Russland. Und ausgerechnet unsere patriotische Solinger Waffenindustrie ist darüber beglückt, den Russen deutsche Waffen liefern zu können, auf dass die russische Armee, wenn der Fall eintritt, den so mancher Pessimist fürchtet und den mancher Waffenlieferantenoptimist erhofft, mit deutschen Waffen deutsche Soldaten niedermetzeln kann.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, bei Aufdeckung der Internationale des Rüstungskapitals hat Dillingen eine bedeutsame Rolle gespielt; daher noch ein Wort über dieses Werk. Der Herr Kriegsminister hat es neulich für gut befunden, Dillingen von sich abzuschütteln, indem er bestritt, mit Dillingen in geschäftlicher Beziehung zu stehen. Ich will das nicht weiter nachprüfen, obwohl mir angedeutet ist, dass aus den Dillinger Werken Panzerplatten für einzelne deutsche Festungen entnommen seien. Aber etwas lieblos war doch die Antwort. Wenn der Kriegsminister mit der Firma nichts zu tun hat, so ist es doch sein Freund und Kollege im Reichsmarineamt, der mit Dillingen außerordentlich viel zu tun hat, der sich allerdings bei den Erörterungen der letzten Woche hier nicht hat sehen lassen, der sich bisher auch amtlich nicht geäußert hat, der Dillingen nicht von sich abgeschüttelt hat, ebenso wenig wie der Herr Reichskanzler bis dato Veranlassung genommen hat, sich irgendwie zu dieser das Wohl des Reiches lebhaft interessierenden Angelegenheit zu äußern.

Nun, meine Herren, der Entschuldigungsversuch der Dillinger Werke ist von dem Regierungsrat Martin alsbald scharf angefochten worden. Tatsache soll sein, dass ein französischer Reserveoffizier im Aufsichtsrat der Dillinger Werke sitzt. Ich will auch den Fall Dillingen jetzt nicht weiter erörtern, aber von dem Herrn Kriegsminister erwarte ich Auskunft darüber, ob denn auch sein Freund und Kollege vom Reichsmarineamt die Dillinger Werke so vollkommen preisgibt wie er.

Nun zu den Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken! Der Brief, den ich zitiert habe, ist vom Herrn Kriegsminister entschuldigt worden. Der Herr Kriegsminister ist wohl der einzige Mensch im Heiligen Römischen Reiche Deutscher Nation, der die unglaublich faule Ausrede der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken für bare Münze genommen hat, dass dieser Brief nur ein Fühler sein sollte, um festzustellen, dass Frankreich keine Maschinengewehre anschaffen wolle, während doch natürlich die Munitions- und Waffenfabrik ein Interesse daran hatte, dass Maschinengewehre angeschafft wurden.

Ich weiß, dass dieser Brief in seiner Bedeutung sonst überall erkannt worden ist. Allerdings gibt es außer dem Herrn Kriegsminister leider, noch eine andere Stelle, wo diese Erkenntnis bisher gemangelt hat. Der Brief ist im Jahre 1907 geschrieben, er ist von mir im Dezember 1910 im „Vorwärts" erstmalig veröffentlicht worden, erstaunlicherweise ohne eine weitere Beachtung zu finden. Er ist dann im Reichstag vorgetragen worden. Einer der Unterzeichner ist der Herr von Gontard, heute noch leitender Geist der Munitions- und Waffenfabrik. Rund ein Jahr nach der Veröffentlichung dieses Briefes ist Herr von Gontard aus besonderem königlichen Vertrauen in das preußische Herrenhaus berufen worden.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, ein würdiger Zuwachs!5

Dass dieser Herr v. Gontard ungefähr vor drei Jahren als Kandidat für das Portefeuille des Kriegsministers viel genannt wurde, dürfte bekannt sein.

(Zurufe rechts.)

Natürlich, Sie wissen das besser, denn Sie sind hinter den Kulissen, wir kennen nur immer dasjenige, was sich vor den Kulissen abspielt; aber Sie plaudern dann und wann aus.

Dieser Herr v. Gontard hat einen Bruder, der Flügeladjutant

(Zurufe rechts)

oder General à la suite

(Widerspruch vom Bundesratstisch. – Rufe rechts: Nein! Nein!)

Also schön, meine Herren.

(Große Heiterkeit.)

Ich bitte Sie: ist das nicht ausgezeichnet für mich, das mir in diesem Falle vom Regierungstisch widersprochen worden ist? Daraus geht doch hervor, dass alles andere, was ich vorhin gesagt habe, auch nach der Ansicht der Regierungsvertreter richtig ist,

(große anhaltende Heiterkeit)

d. h. amtlich feststeht. – Ich weise nur darauf hin, dass es mir von verschiedenen Seiten, die es recht gut wissen müssen, versichert ist – (zum Bundesratstisch) ist es doch richtig?

(Zurufe)

Man scheint sich nicht ganz klar zu sein, – mir ist es versichert worden, aber es kann unrichtig sein. Gut, lassen wir das fallen.

(Heiterkeit.)

Aber das Übrige ist ohne Widerspruch geblieben und damit – –

(Zurufe und Heiterkeit.)

Hören Sie doch weiter, meine Herren, dieser Herr v. Gontard, aber nun der richtige Herr v. Gontard, der Briefautor, ist auch Mitglied des Johanniterordens,

(Zuruf: Der andere! – große Heiterkeit)

ist auch Mitglied des Johanniterordens und außerdem – Geheimer Kommerzienrat,

(Heiterkeit und Zurufe)

was sich ausgezeichnet miteinander zu vertragen scheint.

(Große anhaltende Heiterkeit.)

Aber meine Herren, glauben Sie denn, dass Sie ihre Verdeckungs- und Verdunkelungsmanöver schon jetzt durch derartiges Verhalten beginnen dürfen?

Präsident: Herr Abgeordneter Liebknecht, Sie dürfen einem Teile des Hauses nicht Verdeckungs- und Verdunkelungsmanöver vorwerfen. Ich bitte Sie, derartige Ausdrücke nicht zu gebrauchen!

(Große Unruhe.)

Dr. Liebknecht, Abgeordneter: Meine Herren, Gott, wenn er nicht Geheimer Kommerzienrat ist, dann ist er vielleicht Geheimer Baurat oder dergleichen!

(Große Heiterkeit.)

Aber meine Herren, wie unglaublich kleinlich ist doch die Auffassung, als ob Sie, indem Sie an diesem oder jenem Titel etwas herum mäkeln, das Wesentliche an der Sache aus der Welt schaffen könnten! Es kann gewiss keinen guten Eindruck erwecken, wenn Sie das Entscheidende, worum es sich handelt, durch ein derartiges Gelächter verdecken wollen.

(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. – Lachen rechts.)

Gerade für die Rechte des Hauses sollte das Wesentliche sein, dass der Herr v. Gontard Mitglied des preußischen Herrenhauses ist, und zwar dass er nach der Veröffentlichung dieses Briefes aus besonderem Königlichen Vertrauen berufen worden ist.

(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, das ist eine Tatsache, die Sie verstummen machen sollte, und die Sie hindern sollte, in dieser, wie mit scheint, der Sache wenig entsprechenden Weise Ihre wenig ernsthaften Empfindungen zum Ausdruck zu bringen. Aber Sie scheinen den Ernst der Situation noch nicht verstanden zu haben.

(Lachen rechts.)

6Meine Herren, dieselbe Munitions- und Waffenfabrik will ich Ihnen jetzt in einer neuen Rolle vorführen, die für Sie vielleicht nicht ohne Interesse sein wird. Ich will wissen, ob Sie dann wieder Ihr Gelächter beginnen werden.

Meine Herren, ich habe bislang den Beweis dafür, dass das Rüstungskapital international versippt und konzerniert ist, noch nicht buchstäblich dokumentarisch geführt. Jetzt bin ich in der Lage, Ihnen hier einen dokumentarischen Beweis dafür zu bringen. Betroffen sind davon folgende Firmen: die Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken in Berlin, die Waffenfabrik Mauser Aktiengesellschaft, Oberndorf am Neckar; dann die Österreichische Waffenfabrikationsgesellschaft in Wien – und nun, bitte, hören Sie – die Fabrique nationale d'armes du guerre in Herstal in Belgien, in der wesentlich französisches Kapital investiert ist.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, zwischen diesen Firmen ist im Jahre 1905 zunächst auf zehn Jahre – ein Kartellvertrag abgeschlossen worden, der im Jahre 1907 ergänzt worden ist. Der erste Vertrag von 1905 bezieht sich ausschließlich auf Russland, Japan, China und Abessinien, der zweite Vertrag aber bezieht sich, wie es darin heißt, auf „alle übrigen Länder mit nachstehenden Ausnahmen". Diese Ausnahmen bestehen nun darin, dass einzelnen der Kartellfabriken einzelne Länder reserviert sind.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten. Zwischenrufe rechts.)

Ja, meine Herren, der österreichischen Fabrik ist zum Beispiel Österreich reserviert, der belgischen Belgien und der Kongo, den Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken Deutschland usw.

(Stürmische Heiterkeit.)

Aber meine Herren, Sie scheinen mir die Bedeutung der Sache noch immer nicht zu verstehen.

(Lebhafte Rufe rechts: „Nein! Nein!" Große Unruhe.)

Meine Herren, Sie scheinen aus dem sehr lebendigen Gefühl dessen heraus, wessen Interessen hier von Ihnen zu vertreten sind, Ihr Verhalten auf meine, wie mir scheint, außerordentlich gravierenden Mitteilungen einzurichten.

(Erneute große Unruhe.)

Meine Herren, wollen Sie denn durch Ihr Verhalten beweisen, dass wenn man bisher annehmen konnte, dass die aufgedeckten Dinge überall im Reichstag missbilligt werden, wollen Sie dann, meine Herren (nach rechts), durch Ihr heutiges Verhalten beweisen, dass Sie von jetzt an vor der ganzen Welt für diese Dinge mit verantwortlich sein wollen?

(Große Unruhe rechts.)

Sie übernehmen diese Verantwortung durch Ihr jetziges Verhalten.

(Andauernde große Unruhe. Zuruf rechts: „Unverschämtheit!" Zurufe von den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, wenn Sie rufen „Unverschämtheit" – nun, ich lege kein Gewicht auf die unartikulierten Laute, die gewohnheitsgemäß von der rechten Seite des Hauses ausgestoßen werden.

(„Bravo!" bei den Sozialdemokraten.)

In welcher Weise mich diese Manieren berühren, habe ich ja vorhin bereits zum Ausdruck gebracht. Ihr guter Ton, meine Herren (nach rechts), ist ja sprichwörtlich und vorbildlich. Sie führen hier ein kleines Stück preußischen Abgeordnetenhauses auf.

(Lachen rechts. – „Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, dieser Vertrag zwischen den genannten Fabriken geht dahin, dass sie in ihren jeweiligen Vaterländern zur Erleichterung der „patriotischen" Ausbeutung die ausländische Konkurrenz ausschalten und im Übrigen sich gegenseitig den Profit garantieren,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

ganz ähnlich wie bei dem löblichen Marinekonzern; sie verteilen den Gewinn aus ihren Lieferungen gemeinsam und kontrollieren sich gegenseitig. Es wird ein Schiedsgericht zur Austragung etwaiger Differenzen berufen. Geheimnisse gibt es unter ihnen natürlich nicht. Sie haben sich vertragsmäßig Zeichnungen und Konstruktionen gegenseitig auszuliefern. Sie übernehmen die Rüstungsausbeutung der Völker Europas und der übrigen Welt gemeinsam – nach bestimmten Anteilen – in Entrepris. In dem Ergänzungsvertrag heißt es charakteristischerweise, dass Lieferungen an Bulgarien und Rumänien den österreichischen Fabriken überlassen bleiben.

(Lebhaftes „Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, ich halte es für nötig, dies im Interesse der Aufklärung aller österreichischen Friedensfreunde hier besonders zu unterstreichen.

(„Sehr gut!" bei den Sozialdemokraten.)

Die bulgarischen Waffen dürften hiernach unter dem Segen dieses internationalen Konzerns des Rüstungskapitals wohl mindestens zu einem guten Teil von einer österreichischen Fabrik geliefert worden sein.

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Ähnliches gilt von Serbien. Meine Herren, das sind diejenigen Staaten, von denen Österreich in erster Linie zu gewärtigen hat, dass es mit ihnen in Konflikt geraten könnte.

Meine Herren, die beiden Verträge, deren Veröffentlichung ja nun veranlasst werden wird, so dass Sie in der Lage sein werden, sich mit allen Einzelheiten dieser Ungeheuerlichkeit zu befassen, beweisen aufs Deutlichste die außerordentliche Gefährlichkeit des Rüstungskapitals für den Völkerfrieden.

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

Sie beweisen die vollkommene Skrupellosigkeit und insbesondere Vaterlandslosigkeit des Rüstungskapitals

(„Sehr richtig!" bei den Sozialdemokraten.)

so evident, wie es bisher dokumentarisch noch kaum hat nachgewiesen werden können. Das sind dann die großen Patrioten, die uns wagen vorzuwerfen, dass wir vaterlandslose Gesellen seien!

Dieselbe Munitions- und Waffenfabrik, die jenen Brief nach Paris geschrieben hat, den ja auch Sie (nach rechts) neulich gemissbilligt haben, heute aber zu billigen scheinen,

(Lachen rechts.)

diese selbe Munitions- und Waffenfabrik, deren Leiter danach in das preußische Herrenhaus berufen worden ist, ist beteiligt an einem internationalen Konzern, der sich insbesondere zur Aufgabe gesetzt hat, Russland mit Waffen zu versorgen,

(Lebhaftes „Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

Russland mit Waffen zu versorgen! Das ergibt der Vertrag. Russland ist der Name, der schon in dem Vertrag von 1905 an erster Stelle genannt ist.

Nun, meine Herren, wir unterschätzen ganz gewiss nicht die Gefahr für den Frieden, die durch die bonapartistischen Schürer vom Schlage der Hintermänner der „Post" und auch der „Kreuz-Zeitung" herbeigeführt wird; die Jahre 1909 und 1910 haben uns hier drastisch belehrt. Ebenso wenig unterschätzen wir ganz gewiss nicht die große Gefahr für den Frieden, die in der Wühlarbeit jener Offizierskamarilla liegt, als deren Repräsentant in diesem Hause der deutsche Kronprinz gegen den Reichskanzler demonstriert hat.

(Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abgeordneter, ich habe eben gehört, dass Sie den Kronprinzen als Führer der deutschen Offizierskamarilla genannt haben. Ich halte das durchaus für unzulässig und rufe Sie deshalb zur Ordnung!

(„Bravo!" rechts.)

Liebknecht: Meine Herren, „ein süßer Trost ist Ihnen geblieben"!

Aber die größte Gefahr bilden nach wie vor die Rüstungsinteressenten mit ihrem zähen, rastlosen, kein Mittel scheuenden Bemühen, den Zündstoff zu vermehren und nach Möglichkeit auch die Lunte an das Pulverfass zu legen. Gerade nach den neulichen Verhandlungen im Reichstag, die so viel Staub aufgewirbelt haben, hat sich „Die Post", dieses vom Rüstungskapital ausgehaltene Blatt, wiederum in so unerhört rohen Ausfällen gegen Frankreich ergangen, dass sogar der Herr Reichskanzler dagegen hat Front machen müssen!

Ich sage, meine Herren, wenn es uns angesichts aller dieser Vorgänge in immer weiterem Umfange und immer leichter gelingt, die große Masse der Bevölkerung in Deutschland und auch in den anderen Militärstaaten daran zu gewöhnen, hinter dem gleißenden Prunk des patriotischen Aufputzes grinsen zu sehen jene auri sacra fames, jene verfluchte reißende Gier nach Gold, insbesondere des Rüstungskapitals, so dürfen Sie sich nicht wundern. Ich könnte ja auch den Herrn Gans Edler zu Putlitz als Kronzeugen anrufen, der im vergangenen Jahre unsere Regierung gemahnt hat, auf der Hut zu sein, auf dass wir nicht in „kapitalistische Kriege" verwickelt werden.

Wir müssen nach alledem auch den Herren am Ballhausplatz in Wien raten, sich vorzusehen auch vor den österreichischen Rüstungsinteressenten, die sicherlich aus keinem andern Holze sind als die deutschen. Die österreichische Regierung mag aus dem Mitgeteilten die Gewissheit entnehmen, dass ihr im Fall eines Krieges aus russischen Kanonen und Flinten Grüße der österreichischen Rüstungsinteressenten und ihrer französischen Profitverbündeten zugesandt werden. Die österreichischen Soldaten, wenn sie zerschmettert und verblutend auf den Schlachtfeldern liegen, werden sich trösten können in dem patriotischen Gedanken, dass die russischen Mordinstrumente ihnen Tod und Vernichtung gebracht haben, aber dem österreichischen Kapital lieblich klingenden Profit. Und, meine Herren, wenn dann die deutsch-österreichische Nibelungentreue sich weiter dahin bewähren wird, dass, bei einem gemeinsamen Krieg Deutschlands und Österreichs gegen Russland, die deutsch-österreichischen Soldaten sterben können in dem beruhigenden Gefühl, dass die Geschosse des Feindes von einem Finanzkonzern fabriziert sind, in dem deutsches und österreichisches und französisches Kapital – in einem neuen Dreibund – gemeinsam wirkt, dann, bin ich fest überzeugt, wird das sehr dazu beitragen, den Patriotismus, die Kriegsbegeisterung, den Todesmut der Söhne Österreichs und Deutschlands zu stärken!

Meine Herren, es handelt sich gegenwärtig – das muss hier mit einem Wort gesagt werden – um jenes sagenhafte Prestige Österreichs, das angeblich durch die momentane internationale Situation gefährdet sein soll. Es ist aber nicht wahr, dass dieses Prestige ein Prestige des österreichischen Volkes sei; es ist nur ein Prestige der österreichischen Diplomatie, und dieses Prestige der österreichischen Diplomatie hat meiner Ansicht nach keine hinreichende Bedeutung, um etwa den Anlass zu einer internationalen Auseinandersetzung zu bieten. Es darf heute nicht in Variation des Horazischen Wortes heißen: Quidquid delirant diplomati, plectuntur Achivi. Für die Fehler und die Sünden der Diplomaten haben die Völker keine Veranlassung, sich in Kriege hineinhetzen zu lassen, zu verbluten.

Aber im Interesse der Aufrechterhaltung des Friedens, im Interesse der Förderung der Bestrebungen, die verhindern sollen, dass um eine solche wahnwitzige Prestigepolitik Europa in einen Krieg gebracht werde, ist es erforderlich, vor aller Welt einmal wieder mit Fingern auf jene Kapitalcliquen zuweisen, deren Interesse und deren Nahrung der Völkerunfriede, der Völkerzwist, der Krieg ist; ist es erforderlich, den Völkern zuzurufen: das Vaterland ist in Gefahr! Es ist aber nicht in Gefahr vor dem äußeren Feinde, sondern vor jenen gefährlichen inneren Feinden, vor allem vor der internationalen Rüstungsindustrie.

(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten. Zischen und Unruhe rechts und bei den Nationalliberalen. Erneuter lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)7

V

26. April 1913

Liebknecht: Meine Herren, als ich vorhin bemerkte, Herr v. Gontard habe einen Bruder, der Flügeladjutant sei oder eine ähnliche Stellung einnehme, hat der Herr General v. Wachs durch energisches Kopfschütteln angedeutet, dass ich mich irrte; die Begeisterung der Rechten dieses Hauses darüber ist Ihnen ja noch in Erinnerung. Der Herr General v. Wachs hat mir mitteilen lassen, dass er sich bei seinem Kopfschütteln geirrt hat,

(„Hört! Hört!" bei den Sozialdemokraten.)

und dass ich Recht gehabt habe,

(erneute Rufe „Hört! Hört!")

dass also die Herren auf der Rechten sich im Grunde selbst ausgelacht haben.

(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, der Herr Kriegsminister – von allem Übrigen will ich absehen; denn er ist auf das Wesentliche, wovon ich gesprochen habe, ist er nicht eingegangen – hat gemeint, ich hätte ihm schon im Voraus vorgeworfen, dass er irgendwelchen Versuchungen zum Opfer fallen werde. Das ist nicht der Fall. Ich habe heute, genau wie neulich, konstatiert und daran festgehalten, dass der Herr Kriegsminister bisher seine volle Schuldigkeit getan hat

(Zuruf von den Sozialdemokraten.)

in dieser Angelegenheit natürlich, von der ich ja allein sprach und spreche! Ich habe nur gewarnt vor den großen Versuchungen, die an ihn herantreten werden;

(„Sehr richtig!“ bei den Sozialdemokraten.)

ich habe mir nur erlaubt, den getreuen Eckardt des Herrn Kriegsministers zu spielen.

(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten. – Lachen rechts.)

Gegenüber dem Herrn Abgeordneten Liesching Folgendes. Er hat meine Ausführungen über jenen Kartellvertrag der 4 Waffenfabriken vollkommen missverstanden. Ich habe meine Ausführungen speziell dahin zugespitzt, dass in diesen 4 Fabriken deutsches, österreichisches, französisch-belgisches Kapital gemeinsam die Ausbeutung der ganzen Welt arbeitet,

(„Sehr richtig!“ bei den Sozialdemokraten.)

dass die ganze Erde unter diese vier großen Kapitalistengruppen verteilt ist zum Zwecke der Ausbeutung bei den Rüstungslieferungen. Die Internationalität, diese Vaterlandslosigkeit, diese Skrupellosigkeit des Kapitals war es, deren Kennzeichnung meine Aufgabe bildete, zum Beweise für die friedensstörende Gemeingefährlichkeit des Rüstungskapitals.

(„Bravo!“ bei den Sozialdemokraten. – Große Unruhe.)

1 Am 14. April 1913 verhöhnten chauvinistisch beeinflusste französische Studenten in Nancy mehrere deutsche Reisende mit Witzeleien und Pfiffen, weil sie in ihnen deutsche Offiziere vermuteten. Zu einem ähnlichen unbedeutenden Vorfall kam es auch in Besançon Die deutsche Monopolpresse bauschte diese Vorkommnisse maßlos auf, um nationalistische Gefühle zu erzeugen und für die Annahme des Heeresetats und der neuen Heeresvorlage Stimmung zu machen.

2 Die Passage ab „Parteigenossen, in der Tat“ bis hierher fehlt in den „Reden und Schriften“.

3 1893/1894 fanden in Frankreich zwei aufsehenerregende Prozesse statt, die eine große Betrugs- und Bestechungsaffäre im Zusammenhang mit dem Bau des Panamakanals durch eine französische Aktiengesellschaft aufdeckten. Angelehnt an den Panamaskandal wurden späterhin weitere große Betrugsaffären als „Panama" bezeichnet.

4 Gestalt aus Lessings „Minna von Barnhelm.". Die Red.

5 Die folgende Passage fehlt in den „Reden und Schriften“

6 Ab hier wieder in den „Reden und Schriften“

7 Hier endet die Wiedergabe in den „Reden und Schriften“

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